„Wir bitten die Juden in aller Welt um Verzeihung. Wir bitten das Volk in Israel um
Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeiten der offiziellen DDR-Politik und für
die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem
Land.“ 1
Diese Erklärung aller Fraktionen der ersten demokratisch gewählten DDR-Volkskammer
wurde am 12. April 1990 von deren Präsidentin Sabine Bergmann-Pohl verlesen, und sie
umrahmt diese Arbeit, in der es um den Umgang mit dem Holocaust und den Juden im Osten
Deutschlands zwischen 1945 und 1989 geht, ein. Denn diese Erklärung fasst jenen Umgang in
knapper Weise zusammen, charakterisiert ihn und soll deshalb einerseits als Ausgangspunkt
dienen, sich diesem Thema zu nähern und andererseits auch den Schlusspunkt bilden.
Es soll aufgezeigt werden, dass der Umgang mit der Judenverfolgung und den Juden in der
Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
widersprüchlich war, entwürdigend und teilweise auch antisemitisch. Darüber hinaus soll
deutlich gemacht werden, dass alle positive Annäherung an den Holocaust bzw. die Jüdischen
Gemeinden sowie das Gedenken an die NS-Verbrechen gegen die Juden einen politischen
Hintergrund hatte. Hierzu wird u.a. auf die Neugründung der Jüdischen Gemeinden nach 1945,
auf die antisemitischen Aktionen der beginnenden 1950er, auf das Konzept des Gedenkens,
auf die Unterstützung der Jüdischen Gemeinden, auf die Publizistik und auf die Beziehungen
der DDR zu Israel bzw. dem Nahen Osten eingegangen. Die Kapitel zu den 1940ern,
1950ern und 1960ern sind sehr umfangreich. Das liegt zum einen an der Anzahl von relevanten
Geschehnissen und zum anderen an der Tatsache, dass in diesen beiden Jahrzehnten
Entwicklungen stattfanden, die sich entweder bis zum Ende der DDR nicht bis kaum
veränderten oder die man zum besseren Verständnis der in den anderen Phasen
stattgefundenen Dinge benötigt.
Die Rede war eben deshalb von Phasen, weil die Arbeit zur besseren Gliederung und
Überschaubarkeit an Olaf Groehlers Einteilung der Phasen des Umgangs mit dem Holocaust
angelehnt ist: [...]
1Zit. nach Maser, Peter, Juden und Jüdische Gemeinden in der Innenpolitik der DDR, in: Bergmann, Werner / Erb,
Rainer / Lichtblau, Albert (Hrsg.), Schwieriges Erbe. Der Umgang mit Nationalsozialismus und Antisemitismus in
Österreich, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland (Schriftenreihe des Zentrums für
Antisemitismusforschung, Bd.3), Frankfurt a.M./New York 1995,S. 339-368, hier S.340.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Ein kritischer Rückblick zu Beginn
- 2. Die Nachkriegszeit 1945-1949
- 3. Das erste Jahrzehnt nach Gründung der DDR - die 1950er Jahre
- 4. Vorsichtige Veränderung - die 1960er Jahre
- 5. Die 1970er
- 6. Fünf Minuten vor zwölf soll alles anders werden - die 1980er
- 7. Zusammenfassung und Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Umgang mit Juden und dem Holocaust in der SBZ/DDR zwischen 1945 und 1989. Sie zeigt auf, dass dieser Umgang widersprüchlich, entwürdigend und teilweise antisemitisch war. Die Arbeit beleuchtet den politischen Hintergrund von Maßnahmen, die sich auf die jüdischen Gemeinden und das Gedenken an die NS-Verbrechen gegen die Juden beziehen.
- Neugründung der Jüdischen Gemeinden nach 1945
- Antisemitische Aktionen der beginnenden 1950er
- Das Konzept des Gedenkens
- Unterstützung der Jüdischen Gemeinden
- Beziehungen der DDR zu Israel und dem Nahen Osten
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Ein kritischer Rückblick zu Beginn: Das Kapitel stellt die Erklärung aller Fraktionen der ersten demokratisch gewählten DDR-Volkskammer vom 12. April 1990 vor, in der um Verzeihung für den Umgang mit Juden und dem Holocaust in der DDR gebeten wird. Es wird die These aufgestellt, dass der Umgang mit der Judenverfolgung und den Juden in der SBZ/DDR widersprüchlich, entwürdigend und teilweise antisemitisch war.
- Kapitel 2: Die Nachkriegszeit 1945-1949: Dieses Kapitel behandelt die Neugründung jüdischer Gemeinden in der SBZ, die Rückkehr von jüdischen Emigranten und die Ankunft von Juden aus Osteuropa. Es beleuchtet auch die frühen Bemühungen der SMAD, die Bevölkerung über Konzentrations- und Vernichtungslager zu informieren, und die Auseinandersetzung mit der Judenverfolgung und dem Holocaust in der Literatur der ersten Nachkriegsjahre.
- Kapitel 3: Das erste Jahrzehnt nach Gründung der DDR - die 1950er Jahre: Das Kapitel beschäftigt sich mit den antisemitischen Aktionen der beginnenden 1950er Jahre und der Verdrängung des Holocaust in der DDR.
- Kapitel 4: Vorsichtige Veränderung - die 1960er Jahre: In diesem Kapitel werden die ersten Versuche der DDR, sich mit dem Holocaust auseinanderzusetzen, beleuchtet. Es wird die politische Instrumentalisierung des Gedenkens und der Beginn historischer Dokumentationen behandelt.
- Kapitel 5: Die 1970er: Das Kapitel untersucht die beginnende wissenschaftliche Beschäftigung mit der Judenverfolgung in der DDR.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie dem Umgang mit dem Holocaust und dem Antisemitismus in der SBZ/DDR, der Neugründung der Jüdischen Gemeinden nach 1945, der Verdrängung des Holocaust, dem Konzept des Gedenkens und der Beziehungen der DDR zu Israel.
- Arbeit zitieren
- Frank Keilhack (Autor:in), 2004, Der Umgang mit Juden und Holocaust in der SBZ / DDR 1945-1989, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/27073