„Menschenhandel“, „moderne Sklaverei“ - das sind Begriffe, die fallen, wenn im Volksmund über das Thema Arbeitnehmerüberlassung, auch als Leih- oder Zeitarbeit bezeichnet, diskutiert wird. Eine negative Anhaftung unter der Bevölkerung lässt sich nicht leugnen und doch gewinnt der Geschäftszweig Zeitarbeit in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung.
Die Arbeitnehmerüberlassungsstatistik spricht eine deutliche Sprache. So waren im Jahre 2013 bereits 852.000 Leiharbeiter in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Dies entspricht einer Erhöhung um das Zweieinhalbfache in den letzten zehn Jahren und sogar einer Versiebenfachung seit dem Jahre 1980, Tendenz steigend. Insgesamt sind rund zwei Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland in einem Leiharbeitsverhältnis beschäftigt. Die Gründe sind vor allem der Wunsch nach mehr Flexibilität im Personaleinsatz.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Grundlegendes der Arbeitnehmerüberlassung
2.1 Definition der Arbeitnehmerüberlassung
2.2 Wesentliche Gründe für die Arbeitnehmerüberlassung
2.3 Abgrenzung wesentlicher Formen der Arbeitnehmerüberlassung sowie anderer Formen drittbezogenen Personaleinsatzes
2.4 Vorgehensweise und Herausforderung bei konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung
3. Chancen der Arbeitnehmerüberlassung durch konzerneigene Personalführungsgesellschaften
3.1 Personalkostensenkung durch Tarifunabhängigkeit
3.2 Personaleinsatz- und –kostenflexibilisierung im Unternehmen
4. Risiken der Arbeitnehmerüberlassung durch konzerneigene Personalführungsgesellschaften
4.1 Gefahr der Bildung einer Zweischichtengesellschaft im Unternehmen
4.2 Steigende Komplexität der vertraglichen Ausgestaltung durch staatliche Eingriffe und drohende Rechtsfolgen
5. Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1 Dreiecksverhältnis der Arbeitnehmerüberlassung
Abb. 2 Kostenstruktur im Krankenhaus 2011
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
1. Einleitung
„Menschenhandel“, „moderne Sklaverei“ – das sind Begriffe, die fallen, wenn im Volksmund über das Thema Arbeitnehmerüberlassung, auch als Leih- oder Zeitarbeit bezeichnet, diskutiert wird. Eine negative Anhaftung unter der Bevölkerung lässt sich nicht leugnen und doch gewinnt der Geschäftszweig Zeitarbeit in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung.
Die Arbeitnehmerüberlassungsstatistik spricht eine deutliche Sprache. So waren im Jahre 2013 bereits 852.000 Leiharbeiter in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Dies entspricht einer Erhöhung um das Zweieinhalbfache in den letzten zehn Jahren und sogar einer Versiebenfachung seit dem Jahre 1980, Tendenz steigend.[1] Insgesamt sind rund zwei Prozent[2] aller Erwerbstätigen in Deutschland in einem Leiharbeitsverhältnis beschäftigt. Die Gründe sind vor allem der Wunsch nach mehr Flexibilität im Personaleinsatz.
Doch nicht nur die Arbeitnehmerüberlassung im eigentlichen Sinne[3] kann als relevantes Thema in der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet werden. Auch innerhalb von Konzernen spielt Arbeitnehmerüberlassung als strategisches Werkzeug eine immer größer werdende Rolle. Nicht nur, dass Konzernunternehmen sich bei Bedarf gegenseitig Personal gestellen[4], um Belastungsspitzen zu kompensieren, es zeigt sich der Trend, dass Konzerne im Zuge der Personalflexibilisierung bzw. -kostensenkung speziell Tochterfirmen nur zum Zweck der Arbeitnehmerüberlassung gründen oder Unternehmen durch Gründung einer solchen Tochterfirma erst zum Konzern werden. Diese sogenannten Personalführungs- oder Personalservicegesellschaften rekrutieren Mitarbeiter, um sie dann an die Mutterfirma bzw. andere Konzernfirmen zu verleihen.
Dieses Vorgehen steht stark in der Kritik und wird häufig in politischen Debatten thematisiert, vor allem Lohndumping ist ein Stichwort, was mit konzerninterner Leiharbeit in Verbindung gebracht wird. Bekannte Beispiele, wie der Schlecker-Konzern, haben dazu beigetragen, dass konzerninterne Personalführungsgesellschaften als der Inbegriff der Arbeitnehmerausbeutung gelten. Die Folge ist ein ständiger Wandel des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) mit dem Ziel, diese Praktik durch staatliche Reglementierung einzudämmen. Trotzdem setzen gerade auch öffentliche Unternehmen – allen voran der Krankenhausbereich - immer mehr auf konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung und gründen Servicegesellschaften, um Personaleinsatz und –kosten flexibler zu gestalten.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Arbeitnehmerüberlassung im öffentlichen Gesundheitswesen und soll die Chancen und Risiken der Gründung einer konzerninternen Personalführungsgesellschaft innerhalb eines Krankenhauses unter öffentlicher Trägerschaft im Detail beleuchten. Hierzu werden zunächst die Grundlagen der Arbeitnehmerüberlassung und die Besonderheiten und Herausforderungen der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung erläutert. Im Anschluss daran liegt die Fokussierung auf den Chancen und Risiken der Gründung einer Personalführungsgesellschaft im Krankenhaus, bevor dann zum Abschluss der Arbeit ein Fazit der gewonnenen Erkenntnisse gezogen wird.
2. Grundlegendes der Arbeitnehmerüberlassung
2.1 Definition der Arbeitnehmerüberlassung
Rechtsgrundlage der Arbeitnehmerüberlassung ist das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG), kurz Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Einer eindeutigen Definition mangelt es dort allerdings. Das AÜG definiert lediglich, dass Arbeitgeber (Verleiher), die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit Arbeitnehmer (Leiharbeiter) zur Arbeitsleistung einem Dritten (Entleiher) überlassen, einer Erlaubnis bedürfen und Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgt.[5] Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit gelangt in diesem Passus zu besonderer Bedeutung, wie später noch verdeutlicht wird (Kapitel 2.3).
Becker definiert Arbeitnehmerüberlassung als ein durch zwei Vertragsbeziehungen gestalteter Tatbestand, der sich dadurch auszeichnet, dass ein Arbeitgeber einem Dritten einen oder mehrere Arbeitnehmer zum Zwecke der Arbeitsleistung für einen bestimmten Zeitraum überlässt.[6] Kennzeichnend für Arbeitnehmerüberlassung ist das Auseinanderdriften von Vertragsverhältnis und Leistungserbringung, was auch als Dreiecksverhältnis zwischen Leiharbeiter, Verleiher und Entleiher bezeichnet wird (Abb. 1).[7]
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Abb. 1: Dreiecksverhältnis der Arbeitnehmerüberlassung[8]
Dieses Dreiecksgefüge zeichnet sich durch die besondere Vertragskonstellation aus. Der Verleiher schließt mit dem Leiharbeitnehmer einen Arbeitsvertrag, der Entleiher schließt einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag mit dem Verleiher. Ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Einsatzunternehmen (Entleiher) kommt nicht zustande.[9]
Synonyme des Begriffs „Arbeitnehmerüberlassung“ sind Leiharbeit, Zeitarbeit oder auch Personalleasing. Diese Begriffe finden in der vorliegenden Arbeit gleichbedeutend Verwendung.
2.2 Wesentliche Gründe für die Arbeitnehmerüberlassung
Aus Unternehmenssicht steht vor allem der Drang nach mehr Flexibilität im Vordergrund. So wird die Flexibilitätssteigerung auch auf den Websites führender Personaldienstleister, wie beispielsweise Randstad[10] oder Manpower[11], als das Top-Argument für Zeitarbeit angeführt.
Fakt ist, dass der Trend in Unternehmen schon seit längerer Zeit zu flexibleren Beschäftigungsmodellen und weg von einer festen Bindung an das Personal tendiert. Durch wirtschaftliche bzw. konjunkturelle Schwankungen sind Unternehmen darauf angewiesen, Personal variabler einsetzen bzw. bei Bedarf schnell beschaffen oder auch freisetzen[12] zu können, um beispielsweise Belastungsspitzen oder aber auch Auftragsflauten abfangen zu können und eine schnellere Anpassung an wirtschaftliche Entwicklungen möglich zu machen.[13] Teilzeitmodelle, befristete Arbeitsverträge oder Kurzarbeit sind nur Beispiele, die dies verdeutlichen. Leiharbeit ist die logische Konsequenz. Hier ist der Grad der Flexibilität für Unternehmen am bedeutendsten, da Personal sehr schnell und ohne Risiko rekrutiert bzw. wieder freigesetzt werden kann und gleichzeitig die Kosten der Personalbeschaffung auf die jeweiligen Personaldienstleister ausgelagert werden können.[14]
Doch nicht nur der quantitative Personalbedarf kann durch den Einsatz von Zeitarbeit flexibler gesteuert werden, auch qualitativ bietet Leiharbeit umfassende Möglichkeiten durch die gebotene Handhabe, die Personalsituation zügiger anpassen zu können. Der Personalpool, den Zeitarbeitsfirmen vorhalten, bietet die Möglichkeit, zu jeder Zeit Zugriff auf Arbeitnehmer aller Qualifikationsrichtungen und -ebenen zu haben, wodurch Anpassungsmaßnahmen in diesem Bereich schnell und ohne umfangreiche Personalbeschaffungsmaßnahmen durchgeführt werden können.[15]
Die Hauptzielsetzung liegt in der Personalkostensenkung, die durch den gezielteren Personalkosteneinsatz möglich wird.
Gerade beim konzerninternen Einsatz einer Personalführungsgesellschaft steht allerdings neben der Senkung der Gesamtpersonalkosten auch die Anpassung der Personalkosten je Vollkraft[16] im Vordergrund. Im Krankenhausbereich findet sich dieses Vorgehen beispielsweise immer häufiger. Die Gründe werden klar, wenn der Blick auf die Kostenstruktur im Krankenhaus fällt. Dabei lässt sich erkennen, dass die Personalkosten beinahe 60 % der Gesamtkosten ausmachen (Abb. 2).
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Abb. 2: Kostenstruktur im Krankenhaus (2011)[17]
Unter Kenntnis der Krankenhausfinanzierung wird ebenfalls deutlich, dass in Krankenhäusern Erlössteigerungen nur bedingt möglich sind, weshalb die Wirtschaftlichkeit fast ausschließlich im Rahmen von Kostenreduktion zu verbessern ist.[18] Durch ihren großen Anteil an den Gesamtkosten wird hierbei ein besonderes Augenmerk auf die Personalkosten gelegt. Gerade wenn das Krankenhaus unter öffentlicher Trägerschaft geführt wird und daher an einen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gebunden ist, versucht das strategische Management so Personalkostensenkungen zu realisieren.
2.3 Abgrenzung wesentlicher Formen der Arbeitnehmerüberlassung sowie anderer Formen drittbezogenen Personaleinsatzes
Aus dem AÜG geht hervor, dass zwei Arten von Arbeitnehmerüberlassung, die erlaubnispflichtige[19] und die nicht-erlaubnispflichtige[20], zu unterscheiden sind. Dies erlangt große Bedeutung unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das AÜG für die nicht-erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung keine Anwendung findet.[21]
Entscheidend für die Frage der Erlaubnispflicht ist, ob die Überlassung im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verleihers erfolgt. [22] Mit diesem Passus wurde im Jahre 2011 eine entscheidende Änderung in das AÜG aufgenommen[23], bis zu diesem Zeitpunkt war die Gewerbsmäßigkeit[24] das entscheidende Kriterium für die Erlaubnispflicht.[25]
Die Überlassung von Arbeitnehmern zwischen Konzernunternehmen ist beispielsweise von der Erlaubnispflicht, sofern die betroffenen Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt werden, befreit und nicht durch das AÜG geregelt (Konzernprivileg).[26] Speziell beim Thema der konzerninternen Personalführungsgesellschaft spielt dies eine große Rolle, da hier das Personal zwar konzernintern überlassen, jedoch speziell zu diesem Zweck eingestellt wird, die Überlassung gemäß AÜG also erlaubnispflichtig ist.
Darüber hinaus existieren neben der Arbeitnehmerüberlassung im Sinne der Definition in Kapitel 2.1 noch andere Formen des sogenannten drittbezogenen Personaleinsatzes, die ebenfalls nicht unter die Reglementierung des AÜG fallen, deren Differenzierung jedoch eine große Rolle in Bezug auf die praktische Anwendung des AÜG spielt.[27] Zu nennen sind hier vor allem
- der Werkvertrag,
- der Dienstvertrag sowie
- der Dienstverschaffungsvertrag,
deren Abgrenzung sich in Bezug zur erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung sehr schwierig gestaltet. Gemein haben diese Vertragsarten, dass hier nicht die Überlassung des Personals mit Übertragung der Weisungsbefugnis, sondern die Verrichtung eines Werks bzw. einer Dienstleistung im Vordergrund steht, im Rahmen derer der Dienstleister die volle Weisungsbefugnis über die eingesetzten Mitarbeiter behält und für deren Erfüllung er die Verantwortung trägt. Es wird ein bestimmtes, vorher festgelegtes Ergebnis geschuldet, für das der Dienstleister haftet.[28]
In der gängigen Praxis zeigt sich, dass sich Unternehmen diese schwierige Abgrenzbarkeit zu Nutze machen und anstatt Arbeitnehmerüberlassungsverträgen zum Schein Werk- oder Dienstverträge abschließen, um die Erlaubnispflicht gemäß AÜG zu umgehen.[29]
2.4 Vorgehensweise und Herausforderung bei konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung
Die Besonderheit der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung liegt darin, dass Verleiher und Entleiher Konzernunternehmen eines Konzerns sind. Der Begriff des Konzernunternehmens ist in § 18 Aktiengesetz (AktG) geregelt, auf welchen in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG verwiesen wird. Dieser definiert den Konzern als ein oder mehrere Unternehmen, die unter der Leitung eines herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind.[30] Dabei ist unerheblich, in welcher Rechtsform das Unternehmen geführt wird, da der reine Verweis auf § 18 AktG laut Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht voraussetzt, dass das zu betrachtende Unternehmen unter das Aktiengesetz fallen muss.[31]
Grundsätzlich profitiert die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung vom sogenannten Konzernprivileg, welches besagt, dass sie von der Erlaubnispflicht gemäß AÜG befreit ist.[32] Das bedeutet, dass Unternehmen eines Konzerns sich prinzipiell Arbeitnehmer gegenseitig verleihen dürfen, ohne hierfür eine Erlaubnis beim zuständigen Arbeitsamt anzufordern. Der Gesetzgeber hält diese Ausnahmevorschrift für vertretbar, weil bei der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung nur der interne Arbeitsmarkt des betreffenden Konzerns vom jeweiligen Arbeitnehmeraustausch betroffen ist.[33] In die Kritik geriet dieses Vorgehen durch Unternehmen, die in jüngster Vergangenheit das Konzernprivileg nutzten, um mit Hilfe von konzerneigenen Leiharbeitsfirmen Arbeitnehmer zu, aus Unternehmenssicht günstigeren als den im Unternehmen herrschenden, Arbeitsbedingungen[34] einzustellen.[35]
Möglich wurde dies durch das „Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ vom 23.12.2002, welches zwei maßgebliche Gesetzesänderungen mit sich brachte, die den Weg für die konzerneigene Leiharbeitsfirma als Kostensparmodell erst geebnet haben. Hier wurde zum einen die bis dahin geltende Höchstüberlassungsdauer abgeschafft und zum anderen die Möglichkeit geschaffen, unter bestimmten Voraussetzungen vom equal treatment [36] abzuweichen.[37]
In bestimmten Branchen lässt sich seitdem ein vermehrter Trend hin zur Personalführungsgesellschaft erkennen, allen voran der Krankenhausbereich. Das Krankenhaus gründet hierbei eine selbstständige Tochterfirma, meist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Arbeitnehmer zu anderen Konditionen einstellt und als Personaldienstleister innerhalb der Einrichtung fungiert, die Arbeitnehmer also dauerhaft gegen Entgelt an das Krankenhaus verleiht.
In jüngster Zeit versucht der Gesetzgeber allerdings, dieses Vorgehen einzuschränken. Die Folge sind zahlreiche Novellierungen des AÜG, durch die das Thema an Komplexität stark zugenommen hat und die rechtlichen Anforderungen an solche Konstrukte gestiegen sind.[38] Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, weichen Konzerne in der Praxis häufig auf andere Vertragsarten aus und „überlassen“[39] Arbeitnehmer im Rahmen von Werks- oder Dienstverträgen mit dem Ziel, das AÜG zu umgehen.[40]
3. Chancen der Arbeitnehmerüberlassung durch konzerneigene Personalführungsgesellschaften
3.1 Personalkostensenkung durch Tarifunabhängigkeit
Grundsätzlich besteht die Pflicht zur Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern, dies gründet sich auf das zum 01.01.2002 verabschiedete Job-AQTIV-Gesetz[41], in welchem durch Anpassung des AÜG erstmals eine Gleichstellung für Leiharbeitnehmer geregelt wurde. Die Höchstüberlassungsdauer wurde von damals zwölf auf 24 Monate erweitert, verbunden mit der Pflicht, einem Leiharbeiter ab dem 13. Monat die gleichen Arbeitsbedingungen zu bieten, die auch ein vergleichbarer Mitarbeiter des Entleihers erhält (equal treatment bzw. equal pay).[42] Das „Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ erweiterte diese Regelung und führte eine Gleichstellungspflicht ab dem ersten Tag der Überlassung ein, gestattete jedoch zwei Ausnahmen. So ist nun zulässig, einem zuvor arbeitslosen Arbeitnehmer für die Dauer von sechs Wochen ein Arbeitsentgelt in Höhe seines bis dahin bezogenen Arbeitslosengeldes zu gewähren. Die zweite und für die Personalführungsgesellschaft bedeutendere Ausnahme bildet die nun bestehende Möglichkeit, vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen zu können, wenn das Arbeitsverhältnis durch einen eigenen Tarifvertrag geregelt ist.[43] Dieser Ausnahmeregelung ist bis heute noch Teil des AÜG.[44]
Daraus resultiert, dass die Personalführungsgesellschaft als konzerninterner Verleiher durch Abschluss eines firmeneigenen Tarifvertragess oder durch Anwendung eines für die Zeitarbeit geltenden Tarifvertrages[45] die Möglichkeit innehat, Arbeitnehmer zu günstigeren Bedingungen einzustellen, als es die im Konzern als Entleiher auftretende Firma könnte.[46] Im öffentlichen Krankenhaussektor sind hierdurch Personalkosteneinsparungen möglich, da durch den Einsatz einer Personalservicegesellschaft, in Verbindung mit o. g. Ausnahmeregelung, von den jeweils geltenden Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes abgewichen werden kann und Mitarbeiter der gleichen Qualifikationsstufen und mit gleichem Tätigkeitsprofil durch Anwendung einer abweichenden Tarifgrundlage zu einem deutlich niedrigeren als dem im Unternehmen üblichen Stundenlohn beschäftigt werden können. Auch Abweichungen im Bereich Erholungsurlaub oder Sozialleistungen (betriebliche Altersvorsorge etc.) sind möglich.[47] Bedingt durch den hohen Personalkostenanteil im Krankenhaus (vgl. Kapitel 2.2), entsteht unter gegebenen Voraussetzungen ein nicht zu verachtender Gestaltungsspielraum zur Steigerung der Umsatzrendite.[48]
[...]
[1] Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsmarkt 2014), S. 6.
[2] Insgesamt gibt es in Deutschland rund 42 Mio Erwerbstätige lt. Statistischem Bundesamt, Arbeitsmarkt 2014, abgerufen unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/Konjunkturindikatoren/
Arbeitsmarkt/karb811.html;jsessionid=55A889CD2C607E91267E1619A543A11E.cae1 am 01.09.2014.
[3] Mit Arbeitnehmerüberlassung im eigentlichen Sinne ist die Arbeitnehmerüberlassung durch eine externe Leiharbeitsfirma gemeint.
[4] Personalgestellung ist ein Synonym für Arbeitnehmerüberlassung, dies ist im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TV-ÖD) definiert, siehe hierzu auch § 4 Abs. 3 Satz 1 TV-ÖD.
[5] AÜG § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2.
[6] Vgl. Berthel/Becker (Personal-Management 2007), S. 252.
[7] Vgl. Frensch (Handbuch 2006), S. 13.
[8] Vgl. Berthel/Becker (Personal-Management 2007), S. 253, eigene Darstellung.
[9] Vgl. Wieland/Grüne/Schmitz/Roth (Zeitarbeit 2001), S. 16.
[10] http://www.randstad.de/fuer-unternehmen/personaldienstleistungen, abgerufen am 11.08.2014.
[11] https://www.manpower.de/was-wir-tun/fuer-unternehmen/arbeitnehmerueberlassung, abgerufen am 11.08.2014.
[12] Personalfreisetzung bezeichnet den Abbau einer Personalüberdeckung, also die Erfüllung eines negativen Nettopersonalbedarfs, vgl. hierzu auch Berthel/Becker (Personal-Management 2007), S. 288.
[13] Vgl. Berthel/Becker (Personal-Management 2007), S. 289.
[14] Vgl. Wrase (Outsourcing 2009), S. 35.
[15] Vgl. Ditges (Zeitarbeit 2000), S. 16.
[16] Es soll die gleiche Arbeitskraft mit gleicher Qualifikation zu günstigeren Konditionen beschafft werden.
[17] Statistisches Bundesamt (Kostennachweis 2011), S. 7, eigene Darstellung.
[18] Hierzu ausführlich Hilgers (DRG Vergütung 2011), S. 15 f.
[19] AÜG § 1 Abs. 1.
[20] AÜG § 1 Abs. 3.
[21] AÜG § 1 Abs. 3 Satz 1.
[22] AÜG § 1 Abs. 1 Satz 1.
[23] Die zweite bedeutende Änderung besagt, dass Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgt. Dies war der zweite Schritt, um dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung im Konzern einzudämmen. Der Begriff vorübergehend ist allerdings bis dato gesetzlich nicht genau definiert.
[24] Hier mangelt es einer genauen gesetzlichen Definition. Laut Niebler/Biebl/Roß (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2003), S. 46 ff, sind die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit die Gewinnerzielungsabsicht, die Selbständigkeit des Verleihers sowie eine gewisse Dauer des Auftretens als Verleiher (nicht nur gelegentlich). Durch den Bezug auf die Gewerbsmäßigkeit war es erst möglich, konzerninterne, reine Verleihfirmen zu gründen, da diese häufig ohne Gewinnerzielungsabsicht auf Selbstkostenbasis agieren, BAG, Urteil vom 20.04.2005, AZ 7 AZR 32/10.
[25] Vgl. Kim (konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung 2011), S. 8.
[26] AÜG § 1 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 18 AktG.
[27] Vgl. Niebler/Biebl/Roß (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2003), S. 31.
[28] Bundesagentur für Arbeit, Merkblatt zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen von Werk- und selbständigen Dienstverträgen sowie anderen Formen drittbezogenen Personaleinsatzes, vgl. auch Niebler/Biebl/Roß (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2003), S. 32 ff.
[29] Vgl. Niebler/Biebl/Roß (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2003), S. 31 f.
[30] § 18 AktG.
[31] BAG, Urteil vom 05.05.1988, AZ. 2 AZR 795/87.
[32] § 1 Abs. Nr. 2 AÜG.
[33] BT-Drs. 10/3206.
[34] Beispielsweise geringeres Gehalt, weniger Erholungsurlaub.
[35] Vgl. Kim (konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung 2011), S. 32.
[36] Gleichbehandlungsgrundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
[37] BT-Drs. 15/25, S. 19, vgl. auch Weckesser (Auswirkungen 2008), S. 17.
[38] Hierzu mehr in Kapitel 4.2.
[39] Eigentlich handelt es sich dann nicht um Überlassung im rechtlichen Sinne.
[40] Vgl. Niebler/Biebl/Roß (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2003), S. 31 f.
[41] AQTIV steht für Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren und Vermitteln.
[42] BT-Drs. 14/6944, S. 53.
[43] BT-Drs. 15/25, S. 19, vgl. auch Weckesser (Auswirkungen 2008), S. 17.
[44] § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3.
[45] Die Anwendung des TV Zeitarbeit kann arbeitsvertraglich festgelegt werden, siehe § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, vgl. hierzu auch Niebler/Biebl/Roß (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2003), S. 125.
[46] Diese tarifdispositive Regelung ist sehr ungewöhnlich, da im Arbeitsrecht eigentlich das Günstigerprinzip gilt, die im Entleiherbetrieb herrschenden Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter hier jedoch das Optimum darstellen und so in der Praxis die Abweichung vom equal pay ausschließlich zuungunsten des Leiharbeitnehmers erfolgt, vgl. hierzu auch Kim (konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung 2011), S. 37 f.
[47] Vgl. Niebler/Biebl/Roß (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 2003), S.125.
[48] Vgl. hierzu auch Bertram (rechtliche Anforderungen 2006), S. 104.