Sicherlich haben Sie schon einmal eine Person in Ihrem Leben getroffen, die Sie sofort unsympathisch oder gar unausstehlich fanden, wobei Ihr Begleiter jene Person als angenehm und ansprechend empfand.
Solche Unterschiede in der Wahrnehmung haben oft sehr wenig mit der Persönlichkeit und der Einstellung der wahrgenommenen Person zu tun. Tatsächlich liegt es daran, dass wir uns im Alltag von den unterschiedlichsten Faktoren, seien es besonders markante Eigenschaften oder auch der Kontext, in dem uns diese Person begegnet, beeinflussen lassen. So können wir diese Personen kaum noch objektiv beurteilen.
Doch was geschieht, wenn aufgrund solcher Faktoren fehlerhafte Beurteilungen in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl entstehen? Laut Schmidt-Atzert & Amelang ist die Beurteilung eines Bewerbers aufgrund der Beteiligung von einem oder mehreren Interviewern sehr fehleranfällig. So besteht die Gefahr einer fehlerhaften Einstellung, welche vermutlich erst über kurz oder lang deutlich wird und negative Folgen für Unternehmen haben kann.
Die Forschungsergebnisse von Barrick, Shaffer und DeGrassi machen deutlich, dass die körperliche Attraktivität einen hohen Einfluss auf die Beurteilung von potenziellen Kandidaten für eine zu besetzende Stelle hat. So kann das äußere Erscheinungsbild maßgeblicher für die Einstellung eines Bewerbers sein als seine berufliche Qualifikation.
In dieser Hausarbeit möchte ich Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie Fehleinschätzungen in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl aufgrund von fremdeingeschätzter physischer Attraktivität reduziert werden können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
1. Physische Attraktivität
1.1 Was ist physische Attraktivität?
1.2 Der Halo-Effekt
1.3 Die Gesichtsschönheit
2. Erkenntnisse über physische Attraktivität
2.1 Erkenntnisse zum Lichtbild
2.2 Diskriminierung attraktiver Frauen in der Personalauswahl
3. Beispiel für Fehleinschätzungen aufgrund physischer Attraktivität in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl
4. Handlungsempfehlungen für die Personalauswahl
4.1 Das anonymisiertes Bewerbungsverfahren
4.2 Das strukturierte Interview
4.3 Das strukturierte Telefoninterview
5. Persönliche Einschätzung der Handlungsempfehlungen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1: Weibliches und männliches Durchschnittsgesicht (links), virtuelle Miss Germany aus 22 Endrundenteilnehmern (rechts) (Asendorpf, 2011, S. 64)
Abb. 1.2: Mittelwertsunterschiede zwischen gemorphten und Originalgesichtern (Braun et al., 2001, S. 32)
Einleitung
Sicherlich haben Sie schon einmal eine Person in Ihrem Leben getroffen, die Sie sofort unsympathisch oder gar unausstehlich fanden, wobei Ihr Begleiter jene Person als angenehm und ansprechend empfand.
Solche Unterschiede in der Wahrnehmung haben oft sehr wenig mit der Persönlichkeit und der Einstellung der wahrgenommenen Person zu tun. Tatsächlich liegt es daran, dass wir uns im Alltag von den unterschiedlichsten Faktoren, seien es besonders markante Eigenschaften oder auch der Kontext in dem uns diese Person begegnet, beeinflussen lassen. So können wir diese Personen kaum noch objektiv beurteilen (Werth & Knoll, 2013, S. 35).
Doch was geschieht, wenn aufgrund solcher Faktoren fehlerhafte Beurteilungen in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl entstehen? Laut Schmidt-Atzert & Amelang (2012, S. 334) ist die Beurteilung eines Bewerbers aufgrund der Beteiligung von einem oder mehreren Interviewern sehr fehleranfällig. So besteht die Gefahr einer fehlerhaften Einstellung, welche vermutlich erst über kurz oder lang deutlich wird (Maas & Nitzschner, 2013) und negative Folgen für Unternehmen haben kann.
Die Forschungsergebnisse von Barrick, Shaffer und DeGrassi (2009, S. 1402) machen deutlich, dass die körperliche Attraktivität einen hohen Einfluss auf die Beurteilung von potenziellen Kandidaten für eine zu besetzende Stelle hat. So kann das äußere Erscheinungsbild maßgeblicher für die Einstellung eines Bewerbers sein als seine berufliche Qualifikation (Mack & Rainey, 1990; Schuler & Berger, 1979 zit. n. Werth & Knoll, 2013, S. 28).
In dieser Hausarbeit möchte ich Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie Fehleinschätzungen in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl aufgrund von fremdeingeschätzter physischer Attraktivität reduziert werden können.
1. Physische Attraktivität
Im ersten Kapitel möchte ich Sie darüber aufklären, wie physische Attraktivität definiert wird und Begriffe wie den Halo-Effekt und die Gesichtsschönheit näher erläutern.
1.1 Was ist physische Attraktivität?
„Physische Attraktivität ist die Attraktivität eines Menschen, die auf körperlichen Merkmalen beruht“ (Asendorpf, 2011, S. 63).
Wenn wir das erste Mal auf eine fremde Person treffen, erhalten wir bereits in den ersten Sekunden der Begegnung einen Eindruck über das äußere Erscheinungsbild dieser Person, z.B. ihre Größe oder das Wirken des Gesichts. Dieser erste Eindruck beruht auf direkter Wahrnehmung und beeinflusst ebenfalls unseren Eindruck anderer Persönlichkeitseigenschaften (Asendorpf, 2011, S. 63 f.).
Ein Merkmal, das den Eindruck der physischen Attraktivität bestimmt, ist das sogenannte Taille-Hüfte-Verhältnis („waist-to-hip ratio“, WHR), welches speziell bei Frauen untersucht wurde. Nach der Pubertät werden die Hüften unter Einfluss von Östrogen breiter, dadurch sinkt der WHR von 0,9 auf 0,7. Ein besonders niedriger Wert wird - unabhängig vom Körpergewicht - von den Männern als besonders attraktiv empfunden. Dieses als attraktiv empfundene Verhältnis variiert allerdings stark zwischen den verschiedenen Kulturen.
Bei Männern spielt das Taille-Schulter-Verhältnis („waist-to-shoulder ratio“, WSR) eine weitaus wichtigere Rolle. Ab der Pubertät werden die Schultern unter Einfluss von Testosteron breiter und der WSR sinkt bis zu etwa 0,6. Dies ist aus Sicht der Frauen das Idealverhältnis (Asendorpf, 2011, S. 65).
Asendorpf zufolge spielt allerdings die Schönheit des Gesichts eine wichtigere bei der Beurteilung der physischen Attraktivität eines Menschen. So werden Menschen mit attraktiven Gesicht als intelligenter, erfolgreicher, geselliger, kreativer, zufriedener und sympathischer wahrgenommen, vollkommen unabhängig vom Geschlecht des Beurteilten (Asendorpf, 2011, S. 64).
Die selbsteingeschätzte physische Attraktivität kann stark von der fremdeingeschätzten abweichen, weil sie durch die Tagesform oder den Selbstwert sehr verzerrt werden kann. Aus diesem Grund sollten Einschätzungen der eigenen physischen Attraktivität weitestgehend vermieden werden (Asendorpf, 2011, S. 64).
1.2 Der Halo-Effekt
Der Halo-Effekt bezeichnet einen Beurteilungsfehler, bei dem ein auffälliges Merkmal, z.B. Schönheit, die Beurteilung anderer Merkmale beeinflusst und so auf das Urteil über andere Persönlichkeitseigenschaften abfärbt (Asendorpf, 2011, S.64).
Der Halo-Effekt tritt meistens dann auf, wenn sich ein Bewerber durch äußerst hervorstechende Eigenschaften oder Verhaltensweisen auszeichnet. Der Einfluss des Halo-Effekts ist besonders stark, wenn der Beurteiler auf bestimmte Verhaltensweisen oder Persönlichkeitsmerkmale Wert legt und diese dementsprechend überbewertet (Maas & Nitzschner, 2013).
So verzerren Halo-Effekte aufgrund körperlicher Merkmale den Persönlichkeitseindruck, getreu dem Motto: „Wer schön ist, ist auch gut“ (Asendorpf, 2011, S.64), wobei nur ein kleiner Zusammenhang zwischen der fremdeingeschätzten physischen Attraktivität und den Persönlichkeitsmerkmalen einer Person besteht (Dion et. al, 1972 zit. n. Werth & Knoll, 2013, S. 27).
Eine mögliche Erklärung hierfür liefern die Autoren Braun, Gründel, Marberger und Scherber (2001, S. 11): die implizite Persönlichkeitstheorie.
Diese sagt den Autoren zufolge aus, dass wir aufgrund bestimmter Vorerfahrungen einen Zusammenhang von Persönlichkeitsmerkmalen in der Beurteilung von Personen annehmen.
1.3 Die Gesichtsschönheit
Langlois & Roggmann (1990 zit. n. Aronson, Wilson & Akert, 2010, S. 368) stellten fest, dass es kulturübergreifend bis auf wenige Ausnahmen Übereinstimmungen darüber gibt, was im menschlichen Gesicht anziehend ist. Die Forscher haben verschiedenen Teilnehmern aus unterschiedlichen Ländern und ethnischen Gruppen Fotos von Personen gezeigt, die ebenfalls verschiedene Länder und ethnische Gruppen repräsentierten und sie gebeten diese einzuschätzen. Die Einschätzungen stimmten im hohen Maße überein, die Korrelation betrug zwischen .66 und .93.
Eine weitere Studie von Langlois, Ritter, Roggmann & Vaughn (1991 zit. n. Aronson et al., 2010, S. 368) zeigte, dass selbst kleine Kinder Fotos von schönen Gesichtern denen von nicht schönen vorzogen. Die Kinder zogen dabei die gleichen Fotos vor, wie die Erwachsenen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.1: Weibliches und männliches Durchschnittsgesicht (links), virtuelle Miss Germany aus 22 Endrundenteilnehmern (rechts) (Asendorpf, 2011, S. 64)
Laut Asendorpf (2011, S. 64) fließen bei der Beurteilung von Gesichter zwei entscheidende Kriterien ein: die Durchschnittlichkeit (Ähnlichkeit mit dem durchschnittlichen Gesicht der Population) und die Symmetrie (Übereinstimmung zwischen linker und rechter Gesichtshälfte). Braun et al. (2001, S. 2) haben eine Studie zur Untersuchung dieser beiden Kriterien durchgeführt. Dazu haben sie 64 Frauen- und 32 Männergesichter abfotografiert und sie Stück für Stück mithilfe eines Computerprogrammes zu einem neuen Gesicht geformt (gemorpht). Dieser Vorgang wurde solange wiederholt, bis jeweils nur noch ein Gesicht des jeweiligen Geschlechts übrig war. In diesen beiden Gesichtern sind alle fotografierten Teilnehmer des jeweiligen Geschlechts im gleichen Maße enthalten.
Die nachfolgende Graphik zeigt, wie die originalen als auch die gemorphten Gesichter bezüglich ihrer Attraktivität beurteilt worden sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.2: Mittelwertsunterschiede zwischen gemorphten und Originalgesichtern (Braun et al., 2001, S. 32)
Es fällt auf, dass die gemorphten Gesichter im Vergleich zu den Originalgesichtern insgesamt als deutlich attraktiver beurteilt worden sind.
Der durchschnittliche Attraktivitätswert liegt bei 4,29 (Standardabweichung 1,07) für die gemorphten Frauengesichter im Vergleich zu 3,58 (Standardabweichung 1,26) für die weiblichen Originalgesichter.
Bei den Männern liegt der durchschnittliche Attraktivitätswert bei 4,19 (Standardabweichung 1,13) für die gemorphten Männergesichter im Vergleich zu 3,18 (Standardabweichung 1,12) für die männlichen Originalgesichter (Braun et al. 2001, S. 32).
Durch das Morphing wirken die Gesichter sehr symmetrisch und die Haut wirkt geradezu künstlich rein. Dies ist laut Asendorpf (2011, S. 64) ebenfalls ein Indikator für Schönheit.
2. Erkenntnisse über physische Attraktivität
Im zweiten Kapitel möchte ich Ihnen ausgewählte Studien darlegen, die den Einfluss der physischen Attraktivität in der eignungsdiagnostischen Personalauswahl belegen.
2.1 Erkenntnisse zum Lichtbild
342 Teilnehmern wurde in einer Internet-Befragung die Frage gestellt, wie wichtig das Lichtbild für eine Bewerbung sei, wobei 30,03 % das Lichtbild als sehr wichtig, 48,92 % als eher wichtig und 21,06 % als eher unwichtig empfanden. Eine weitere Befragung von 249 mittelständischen deutschen Unternehmen zeigt, dass das Lichtbild neben dem Anschreiben, dem Lebenslauf und den Zeugnissen einen Anteil von Ø 8,3 % bei der Entscheidung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch hat. Somit kann es auch vorkommen, dass das Lichtbild bei der Vorauswahl als spontan genutztes Knock-out-Kriterium dienen kann (Weuster, 2012, S. 111).
In den USA ist es schon seit längerer Zeit verboten, von Bewerbern Lichtbilder zu verlangen, damit Diskriminierungen beispielsweise aufgrund der Rasse, des Alters oder des Geschlechts vermieden werden. In Deutschland wird seit Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ebenfalls empfohlen auf Lichtbilder zu verzichten (Weuster, 2012, S. 111).
Zu diesem Zwecke hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes im November 2010 ein zwölfmonatiges Pilotprojekt gestartet, in dem namhafte Unternehmen wie Deutsche Post, L´Oréal und Deutsche Telekom neue Wege der Mitarbeiterrekrutierung ausprobiert haben. Wichtig war, dass Intervieweinladungen ausschließlich aufgrund der Qualifikation erfolgten. Dazu wurden die Bewerbungen anonymisiert: auf Lichtbild, Angaben zum Namen, Adresse, Geburtsdatum, Alter, Familienstand und Herkunft wurde verzichtet.
8.500 Bewerbungen wurden anonymisiert eingesehen, 246 Stellen wurden erfolgreich besetzt, von Ausbildung bis Arbeits- und Studienplätze war alles dabei (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2010).
2.2 Diskriminierung attraktiver Frauen in der Personalauswahl
Gutes Aussehen ist oftmals förderlich für die Karriere, denn Menschen schreiben positive Persönlichkeitseigenschaften attraktiven Personen zu. Bradley Ruffle und Ze´ev Shtudiner (n.d.) zeigen allerdings, dass es bei der Bewerbung auch anders laufen kann. Dazu haben sie fiktive Bewerbungen an 2.656 reale Stellenangebote in Israel verschickt. Sie gaben dabei für jeden Job jeweils zwei identische Lebensläufe ab, wobei das eine mit und das andere ohne Lichtbild verschickt wurde. In Israel hat der Bewerber selbst die Wahl, ob er der Bewerbung ein Foto beifügen möchte oder nicht.
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