In dieser Arbeit geht es um die Bildung(sweise) und Wirkung von Restaurantsnamen, analysiert anhand sprachwissenschaftlicher bzw. onomastischer Aspekte.
Inhaltsverzeichnis
1. Restaurantsnamen im Alltag
2. Lexikalische bzw. onomastische Aspekte
2.1 Frage nach der Übereinstimmung mit den Kriterien der Eigennamen
2.2 Terminologie
3.Morphologische Aspekte
3.1 Verwendung verschiedener Klassennamen
3.2 Wortbildungsverfahren
3.3 Dialektale Varianten
4. Phonologische und graphemische Aspekte
4.1 Wirkung durch Klangpsychologie
4.2 Attraktoren
5. Semantische Aspekte
5.1 Untersuchungen zur Namensgebung
5.2 Erwartungen, Intentionen, Funktionen
6. Diachrone Betrachtung - Entstehung und Wandel
7. Fazit
7.1 Deutsche und spanische Restaurantsnamen kontrastiv
7.2 Lokal vor global - Tradition statt Innovation
7.3 Bedeutsamkeit von Gasthausnamen
Literaturverzeichnis
1. Restaurantsnamen im Alltag
„Wollen wir heute in Die Linde oder doch lieber ins Mamma Pierra ?“. „Vor zwei Wochen war ich im El Mexicano, das ist auch sehr zu empfehlen.“ Sofort ist jedem klar zwischen welchen Dingen sich die Gesprächspartner entscheiden - Restaurants. Zudem ist eine Spekulation über das Essensangebot möglich, da man zu wissen meint, dass es sich um nationaltypische Restaurants handelt: ein deutsches Wirts- haus, eine Pizzeria und ein Mexikaner. Nur woran liegt das? Der springende Punkt ist hierbei der Name. Welche Assoziationen verbinden wir mit den verschiedenen Na- men und wie werden diese überhaupt gebildet? Nach welchen Kriterien benennt man seine landesspezifische Lokalität, um das Interesse der Gäste zu wecken; und welche Wirkung soll dabei erzielt werden? Welche phonologischen Besonderheiten gilt es dabei zu beachten? Was ist typisch deutsch bzw. spanisch? Um diesen und weiteren onomastischen und sprachwissenschaftlichen Fragen auf den Grund zu gehen, wer- den im Folgenden spanische und deutsche Gaststättennamen mit nationaltypischer Küche analysiert und verglichen. Die Beispiele hierzu sind vorwiegend aus Berlin, München, Madrid und Barcelona, sowie vereinzelt aus anderen Städten entnommen. Eines aber steht von Anfang an fest: Jeder hat schon Erfahrungen mit etlichen Re- staurantbesuchen gemacht, die zum alltäglichen und kulturellen Leben dazugehören, und ist folglich schon des Öfteren mit deren Namen in Berührung gekommen. Denn „Namen sind an Gesellschaft gebunden, menschliche Gesellschaft ist nicht ohne Na- men denkbar“, um Karlheinz Hengst, einen bekannten deutschen Onomastiker, zu zi- tieren.
2. Lexikalische bzw. onomastische Aspekte
2.1 Frage nach der Übereinstimmung mit den Kriterien der Eigennamen
Zuallererst muss klar gestellt werden, ob GaststättenN1 zu der Gruppe der EigenN gehören und mit den Eigenschaften derer übereinstimmen.
Da zum Einen das Gebot der Monoreferenz verletzt ist, sind sie, genauso wie Anthro- ponyme, anders einzuordnen als Monosemantika, wie WarenN beispielsweise, da eben nicht jeder N nur einen identischen Referenten besitzt, sondern mehrere, ver- schiedene Bezugsobjekte existieren. Daraus folgt das Phänomen der Homonymie: Es gibt viele mit zufällig dem identischen N versehene Wirtshäuser, jedes ist aber indivi- duell unterschiedlich - abgesehen von Ketten, wie z.B Starbucks. Des Weiteren können bestimmte GaststättenN, wie z.B. Barcelona, Kastanie, Los Casta ñ os abgesehen von seiner Funktion als EigenN, auch appellativen Charakter haben. Der Begriff steht also so im Lexikon, besitzt eine lexikalische Bedeutung. Da- her kann man GaststättenN allgemein als Übergangsform zwischen Appellativ und EigenN ansehen, wobei sie aber auch vollständig in die Klasse der Appellative über- treten können.2
Bei Betrachtung eines dritten Aspektes, der Flexion, stellt man fest, dass keine Scho- nung des Nkörpers vorliegt. Denn den N im Gespräch integer zu erhalten wäre sehr unüblich, wie man an folgenden Beispielen erkennen kann: Blaues Band wird zu 'wir gehen ins Blaue Band / zum Blauen Band / im Blauen Band Essen' oder El Raco ver- ändert sich zu 'vamos al Raco '. Es wird also stets der grammatikalischen Umgebung angepasst, indem die Wörter flektiert werden, was aber keinen gravierenden Unter- schied ausmacht. Im Deutschen gibt es die häufige Besonderheit, dass die Wortgrup- pe des Ns bereits gebeugt ist und sich die Überlegung der Flexion von Zur Kunitz- burg, Zur Sonne, Zum Nudelholz, Zum Eichhörnchen, Zur Linde, usw. erübrigt. Den- noch kann der N wieder anders flektiert verwendet werden: 'Wir gehen im Nudelholz Essen / in die Linde zum Essen'. Außerdem entfällt die Flexion bei Voranstellen der Lokalität, was auch bei der Frage nach dem Genus und des Artikels hilfreich ist.
Dabei richtet sich der Artikel nach dem vordersten Appellativ, wie in das Wirtshaus Erlkönig, al bar Don Cocido, al restaurante Mano A Mano. Ansonsten wird der grammatikalische Artikel des Wortes gebraucht: die Heidelbeere, der Hofstall, la Casa Joana, wobei im Spanischen der Artikel meist gegeben ist, da er einen Teil des Ns bildet. La Dama, El Oso, La Pulpería de Victoria, La Fría, El Gust, La Lonja sind nur einige der unzähligen Beispiele, wohingegen im Deutschen wenig Gebrauch des Artikels gemacht wird, z.B. bei Der Balken, Die gute Stube.
Die Punkte Übersetzbarkeit und Pluralbildung dagegen sind im Allgemeinen nicht von Relevanz, da einerseits die Muttersprache des Landes verstanden wird und für Ausländer bzw. Touristen lediglich der Sinn nachgefragt werden kann, der N aber na- türlich so erhalten bleibt. Zum Anderen ist der Plural unnötig, da es gewöhnlich nur ein einziges Lokal mit dem gleichen N innerhalb eines Ortes gibt. Oder jedoch der N steht bereits in der Mehrzahl, wie Drei Linden, Los Toreros, Los Casta ñ os.
Zuletzt wird noch die Besonderheit der Deonymisierung untersucht, die teilweise auch stattfindet. GaststättenN werden gewiss nicht als richtiges Lexem gebraucht, können aber im alltäglichen Wortschatz auch ohne deskriptives Appellativ auftreten. Allerdings nur, wenn das genannte Restaurant beim Adressaten bekannt ist, sich also in der Nähe befindet und man bereits in Berührung damit gekommen ist. Wenn es bspw. heißt „Gehen wir an deinem Geburtstag in die K ü nstlerklause oder in den Ro- sengarten ?“ ist Bewohnern des Ortes und Verwandten klar, dass es sich eben nicht um einen Treffpunkt für Künstler und keinen wirklichen Garten handelt, sondern um Gaststätten. Genauso im Spanischen bezeichnet das Casa Pepe in einem solchen Dialog mit entsprechendem Kontext nicht das Haus eines Freundes oder Familienan- gehörigen und El Mar nicht das Meer, sondern ein Lokal.
2.2 Terminologie
Nun, mit dem Status des Onomastikons, stellt sich die Frage nach der korrekten Terminologie. Da der Typus GasthausN noch sehr wenig erforscht ist, gibt es bisher keinen konkreten, eindeutigen Begriff, weshalb man ihn nur in unterschiedliche Bereiche einordnen kann.
Einerseits werden Restaurants als Teil der Wirtschaft gesehen, woraus sich auf Ökonyme, also Waren- und MarkenN mit eigenem Image und entsprechender Vermarktung, schließen lässt. Andererseits werden als Oberbegriff die Ergonyme bevorzugt, die für von Menschen geschaffene Objekte stehen3 und auch für Dinge wie Restaurants, Bars, usw. verwendet werden.4 Eine Unterklasse dazu sind Gebäu- deN, die sogenannten Oikodomonyme oder Oikonyme (griech. oikodom é = ´Gebäu- de`), wobei „der Terminus (…) bisher selten verwendet“5 wird, was vielleicht an den Merkmalen 'ortsfixiert', 'karthographisch erfassbar' und 'besiedelt'6 liegt, die nicht immer und nicht ausschließlich auf RestaurantN zutreffen. Daher unterscheidet Nübling zwischen modernen und historischen GaststättenN, wobei erstere eben nicht mehr an einen Ort gebunden sind und eher als GeschäftsN bezeichnet werden, und historische wegen genannter Merkmale eher als Toponyme angesehen werden. Ähnlich wird auch der selten verwendete Begriff 'Mikrotoponym' für Gasthäuser gewertet.7 Zudem beschreibt der N ja nicht einzig und allein das Gebäude oder einen Ort, sondern auch alles was sich dahinter verbirgt, also das Gesamtpaket. Nübling sieht GasthausN letztlich als „heterogene Gruppe im Grenzbereich zwischen Topony- men und Ergonymen“8. Die beiden Eigenschaften Ökonomie und Gebäude werden mit den Bezeichnungen GeschäftsN, UnternehmensN und EtablissementN vereint, da die Gastronomie ebenfalls eine Branche ist. Dazu gibt es bereits den Neologismus 'Gastronomastik'9. Der exakteste Begriff auf der untersten Stufe ist jedoch einfach „Gasthausnamen / Names of Inns / Gaststättennamen“10
3.Morphologische Aspekte
3.1 Verwendung verschiedener Klassennamen
Vor der morphologischen Untersuchung wird hier allgemein die Bildung mit unterschiedlichen Benennungsmotiven betrachtet. Das heißt genauer welche Wortarten als GaststättenN oder zumindest als Teile davon fungieren, wobei unterschiedliche Tendenzen der Länder festzustellen sind. Dieses Verfahren kann auch als Übernahme proprialer Wortbestandteile bezeichnet werden.11
Eine bedeutende Gruppe sind die Toponyme, also OrtsN, wie z.B. Zur Kunitzburg, Restaurant Lietzenburg am Schloss, Wienerwald, Bergterrasse Marienhöhe, sowie im Spanischen Restaurante San Francisco, Restaurante Los À ngeles, Restaurante Madrid-Barcelona.
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1 Im Folgenden wird der Begriff 'Name(n)' mit groß 'N' abgekürzt.
2 Vgl. Nübling 2012, S.266
3 Vgl. Ronneberger-Sibold 2004, S.559
4 Vgl. ebd., S. 278
5 Brendler 2004, S.469
6 Vgl. Nübling 2012, S. 250
7 Kremer und Ronneberger-Sibold 2007, S.317
8 Nübling 2012, S.252
9 Vgl. Wochele, Kuhn, Stegu 2012, S.219.
10 Vgl. Nübling 2012., S.317
11 Begriffe nach Nübling 2012