Mit seinen Enthüllungen um geheime Online-Durchsuchungen, die amerikanische Geheimdienste in den vergangenen Jahren weltweit millionenfach durchführten, richtete Edward Snowden den internationalen Fokus auf eine grundlegende Debatte innerhalb der Terrorismusbekämpfung - Welche Maßnahmen dürfen zur Wahrung innerstaatlicher Sicherheit getroffen werden und wann gehen sie auf Kosten der individuellen Freiheit? Bereits seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 sehen sich in erster Linie westliche Demokratien mit der Aufgabe konfrontiert, im erfolgreichen Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus sowohl der allgemeinen Forderung nach mehr Sicherheitsdenken, als auch dem Wunsch nach einem unantastbaren Schutz der Grundrechte nachzukommen.
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der derzeitigen Kontroverse zu diesem Thema auseinander. Dabei wird gezielt die Frage erörtert, ob die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren zur erfolgreichen Bekämpfung der Terrorismus im Internet die innere Sicherheit auf Kosten wichtiger bürgerlicher Freiheitsrechte stärkte. Ist der öffentliche Vorwurf, dass heute auch in Deutschland der Zweck (Terrorbekämpfung) die Mittel (Verlust der Privatsphäre) heiligt angesichts der staatlichen Sicherheitsmaßnahmen gerechtfertigt? Oder ist der Staat in der Lage, die geforderte Balance zwischen seiner Pflicht, die Sicherheit der Bürger zu schützen, und andererseits der Verantwortung, die traditionelle Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, einzuhalten?
Zur Analyse dieser Fragen fokussiert die Arbeit besonders diejenigen Sicherheitsmaßnahmen, die in der Bundesrepublik Deutschland nach dem 11. September 2001 gesetzlich verabschiedet wurden und sich gezielt auf den Tatort Internet konzentrieren - die Sicherheitspakete I und II, die gesetzlichen Maßnahmen zu Online-Durchsuchungen und Vorratsdatenspeicherungen sowie das Antiterrordateigesetz (ATDG). Darüber hinaus wird die Funktion des deutschen Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich dieser Thematik erörtert. Welche konkreten Entscheidungen hat das Gericht in den letzten Jahren getroffen? Ist es möglich, damit eine angemessene Balance zwischen innerer Sicherheit und bürgerlicher Freiheit zu bewahren? Oder muss man angesichts aller bisherigen Entwicklungen davon ausgehen, dass sich die Bundesrepublik zukünftig von einem allwissenden zum allmächtigen Staat wandeln wird?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Terrorismus
1.1 Der internationale Terrorismus seit dem 11. September 2001
1.2 Versuch einer allgemeinen Definition
1.3 Terrorismus als Kommunikationsstrategie
2. Terroristische Botschaften im Internet
2.1 Ziele der Online-Kommunikation
2.1.1 Propaganda terroristischer Macht
2.1.2 Rekrutierung neuer Mitglieder
2.1.3 Planung und Koordinierung neuer Anschläge
2.2 Vorteile für terroristische Organisationen
2.3 Wachsende Schwierigkeiten für staatliche Sicherheitsmaßnahmen
3. Antworten auf den „Terrorismus 2.0“ in der Bundesrepublik Deutschland
3.1 Innere Sicherheit als Staatsprinzip
3.2 Konkrete Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung im Internet
3.2.1 Die Sicherheitspakete I und II
3.2.2 Online-Durchsuchungen und Vorratsdatenspeicherung
3.2.3 Das Antiterrordateigesetz (ATDG)
4. Das Bundesverfassungsgericht als „Kollektiv der Anti-Terrorgesetzgebung“
4.1 Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
4.2 Urteil zur Vorratsdatenspeicherung
4.3 Urteil zum Antiterrordateigesetz (ATDG)
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
“Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu
gewinnen, wird am Ende beides verlieren.”
Benjamin Franklin, amerikanischer Staatsmann
Einleitung
Mit seinen Enthüllungen um geheime Online-Durchsuchungen, die amerikanische Geheimdienste in den vergangenen Jahren weltweit millionenfach durchführten, richtete Edward Snowden den internationalen Fokus auf eine grundlegende Debatte innerhalb der Terrorismusbekämpfung - Welche Maßnahmen dürfen zur Wahrung innerstaatlicher Sicherheit getroffen werden und wann gehen sie „auf Kosten der [individuellen] Freiheit“ (Klingst/Perger 2006)? Bereits seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 sehen sich in erster Linie westliche Demokratien[1] mit der Aufgabe konfrontiert, im erfolgreichen Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus sowohl der „[allgemeinen] Forderung nach mehr Sicherheitsdenken“ (Krause 2008: 158), als auch dem Wunsch nach einem „unantastbaren Schutz der Grundrechte“ (ebd.) nachzukommen.
Auch in der Bundesrepublik Deutschland wuchs nach den Ereignissen in New York und Washington ein Gefühl der „Hysterie und Furcht“ (Weichert 2007: 86). So trat neben das Entsetzen über das zerstörerische Ausmaß dieser Anschläge zunehmend die Angst, selbst zum Ziel terroristischer Aktivitäten zu werden (Jauer 2013). Die Bundesregierung sah es daher als ihre dringlichste Pflicht, auf die gesellschaftliche Verunsicherung zu reagieren. Der damalige Bundeskanzler, Gerhard Schröder, betonte daher bereits einen Tag nach dem Angriff auf das World Trade Center, dass man gegen eine derartige „Kriegerklärung an die zivilisierte Völkergemeinschaft nun rasch noch wirksamere Maßnahmen ergreifen [muss]“.[2] In den folgenden Monaten verabschiedete die Bundesregierung zwei umfangreiche Anti-Terror-Gesetze, die Sicherheitspakete I und II, mittels derer sie tatverdächtige Personen besser überwachen und die Bundesrepublik in der Zukunft vor möglichen Terroranschlägen schützen wollte (Schmeller 2013).
Jedoch riefen diese Sicherheitsmaßnahmen schnell Kritik hervor. Zahlreiche politische und gesellschaftliche Akteure äußerten ihre Sorge darüber, dass mit den verabschiedeten Gesetzen „ein unverhältnismäßiger Abbau an grundrechtlichen Freiheitsrechten einher[geht]“ (Middel 2007: 19). In der Erinnerung an negative Geschehnisse innerhalb der jüngeren deutschen Geschichte[3] befürchtete man, dass sich die Bundesrepublik im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zunehmend zu einem Überwachungsstaat im Orwellschen Sinne[4] entwickelte (Hofer 2008: 102).
Mit den Anschlägen in Madrid 2004 und ein Jahr später in London erreichte die Zerstörungskraft des internationalen Terrorismus auch den europäischen Kontinent. Wiederum waren in Deutschland als unmittelbare Folge auf diese Ereignisse „Angst und ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit“ (Riescher 2010: 11) zu spüren. Die fortwährende Bedrohungssituation führte in den folgenden Jahren zu weiteren umfassenden Sicherheitsmaßnahmen. So verabschiedete die Bundesregierung 2006 das Antiterrordateigesetz (ATDG) sowie das Luftsicherheitsgesetz, ein Jahr später das Gesetz zur Online-Durchsuchung und 2008 schließlich die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung.[5] Dabei fokussierten besonders die jüngsten Sicherheitsmaßnahmen einen Bereich des öffentlichen Lebens, der sich bis heute zu einem „mächtigen Werkzeug für terroristische Verbrechen entwickelt hat“ (Irrgang 2011: 173) – das Internet.
War dieses Medium anfänglich noch primär als Kommunikationskanal für ökonomische und militärische Einrichtungen geplant (Schmalz 2008: 170), so stellt das Internet heute einen „unverzichtbaren Bestandteil unserer hochvernetzten [...] Ordnung“ (Schäuble 2007) dar. Diese Entwicklung hat einen zweifachen Effekt. Zum einen ermöglicht die weltweite Vernetzung den erfolgreichen „Ausbau demokratischer Strukturen“ (Ribolits 2001: 155) und kann auf diese Weise einen entscheidenden Beitrag zur dauerhaften Friedenssicherung leisten. Zum anderen handelt es sich beim Internet um den „größten unregulierten Raum der Welt“ (Schmidt/Cohen 2013: 14), der gezielt auch von internationalen Terrororganisationen genutzt wird.[6] Angesichts dieser Situation sehen sich heute Staaten weltweit mit der Herausforderung konfrontiert, ihre Sicherheitsmaßnahmen im Internet auf dem „schmalen Grad zwischen [einschneidender] Zensur und Schutz der Sicherheit“ (ebd.: 264) angemessen zu positionieren. Es gilt dabei sowohl für die staatliche Innen- als auch die Außenpolitik den Fokus nicht nur auf die reale, physische Welt zu richten. Gerade innerhalb der Online-Welt muss der Schutz vor terroristischen Aktivitäten gewährleistet sein (ebd.: 366).
Mit dieser Ausdifferenzierung terroristischer Kommunikationsmöglichkeiten und den politischen Versuchen, die Sicherheitsarchitektur darauf abzustimmen, hat die öffentliche Debatte über Sicherheit und Freiheit im Zuge staatlicher Terrorismusbekämpfung erneut an Brisanz gewonnen.[7] Während dabei die Bundesregierung sowie im Besonderen das Bundesinnenministerium immer wieder betont, dass es „Unsinn [ist] zu unterstellen, irgendjemand wollte unseren Rechtsstaat zu einem [...] Überwachungsstaat umbauen“ (Schäuble 2007), kritisieren Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen, dass zunehmend unschuldige Internetnutzer ins Visier von Sicherheitsbehörden geraten, „obwohl sie dafür keinen individuellen Anlass geboten haben“ (Schaar 2008: 46).[8]
In meiner vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit der derzeitigen Kontroverse zu diesem Thema auseinandersetzen. Dabei werde ich gezielt die Frage erörtern, ob die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren zur erfolgreichen Bekämpfung des Terrorismus im Internet die innere Sicherheit auf Kosten wichtiger bürgerlicher Freiheitsrechte stärkte. Ist der öffentliche Vorwurf, dass heute auch in Deutschland „der Zweck (Terrorbekämpfung) die Mittel (Verlust der Privatsphäre) [heiligt]“ (Pitzke 2013) angesichts der staatlichen Sicherheitsmaßnahmen gerechtfertigt? Oder ist der Staat in der Lage, die geforderte Balance zwischen seiner Pflicht, die Sicherheit der Bürger zu schützen, und andererseits der Verantwortung, die traditionelle Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, einzuhalten (Huster/Rudolph 2008: 11)?
Innerhalb der Politikwissenschaft haben die Forschungsbeiträge zu diesem Thema seit den Anschlägen vom 11. September 2001 „exponentiell zugenommen“ (Knelangen 2008: 76). Lag der wissenschaftliche Fokus zu Beginn allerdings noch auf einer breitgefächerten Analyse der Debatte „Sicherheit versus Freiheit“[9], so wuchs in den letzten Jahren zunehmend dasjenige Forschungsfeld, welches terroristische Aktivitäten in den Massenmedien und die staatlichen Reaktionen darauf untersucht.[10] Diese bisherigen Erkenntnisse dienen meinen nachfolgenden Ausführungen als entscheidende Grundlage. Dabei wird sich die Arbeit aus zwei wichtigen Themenkomplexen zusammensetzen. Zunächst bedarf es einer präzisen Darstellung des internationalen Terrorismus selbst, um die Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung dieser Bedrohung umfassend zu bewerten. Daher werde ich in einem ersten Schritt erörtern, wie sich der internationale Terrorismus seit den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 entwickelt hat. Daran anschließen wird sich ein Überblick über die bisherigen Definitionsversuche des komplexen Phänomens. Dabei möchte ich mich besonders auf den Ansatz des deutschen Soziologen Peter Waldmann konzentrieren, der den Terrorismus als Kommunikationsstrategie bezeichnet. Das zweite Kapitel meiner Ausführungen wird die bis heute gewonnenen Erkenntnisse über die symbiotische Beziehung zwischen dem internationalen Terrorismus und dem Internet behandeln. An dieser Stelle ist es mir besonders wichtig darzustellen, inwieweit die zunehmende Digitalisierung terroristischer Aktivitäten staatliche Sicherheitsmaßnahmen erschwert. Aufbauend auf diese theoretischen Grundüberlegungen werde ich in einem nächsten Schritt die Frage erörtern, wie innerhalb der Bundesrepublik Deutschland konkret auf den internationalen Terrorismus im Internet reagiert wurde. Im Fokus sollen dabei besonders diejenigen Sicherheitsmaßnahmen stehen, die nach dem 11. September 2001 gesetzlich verabschiedet wurden und sich gezielt auf den Tatort Internet konzentrieren – die Sicherheitspakete I und II, die gesetzlichen Maßnahmen zu Online-Durchsuchungen und Vorratsdatenspeicherungen sowie das Antiterrordateigesetz (ATDG). Diese Gesetze möchte ich im Einzelnen analysieren und herausstellen, warum aus ihnen das häufig zitierte Dilemma – innere Sicherheit auf Kosten bürgerlicher Freiheiten – hervorgeht.
Im letzten Kapitel werde ich eine Institution innerhalb der Bundesrepublik betrachten, die bis heute „als letzter Bewahrer der bürgerlichen Freiheitsrechte, als Schutz vor Überwachungswünschen und Kontrollversuchen durch den Staat [gilt]“ (Biermann 2013) – das Bundesverfassungsgericht. Gerade im Hinblick auf die staatlichen Antiterror-Maßnahmen der vergangenen Jahre haben die Urteile des Gerichts zunehmend an Relevanz gewonnen.[11] Mir ist es wichtig, diese wachsende Bedeutung zu untersuchen und dabei festzuhalten, welche konkreten Entscheidungen das Bundesverfassungsgericht getroffen hat. Darüber hinaus möchte ich folgende Fragen erörtern: Ist es möglich, mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts eine angemessene Balance zwischen innerer Sicherheit und bürgerlicher Freiheit zu bewahren? Oder muss man in Folge der bisherigen Entwicklungen davon ausgehen, dass sich die Bundesrepublik zukünftig von einem „allwissenden [...] zum allmächtigen Staat [wandeln wird]“ (Klingst/Perger 2006)?
1. Terrorismus
Im Hinblick auf die größten terroristischen Anschläge[12] seit den Ereignissen in den Vereinigten Staaten von Amerika 2001 lässt sich feststellen, dass der internationale Terrorismus bis heute zu einem „integralen Bestandteil [...] der Moderne“ (Kaschner 2008: 300) geworden ist. Aus diesem Grund sind eine präzise Definition dieses Phänomens selbst sowie das Wissen um seine Entwicklungsgeschichte zwingend erforderlich.
Die Terrorismusforschung datiert „das erste Auftauchen dessen, was als moderner internationaler Terrorismus betrachtet wird, [...] auf den 22. Juli 1968“ (Hoffman 2008: 110).[13] Bereits zum damaligen Zeitpunkt handelte es sich in erster Linie um religiös motivierte Organisationen, die als Hauptverantwortliche für internationale terroristische Anschläge gesehen wurden.[14] Die Anschläge des 11. September symbolisierten schließlich einen immensen Entwicklungssprung dieser Form terroristischer Aktivitäten. So ist es heute der islamistische Terrorismus, „der wie [..] kaum ein anderes Thema die westlichen Gesellschaften [dazu zwingt], sich mit den eigenen Grundlagen, Werten und Prinzipien intensiv auseinander zu setzen“ (Eith/Rosenzweig 2006: 7). Darüber hinaus veränderte sich mit den Geschehnissen 2001 auch die Vorgehensweise und strukturellen Merkmale terroristischer Organisationen weltweit in entscheidenden Ausmaßen. Dieser Entwicklung entsprechend zeigten sich auch die politischen, medialen und gesellschaftlichen Reaktionen darauf mit einem neuen Gesicht (Linder 2011: 117). Im Folgenden möchte ich daher explizit auf den internationalen Terrorismus seit den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 eingehen und damit verbunden auf die wichtigsten Veränderungen des Phänomens eingehen.
1.1 Der internationale Terrorismus seit dem 11. September 2001
Aufgrund der signifikanten Umgestaltungen, die aus den damaligen Anschlägen resultierten, sprachen zahlreiche Terrorismusexperten von einer umfassenden Neudefinition des Phänomens (Hoffman 2008: 47). Besonders die islamistische Terrororganisation al-Qaida, deren Mitglieder für die Ereignisse in den USA verantwortlich waren, bildete den Ursprung für die weitreichenden Entwicklungen. Handelte es sich bei dieser Organisation selbst zu ihrer Gründungsphase in den 1980er-Jahren noch um ein „recht einheitliches Gebilde, entwickelte sich die Gruppe [nach dem 11. September] zu einer weniger greifbaren transnationalen Bewegung“ (Hoffman 2008: 425).[15] Damit verbunden ergeben sich heute für die internationale Staatengemeinschaft hinsichtlich einer erfolgreichen Bekämpfung des Terrorismus große Herausforderungen. So sehen sie sich von einer weltweiten Bewegung bedroht, die „aufgrund ihrer [ausgeprägten] Netzwerkstruktur systemischen Charakter [besitzt]“ (Huster/Rudolph 2008: 15), deren Ursprünge sich inzwischen kaum mehr lokalisieren lassen und die im Vergleich zu früheren Terror-Bewegungen[16] zunehmend „ent-individualisiert [ist]“ (ebd.: 14). Diesen Charakteristika entsprechend haben sich mit der neuen Form des Terrorismus auch die anvisierten Opfer terroristischer Anschläge verändert. Beim internationalen Terrorismus in seiner heutigen Form handelt es sich nicht mehr um eine Bedrohung einzelner Personen, einer einzigen Bevölkerungsgruppe oder einer Nation; vielmehr ist es ein „Angriff auf die labile psychische Infrastruktur der [gesamten] westlichen Welt“ (Münkler 2006: 108). Dieser Fokus erklärt sich aus den vorherrschenden Motivationen, die innerhalb des islamistischen Terrorismus propagiert werden. So sahen sich sowohl die Attentäter in New York vor 12 Jahren als auch die Akteure in London, die im Frühjahr dieses Jahres einen Anschlag verübten, einem höchsten religiösen Gebot verpflichtet (Hoffman 2008: 138). Im Sinne islamistischer Organisationen wie al-Qaida dienen die Terroristen als mutige Kämpfer im „Heiligen Krieg (Jihad) [gegen die westliche Welt]“ (Hippler 2001: 710).[17]
Die heutige Erscheinungsform des Terrorismus als transnationales Phänomen erschwert nicht nur die Suche nach geeigneten staatlichen Sicherheitsmaßnahmen. Mit den jüngsten Veränderungen hat der Begriff weiter an Komplexität gewonnen, so dass es kaum möglich scheint, innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft „definitionsübergreifende Übereinstimmungen“ (Gerhards et. al 2011: 16) zu finden, die das Phänomen umfassend beschreiben. So stellt auch eine Sonderkommission der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr fest:
„There is currently no comprehensive United Nations treaty on terrorism, nor is there an official definition of the term “terrorism”. Nevertheless, the Member States of the United Nations are in the process of drafting a comprehensive convention on international terrorism, which will complement the existing international legal framework related to counter-terrorism.“[18]
Angesichts der großen Bedeutung, die der Terrorismus innerhalb unserer heutigen Gesellschaft besitzt, ist das Bemühen um eine Definitionsbestimmung jedoch unbedingt notwendig. Wie ist es schließlich möglich, angemessen auf die Angriffe eines Feindes zu reagieren, wenn man die wesentlichen Grundzüge seines Wesens nicht kennt?
1.2 Versuch einer allgemeinen Definition
Betrachtet man den Begriff Terrorismus aus einem lexikalischen Blickwinkel, so lassen sich erste Anhaltspunkte für eine profunde Definition finden. Das Wort „Terror“ stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet „Schrecken (bereitendes Geschehen)“.[19] Durch das Suffix „-ismus“ wird diese Bedeutung weiter klassifiziert. So handelt es sich demnach beim Terrorismus „nicht um Einzelaktionen, sondern auf längere Zeit angelegte Kampagnen“ (Münkler 2006: 101). Diese grundlegende Begriffsbestimmung nennt zwar die wesentlichen Merkmale des Terrorismus, doch ist sie angesichts der bis heute gewachsenen Komplexität des Phänomens für die internationale Politik nicht ausreichend. So sollte eine „einheitliche und konsensuell verwendete Definition im öffentlichen Raum“ (Gerhards et. al 2011: 13) primär die folgenden Überlegungen beinhalten: Von wem gehen terroristische Bedrohungen aus? Welches Ziel verfolgt der Terrorismus allgemein, unabhängig von verschiedenen Motivationsgruppen? Auf welchem Weg versuchen Terroristen dieses Ziel umzusetzen?
Besonders seit den Anschlägen am 11. September 2001 haben sich gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Akteure darum bemüht, diese Fragen profund zu beantworten.[20] Innerhalb der Terrorismusforschung wird dabei häufig auf die Arbeit des deutschen Soziologen Peter Waldmann verwiesen. So sieht er das Phänomen Terrorismus „primär [als] eine Kommunikationsstrategie“ (Waldmann 2001: 13), mittels derer eine „allgemeine Unsicherheit und Schrecken, daneben aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft [erzeugt werden sollen]“ (ebd.: 10). Im Folgenden möchte ich mich bewusst auf diesen Definitionsansatz konzentrieren. Betrachtet man die größten Terroranschläge der vergangenen 12 Jahre, so lässt sich feststellen, dass Peter Waldmann alle signifikanten Elemente des Terrorismus in seiner Arbeit definiert hat.
1.3 Terrorismus als Kommunikationsstrategie
Terroristische Botschaften beinhalten, ungeachtet ihres Absenders und der Weise wie sie übermittelt werden, fünf wichtige Aspekte. Zum einen dienen Terroranschläge dazu, weltweit Angst und Schrecken zu verbreiten (Weichert 2007: 83). Dabei steht für die Terroristen die Anwendung von Gewalt nicht zwingend im Vordergrund. Vielmehr sehen sie Anschläge mit einem hohen Ausmaß an Zerstörung, wie es auch in New York der Fall war, als Mittel zum Zweck. Denn hierbei erhalten sie die Aufmerksamkeit eines weltweiten Publikums und sind so leicht in der Lage, „eine psychologische Breitenwirkung zu erzielen“ (Waldmann 2001: 17).[21] Eng damit verbunden ist ebenso die geplante Langzeitwirkung terroristischer Anschläge. So funktioniert ein Attentat oftmals nur als gewaltsamer Anstoß, um die eigentliche Botschaft über einen langen Zeitraum im Bewusstsein der Opfer aufrecht zu erhalten (ebd.). Ein zweites essentielles Charakteristikum ist die enge Verbindung zwischen terroristischen Aktivitäten und der Machtgier der verantwortlichen Terrororganisationen. Dabei lässt sich dieser Zusammenhang in einem dreistufigen Prozess darstellen. So geht es zunächst um „das Streben nach Macht, [dann] den Erwerb von Macht und [schließlich] den Gebrauch von Macht zur Durchsetzung politischen Wandels“ (Hoffman 2008: 23). Diese politische Umstürzung stellt das dritte Kernelement der terroristischen Kommunikationsstrategie dar. Die weltweiten Terroranschläge dienen oftmals dazu, „das Vertrauen in den Staat und seine Fähigkeiten zum Bürgerschutz zu untergraben“ (Waldmann 2001: 13). Heute beabsichtigt ein Großteil der weltweiten Terrororganisationen, primär westliche Regierungen mit grausamen Attentaten zu provozieren und sie auf diese Weise „aus der Reserve [zu] locken“ (ebd.: 33).[22] Am Ende derartiger Provokationen sollen die angegriffenen Staaten durch ihre harten Sicherheitsmaßnahmen selbst zum Angreifer der eigenen Bevölkerung werden (ebd.: 34). Besonders erfolgreich kann dieses Ziel jedoch nur dann umgesetzt werden, wenn die terroristischen Botschaften im deutlichen Widerspruch zu den Prinzipien und Wertvorstellungen des Empfängers stehen. Aus diesem Grund verübten zahlreiche terroristische Organisationen ihre Anschläge innerhalb der letzten Jahre gezielt auf demokratischem Boden. An dieser Stelle ist es ihnen möglich, den erhofften Normbruch und möglicherweise tiefgreifende politische Veränderungen hervorzurufen (ebd.: 33).
Des Weiteren zeichnet sich die terroristische Kommunikationsstrategie dadurch aus, dass Terroristen die konkrete Umsetzung ihrer Anschläge lange Zeit im Voraus planen und streng systematisch handeln (Gerhards et. al 2011: 16). Dabei treten sie öffentlich meist nicht als wehrhafte Einheit auf, sondern führen ihre Operationen – gestützt durch transnationale Netzwerke – aus dem Untergrund aus (Hoffman 2003: 52).[23] Dieses durchdachte Versteckspiel stellt die angegriffenen Staaten vor große sicherheitstechnische Probleme.
Das letzte wichtige Merkmal bezieht sich schließlich auf die Motivation der kommunizierenden Organisationen und einzelnen Attentätern. Sie selbst lehnen es vehement ab, ihr Vorgehen als Terrorismus zu bezeichnen. So verstehen sie sich vielmehr als „Widerstands- und Freiheitskämpfer“ (Weichert 2007: 87). Im Laufe der vergangenen Jahre machten terroristische Organisationen durch Videobotschaften und Bekennerschreiben häufig deutlich, dass sie als Altruisten agieren, die „von einer Bestimmung geleitet sind“ (Schneider/Hofer 2008: 157). Welcher Art eine solche Bestimmung ist, hängt dabei von entscheidend von der Ausrichtung des gesamten terroristischen Netzwerkes ab.
Zusammenfassend lässt sich also an dieser Stelle festhalten, dass sich das Phänomen Terrorismus als eigene Form der Kommunikation definieren lässt. Dabei wollen terroristische Organisationen mit ihren Anschlägen ein größtmögliches Publikum erreichen, um bei ihm „das Denken [entscheidend] zu besetzen“ (Waldmann 2001: 17). Um dieses Vorhaben möglichst effizient umzusetzen zu können, haben sich die Terroristen weltweit auf ein wirksames Kommunikationsmittel zur Verbreitung ihrer Botschaften fokussiert – die Massenmedien.
Bis heute hat die Bedeutung der Massenmedien, primär des Fernsehens und des Internets, für den internationalen Terrorismus stark zugenommen. So haben terroristische Organisationen seit dem Jahr 1972[24]
zunehmend „die Vorzüge der Massenmedien [...] erkannt und für [sich] nutzbar gemacht“ (Lindner 2011: 107).
[...]
[1] In meinen Augen handelt es sich dabei primär um diejenigen Demokratien, die innerhalb der letzten Jahre von Terroranschlägen betroffen waren und auf diese mit umfassenden Sicherheitsmaßnahmen reagiert haben. Dazu zählen die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Spanien und Deutschland. Darüber hinaus befasste sich auch die Europäische Union intensiv mit der Frage nach geeigneten Anti-Terror-Konzepten. Siehe hierzu: Wilkinson, Paul (2006): Terrorism versus Democracy. The Liberal State Response, S.160 ff.
[2] In seiner Regierungserklärung vom 12. September 2001 zeigte sich der Bundeskanzler des Weiteren überzeugt davon, dass „wir [uns] gemeinsam dieser verbrecherischen Herausforderung gewachsen zeigen [werden]. Freiheit und Demokratie, die Werte des friedlichen Zusammenlebens der Menschen und der Völker, werden diese Prüfung bestehen.“ Siehe hierzu: Regierungserklärung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 12. September 2001. Online verfügbar unter: http://www.documentarchiv.de/brd/2001/rede_schroeder_terror-usa.html, zuletzt geprüft am 12.06.2013.
[3] Im Zuge der Sicherheitspolitik der Deutschen Demokratischen Republik waren „rund 91000 hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) mit der Bespitzelung der Menschen beschäftigt. Zeitweise versorgten fast 200000 „iM” (inoffizielle Mitarbeiter) die Stasi mit Informationen über Partner, Freunde, Nachbarn, Mitarbeiter im Betrieb oder im Büro.“ Siehe hierzu: Bongertmann, Ulrich (2011): DDR: Mythos und Wirklichkeit. Wie die SED den Alltag der Bürger bestimmte. Online verfügbar unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_22677-544-1-30.pdf?110525100609, zuletzt geprüft am 20.05.2013.
[4] In seinem 1949 erschienenen Roman “1984” beschreibt der britische Schriftsteller George Orwell das Leben in einem totalen Überwachungsstaat. Alle Bewohner dieses Staates unterliegen der fortwährenden Kontrolle des “Großen Bruders”. Dieser beobachtet zusammen mit einer herrschenden Partei alle Gedanken, Gefühle und Handlungen der Menschen. Ein bis heute vielzitierter Ausdruck lautet daher: “Big Brother is watching you”. Siehe hierzu: http://deutschsprachige-literatur.blogspot.de/2012/01/inhaltsangabe-1984-von-george-orwell.html, zuletzt geprüft am 13.07.2013.
[5] Eine gute Zusammenfassung dieser Sicherheitsmaßnahmen bietet die Arbeit der Politikwissenschaftlerin Nina Pietschmann. Besonders im Rahmen meines dritten Kapitels werde ich daher auf ihre Analyse zurückgreifen. Siehe hierzu: Pietschmann, Nina (2010): Der Rechtsstaat im Wandel. In: Riescher, Gisela (Hrsg.): Sicherheit und Freiheit statt Terror und Angst. Perspektiven einer demokratischen Sicherheit, S.138-144.
[6] Im Rahmen seiner achtjährigen Forschung konnte der amerikanische Terrorismusexperte Gabriel Weimann feststellen, dass die Anzahl terroristischer Internetseiten innerhalb dieses Zeitraumes von weniger als 30 auf über 4.300 angestiegen ist. Seine Forschungserkenntnisse gelten heute als eine sehr umfangreiche Quelle über die Entwicklung, die Darstellungsmethode sowie die Verbreitung terroristischer Aktivitäten im Internet. Siehe hierzu: Weimann, Gabriel (2006): Terror on the Internet. The New Arena, the New Challenges.
[7] Innerhalb der deutschen Medien finden sich gerade seit der Enthüllung durch Edward Snowden täglich neue Zeitungsartikel, Fernsehdebatten und politische Stellungnahmen, die sich auf den Themenbereich „Sicherheit und Freiheit im Internet“ konzentrieren. Siehe hierzu: Knop, Carsten (2013): Von der digitalen Freiheit. In: FAZ Online, 07.06.2013. Online verfügbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/internet-von-der-digitalen-freiheit-12213431.html, zuletzt geprüft am 25.06.2013; Lobo, Sascha (2013): S.P.O.N. – Die Mensch-Maschine: Unbeschwert durchs Überwachungsnetz. In: Spiegel Online, 25.06.2013. Online verfügbar unter: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/kolumne-von-sascha-lobo-zu-prism-tempora-und-merkel-a-907477.html , zuletzt geprüft am 27.06.2013; Polke-Majewski, Karsten (2013): NSA – Zu gutgläubig für Demokratie. In: Zeit Online, 02.07.2013. Online verfügbar unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/nsa-snowden-freiheit, zuletzt geprüft am 03.07.2013.
[8] Ein vielzitiertes Beispiel ist der Fall des Berliner Soziologen Dr. Andrej Holm. Nachdem die Polizei bei einer Internetrecherche auf Holms wissenschaftliche Arbeiten stieß, in denen er die Begriffe „Prekarisierung“ und „Gentrification“ verwendete, vermutete sie ihn als Anführer einer terroristischen linken Organisation. Denn auch diese Gruppe benutzte häufig derartige Begriffe. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens, das schließlich gegen den Soziologen eingeleitet wurde, beschattete ihn die Polizei fast ein Jahr lang. Im Sommer 2007 überwältigte ihn ein Sonderkommando in seiner Wohnung und er musste für insgesamt drei Wochen in den Untersuchungshaft. Der Bundesgerichtshof erklärte das polizeiliche Vorgehen schließlich für rechtswidrig, so dass der Soziologe wieder frei kam. Siehe hierzu: Das Leben als Terror-Verdächtiger. In: WRD Fernsehen, Sendung vom 09.03.2010.
[9] Angesehene Beiträge aus den vergangenen Jahren sind: Schwetzel, Wolfram (2006): Freiheit, Sicherheit, Terror. Das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit nach dem 11. September 2001 auf verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Ebene; Riescher, Gisela (2010): Sicherheit und Freiheit statt Terror und Angst. Perspektiven einer demokratischen Sicherheit.
[10] In erster Linie konzentrieren sich die Beiträge auf das Massenmedium Fernsehen. Siehe hierzu: Glaab, Sonja (2007): Medien und Terrorismus – Auf den Spuren einer symbiotischen Beziehung. Jedoch wird immer häufiger auch der Zusammenhang zwischen den Phänomenen Terrorismus und Internet behandelt. Siehe hierzu: Golumbic, Martin Charles (2008): Fighting Terror Online. The Convergence of Security, Technology, and the Law; Seib, Philip; Janbek, Dana M. (2011): Global Terrorism and New Media. The post-Al Quaeda generation.
[11] Auch in der politikwissenschaftlichen Forschung konzentrierte man sich innerhalb der vergangenen Jahre auf diese staatliche Institution und ihre Entscheidungen. Eine sehr umfassende Analyse zu diesem Thema bietet die Dissertation des Juristen Stefan Middel, sowie die Arbeit des Juristen Stefan Huster und des Politikwissenschaftlichers Karsten Rudolph. Siehe hierzu: Middel, Stefan (2007): Innere Sicherheit und präventive Terrorismusbekämpfung; Huster, Stefan; Rudolph, Karsten (2008): Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat.
[12] Hervorzuheben sind besonders die Geschehnisse auf Bali (2002), in Madrid (2004), in Großbritannien (2005), sowie Anfang dieses Jahres in Boston (15.04.2013) und in London (22.05.2013). Siehe zu den aktuellen Beispielen: Schmitz, Gregor Peter (2013): Tote und Verletzte bei Attentat: Anschlag auf Boston-Marathon erschüttert die USA. In: Spiegel Online, 16.04.2013.
Online verfügbar unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/anschlag-auf-boston-marathon-erschuettert-die-usa-a-894532.html, zuletzt geprüft am 20.05.2013;
Brutaler Anschlag auf offener Straße schockiert London. In: Handelsblatt Online, 22.05.2013.
Online verfügbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/international/islamistischer-hintergrund-vermutet-brutaler-anschlag-auf-offener-strasse-schockiert-london/8241374.html, zuletzt geprüft am 26.05.2013.
[13] An diesem Tag entführten mehrere Anhänger der Volksfront für die Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine, PFLP) eine israelische Passagiermaschine, die sich auf dem Weg von Rom nach Tel Aviv befand. Die Terroristen nahmen alle Flugzeuginsassen als Geiseln und forderten im Gegenzug zu deren Freilassung die Befreiung zahlreicher palästinensischer Terroristen, die in Israel inhaftiert waren. Siehe hierzu: Hoffman, Bruce (2008): Terrorismus. Der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt, S.110 ff.
[14] Des Weiteren unterteilt man terroristische Aktivitäten in folgende Ausprägungsformen: den Staatsterrorismus, den ethno-nationalen Terrorismus sowie den ideologisch-weltanschaulichen Terrorismus. Spielten diese Gruppierungen noch im Laufe des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle, so sind sie heute dem religiös motivierten Terrorismus deutlich untergeordnet. Siehe hierzu: Linder, Bernadette (2011): Terror in der Medienberichterstattung, S.69 ff.
[15] Insgesamt lassen sich in der Entwicklungsgeschichte von al-Qaida vier Phasen ausmachen: Unmittelbar nach ihrer Gründung 1988 konzentriete sich die Gruppe um ihren Anführer Osama bin Laden primär auf Afghanistan. In einer zweiten Phase (1990-1996) weitete sich das Einsatzgebiet auf den Sudan aus. Darüber hinaus fand in dieser Zeit ein erster Anschlag auf das World Trade Center in New York statt (1993). Anschließend richtete sich die Organisation bis 2001 verstärkt gegen die USA und deren Verbündete. Seit dem 11. September 2001 hat al-Qaida der gesamtlichen westlichen Staatenwelt den Kampf erklärt. Siehe hierzu: Knelangen, Wilhelm (2008): Terrorismus – Im Zentrum der politischen Debatte, immer noch an den Rändern der Forschung? In: Lange, Hans-Jürgen; Ohly, H. Peter; Reichertz, Jo (Hrsg.): Auf der Suche nach neuer Sicherheit. Fakten, Theorien und Folgen, S.75-88.
[16] Als häufiges Beispiel wird die damalige Terror-Organisation “Rote Armee Fraktion” (RAF) aufgeführt, deren Aktivitäten man eine klare Personengruppe zuordnen konnte. Siehe hierzu: Huster, Stefan; Rudolph, Karsten (2008): Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat? In: Huster, Stefan; Rudolph, Karsten (Hrsg.): Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S.9-22.
[17] Der Islamismus geht davon aus, dass zukünftig ein einziger heiliger Gottesstaat existiert, in dem die souveräne Herrschaft von der göttlichen Macht und nicht mehr von den Menschen ausgeführt wird. Alle Mitglieder dieser Glaubensrichtung sind aufgefordert, durch ihre persönlichen Anstrengungen aktiv auf die Umsetzung dieser Staatsidee hinzuarbeiten. Siehe hierzu: Metzger, Albrecht (2002): Die vielen Gesichter des Islamismus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3-4, 2002, S.7-15. Online verfügbar unter: http://www.bpb.de/apuz/27153/die-vielen-gesichter-des-islamismus, zuletzt geprüft am 20.06.2013.
[18] Im September des vergangenen Jahres veröffentlichte das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC) einen umfassenden Bericht über terroristische Aktivitäten im Internet und einen geeigneten Umgang der internetionalen Gemeinschaft mit dieser Problematik. Besonders im Rahmen meines zweiten Kapitels werde ich diesen Bericht zurückgreifen. Siehe hierzu: United Nations Office on Drugs and Crime (2012): The use of the Internet for terrorist purpose.
Online verfügbar unter:
http://www.unodc.org/documents/frontpage/Use_of_Internet_for_Terrorist_Purposes.pdf, zuletzt geprüft am 13.06.2013.
[19] Siehe hierzu: Drosdowski, Günther (1997): Terrorismus. In: Schüler Duden Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter, S.485.
[20] Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan veranschaulichte 2005 eine detaillierte Terrorismus-Definition, indem er feststellte, “dass es sich bei all jenen Handlungen um Terrorismus handelt, die die Absicht haben, den Tod oder schwere körperliche Schäden bei Zivilisten und nicht Kämpfenden herbeizuführen, mit dem Ziel die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation dazu zu zwingen, etwas zu tun oder zu unterlassen.“
Siehe hierzu: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Terrorismus/annan.html, zuletzt geprüft am 13.05.2013.
[21] Bereits 1974 gelangte der amerikanische Terrorismusforscher Brian Jenkins zu dem Urteil, dass Terrorismus mit einer Theateraufführung zu vergleichen ist. Wichtigstes Ziel sind dabei die Zuschauer (im heutigen Fall westliche Demokratien) und ihre Reaktionen auf das Geschehen. Siehe hierzu: Weichert, Stephan Alexander (2007): Die Propaganda der Tat – Zur Kommunikationsstrategie des modernen Aufmerksamkeitsterrorismus. In: Glaab, Sonja (Hrsg.): Medien und Terrorismus – Auf den Spuren einer symbiotischen Beziehung, S. 83-98.
[22] Gerade im Hinblick auf die Entwicklungen der USA nach dem 11. September 2001 wird häufig betont, dass hier die terroristische Kommunikationsstrategie erfolgreich war. Indem die amerikanische Regierung Sicherheit zum zentralen Prinzip ihres Anti-Terror-Schutzes erklärte und versuchte mit harten militärischen Mitteln gegen die Bedrohung vorzugehen, wandelte sie den eigenen Staat zu einem “Imperium der Angst”. Siehe hierzu: Barber, Benjamin R. (2003): Imperium der Angst. Die USA und die Neuordnung der Welt, S. 13-33. Darüber hinaus fielen dem von Amerika ausgerufenen “Krieg gegen den Terror” in Afghanistan bis heute mehr als 3.000 Soldaten aus verbündeten westlichen Demokratien zum Opfer.
Siehe hierzu: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/2006/umfrage/gefallene-oder-verunglueckte-soldaten-der-westlichen-koalition-in-afghanistan/, zuletzt geprüft am 10.07.2013.
[23] Diese Form der Verlegenheitsstrategie (Waldmann 2001: 11) wird wiederum am Beispiel des 11. September 2001 deutlich. Bis zum tatsächlich Tag der Anschläge in New York gelang es al-Qaida, notwendige Koordinierungen unbemerkt von der internationalen Gemeinschaft zu treffen und schließlich ihre Pläne zu realisieren. Dabei hielten sich alle Attentäter während der Vorbereitungsphase in westlichen Demokratien auf, so auch in der Bundesrepublik Deutschland. Siehe hierzu: Waldmann, Peter (2001): Terrorismus. Provokation der Macht, S.31 ff.
[24] Zum ersten Mal benutzten Terroristen die Vorzüge medialer Berichterstattung im Rahmen der Olympischen Sommerspiele 1972. Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September nahmen damals elf israelische Delegationsmitglieder als Geiseln. Die Terroristen verlangten die Freilassung von 232 palästinensischen Straftätern, die in Israel inhaftiert waren, sowie die Freilassung der deutschen Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Dabei nutzten sie gezielt die Fernsehübertragungen, um ihre Forderungen an ein großes Publikum zu übermitteln. Siehe hierzu: Linder, Bernadette (2011): Terror in der Medienberichterstattung, S.107.
- Arbeit zitieren
- Anna Leiber (Autor:in), 2013, Terrorismus im Internet als Gefährdung nationalstaatlicher Sicherheit, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/264342