Diese Arbeit schließt das Seminar mit dem Titel „Hannah Arendt und Carl Schmitt“ im Wintersemester 2014 ab. Im Seminar wurden die Politikkonzepte von Hannah Arendt und Carl Schmitt behandelt.
Es repräsentierte zwei konträre Antworten auf die Frage nach dem Politischen: auf der einen Seite Hannah Arendts politische Philosophie der Freiheit, auf der anderen Seite Carl Schmitts Politikbegriff begründet in der radikalen Freund-Feind-Unterscheidung. In der Begriffsgeschichte des Politischen müssen die eben genannten beiden Traditionslinien unterschieden werden (Vgl. Marchart 2010, S. 14).
Carl Schmitt ist weltbekannt und möglicherweise der am meisten diskutierte deutsche Jurist und politische Denker des 20. Jahrhunderts. In Verbindung mit seinem Namen stehen Begriffe wie politisches Handeln, Anti-Liberalismus und Opportunismus. Sein Hauptwerk „Der Begriff des Politischen“ (1932) gibt bis heute Anlass zu kritischen und unerschöpflichen Kontroversen im Bereich der politischen Geistesgeschichte. Einerseits schreiben ihm Kritiker das Scheitern der Weimarer Republik zu und bezeichnen ihn als „Kronjuristen“ des Dritten Reiches, andererseits ist er für andere ein Denker und Klassiker der Politik (Vgl. Ottmann 1990, S. 61). Diese Widersprüchlichkeit wird im ersten Kapitel dieser Arbeit vertiefend dargestellt. Desweiteren lässt sich seine Biographie nahezu genau konstruieren, da seine stenografischen Tagebücher gut erhalten waren und entschlüsselt wurden, sowie die vielen Briefwechsel mit den wenigen vertrauten Freunden und seiner Familie gesammelt wurden. Zudem wurde er zu Lebzeiten stark kritisiert und stand in der Öffentlichkeit. Viele Originaldokumente sind heute in der Carl-Schmitt-Gesellschaft mit Sitz in seiner Heimatstadt Plettenberg einsehbar.
Die folgende Abhandlung beleuchtet eine Auswahl seiner Werke im Kontext der jeweiligen politischen Ereignisse. Das Ziel soll sein, Schmitt als Opportunisten zu entlarven oder ihn als schicksalsergebenen Staatsrechtler zu identifizieren. Als politischer Akteur steht er im historischen Kontext zu zwei Weltkriegen und der Weimarer Republik. Ab dem dritten Abschnitt wird also der Frage nachgegangen, in welchen Punkten und an welchen Ereignissen man ihm opportunistisches Handeln vorwerfen könnte.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Begriffsklärungen
1.1. Sozialisation
1.2. Opportunismus
2. Wer war dieser Carl Schmitt?
2.1. Wichtige Ereignisse bis 1914
3. Aufstieg im Wilhelminismus
3.1. Sein Freund: Fritz Eisler (1887-1914)
4. Schmitt in Weimar
4.1. Sein Freund: Moritz Julius Bonn (1873-1965)
5. Nationalsozialistisches Engagement und Enttäuschung (1933-1936)
6. Schmitt nach 1945 – Langsamer Rückzug
Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Diese Arbeit schließt das Seminar mit dem Titel „Hannah Arendt und Carl Schmitt“ im Wintersemester 2014 ab. Im Seminar wurden die Politikkonzepte von Hannah Arendt und Carl Schmitt behandelt. Es repräsentierte zwei konträre Antworten auf die Frage nach dem Politischen: auf der einen Seite Hannah Arendts politische Philosophie der Freiheit, auf der anderen Seite Carl Schmitts Politikbegriff begründet in der radikalen Freund-Feind-Unterscheidung. In der Begriffsgeschichte des Politischen müssen die eben genannten beiden Traditionslinien unterschieden werden (Vgl. Marchart 2010, S. 14).
Carl Schmitt ist weltbekannt und möglicherweise der am meisten diskutierte deutsche Jurist und politische Denker des 20. Jahrhunderts. In Verbindung mit seinem Namen stehen Begriffe wie politisches Handeln, Anti-Liberalismus und Opportunismus. Sein Hauptwerk „Der Begriff des Politischen“ (1932) gibt bis heute Anlass zu kritischen und unerschöpflichen Kontroversen im Bereich der politischen Geistesgeschichte. Einerseits schreiben ihm Kritiker das Scheitern der Weimarer Republik zu und bezeichnen ihn als „Kronjuristen“ des Dritten Reiches, andererseits ist er für andere ein Denker und Klassiker der Politik (Vgl. Ottmann 1990, S. 61). Diese Widersprüchlichkeit wird im ersten Kapitel dieser Arbeit vertiefend dargestellt. Desweiteren lässt sich seine Biographie nahezu genau konstruieren, da seine stenografischen Tagebücher gut erhalten waren und entschlüsselt wurden, sowie die vielen Briefwechsel mit den wenigen vertrauten Freunden und seiner Familie gesammelt wurden. Zudem wurde er zu Lebzeiten stark kritisiert und stand in der Öffentlichkeit. Viele Originaldokumente sind heute in der Carl-Schmitt-Gesellschaft mit Sitz in seiner Heimatstadt Plettenberg einsehbar.
Die folgende Abhandlung beleuchtet eine Auswahl seiner Werke im Kontext der jeweiligen politischen Ereignisse. Das Ziel soll sein, Schmitt als Opportunisten zu entlarven oder ihn als schicksalsergebenen Staatsrechtler zu identifizieren. Als politischer Akteur steht er im historischen Kontext zu zwei Weltkriegen und der Weimarer Republik. Ab dem dritten Abschnitt wird also der Frage nachgegangen, in welchen Punkten und an welchen Ereignissen man ihm opportunistisches Handeln vorwerfen könnte.
Im Fazit wird die aufgeworfene Frage beantwortet und das Seminar reflektiert.
1. Begriffsklärungen
Im folgenden Abschnitt werden die Begriffe der Sozialisation und des Opportunismus erläutern, da eine konkrete Unterscheidung für diese Arbeit essenziell ist.
1.1. Sozialisation
„Soziologischer Begriff für das in unterschiedlichen Bezugsgruppen vermittelte Erlernen von Werten, Symbolen, Verhaltensweisen, Techniken etc. Unterschieden wird zwischen der primären S., die überwiegend in der Familie stattfindet, und der sekundären S., die bspw. über Medien vermittelt wird bzw. im Kindergarten, der Schule etc. stattfindet; darüber hinaus hat die berufliche S. wesentlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung junger Menschen.“ (Schubert & Klein 2011)
Folgt man dem Zitat nach Schubert & Klein, dann ist Sozialisation keine begrenzte Entwicklungsphase, sondern ein Prozess, der das gesamte Leben andauert. Dieser Prozess wird allgemein in eine primäre und sekundäre Sozialisation unterteilt. Erstere bezeichnet die Entwicklung grundlegender Sprach- und Handlungsfähigkeit, während die sekundäre Sozialisation dem Erwerb von spezifischen Kompetenzen und Normen gilt. Beide Prozesse sind nicht strikt voneinander getrennt, sondern wirken interdependent.
1.2. Opportunismus
„Ein Opportunist ist ein „Jenachdemer“.“ (Wilhelm Busch)
Die Bezeichnung Wilhelm Buschs deckt sich mit dem im Sprachgebrauch gemeinten Opportunismus. Demnach ist es ein bildungssprachlicher Ausdruck und bedeutet „allzu bereitwillige Anpassung an die jeweilige Lage aus Nützlichkeitserwägungen„[1]. Als mögliche Anwendung im Zusammenhang mit dem Leben des Carl Schmitt kann man die Bezeichnung politischen Opportunismus erwägen.
2. Wer war dieser Carl Schmitt?
Carl Schmitt ist in der Politikwissenschaft ein umstrittener und heftig diskutierter Staatsrechtler aus dem 20. Jahrhundert. Seine politische Karriere umfasste die Zeit der Weimarer Republik (1918-1933) und die des Nationalsozialismus (1933-1945). Seine politische Position und Einfluss auf die Geschehnisse dieser Zeit sind in der Wissenschaft jedoch bis heute widersprüchlich und fragwürdig. Sein Leben verbrachte er in vier verschiedenen politischen Systemen und publizierte nachweislich nahezu 70 Jahre lang. Zu seinen Publikationen zählen nicht nur juristische und politische Arbeiten, sondern auch Satiren, Reisenotizen oder germanistische Textinterpretationen.
2.1. Wichtige Ereignisse bis 1914
Carl Schmitt lebte in den Jahren von 1888 bis 1985 in Deutschland. Er überlebte demnach zwei Weltkriege und erlebte die politischen Umwälzungen in der Weimarer Republik, die in der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler mündeten. Zu Lebzeiten war Schmitt hauptsächlich als politischer Berater und Gutachter tätig (Vgl. Mehring 2001, S. 8). Desweiteren publizierte er sein Leben lang und „[…] erlebte in vier politischen Systemen so ziemlich alles, was einem politischen Menschen widerfahren kann.“ (Mehring 2001, S. 12). In Verbindung mit seinem Namen stehen Begriffe wie Anti-Liberalismus, Totalitarismus, sowie seine Hauptwerke „Der Begriff des Politischen“ (1927) und die Begründung der „Verfassungslehre“ (1928).
Geboren im sauerländischen Plettenberg, erfuhr Schmitt eine katholisch-humanistische Erziehung. In den Jahren 1907-1910 studierte er auf anraten seiner Familie Rechtswissenschaft in Berlin, München und Straßburg. Mit Beginn seines Studiums relativiert er den konservativen Einfluss katholischer Religion (Vgl. Mehring 2001, S. 15) auf die eigene Biografie. Seine strafrechtliche Dissertation zum Thema „Über Schuld und Schuldarten“ schrieb er im Jahr 1910 bei Fritz van Calker, einem deutschen Politiker und Strafrechtsprofessor. Zu diesem Zeitpunkt war Schmitt junge 22 Jahre alt und das kaiserlich regierte Deutschland entwickelte sich von einem landwirtschaftlich geprägten Staat zu einem modernen Industriestaat. Schmitt trat nach der Dissertation eine fünfjährige Referendarzeit in Vorbereitung auf den höheren Beamtendienst an, die er größtenteils in Düsseldorf abhielt. Den anschließenden Militärdienst in den Jahren von 1915 bis 1919 trat er freiwillig an, jedoch stand er nie an der Front. Schmitt war derzeit in München unter anderem für Pressezensur und Pazifistenbeobachtung zuständig (Vgl. Mehring 2001, S. 14). In dieser Zeit „mit der Erfahrung von Krieg und Bürgerkrieg aus der Perspektive eines Offiziers [wurde sein] Interesse am Phänomen einer Diktatur“ geweckt (Vgl. Mehring 1992, S. 35).
3. Aufstieg im Wilhelminismus
Schmitt wird von Biographen häufig mit der Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen beschrieben und titelt selbst über sich „Armut und Bescheidenheit waren die Schutzengel, die mich im Dunkeln hielten.“ (zitiert aus: Mehring, 2001, S. 15). Als Wilhelminismus bezeichnet man den Zeitabschnitt zwischen 1890 bis 1914 in Deutschland, der Zeit Wilhelms II. Obwohl man ergänzend hinzufügen muss, dass die wilhelminische Ära keinen eindeutigen Beginn zu verzeichnen hat und auch das Ende wird in der Literatur mal dem Jahr 1914 aber auch dem Jahr 1918 zugesprochen (Vgl. Stubenrauch, Kothe & Engler 2001). In eben dieser Zeit[2] war es unüblich, dass ein Sohn „bescheidener Leute" studierte und [schon gar – Anm. S.M.] nicht Rechtswissenschaft. Daran ist der Bruch zum Katholizismus erkennbar. Er wuchs in einer großen Familie auf und pflegte stets engen Kontakt, wie viele gut erhaltene Briefwechsel belegen. Diese Familie, im Besonderen seien etliche Tanten und Onkel genannt, sorgte für die Finanzierung seines Studiums. Er selbst lebte zumeist von der Hand in den Mund. Die Entscheidung für das Studium der Rechtswissenschaft fiel auch auf Anraten seiner Familie (Vgl. Mehring 2009, S. 22ff.). Teils aus Interesse, teils auch aus finanziellen Gründen studierte er in Berlin, München und Straßburg in nur sieben Semestern inklusive seiner Promotion „Über Schuld und Schuldarten. Eine terminologische Untersuchung“ (1910) beendet Schmitt sein Studium im Frühjahr 2010 und stellt die damals geltende Rechtslehre in Frage. In Erklärungen über „Schuld“, die er mit dem Begriff der Sünde erklärt, kann er seine religiöse Herkunft nicht verleugnen (Vgl. Mehring 2009, S. 34ff.).
Im Anschluss seines Studiums und auf dem Weg zu einem ausgebildeten Rechtsanwalt, trat er noch im Jahr 1910 eine fünfjährige Referendarzeit in Düsseldorf an. Er lernte die juristische Praxis kennen, in dem er verschiedene Ausbildungsabschnitte absolvierte. Diese Zeit wird vom Schmitt-Biographen Reinhard Mehring als die „Düsseldorfer Krisenjahre“ bezeichnet, da Schmitt im Jahr 1912 beschreibt, den Kontakt zum finanziellen Unterstützer, seinem Onkel André, verloren zu haben und aus Geldmangel heraus mehrmals den Wohnort wechselte. Dieser Lebensabschnitt wird auch geprägt von der Bekanntschaft mit dem Dichter Theodor Däubler, dessen Hauptwerk „Das Nordlicht“ (1910) er interpretierte und mit dem er sich habilitierte. Zudem versuchte Schmitt gemeinsam mit seinem Freund Eisler in der Satire „Schattenrisse“ seine literarischen Fähigkeiten in der Dichtkunst zu beweisen. Literatur und Musik spielen in Schmitts Leben eine bedeutende Rolle. Er selbst spielt Klavier und mochte Mozart, Wagner und Strauss (Vgl. Mehring 2009, S. 41).
In den Jahren von 1910 bis 1916 publizierte Schmitt fünf Monographien, darunter „Gesetz und Urteil“. Jedoch verlässt Schmitt in dieser Zeit häufig den juristischen Diskurs und beginnt mit philosophischen Gelegenheitsarbeiten, die sich zunehmend auf den praktischen Ansatz der Rechtsprechung beziehen (Vgl. Mehring 2009, S. 42). Zudem lernt er im Jahr 1912 „seine Cari“ kennen. Ihr vollständiger Name war Pauline (Pabla) Carita Maria Isabella (von) Dorotic. Im Glauben sie sei eine Adelstochter, wird sie seine erste Passion und spätere Frau. Jedoch stellt sie sich als Lügnerin heraus. Die Ehe wurde nie aufgehoben, da sie katholisch geschlossen war. Weitere Details hierzu sind im Werk „Aufstieg und Fall“ von Reinhard Mehring nachzulesen. Für diese Arbeit kommt dieser Erfahrung keine weitere Bedeutung zu.
3.1. Sein Freund: Fritz Eisler (1887-1914)
Mit bürgerlichem Namen hieß er Hans Friedrich (Fritz) Eisler. 1887 geboren als Sohn des jüdischen Verlegers Heinrich (Henrick) Ludwig Eisler wuchs er in Hamburg auf (Vgl. Mehring 2009, S. 29f.). Im Sommersemester 1908 lernen er und Schmitt sich kennen, promovieren dann beide im Jahr 1910 bei van Calker. Die Freundschaft vertieft sich und Familie Eisler unterstützt Schmitt finanziell. Im ersten Weltkrieg meldet sich Fritz dann jedoch freiwillig zum Militärdienst und stirbt nach kurzer Zeit an einem tödlichen Granatsplitter. Der Tod des Freundes trifft Schmitt in seinen Grundfesten. Nach eigenen Angaben standen sich Schmitt und Eisler geistig nah und verfolgten selbe Ziele. Mit der Bekanntschaft der Familie Eisler begegnet Schmitt auch einem Thema, das ihn zeitlebens beschäftigen wird: dem Judentum (Vgl. Mehring 2009, S. 32ff.). Bis zu dessen Tod stand er in enger Verbundenheit zu Fritz‘ Bruder Georg (Vgl. Mehring 2009, S. 576). Inwiefern diese Verbundenheit eher eine finanzielle Abhängigkeit war, da ihm Familie Eisler aufgrund der Freundschaft zu Georg weiterhin monatlich Geld zukommen ließ, bleibt unklar. Mehring beschreibt in seinem Buch „Aufstieg und Fall“, dass Schmitt befürchtete, dass die finanzielle Unterstützung ausbliebe, wenn Eislers von seinem reichen Onkel erfuhren (Vgl. Mehring 2009, S. 82). Daran erkennt man deutlich den Opportunismus im privaten, da sich Schmitt seine Finanzierung konstruiert und dessen Verlust nicht riskieren möchte.
[...]
[1] Lt. Duden
[2] Für diesen Abschnitt der Ausarbeitung wird das Ende des 1. Weltkrieges im Jahr 1918 berücksichtigt.