In der vormodernen Gesellschaft waren Frau und Mann voneinander abhängig. Sie
bildeten eine Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft, die sogenannte Produktionsfamilie.
Die Familie lebte in einem Haus. Jedes Mitglied hatte seinen Platz und Aufgabe mit der
er betraut war. Sie alle arbeiteten nicht für sich, sondern ihr Tun war dem großen Ziel,
ihre Existenz zu erhalten, unterstellt. Es war eine engverbundene Gemeinschaft, mit
wenig Raum für Privates. In diesem Zusammenhang war die vorindustrielle Familie eher
eine Notgemeinschaft, zusammengehalten durch zwanghafte Solidarität.
Mit beginnender Industrialisierung verlor die Familie ihre Produktionsaufgabe. Die
kleinen Bauern wurden von ihrem Land , das sie ernährte, freigesetzt, und mussten sich
nach Arbeit in Fabriken umsehen. Arbeits- und Wohnplatz wurden getrennt, die
traditionellen Bindungen aufgelöst. Es entstand die bürgerliche Kleinfamilie, und somit
auch die traditionelle Ehe. Der Mann wurde zum Ernährer der Familie und die Frau war
für Haushalt und Kinder zuständig. Folglich kam eine neue Art der Abhängigkeit der
Ehepartner zustande: die Frau wurde abhängig vom Geld ihres Mannes, und der Mann
brauchte sie zur Haushaltsführung und Versorgung um funktionsfähig und leistungsbereit zu sein. Der Familienzusammenhalt blieb durch die permanente
Unterdrückung der Rechte der Frau gewahrt, während sich der Mann individuell
beruflich entfalten konnte, durfte sie dies nicht. Man kann dies auch als halbierte
Moderne bezeichnen. Der Zwang zur Gemeinschaft blieb in veränderter Weise
bestehen. ( Beck/ Beck-Gernsheim 1994: 120/121 )
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts verlor die Familie, entstanden durch den steigenden
Wohlstand und die technische Weiterentwicklung, auch zunehmend die
Versorgungsfunktion. Kindertagesstätten wurden eingerichtet, Fast-Food-Ketten
eröffnet, Fernheizung eingeführt und dies alles erleichterte das alltägliche Leben.
( Schmidt 1996: 32-36 )
Mit der zunehmenden Entfunktionalisierung wird immer größerer Wert auf die
gefühlsbetonte Seite des Zusammenlebens zweier Menschen gelegt. Das
“Aufeinanderangewiesensein“ entfiel zunehmend, und somit ging der wirtschaftliche
Hauptinhalt der damaligen Beziehungen verloren.
Diese Tendenz wurde durch die Tatsache unterstützt, dass es seit den 60iger Jahren
auch in immer größer werdendem Maße Frauen möglich war, sich beruflich und privat
frei zu entfalten, wenn auch noch immer in einem anderen Umfang als Männer dies tun. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einstimmung auf das Thema
- Die Auflösung traditioneller Bindungen
- Verhandlungsmoral – Schlüssel für die Tücken der Individualisierung?
- Markt versus Partnerschaft
- Individualisierung versus Partnerschaft
- Die Ehe - verdichtete Form der Verhandlungsmoral
- Abschaffen der Sexualmoral
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Verhandlungsmoral als Folge von Individualisierung. Sie untersucht die Auflösung traditioneller Bindungen in der modernen Gesellschaft und die damit einhergehende Notwendigkeit, Beziehungen und Lebensentwürfe neu zu verhandeln.
- Die Auflösung traditioneller Bindungen in der Familie
- Die Herausforderungen der Individualisierung für die Gestaltung von Beziehungen
- Die Rolle der Verhandlungsmoral in modernen Partnerschaften
- Die Bedeutung von Kommunikation und Gefühls- bzw. Beziehungsarbeit
- Die Auswirkungen der Individualisierung auf die Ehe und Sexualmoral
Zusammenfassung der Kapitel
- Einstimmung auf das Thema: Dieses Kapitel stellt anhand eines fiktiven Beispiels die Problematik der Verhandlungsmoral in modernen Beziehungen dar.
- Die Auflösung traditioneller Bindungen: Dieses Kapitel analysiert die Auflösung der Produktionsfamilie im Zuge der Industrialisierung und die Entstehung der bürgerlichen Kleinfamilie. Es untersucht die Abhängigkeitsverhältnisse in der traditionellen Ehe und die Herausforderungen der modernen Gesellschaft für den Familienzusammenhalt.
- Verhandlungsmoral - Schlüssel für die Tücken der Individualisierung?: Dieses Kapitel führt das zentrale Thema der Hausarbeit ein: die Notwendigkeit, Beziehungen in einer individualisierten Gesellschaft neu zu verhandeln. Es betrachtet die Wahlbiographie als Gegensatz zur Normalbiographie und die Bedeutung von Kommunikation und Gefühls- bzw. Beziehungsarbeit.
- Markt versus Partnerschaft: Dieses Kapitel untersucht die Auswirkungen der Individualisierung auf die Gestaltung von Partnerschaften. Es analysiert die Konkurrenz zwischen Markt und Partnerschaft und die Herausforderungen, die sich aus der Konkurrenz um Anerkennung und Ressourcen ergeben.
- Individualisierung versus Partnerschaft: Dieses Kapitel befasst sich mit der Spannung zwischen Individualisierung und Partnerschaft. Es untersucht die Herausforderungen der Selbstverwirklichung in modernen Beziehungen und die Frage, wie Selbstbestimmung und Zweisamkeit miteinander vereinbart werden können.
- Die Ehe - verdichtete Form der Verhandlungsmoral: Dieses Kapitel analysiert die Ehe als eine verdichtete Form der Verhandlungsmoral. Es untersucht die Herausforderungen und Chancen der Ehe in der modernen Gesellschaft und die Bedeutung von Kommunikation und gegenseitiger Unterstützung.
- Abschaffen der Sexualmoral: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, ob die traditionelle Sexualmoral in der heutigen Gesellschaft noch relevant ist. Es analysiert die Folgen der Individualisierung für die Gestaltung von Sexualität und die Bedeutung von Selbstbestimmung.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe der Hausarbeit sind Individualisierung, Verhandlungsmoral, Partnerschaft, Ehe, Sexualität, Kommunikation, Gefühls- und Beziehungsarbeit, Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung, Markt und traditionelle Bindungen.
- Arbeit zitieren
- Julia Knauer (Autor:in), 2003, Verhandlungsmoral als Folge von Individualisierung, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/25840