„Alles wäre vollkommen, wenn zum Mannsein nicht auch der Kontakt zu den Frauen und Mädchen gehören würde, die einen in die Falle locken wollen, deren bloße Existenz eine ständige Bedrohung der Männlichkeit darstellen würde.“ Diese Behauptung stellt Louise Kaplan bezüglich Jungen auf, die sich in der Pubertät und somit auf der Suche nach der Ausbildung einer Männlichkeit befinden, die den gesellschaftlichen Ansprüchen gemäß des Geschlechterverhältnisses gerecht wird. In männlich-hegemonialen Kulturen stehen Jungen unter dem Druck, sich als hegemoniales Geschlecht zu setzen und zu behaupten. Zur hegemonialen Männlichkeit gehört eine radikale Abgrenzung zum Weiblichen und eine Abwertung derselben, sowie ein erfolgreiches Bestehen im Kampf um die Binnenhierarchie der Männlichkeit. Ganz oben auf der „Männlichkeitsskala“ befinden sich solche Männer, die die tradierte Zuschreibung geschlechtsspezifischer Eigenschaften erfüllen: Sie stehen mit einem Beruf in der Öffentlichkeit, der ihren rationalen Charakter und produktiven Kräfte betont und somit einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag darstellt. Im privaten Bereich werden Dominanz und Potenz bei gleichzeitiger Autonomie gefordert. Dieses Soll zu erfüllen ist alles andere als einfach und bringt in der männlichen Subjektkonstitution eine fragile Männlichkeit hervor, die aufgrund des gesellschaftlichen Zwangs zur Heterosexualität von Weiblichkeitsabwehr und somit vom Männlichkeitsdilemma gezeichnet ist.
„Kapitulation vor dem Eros“ –
Überlegungen zur Weiblichkeitsabwehr im Verhältnis zur Konstitution von Männlichkeit
Mannsein ist nicht einfach. Schon gar nicht in einer hegemonial-männlichen Gesellschaft. In den folgenden Überlegungen soll aufgezeigt werden, aus welchen Gründen Weiblichkeitsabwehr und die „Kapitulation vor dem Eros“[1] von Männern zusammenhängen und wie sich Männlichkeit derzeit konstituiert.
„Alles wäre vollkommen, wenn zum Mannsein nicht auch der Kontakt zu den Frauen und Mädchen gehören würde, die einen in die Falle locken wollen, deren bloße Existenz eine ständige Bedrohung der Männlichkeit darstellen würde.“[2] Diese Behauptung stellt Louise Kaplan bezüglich Jungen auf, die sich in der Pubertät und somit auf der Suche nach der Ausbildung einer Männlichkeit befinden, die den gesellschaftlichen Ansprüchen gemäß des Geschlechterverhältnisses gerecht wird. In männlich-hegemonialen Kulturen stehen Jungen unter dem Druck, sich als hegemoniales Geschlecht zu setzen und zu behaupten. Zur hegemonialen Männlichkeit gehört eine radikale Abgrenzung zum Weiblichen und eine Abwertung derselben, sowie ein erfolgreiches Bestehen im Kampf um die Binnenhierarchie der Männlichkeit. Ganz oben auf der „Männlichkeitsskala“ befinden sich solche Männer, die die tradierte Zuschreibung geschlechtsspezifischer Eigenschaften erfüllen: Sie stehen mit einem Beruf in der Öffentlichkeit, der ihren rationalen Charakter und produktiven Kräfte betont und somit einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag darstellt. Im privaten Bereich werden Dominanz und Potenz bei gleichzeitiger Autonomie gefordert. Dieses Soll zu erfüllen ist alles andere als einfach und bringt in der männlichen Subjektkonstitution eine fragile Männlichkeit hervor, die aufgrund des gesellschaftlichen Zwangs zur Heterosexualität von Weiblichkeitsabwehr und somit vom Männlichkeitsdilemma gezeichnet ist.
Das Männlichkeitsdilemma benennt das sich stets wiederholende Drama von der Abhängigkeit von Frauen einerseits und dem Unabhängigkeitsanspruch als „freier Mann“ andererseits. Es ist als Erweiterung des Sexualitätsdilemmas zu verstehen, das sich auf den per se freien Trieb und die unumgängliche libidinöse Bindung an ein Objekt bezieht. Der Trieb ist frei, die Libido jedoch „klebrig“. Sie heftet sich an das Objekt der Begierde und löst so das Dilemma aus, wonach die Triebbefriedigung ausschließlich mithilfe des Objekts möglich ist. Für das spezifische Männlichkeitsdilemma bedeutet dies: Aufgrund der Abhängigkeit vom Objekt des Triebes ist die eingeforderte Autonomie gefährdet. Erschwerend hinzu kommt, dass die Autonomie durch die Frau gefährdet ist, auf die sich bei „hegemonialen Männern“ das sexuelle Interesse beschränken muss. Der Weg der Entwicklung der auf sozialem wie auch insbesondere auf sexuellem Gebiet ständig mitschwingenden Weiblichkeitsabwehr soll im Folgenden nachvollzogen werden.
Die Produktion bzw. Reproduktion von Männlichkeit erfolgt gemäß van Gennep dem Dreiphasenmodell, das sich in „Trennung“, „Umwandlung“ und „Angliederung“ aufteilt.[3] In der Phase der Trennung soll dem Jungen alles Weibliche ausgetrieben werden, daraufhin das Männliche „installiert“ werden und schlussendlich die Rückkehr in die (weibliche) Welt als ganzer Mann erfolgen. Laut Kaplan geht die Vorpubertät mit einer heftigen Abwendung von weiblichen Wesen einher. Die Jungen zeigen aggressive Verhaltensweisen, zu denen unter anderem die Beschäftigung mit militärischen Szenen und Objekten als auch Angriffe auf „Schwule“ und andere sexuell bedrohliche Gruppen gehören.[4]
Am bedrohlichsten erscheint jedoch das weibliche Geschlecht. So attestiert Kaplan, dass Jungen dazu entschlossen scheinen, ihren Eros zu verbannen und Mädchen als „Hexen“ zu betrachten. Der Grund für die Abwertung der Mädchen hängt eng mit der Abwehr aller bisherigen Erfahrungen zusammen, die die Jungen auf sämtlichen Stufen ihrer Entwicklung gemacht haben. Da nun psychosozial ein deutliches Bild von „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ zur Verfügung steht, wird die Kindheit innerpsychisch als „weiblich“ und somit „schwächlich“ rekategorisiert. Die Mutter als erste Bezugsperson erscheint als angstauslösendes inneres Objekt, das die Abhängigkeit des Jungen verkörpert und somit eine Gefahr auf dem Weg der Trennung von allem Weiblichen und der Umwandlung zum „echten“ Mann darstellt. Wenn die Abhängigkeit von der Mutter Ausdruck von Schwäche rekategorisiert wird, erfolgt im nächsten Schritt die Einordnung jedweder positiver Empfindungen gegenüber Mädchen und Frauen als schwächlich. Im Unbewussten der Jungen muss diesem Gefühl von Schwäche mit heftiger Abwendung, Abwehr und Abwertung begegnet werden. Mädchen treten in der Wahrnehmung der Jungen gewissermaßen als „Nachfolgerinnen“ der Mutter als erster Pflege- und Bezugsperson auf. Jeder Gedanke an die Möglichkeit, sich liebevollen Empfindungen hinzugeben, erzeugt einen Alarmzustand, denn mit der Abhängigkeit von weiblichen Wesen ist der Autonomieanspruch in höchstem Maße gefährdet.[5]
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[1] Pohl, Rolf: Feindbild Frau. Männliche Sexualität, Gewalt und die Abwehr des Weiblichen. Hannover: Offizin 2004. S. 326.
[2] Pohl gemäß Kaplan. Ebd.
[3] Vgl. Pohl. S. 322.
[4] Vgl. Pohl gemäß Kaplan. S. 325.
[5] Vgl. Pohl. S. 326.
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- Julia Haase (Author), 2009, Kapitulation vor dem Eros, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/272549