Maruyama Masao schrieb im Jahr 1944, also bereits kurz vor Ende des Pazifischen Krieges, in seinem Aufsatz "Die Formung des japanischen Nationalismus in seiner Frühzeit“, dass „die Forderung nach nationaler Einheit zum Zwecke staatlicher Unabhängigkeit innenpolitisch zwei Richtungen ein[schlug]: die eine bestand in der staatlichen Konzentration der politischen Kräfte, die andere darin, daß diese Forderung die gesamte Nation erfasse“, und kam abschließend zu der Schlussfolgerung, dass „dem Moment der politischen Konzentration durchweg ein viel größeres Gewicht zukam“. Diese frühe und treffende Analyse verdeutlicht zwei Dinge. Zum einen, dass nationale Einheit – und das egal zu welchem Zwecke – nur durch das Übereinbringen dieser beiden Richtungen vollends gelingen kann. Des Weiteren, dass wenn zunächst auf die Konzentration der politischen Kräfte hingearbeitet wurde, die zweite Richtung erst später in den Mittelpunkt der Betrachtung und des Handelns rückt, um aus der Frühphase des Nationalismus in eine spätere Phase gelangen zu können. Doch welche Prozesse und Akteure waren die treibenden Kräfte hinter diesen Entwicklungen? Ein wichtiger Ort für die Implementierung eines Gefühls der nationalen Selbstüberhöhung war mit großer Wahrscheinlichkeit die Arbeiterschaft. Diese war zumeist männlich, folglich wahlberechtigt, sie ernährten ihre Familie und standen nach dem Prinzip des ie-Systems als Patriarch an der Spitze dieser. Sie entschieden über die Belange der Familie und waren darüber hinaus diejenigen, die in den Fabrikhallen und Werften all jene Geräte produzierten, die für die mit dem Nationalismus einhergehenden expansionistischen Pläne des Militärs benötigt wurden. Aus diesen Gründen waren sie ein wesentlicher Baustein, um einen breiten von der gesamten Bevölkerung getragenen Nationalismus aufbauen zu können. In den Mittelpunkt der hier vorgelegten Analyse soll die zweite von Maruyama angesprochene Richtung gestellt werden, die sich mit der Implementierung des Nationalismus in weite Teile der Gesellschaft befasst. Der Maschinist und Gewerkschaftler Kamino Shin’ichi ist ein Beispiel, an dem die Verlagerung des Schwerpunkts von linkem Gedankengut hin zum (ultra)nationalistischen nachvollziehbar wird. Hier gilt es zu untersuchen, welche Rolle sein Handeln beim Übergang von der Frühphase des Nationalismus bis zu Spätphase spielte. Welche Schritte, Rückschläge und Erfolge Kaminos Schaffen dabei zeitigte, soll hier untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kamino Shin'ichi
- Anmerkung zur Quellenlage
- 1920 Reise über China nach Europa und die Frage nach dem tenkō-Problem
- 1924 Die Nogi-Gesellschaft
- Das Leben des Nogi Maresuke
- 1926 - Die antigewerkschaftliche Gewerkschaft Jikyō-kumiai
- Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Analyse befasst sich mit der Person Kamino Shin'ichi, einem Maschinisten und Gewerkschaftler, der im frühen 20. Jahrhundert in Japan eine bedeutende Rolle im Wandel von linken zu nationalistischen und ultranationalistischen Ideologien spielte. Die Arbeit untersucht, wie Kaminos Handeln den Übergang von der Frühphase des Nationalismus zur Spätphase beeinflusste und welche Schritte, Rückschläge und Erfolge seine Aktivitäten zeitigten.
- Die Konversion Kaminos vom linken zum rechten Lager und die Frage nach dem tenkō-Problem
- Die von Kamino gegründete Nogi-Gesellschaft und die Bedeutung des Namensgebers Nogi Maresuke
- Die Gründung der Gewerkschaft Jikyō-kumiai und ihr Kampf gegen die linksradikale Gewerkschaft Kōrōkai
- Die Verbindung von Kaminos Unternehmungen mit den späteren Entwicklungen des nationalistischen und ultranationalistischen Gedankenguts in Japan
- Die Rolle der Arbeiterschaft im Aufbau eines breiten Nationalismus in Japan
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext der Analyse dar und beleuchtet die Bedeutung der Arbeiterschaft im Aufbau eines breiten Nationalismus in Japan. Sie führt in die Thematik der nationalen Einheit und die beiden Richtungen ein, die Maruyama Masao in seiner Analyse des japanischen Nationalismus identifiziert. Die Einleitung stellt die Person Kamino Shin'ichi als Beispiel für die Verlagerung des Schwerpunkts von linkem Gedankengut hin zum (ultra)nationalistischen vor.
Das Kapitel über Kamino Shin'ichi beleuchtet seine Biografie, seine frühen sozialistischen Einflüsse und seine Reise nach Europa im Jahr 1920. Es analysiert Kaminos Wandel vom Sozialisten zum Nationalisten und die Frage, ob dieser Wandel als tenkō (Bekehrung) oder Konversion zu betrachten ist. Das Kapitel geht auf die Bedeutung von Kaminos Beobachtungen in Shanghai ein und wie diese seinen Sinneswandel beeinflussten.
Das Kapitel über die Nogi-Gesellschaft, die Kamino in den Werken der Firma Ishikawajima gründete, befasst sich mit der Funktion dieser Gesellschaft und dem Hintergrund des Namensgebers Nogi Maresuke. Es beleuchtet das Leben und Wirken des Generals Nogi Maresuke und seine Bedeutung für den japanischen Nationalismus.
Das Kapitel über die Gewerkschaft Jikyō-kumiai, die Kamino gründete, analysiert ihren Kampf gegen die linksradikale Gewerkschaft Kōrōkai und die Unterstützung, die sie von der Firmenleitung und anderen externen Vereinigungen erhielt. Es untersucht, ob Kaminos Unternehmungen mit den späteren Entwicklungen in der Hochphase des nationalistischen und ultranationalistischen Gedankenguts in Japan in Zusammenhang stehen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Kamino Shin'ichi, (Ultra)Nationalismus, Gewerkschaftsbewegung, tenkō, Konversion, Nogi Maresuke, Jikyō-kumiai, Kōrōkai, Ishikawajima, Arbeiterschaft, Japan, 1920er und 1930er Jahre.
- Quote paper
- Felix Jawinski (Author), 2013, Kamino Shin’ichi. (Anti-)Gewerkschaftlicher Wegbereiter des japanischen (Ultra-)Nationalismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/278558