Die katholische Kirche ist mit 24,6 Mio Mitgliedern und einem Bevölkerungsanteil von 30,2 Prozent eine der größten gesellschaftsrelevanten Gemeinschaften Deutschlands. Die Organisationsgröße und das Dienstleistungsangebot erfordern ein professionelles Management. Am Beispiel des Bistums Speyer wird aufgezeigt, wo aktuell mit den Instrumenten der Personalauswahl und Stellenausschreibung eine effiziente und effektive Personalbesetzung optimiert werden kann.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. DAS bISTUM SPEYER s.2
1.1 Die Organisationsstruktur
1.2 Die Berufsgruppen
1.3 Der Personalbestand
2. Modernes Personalmanagement
2.1 Die Personalplanung
2.2 Die Personalbeschaffung
2.2.1 Die StellenBeschreibung
2.2.2 Das Anforderungsprofil
2.2.3 Das Qualifikationsprofil
3. Der Personaleinsatz der Führungskräfte im Bistum
3.1 Ein doppeltes Paradoxon der Führungskräfte
3.2 Zur Personalauswahl von Gemeindeleitern
3.2.1 Interne Stellenausschreibungen
3.2.2 Fehlende Anforderungsprofile
3.2.3 Fehlende Qualifikationsprofile
3.3 Konsequenzen für die kirchliche Praxis
4. Schlusswort
Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Die katholische Kirche gehört mit 24,6 Millionen Mitgliedern und einem Anteil von 30,2 Prozent der Gesamtbevölkerung[1] zu einer der größten gesellschaftsrelevanten und prägenden Gemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Die seelsorgliche Betreuung und Begleitung der Mitglieder wirkt indirekt durch das Werteverständnis, die Leitbilder und Visionen auf das gesellschaftliche Leben ein, überall wo Christen als Staatsbürger beruflich oder ehrenamtlich als Teil des öffentlichen und privaten Lebens tätig sind. Neben diesem Einfluss gestaltet die kirchliche Gemeinschaft direkt durch ihr Engagement in Erziehung und Bildung als freier Träger von Kindertagesstätten, Schulen, Internaten und Hochschulen, mit Angeboten der Erwachsenenbildung, durch Beratungs- und Sozialbetreuungsdiensten, als Förderer von Kunst und Kultur und nicht zuletzt als Träger sozialer Einrichtungen der Caritas wie z.B. Krankenhäuser, Altenheime, Behinderteneinrichtungen, in denen 520.000 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt sind, das Leben in der Staatsgemeinschaft.
Die Größe der Organisation und das breite Dienstleistungsangebot erfordern eine entsprechende Organisationsstruktur und ein professionelles Management. Neben überregionalen Organisationsformen ist die Kirche weltweit in Diözesen (=Bistümer) unterteilt, die als eigenständige Organisationsform mit dem jeweiligen Bischof an der Spitze sich selbst verwaltet. In Deutschland bestehen 27 Bistümer.[2]
In vorliegender Arbeit soll anhand des Bistums Speyer dargestellt werden, welche Kriterien bei der Personalauswahl von Kräften der mittleren und unteren Führungsebene angewendet werden und wie Erkenntnisse modernen Personalmanagements für die kirchliche Personalführung und Entwicklung genutzt werden können. Im ersten Kapitel wird die Organisationsstruktur des Bistums skizziert. Im zweiten Kapitel werden die zentralen Aufgaben des Personalmanagements dargestellt. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Instrumente der Personalauswahl und Stellenbesetzung gerichtet. Im dritten Kapitel soll die kirchliche Personalbesetzung anhand dieser Standards erörtert werden. Daraus ergibt sich die Forderung nach der notwendigen Veränderung kirchlicher Stellenbesetzungen.
1. Das Bistum Speyer
Das Bistum Speyer gehört zu den ältesten Bistümern Deutschlands. Archäologische Funde wie der Eisenberger Brotstempel belegen christliches Leben im vierten Jahrhundert.[3] Die Anwesenheits- Beschlusslisten der Synode von Sardica 342/343 p.C.n. erwähnen einen Bischof, der der Siedlung Civitas Nemetum (= Speyer) zugeordnet werden kann.[4] Von Speyer als Bischofssitz spricht erstmals eine Urkunde aus dem 5. Jahrhundert. Die Rheinlage als wichtiger Faktor der damaligen Infrastruktur des römischen Reiches erklärt die Ausbreitung christlicher Ansiedlungen am Rhein selbstredend.
Die heutigen Bistumsgrenzen entsprechen den Grenzen des 1817 wiedererrichteten bayerischen Rheinkreises. Nach der Aufhebung des Bistums als Folge der Säkularisation wurde das Bistum Speyer 1817 durch das bayerische Konkordat neu errichtet und entspricht territorial den Grenzen der bayerischen Pfalz.[5] Dies erklärt, warum der Saarpfalzkreis ebenfalls Teil des Bistums Speyer ist. Mit einer Fläche von 5.893 km² und 574.194 Katholiken gehört das Bistum heute zu den kleinsten deutschen Diözesen.[6]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Das Bistum Speyer im Überblick, www.bistum-speyer.de
1.1 Die Organisationsstruktur
Universalkirchenrechtlich (=weltweit) festgelegt, ist der jeweilige Bischof Leiter und alleiniger Gesetzgeber des Bistums. Der Ortsbischof wird direkt vom Papst per Dekret ernannt. Als erster Seelsorger des Bistums und dessen Leiter und Gesetzgeber delegiert er an Mitarbeiter und Abteilungen Aufgaben, die er nicht selbst ausführen kann. Die Entscheidungsvollmacht bleibt davon unberührt ausschließlich dem Bischof vorbehalten. Die Mitarbeiter auf höchster Führungsebene werden alternierend gewählt oder vom Bischof bestimmt und als Domkapitulare auf Lebenszeit durch den Bischof ernannt. Die Domkapitulare bilden zusammen mit dem Bischof das oberste Führungsgremium der Diözese. Der engste exekutive Mitarbeiter ist der vom Bischof ernannte Generalvikar, der die Alltagsgeschäfte mit erweiterter Amtsgewalt im Namen des Bischofs ausübt. Dieses Amt ist eng an den Bischof gebunden und erlischt mit dessen Amtsverzicht oder Tod. Jeder Domkapitular wird Leiter einer Hauptabteilung der Verwaltungsbehörde, des Bischöflichen Ordinariats. Davon ausgenommen sind die Ämter des Generalvikars, des Offizials und des Dompfarrers. Nach der Neuordnung der Verwaltung im Jahr 2005 organisieren, leiten und verwalten vier Hauptabteilungen des Ordinariates alle inneren und äußeren Angelegenheiten der Organisation. Einen eigenständigen Bereich bildet das bischöfliche Offizialat, das als kirchliche Gerichtsinstanz alle partikularrechtlichen (=bistumsspezifisch) und universalrechtlichen (=weltkirchlich) Normen und deren Einhaltung überwacht und prüft.
Organigramm
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Abbildung 2: Organigramm der Organisationsstruktur, www.bistum-speyer.de
Das kirchliche Leben wird auf der mittleren Führungsebene durch 10 Dekanate organisiert. An deren Spitze stehen jeweils ein Dekan, dessen Stellvertreter, der Prodekan, und zwei Definitoren. Diese Leitungsämter werden von den Dekanatsräten im fünf Jahresturnus gewählt und durch die Wahlbestätigung des Bischofs rechtskräftig. Wahlberechtigt sind in dieser Versammlung alle aktiven Seelsorger und Seelsorgerinnen, Vertreter der Pfarrgemeinden und kirchlicher Einrichtungen. Die Dekanate sind wiederum in Pfarrverbände unterteilt. Ein Pfarrverband ist als juristische Person der Verbund mehrerer Pfarreiengemeinschaften und ist analog zur Dekanatsstruktur organisiert. Der vom Pfarrverbandsrat alle vier Jahre gewählte Pfarrverbandsleiter und dessen Stellvertreter leiten mit dem Pfarrverbandsgeschäftsführer, der Angestellter des Bistums ist, den Pfarrverband. Im Bistum Speyer bestehen derzeit 24 Pfarrverbände und Pfarrverbandsgeschäftsstellen. Auf der unteren Führungsebene gibt es 346 Pfarreien, die aus Personalmangel seit Jahren bereits zu 119 Pfarreiengemeinschaften zusammengefasst sind. Ordentliche Leiter von Pfarreiengemeinschaften sind ernannte Pfarrer, denen nach einem Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren vom Bischof die Leitung der Pfarreien verliehen wird. Außerordentliche Leiter sind sogenannte Pfarradministratoren, denen ohne Ausschreibungsverfahren die Leitung durch den Bischof übertragen wird.[7]
Der Rückgang finanzieller und personeller Ressourcen veranlasste die Bistumsleitung im Spätjahr 2009 einen Veränderungsprozess „Gemeindepastoral 2015“ zu beginnen. Die Reorganisation des Bistums bis 2015 sieht die Auflösung der Pfarrverbände und die Errichtung von 70 Großpfarreien vor. Die 346 derzeit bestehenden Pfarreien sollen aufgelöst und in die neu zu bildenden Großpfarreien umstrukturiert werden.[8]
1.2 Die Berufsgruppen
Eine grundsätzliche Unterscheidung innerhalb der katholischen Kirche ist für die Einteilung verschiedener Funktionen und Führungsaufgaben zu beachten: Man unterscheidet zwischen Klerikern und Laien. Laien sind in der Kirche all diejenigen, die nicht geweiht sind. Im Gegensatz dazu spricht man von Klerikern, Männern, die mindestens eine der drei Weihestufen durchlaufen haben. Das Weiheamt, unterteilt in Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe ist entscheidend für das kirchliche Führungsverständnis.[9] Die sogenannte Weihegewalt garantiert die Vollmacht kirchlicher Sakramenten-spendung und somit die rechtmäßige religiöse Dienstleistung der Sakramente. An diese Vollmacht ist die Führungsgewalt gebunden, ebenso die kirchliche Gesetzgebung. Leitungs- und Führungspositionen können daher systemkongruent im engen Sinne nur von Amtsträgern mit Weihegewalt ausgeübt werden. Alle anderen Personen, ob Kleriker oder Laien, sind Helfer und Mitarbeiter. Diese Koppelung von sakramentaler Amtsvollmacht und allgemeinen Leitungsaufgaben ist immer wieder Gegenstand innerkirchlich kontrovers geführter Debatten.
In den Bistümern sind mehrere Berufsgruppen in speziellen seelsorglich-theologischen Berufen beschäftigt: Zum einen Kleriker als Diakone und Priester an deren Spitze der Bischof steht. Priester haben als Zulassungsvoraussetzung ein bestandenes Hochschulstudium in katholischer Theologie absolviert. An die universitäre Ausbildung schließt sich eine fünfjährige bistumsinterne und praxisorientierte Ausbildung an, die zur späteren Gemeindeleitung befähigt. Bei den Diakonen gibt es zwei Qualifikationswege: Einerseits den universitären Weg wie bei den Priestern und andererseits einen Fernstudienabschluss. Diakone werden, obwohl durch die Weihe in den Klerikerstand aufgenommen, nicht für Leitungsfunktionen auf Pfarreiebene eingesetzt.
Bei den Laienangestellten unterscheidet man drei Berufsgruppen: Diplomtheologen, Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen und Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen. Die Berufsgruppen der Diplomtheologen und Pastoralreferenten haben den universitären Abschluss des Diploms oder neuerdings des Masters. Diplomtheologen werden als Referenten, Leiter von Bildungseinrichtungen, im Schuldienst oder der Bistumsverwaltung eingesetzt. Die Gruppe der Pastoralreferenten verfügt zusätzlich über eine fünfjährige bistumsinterne und praxisorientierte Ausbildung, die auf den Studienabschluss folgt. Pastoralreferenten sind in denselben Aufgabenbereichen wie Diplomtheologen eingesetzt und knapp die Hälfte aller Angestellten dieser Berufsgruppe arbeiten in der Gemeindeseelsorge unter der Leitung eines Pfarrers. Gemeindereferenten haben nach einem in der Regel dreijährigen Studium in praktischer Theologie einen Abschluss einer theologischen Fachakademie oder Fachhochschule absolviert. An diese Ausbildung schließt sich eine dreijährige praxisorientierte Ausbildung im Bistum an. Pastoraltheologen und Gemeindereferenten werden in einem Gottesdienst zu Beginn ihrer Tätigkeit vom Bischof zur Mitarbeit ausgesendet. Es ist bereits jetzt deutlich festzuhalten, dass die Kirche über hochqualifiziertes Fachpersonal verfügt, das eine lange Ausbildungszeit von bis zu 10 Jahren absolviert hat. Dieser Sachverhalt ist in der Auseinandersetzung mit der geübten Praxis der Stellenbesetzung m.E. zu berücksichtigen.
[...]
[1] Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (SDBK; 2011), S.6.
[2] SDBK (2011), S.8-9.
[3] Ammerich (1998), S.8-9.
[4] Ammerich (1998), 10-11.
[5] Handbuch des Bistums Speyer (1991), S.4-5.
[6] Aktuelle Statistik, in: www.bistum-speyer.de (Zugriff: 15.01.2012)
[7] Zu den aktuellen Zahlen siehe Statistik der Diözese Speyer: www.bistum-speyer.de (Stand 31.12.2010; Zugriff: 10.01.2012).
[8] Gemeindepastoral 2015: www.bistum-speyer.de (Zugriff: 18.01.2012). Ob die geplante ausschließlich auf Umstrukturierung basierende „Reorganisation“ zeitgemäß ist und erfolgversprechend, ist anhand der personellen Unterbesetzung und aktueller Studien zu bezweifeln. Siehe dazu: Bieger, E. u.a. (2008): Pastoral im Sinus-Land. KirchenZukunft konkret, Bd.4.
[9] Zum katholischen Verständnis des kirchlichen Amtes: LThK I, S.544-545; S.547-552.