Für die konfliktiven Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei spielen spätestens seit den 1950er Jahren die Ereignisse auf der unscheinbar wirkenden Mittelmeerinsel Zypern eine ganz entscheidende Rolle. Wenn von Zypern die Rede ist, so assoziiert man damit in der Regel den seit mehr als vierzig Jahren bestehenden Zypernkonflikt sowie die anhaltende Teilung der Insel. Neben anderen Differenzen und Streitfragen handelt es sich um einen der elementarsten und zugleich auch einen der ältesten noch bestehenden Konflikte zwischen Griechenland und der Türkei.
Der Zypernkonflikt ist aber auch hinsichtlich seiner Komplexität beachtenswert, da es sich um einen Zwei-Ebenen-Konflikt handelt: zum einen zwischen griechischen und türkischen Zyprioten, zum anderen zwischen den Mutterländern Griechenland und der Türkei. Man unterscheidet infolgedessen konkret zwischen dem Konflikt auf Zypern und dem Konflikt um Zypern. Neben den Konfliktbeteiligten ist aber auch die Konfliktentwicklung zu beachten. Aus einem „einfachen Konflikt“ zwischen zwei Volksgruppen hat sich ein Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland herausgebildet. Der Zypernkonflikt wurde somit Teil des grundsätzlichen Konflikts zwischen den beiden Staaten.
Die Forschung beschäftigt sich zumeist mit den Ursachen, dem Verlauf, aber auch mit den Krisenpotentialen des Zypernkonflikts, zum Teil werden auch die auf Zypern entstandenen Identitäten für eine Erklärung der Genese des Konflikts herangezogen. Vor dem Hintergrund der Relevanz des Zypernkonflikts für die griechisch-türkischen Beziehungen intendiert diese Hausarbeit zu ergründen, wie sich aufgrund eines konstruktivistischen Erklärungsmodells die griechische Zypernpolitik gegenüber der Türkei im Zeitraum vor und nach dem EU-Beitritt der Insel 2004 erklären lässt.
Die griechisch-türkischen Beziehungen sind, wie es dem Wesen sozialer Beziehungen entspricht, konstruiert, weshalb es für die folgende Untersuchung naheliegt, mit einem konstruktivistischen Erklärungsmodell zu arbeiten. Der Analysefokus liegt auf den Ursachen für die Herausbildung einer bestimmten griechischen Verhaltensnorm sowie auf den konkreten Verhaltensausprägungen auf Grundlage dieser Norm und der Entwicklung des griechischen Verhaltens über Zeit gegenüber der Türkei im Hinblick auf Zypern.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- I. Einleitung
- II. Überblick
- III. Der sozialkonstruktivistische Ansatz in der Außenpolitikanalyse
- IV. Das Analysemodell
- V. Arbeitshypothese
- 1. Der griechisch – türkische Gegensatz und die historischen Hintergründe zum Ausbruch des Zypernkonflikts
- 2. Die erste Phase bis 1974: „Enosis“ und „nationales Zentrum“
- 2.1. Der Beginn des Zypernkonflikts
- 2.2. Zwischenbewertung
- 2.3. Die türkische Militäroffensive und ihre Folgen
- 2.4. Ausdruck der dominanten Norm eines antagonistischen Verhaltens
- 3. Die zweite Phase von 1974 – 1996
- 3.1. Fortbestehende Ideen
- 3.2. Ideen im Wandel
- 3.3. Die Internationalisierung des Zypernkonflikts
- 3.4. Die Nationalisierung des Zypernkonflikts: Die Raketenkrise
- 3.5. Die Europäisierung des Zypernkonflikts als Teil der Internationalisierungsstrategie
- 3.6. Der Beitrittsantrag der Republik Zypern als „indirekte türkeipolitische Maßnahme“
- 3.7. Zwischenbewertung der Phase von 1974 – 1996
- 4. Die dritte Phase von 1996 – Anfang 2004: Wandel durch Annäherung?
- 4.1. „Low politics“
- 4.2. Die europäische Ebene: „Zivilisierung“
- 4.3. Erste Erfolge
- 4.4. Zwischenbewertung der Phase von 1996 – Anfang 2004
- 5. Die vierte Phase: Die Ereignisse des Jahres 2004 bis zum EU – Beitritt Zypern
- 5.1. Das gescheiterte Referendum
- 5.2. Die Analyse des einseitigen EU – Beitritts infolge des Negativ - Votums
- 5.3. Zwischenbewertung
- 6. Die fünfte Phase: 2004 (nach dem EU – Beitritt Zyperns) – 2015
- 6.1. Zwischenbewertung
- 6.2. Die griechische Zypernpolitik im Lichte der Aktualität
- 6.3. Zwischenbewertung
- 7. Schluss
- 8. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Hausarbeit untersucht, wie sich die griechische Zypernpolitik gegenüber der Türkei im Zeitraum vor und nach dem EU-Beitritt der Insel 2004 aufgrund eines konstruktivistischen Erklärungsmodells erklären lässt.
- Die Bedeutung des Zypernkonflikts für die griechisch-türkischen Beziehungen
- Der sozialkonstruktivistische Ansatz in der Außenpolitikanalyse
- Die Rolle von Ideen, Normen und Identitäten in der griechischen Zypernpolitik
- Die Entwicklung der griechischen Zypernpolitik in fünf Phasen
- Der Einfluss des EU-Beitritts Zyperns auf die griechische Zypernpolitik
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung führt in die Thematik des Zypernkonflikts und seine Relevanz für die griechisch-türkischen Beziehungen ein. Sie stellt die Forschungsfrage und die Arbeitshypothese der Hausarbeit vor. Der Überblick bietet eine kurze Zusammenfassung der Struktur der Arbeit. Kapitel III stellt den sozialkonstruktivistischen Ansatz in der Außenpolitikanalyse vor. Kapitel IV entwickelt ein Analysemodell, das auf der Identität des griechischen Volkes basiert. Kapitel V beleuchtet die historischen Hintergründe des Zypernkonflikts und gliedert die griechische Zypernpolitik in fünf Phasen.
Die folgenden Kapitel analysieren jeweils eine Phase der griechischen Zypernpolitik. Kapitel 2 behandelt die erste Phase bis 1974, die durch „Enosis“ und „nationales Zentrum“ geprägt war. Kapitel 3 untersucht die zweite Phase von 1974-1996, in der die Internationalisierung und Nationalisierung des Konflikts im Vordergrund standen. Kapitel 4 befasst sich mit der dritten Phase von 1996-Anfang 2004, die durch eine Annäherung zwischen Griechenland und der Türkei gekennzeichnet war. Kapitel 5 analysiert die vierte Phase von 2004 bis zum EU-Beitritt Zyperns, die durch das gescheiterte Referendum über den Annan-Plan und den einseitigen EU-Beitritt des griechischen Teils Zyperns geprägt war. Kapitel 6 betrachtet die fünfte Phase von 2004 (nach dem EU-Beitritt Zyperns) bis 2015.
Schlüsselwörter (Keywords)
Zypernkonflikt, griechisch-türkische Beziehungen, konstruktivistischer Ansatz, Außenpolitik, Identität, Ideen, Normen, EU-Beitritt, Europäisierung, Annäherung, Konfliktlösung, Internationalisierung, Nationalisierung.
- Arbeit zitieren
- Georg Gouvianakis (Autor:in), 2015, Der Zypern-Konflikt. Eine konstruktivistische Analyse der griechischen Zypernpolitik in der Zeit vor und nach dem EU-Beitritt der Insel 2004, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/308036