Bis zur politischen Wende in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ist der sozialistische Realismus mit seiner politischen Tendenz das wichtigste Gestaltungsmerkmal der polnischen Literatur, obwohl bereits in den 70er Jahren eine Krise des Realismus eingetreten war und entscheidende Werke des literarischen Umbruchs entstanden. In den Werken der Wende- und Nachwendezeit jedoch beziehen die Autoren endgültig den Realismus ihrer Werke nicht länger ausschließlich auf die politische oder ästhetische Ebene, sondern nehmen die Kultur als Hauptreferenzpunkt.
Die junge Autorengeneration und ihre Figuren beschäftigt in hohem Maße die Frage nach ihrer Identität. Zwei Tendenzen sind dabei zu erkennen. Einmal flüchtet man vor seiner Verwurzelung in einer bestimmten Region. In der neuen polnischen Literatur spielt der begrenzte Raum der Heimat mit den Leuten und der spezifischen Topographie eine wichtige identitätsbildende Rolle. Die Kindheit und Jugend erscheint als wichtige Etappe in der Identitätsfindung. Als Romangattung wird nun die Initiationsprosa bevorzugt.
Stilistisch existiert Literatur wegen des Lesers und nicht länger als Medium zur Verbreitung einer politischen Ideologie. Antoni Liberas Roman "Madame" wird in der vorliegenden Arbeit vor allem hinsichtlich seiner postmodernen Stilistik untersucht. Es wird deutlich, dass Libera postmoderne Erzählstrategien besonders Metafiktion und Intertext, aber auch den Wechsel der Erzählperspektive ein und desselben Erzählers verwendet. Er verknüpft verschiedene Gattungen: die Romanze mit dem Initiationsroman und einer Gesellschaftssatire. Doch diese literaturtheoretischen Finessen bewirken nicht, dass der Roman nur für ein wissenschaftliches Publikum interessant ist. Vielmehr setzt Libera genau das um, was er in dem Schopenhauerzitat, das dem Roman als Motto voran steht, postuliert: Er nimmt eine kleine Begebenheit und macht einen wunderbar lesbaren Roman mit unterschwelligem Humor aus fast nichts. Er zeigt, dass das tägliche Leben die Menschen zu jeder Zeit mit dem Stoff versorgt, aus dem die Mythen und Legenden sind. "Madame" ist dabei nicht nur ein intertextueller und metafiktionaler Roman, sondern auch ein Roman über die alltäglichen Dinge des Lebens: über Stärke und Schwäche, über Liebe und den Konflikt zwischen dem geistigen Ideal und der physischen Realität.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Die junge polnische Autorengeneration
- Postmodernes Erzählen
- Die Krise des Romans im 20. Jahrhundert
- Metafiktion
- Metafiktion nach Federman
- Metafiktion nach Waugh
- Metafiktion nach Imhof
- Zusammenfassung
- Intertext
- Zur Referenz von Texten
- Intertext nach Kristeva
- Intertext nach Genette
- Der "belesene" Autor
- Antoni Libera: Madame
- Nostalgie oder "Früher, das waren Zeiten!"
- "Madame" als Romanze
- "Madame" als Initiationsroman
- Gesellschaftssatire und Intertext
- Erotik und Intertext
- Die poetische Melancholiekonzeption des Romans
- Die Entstehung eines Mythos'
- Zusammenfassung - erfolgreiches postmodernes Erzählen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das postmoderne Erzählen am Beispiel des Romans "Madame" von Antoni Libera. Sie beleuchtet den Aufstieg der jungen polnischen Autorengeneration nach der politischen Wende und analysiert die Verwendung von Metafiktion und Intertext in Liberas Werk. Darüber hinaus wird die Frage nach Identität und der Rolle der Heimat in den Werken dieser Generation untersucht.
- Die Herausforderungen der jungen polnischen Autorengeneration im Kontext des postsozialistischen Umbruchs
- Die Merkmale postmodernen Erzählens, insbesondere Metafiktion und Intertext
- Die Rolle der Identität und der Heimat in der Literatur der jungen polnischen Generation
- Die Analyse von Antoni Liberas Roman "Madame" als Beispiel für postmodernes Erzählen
- Die Rezeption von Liberas Werk in der polnischen Literaturlandschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Entstehung der jungen polnischen Autorengeneration nach der politischen Wende in den 1980er Jahren. Sie skizziert die Merkmale der neuen Literatur und stellt die Entwicklung weg vom sozialistischen Realismus hin zu postmodernen Erzählformen dar. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem postmodernen Erzählen und untersucht die Krise des Romans im 20. Jahrhundert, die Konzepte von Metafiktion und Intertext sowie die Rolle des "belesenen" Autors.
Im vierten Kapitel wird Antoni Liberas Roman "Madame" im Detail analysiert. Es werden die Elemente der Nostalgie, der Romanze und des Initiationsromans untersucht sowie die Bedeutung von Gesellschaftssatire und Erotik im Kontext des Intertexts beleuchtet. Abschließend wird die poetische Melancholiekonzeption des Romans sowie die Entstehung eines Mythos’ betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der postmodernen Literatur, der jungen polnischen Autorengeneration, Metafiktion, Intertext, Identität, Heimat, Antoni Libera, "Madame", Nostalgie, Romanze, Initiationsroman, Gesellschaftssatire, Erotik, Poetische Melancholie, Mythos. Die Arbeit beleuchtet den Umgang mit der Vergangenheit in der polnischen Literatur und die Relevanz von intertextuellen Bezügen.
- Quote paper
- Corinna Hein (Author), 2002, Postmodernes Erzählen. Zu: Antoni Liberas "Madame", Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/24624