Goethe und Herder reisen nach Italien, was jeweils eine Flucht aus dem eintönigen Leben in Weimar darstellt. Sie geraten jedoch zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen: Briefe und Tagebucheinträge geben diesbezüglich Aufschlüsse über die Charaktere, ihre Gedanken und Interessen, sowie über persönliche (familiäre und berufliche) Voraussetzungen und ihre jeweiligen Auswirkungen auf die Italienreisen.
In dieser Ausarbeitung sollen ebendiese Umstände herausgearbeitet werden, die Goethe fühlen lassen „bis aufs innerste Knochenmark verändert zu sein“ und die ihn in Rom „einen zweiten Geburtstag, eine wahre Wiedergeburt“ (Rom, 2. Dezember 1786) zählen lassen, während Herder seine Reise als einen großen Fehler ansieht (Rom 15. Oktober 1788) und in Abgrenzung von Goethe schreibt „Auf mich macht Italien in Allem nun Einmal den ganz entgegengesetzten Eindruck; ich kehre wie ein Geist zurück u. kann Dir nicht sagen, wie mir vor dem gewöhnlichen Troß der Buhlerein pp ekelt“ (Brief an Caroline Herder, Rom, 28. März 1789).
Bei der Betrachtung dieser primären Quellen soll allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass beide Bücher zwar unter dem Namen Italienische Reise bekannt sind, sich jedoch in einem sehr wesentlichen Merkmal unterscheiden: Goethe plante die Veröffentlichung seiner Tagebuchaufzeichnungen und einiger seiner Briefe bereits während er sie verfasste, was für das 18. Jahrhundert nicht untypisch war: „Eine sehr positive Einstellung zur Freundschaft, zum Austausch von Gefühlen, zur Teilnahme am Privaten überhaupt machte Formen wie Tagebücher und private Briefe literaturwürdig.“
Gegenteilig verhielt sich diesbezüglich Herder, der, das Briefeschreiben betreffend, eher vorsichtiger Natur war, wodurch sich in Herders Briefen nur selten umfassende und aufrichtige Berichte über sein Befinden und seine Gedanken finden, wenn sie nicht an ihm höchst vertraute Personen gerichtet sind. Da zu diesen jedoch seine Frau Caroline und zwischenzeitlich auch Goethe gehörten, kann in den zusammengestellten Briefen aus Italien zumeist davon ausgegangen werden, dass sie „ein bedeutsames Zeugnis seines Wesens und Geistes“ darstellen. (...)
Der direkte Vergleich der Texte bildet den Hauptbestandteil dieser Arbeit, wobei intensivere Textarbeit zu den aussagekräftigen Rom- und Neapelaufenthalten vorgenommen wird. Die Ausarbeitung bezieht sich auf die aktuellen Ausgaben der Italienische[n] Reise jeweils von Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Zeit vor den Italienreisen
- Die persönlichen Voraussetzungen und die Zeit in Weimar
- Die Erwartungen und Gegebenheiten vor Reisebeginn
- Die äußeren Umstände auf der Hinreise und in Rom
- Goethe als Vorbild und Konkurrent Herders
- "Herder als „Gnadenhungriger“ und Goethe als „Künstlerbursche“
- ,,Ich bin nicht Goethe“. Herders Abgrenzung von Goethe.
- Herders Versuch einer Gleichstellung mit Goethe
- Die Kunstbetrachtung in Rom.
- Herders „Sinnsuche“ im Vergleich mit Goethes „Wiedergeburt“.
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Italienreisen von Johann Gottfried Herder und Johann Wolfgang Goethe, um die unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven der beiden Autoren in einem vergleichenden Kontext zu beleuchten. Dabei stehen die individuellen Motive, Erwartungen und Ergebnisse der Reisen im Mittelpunkt.
- Die unterschiedlichen Voraussetzungen und Erwartungen der beiden Autoren vor ihren Reisen.
- Die persönliche und gesellschaftliche Situation in Weimar, die als Ausgangspunkt der beiden Reisen dient.
- Die Rolle Goethes als Vorbild und Konkurrent für Herder, insbesondere im Hinblick auf die literarische Verarbeitung ihrer Reiseerlebnisse.
- Die unterschiedlichen Auffassungen von Kunst und Kultur, die sich in den Reiseberichten von Herder und Goethe widerspiegeln.
- Die Bedeutung der Briefe als Kommunikationsmittel und als literarische Quelle für die Rekonstruktion der Reiseerfahrungen.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Dieses Kapitel führt in die Thematik der Italienreisen von Herder und Goethe ein und stellt die zentralen Fragestellungen der Arbeit vor. Es wird betont, dass die beiden Reisen unterschiedliche Motivationen und Ergebnisse aufweisen, die in den Briefen und Reisetagebüchern der beiden Autoren zum Ausdruck kommen.
- Die Zeit vor den Italienreisen: Dieses Kapitel befasst sich mit den persönlichen Voraussetzungen und der Situation in Weimar, die den Ausgangspunkt der beiden Reisen bildet. Es werden Goethes und Herders jeweilige Positionen am Weimarer Hof, ihre familiären Verhältnisse und die künstlerischen und intellektuellen Einflüsse betrachtet, die ihre Erwartungen an die Italienreise prägten.
- Die äußeren Umstände auf der Hinreise und in Rom: Dieses Kapitel beleuchtet die Reisewege und die ersten Eindrücke der beiden Autoren in Italien. Es werden die unterschiedlichen Erfahrungen und Beobachtungen auf der Hinreise und die ersten Begegnungen mit der römischen Kultur dargestellt.
- Goethe als Vorbild und Konkurrent Herders: Dieses Kapitel setzt sich mit der Rolle Goethes als Vorbild und gleichzeitig als Konkurrent für Herder auseinander. Es werden die unterschiedlichen Sichtweisen auf Kunst und Kultur, die literarische Verarbeitung der Reiseerlebnisse und die persönlichen Beziehungen der beiden Autoren analysiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Italienreise, Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang Goethe, Briefliteratur, Reisetagebuch, Weimarer Klassik, Kunstbetrachtung, Kulturvergleich, Selbstfindung, Wiedergeburt, „Sinnsuche“.
- Arbeit zitieren
- Carina Zebrowski (Autor:in), 2008, Johann Gottfried Herders Briefe aus Italien und Johann Wolfgang Goethes "Italienische Reise", München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/267215