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Hausarbeit, 2014
29 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Begriffserklärung
2.1 Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)
2.2 Stigmatisierungstheorie nach Goffman
3. Menschen mit ASS in der Schule
3.1 Die Selektions- und Allokationsfunktion des deutschen Schulwesens
3.2 ASS und Schule
3.2a Das inklusive Setting in der Regelschule
4 Das Stigma Autismus-Spektrum-Störungen und seine Auswirkungen auf die Identität
5 Ent-Stigmatisierung
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Merkmale der autistischen Störungen
Tab. 2: Streuung der Schüler mit ASS auf verschiedene Schularten in Niedersachsen
Anhang
Die 17 Thesen der Pädagogik der Vielfalt von A. Prengel
Komponenten eines Konzepts zur erfolgreichen beruflichen Teilhabe
Gelingensbedingungen schulischer Förderung
Selbstbild, vermutetes Fremdbild und Fremdbild werden miteinander in Beziehung gesetzt und zur Identität trianguliert
Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen im Spannungsfeld von Inklusion und Stigmatisierung
Die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonventionen durch den Deutschen Bundesrat am 26.03.2009 hat die Inklusion Behinderter in alle gesellschaftlichen Bereiche verbindlich gemacht. Artikel 24 der UN-Konventionen hat das Recht auf Chancengleichheit und individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen (Art. 24, 2e) für eine bestmögliche Entwicklung von Menschen mit Behinderung festgeschrieben und die Diskriminierung bzw. Benachteiligung Behinderter durch den Ausschluss vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen. Diese Verbindlichkeit der Einbindung Behinderter hat für die deutsche Bildungslandschaft weitreichende Konsequenzen. Bedeutet es doch, dass sie ihren Hang zu Homogenität zugunsten der Heterogenität aufgeben muss.
Prengel forderte schon zu Beginn der 1990er Jahre in „Pädagogik der Vielfalt“ (Prengel, 2006) eine Anerkennung der Heterogenität und damit die Aufgabe des Homogenitätsansatzes und der damit verbundenen Kategorisierung von Menschen in behindert/nichtbehindert, weiblich/männlich oder nach kultureller Herkunft. Sie setzte Verschiedenheit mit dem Begriff Gleichberechtigung in Verbindung und entwickelte 17 Thesen[1] mit dem Ziel, die je besonderen Lern- und Lebensmöglichkeiten der Menschen durch gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu entfalten.
Jedoch nicht nur institutionelle Hindernisse gefährden die Entwicklung eines behinderten Menschen. Das Stigma Behinderung, d.h. die Stigmatisierung, die mit der Zuschreibung negativer persönlicher Merkmale oder Eigenschaften durch andere, nicht behinderte Menschen einhergehen, kann die Entwicklung Behinderter ausbremsen bzw. zur Stagnation führen. Hier müssen Gesellschaft und Schule rechtzeitig eingreifen, um langfristige Schäden wie bspw. das eigene Empfinden als deviant von den Behinderten abzuwenden.
Die Autorin dieser Arbeit geht als betroffene Mutter eines sechzehnjährigen Jungen mit hochgradigem frühkindlichem Autismus (Kanner-Autismus) der Frage nach, w elchen Stigmatisierungen Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen in der Schule ausgesetzt sind und wie diese verhindert werden können.
Hierzu werden zunächst die Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und die Stigmatisierungstheorie nach Goffmann beleuchtet. In Kapitel 3 wird auf die Selektions- und Allokationsfunktionen des deutschen Schulwesens hingewiesen, um darzulegen, warum bei Menschen mit ASS die Vorbereitung für eine Berufseinmündung schon sehr frühzeitig in der Schule einsetzen muss. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit dieser speziellen Klientel in der Schule, ihren Problemen und auch die Probleme der Erziehungsberechtigten bei der Entscheidung für die richtige Beschulung. Eine Darstellung des inklusiven Settings der Beschulung schließt dieses Kapitel ab, wobei jeweils darauf eingegangen, wie die Besonderheiten der ASS zur Stigmatisierung und damit auch zur sozialen Isolation führen können. In Kapitel 4 werden die Auswirkungen, die die Stigmatisierung/Ausgrenzung auf die Persönlichkeit eines Menschen haben kann, beschrieben um im darauffolgenden Kapitel mögliche Präventions- und Ent-Stigmatisierungsmaßnahmen vorzustellen. Ein Fazit schließt diese Arbeit ab.
Die Autismus-Spektrum-Störungen zählen zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, die in der Kindheit beginnen und welche zwar als unheilbar, jedoch nicht als statisch und unveränderbar gelten. ASS ist eine dem Stand der Forschung entsprechende Bezeichnung (Noterdaeme, M., 2013, S.3), die insbesondere die drei Subtypen frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom), Asperger-Syndrom und Atypischer Autismus unterscheidet. Der Begriff Autismus leitet sich ab vom Griechischen „autos“ (selbst) und „ismos“ (Zustand/Orientierung) und wurde erstmals 1911 vom Psychiater Bleuler bei schizophrenen Erkrankungen zur Beschreibung spezifischer Symptome wie Kontaktschwierigkeiten, Rückzugstendenzen und Störungen des Realitätsbezuges genutzt (ebd. S. 2). 1944 berichteten sowohl der amerikanische Kinderpsychologe Leo Kanner als auch der österreichische Kinderarzt Hans Asperger von ihrer Arbeit mit Jungen, die unter massiven Kontakt- und Beziehungsstörungen litten. Zudem zeigten diese deutliche Auffälligkeiten hinsichtlich Sprache und Kommunikation (ebd.). Asperger jedoch beschrieb die Jungen als frei von kognitiven Einschränkungen; einige besaßen sogar eine Sonderbegabung (ebd.). Es dauerte noch bis in die 1980er Jahre hinein, bis durch Arbeiten von L. Wing eine klare Abgrenzung der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen zu den schizophrenen Störungen stattfand. Sie weckte das Bewusstsein dafür, dass Autismus sowohl mit als auch ohne geistige Behinderung auftreten kann. (Sappok, T.; Bergmann, T.; Kaiser, H. und Diefenbacher, A.). Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt einige typische Merkmale der ASS, erhebt jedoch nicht den Anspruch, abschließend zu sein.
Tab. 1: Merkmale der autistischen Störungen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: eigene Darstellung)
Die in Tab. 1 exemplarisch dargestellten Verhaltensstörungen machen deutlich, wie sehr die Möglichkeiten zu einer Teilnahme am sozialen Leben sowie für eine selbständige Lebensführung für einen Menschen mit ASS eingeschränkt sind. Kommunikationsschwierigkeiten, Wahrnehmungs- und Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen, Abkapselung von und Anpassungsprobleme an die soziale Umwelt führen zu erheblichen Problemen im Umgang mit den Mitmenschen.
Das Wort „Stigma“ wurde von Erving Goffman (1922 - 1982) in die soziologische Erörterung eingeführt und bezeichnet ein Merkmal an einer Person, dass so auffällig anders ist, dass sich die Anderen von der betreffenden Person abwenden (Goffmann, 1967, S. 11ff). Während also der Stigmatisierte von seiner Umgebung als jemand Abgesondertes definiert wird, sieht sich der Stigmatisierte selbst als normal (ebd. S. 136). Das bedeutet, ein Stigma kann sich erst in der sozialen Interaktion darstellen und wirkt genauso wie Vorurteile auf der Ebene der Einstellungen. Somit ist das Wort „Stigma“ von dem Wort „Stigmatisierung“ strikt abzugrenzen. Denn erst auf der Verhaltensebene geschieht die Stigmatisierung. Sie knüpft an den fremden Merkmalen an und assoziiert sie zugleich in Zusammenhang mit weiteren negativen Merkmalen oder Eigenschaften (ebd. S. 14). In seinem Buch „ Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität.“ beschreibt Goffmann die Organisation der eigenen Identität um ein abweichendes (deviantes) Verhalten herum als Endpunkt der Stigmatisierung. Deshalb geht er der Frage auf den Grund, wie das stigmatisierte Individuum mit dieser Situation umgeht (ebd. S. 18ff). Zum besseren Verständnis unterscheidet er zwischen der sozialen, der persönlichen und der Ich-Identität:
Soziale Identität beschreibt die Typisierung von Menschen in soziale Kategorien (z.B. Behinderter), denen sie sich dann zugehörig fühlen. Zeigt sich diese Kategorie durch ein unerwünschtes Merkmal (z.B. sichtbare körperliche Behinderung, unangemessenes Verhalten), so kann dies der Anstoß für eine Stigmatisierung sein (ebd. S. 10ff). Goffmann beschreibt die persönliche Identität als die in direkter Verbindung mit der jeweiligen Biografie stehende Einzigartigkeit des Menschen. Hiermit meint er jedoch nicht das „Innerste des Seins“ (ebd. S. 74) einer Person, sondern die externe Kategorie im sozialen Feld, z.B. die Identifizierung einer Person durch dessen Ausweis (ebd. S. 67 ff). Erst mit der Ich-Identität kommt Goffmann auf die subjektive Seite des Individuums zu sprechen. Sie beschreibt die Empfindungen hinsichtlich der eigenen Eigenart, Kontinuität und der eigenen Situation, die Goffmann als das Resultat verschiedener sozialer Erfahrungen beschreibt (ebd., S. 132ff). Diese Identitätstypen zeigen verschiedene Problembereiche im Umgang mit Stigmatisierung auf: die soziale Identität zeigt, wie Stigmatisierung zustande kommt (Einordnung einer Person in z.B. eine niedrige soziale Position); die persönliche Identität besitzt die Techniken des Stigma-Managements, die dem Stigmatisierten beim Verbergen seines Stigmas oder auch bei der Verarbeitung von Interaktionsproblemen helfen (ebd.); die Ich-Identität zeigt nicht nur die Empfindungen des Stigmatisierten, sondern auch, dass die Erfahrungen im sozialen Umfeld großen Einfluss auf dessen Empfindungen und damit auf die Ich-Identität haben (ebd. S. 133).Goffmann impliziert zudem unterschiedliche Anforderungen an die stigmatisierte Person, die von außen an diese gestellt werden und zu Widersprüchen in der Selbsterfahrung der Person führen (ebd. S. 151ff). So bietet die Umwelt eine Art Handel an: benimmt sich der Stigmatisierte normal, wird er auch wie ein Normaler behandelt (ebd.). Gleichzeitig wird ihm jedoch verdeutlicht, dass er eben nicht normal ist (z.B. Behinderung) und diesen Umstand anzuerkennen hat. Auch wird ihm das Recht abgesprochen, sich auf Normalität zu berufen. Hier spricht Goffmann auch von „Scheinakzeptanz“ und „Scheinnormalität“ (ebd. 154ff). Und diese Erfahrungen wirken sich dann letztendlich auf die Ich-Identität aus.
Schule ist laut Thoma (2010) das wohl am nachhaltigsten und umfassendsten wirkende System auf die Biografie der Individuen. Sie nimmt aufgrund der Schulpflicht einen großen Raum in Kindheit und Jugend ein und hat weitreichende Auswirkungen auf die zukünftigen Sozialchancen der Kinder. Denn Schule ist ein Vermittlungsinstrument, dass vielfältigen Zwecken und Ansprüchen, z.B. seitens des Staates, der Gesellschaft, der Eltern etc. dient (Hinz 2001, S. 124). Somit werden der Schule drei Funktionen zugesprochen, die sie zu erfüllen hat: a.) eine Qualifikationsfunktion; sie fordert, dass die Kinder während der Schulzeit mit Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten ausgestattet werden, die für das spätere Berufs- und Gesellschaftsleben benötigt werden. Welche Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten dies sind, ändert sich mit den je aktuellen technologischen und kulturellen Trends. Aber auch propädeutische wissenschaftsbezogene Grundkenntnisse und sogenannte Schlüsselqualifikationen wie bspw. erwünschte Verhaltensdispositionen, Kooperationsbereitschaft und andere sogenannte Soft-Skills soll Schule vermitteln (ebd.), b.) die Selektions- und Allokationsfunktion; Selektionsfunktion nimmt die Schule dergestalt wahr, dass sie die Schüler auf verschiedene Schullaufbahnen und damit auch in Bezug auf ihre späteren sozialen Chancen hin sortiert. Diese Selektion geschieht anhand von Zensuren, Schullaufbahnempfehlungen, Abschlüssen etc. und hat weitreichende Konsequenzen bzgl. der späteren Berufsposition und damit auch der sozialen und gesellschaftlichen Position (Image, Prestige, materieller Erfolg) der Schüler. Diese frühe Zuweisung auf bestimmte Lebenschancen ist die sogenannte Allokationsfunktion. Natürlich bestimmt die Schule nicht allein über die Lebenschancen der Kinder; soziale Herkunft, Begabung, Geschlecht etc. spielen eine beinahe ebenso große Rolle (ebd. S. 125). c.) die Integrationsfunktion; sie dient dazu, dass die Schüler frühzeitig durch das Einüben der von der Gesellschaft gewünschten und akzeptierten Verhaltensweisen sowie entsprechender Einstellungen, Überzeugungen und Haltungen, reibungslos in die Gesellschaft eingepasst werden können. Grundsätzlich zählen hierzu bspw. Fleiß, Genauigkeit bei Aufgabenbewältigung, Pünktlichkeit u.a. – also die sprichwörtlichen „Preußischen Tugenden“ (ebd.).
Diese drei Funktionen erfordern eine Trennung der Menschen im Bildungssystem nach vorher genormten Merkmalen wie Intelligenz, Verhalten, Leistungsfähigkeit, so dass homogene Schulklassen entstehen können (Hinz, S. 1). Dies hat zur Folge, dass Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen nach Durchlaufen des Schulparcours aufgrund ihrer Verhaltensauffälligkeiten und des erhöhten Hilfe- und Unterstützungsbedarfes in ihrem späteren Berufsleben und ihrer sozialen Positionierung auf große Probleme stoßen. Viele von ihnen werden trotz hoher intellektueller Leistungsfähigkeiten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) fehlplatziert. Dies zeigen nicht repräsentative Studien (z.B. Dalferth). Während hier ca. 65% der Menschen mit ASS in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) integriert werden, schaffen es nur 5% auf dem regulären Arbeitsmarkt und etwa 30% bleiben Arbeitslos (Dinter 2004, S. 11 Fußnote 1). Umso wichtiger ist, dass hier die Berufseinmündung schon während der Schulzeit intensiv in interdisziplinärer Zusammenarbeit aller Beteiligten – Eltern, Lehrer, Betreuer, Arbeitsverwaltung, Kammern, WfbM, Fachdienste zur beruflichen Eingliederung etc. – beginnt (Arbeitsgruppe Autismus 2010, S. 60)[2]. Schule muss nach Meinung der Autorin dieser Arbeit ihre Selektionsfunktion zugunsten einer heterogenen Klasse mit Einbezug aller Unterstützungssysteme aufgeben und sich ihrer Allokationsfunktion bewusst werden. Nur so kann sie ihrer Verantwortung für diese Klientel, die über die Schulzeit hinausgeht, gerecht werden. Dann ist eine den Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechende Eingliederung in Gesellschaft und Arbeitsmarkt eher möglich und Fehlplatzierungen dieser Menschen in den WfbM können vermieden werden.
Bei der Wahl der richtigen Schule stehen Eltern mit autistischen Kindern vor einer schwierigen Entscheidung. Die unter 2.1 genannten Symptome machen deutlich, dass es mit einer einfachen Diagnose „Autismus“ nicht getan ist, um die geeignete Schulform zu finden. Vielmehr ist eine sehr exakte Standortanalyse der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wahrnehmungsstörungen vonnöten, um für jeden Einzelfall die richtige Schulart zu finden. Kinder mit ASS können sowohl auf gymnasialem Niveau als auch in Fördereinrichtungen mit Schwerpunkt geistige Entwicklung beschult werden. Das Spektrum der Leistungsfähigkeiten von Kindern mit ASS ist also sehr heterogen, so dass keine pauschalen Schulartempfehlungen gemacht werden können; zumal es in der Förderschullandschaft nach Kenntnisstand der Autorin kaum speziell auf Kinder mit ASS zugeschnittene Schulformen gibt. Die Streuung der Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Schularten kann anhand aktueller Zahlen aus Niedersachsen anschaulich aufgezeigt werden, wie die folgende Tabelle 2 belegt:
Tab. 2: Streuung der Schüler mit ASS auf verschiedene Schularten in Niedersachsen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Niedersächsischer Landtag, 2008 in Moosecker & Fries 2011, S. 11
Bei den Förderschulen werden diejenigen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung von der überwiegenden Mehrheit (77,5%) besucht, 18% besuchen diejenigen mit Förderschwerpunkt „Lernen“; 4,5% verteilen sich auf die anderen Förderschwerpunkte (Moosecker, J. & Fries, A. 2011, S. 11). Im Zuge der Inklusion sollen Kinder mit ASS gemeinsam mit gesunden Kindern in normalen Regelschulen unterrichtet werden. In seinem 2013 erschienenen Buch Lernen sichtbar machen schreibt Hattie zum Thema Inklusion
„(…), dass Lernende mit Behinderungen so weit wie irgend möglich in die Gemeinschaft der nicht behinderten Peers integriert und in jedem Fall in ein möglichst wenig restriktives Umfeld platziert werden sollen.“ (Hattie 2013, S. 114).
Den Kindern mit ASS soll in der inklusiven Schule die Möglichkeit gegeben werden, von und mit der Gemeinschaft anderer Kinder zu lernen anstatt sie in den Schonräumen der Förderschulen zu segregieren. Eine Forderung die auch Prengel seit dem 1980er Jahren immer wieder stellt.
Wie in Kapitel 2.1 und 3 dargelegt erfordert die inklusive Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit ASS eine für jedes Kind exakt erstellte Strandortbestimmung. Um das Lernen zu ermöglichen, müssen die Rahmenbedingungen in den Schulen derart gestaltet sein, dass sie klare Strukturen geben (Selter 2013, S. 26). Je nach Ausprägung der ASS ist es ratsam, dem Kind/Jugendlichen einen Schulbegleiter an die Seite zu stellen. Dieser kann dazu beitragen, dass das schulische Umfeld lernt, mit dem Schüler umzugehen (ebd.); sein erklärtes Ziel ist und bleibt jedoch die Teilhabe seines Schützlings an Schule und Gesellschaft (ebd.).
Zur Zielerreichung reicht es nicht aus, dass das Lehrpersonal der Schule sonderpädagogische Fort- bzw. Weiterbildungen absolviert oder Wissen über die spezifischen Probleme der von ASS Betroffenen aufbaut. Auch die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit den Eltern, Sonderpädagogen, Logopäden, Ergotherapeuten etc. ist eine essentielle Voraussetzung. Hier muss ein enges Netzwerk mit funktionierender Kommunikation geschaffen werden.
Der Artikel „Rahmenmodell der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen“ (Eckart und Sempert, 2013) zeigt Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche Beschulung dieser Kinder/Jugendlichen auf. Hier werden im Nachgang zur deutsch- und englischsprachigen Fachdiskussion acht Kernbereiche[3] beschrieben, die essentiell für eine gelingende Förderung der Schüler sind. Die dargestellten Kernbereiche greifen nicht nur die autismusspezifischen Besonderheiten und Förderbedarfe auf, sondern auch methodisch-didaktische Gesichtspunkte, Merkmale der Schulumfeld-Gestaltung und die nötigen Kontextfaktoren (Eckert & Sempert 2013, S. 28). Da eine ausführliche inhaltliche Darstellung der acht Kontextbereiche den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, wird hier nur kurz und in Stichpunkten darauf eingegangen; eine ausführliche inhaltliche Darstellung findet sich in Eckert & Sempert 2012/2013.
[...]
[1] A. Prengel 2006, S. 185ff.; siehe Anhang I
[2] Siehe auch: Komponenten eines Konzepts zur erfolgreichen beruflichen Teilhabe nach Dalferth 2010, Anhang II
[3] Grafische Darstellung der acht Kernbereiche siehe Anhang III