„Die wirtschaftliche Entwicklung ist seit Jahren von globalem Wettbewerbsdruck und einer zunehmenden Komplexität der Geschäftsmodelle geprägt. Die Unternehmen müssen sich mit verlängerten Wertschöpfungsketten auseinandersetzen und sich gleichzeitig durch eindeutige Kundenauftragsorientierung und Qualitätsverantwortung von ihren Wettbewerbern differenzieren.“ (MÜLLER, 2011, S. 5)
Mit diesem Absatz startet die 2011 erschienene aktuelle Studie ‚Zukunftsthema Geschäftsprozessmanagement’ der PwC AG. Mehrere Begriffe lassen sich aus dem zitierten Absatz extrahieren, die von besonderer Relevanz sind. Diese sind Komplexität von Geschäftsmodellen, Veränderung der klassischen Wertschöpfungsketten und Wettbewerbsdifferenzierung. All diese Entwicklungen treffen Kaufleute, Einzelhändler, Mittelständler, Unternehmen und Konzerne gleichermaßen. Sicherlich ist aber eine Differenzierung hinsichtlich der Intensität der Auswirkung vorzunehmen. Dennoch ist es unumstritten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit jeder Entscheider der hier genannten Beispiele eine Beschleunigung des Marktes und die steigende Komplexität der Anforderungen als die herausfordernden Einflusskriterien aktuell und in der Zukunft nennen wird. Schnelligkeit ist in fast allen Bereichen der heutigen Wirtschaft ein elementarer Bestandteil. Nicht nur bezogen auf z. B. die Geschwindigkeit im Investmentbanking, wo computergestützt innerhalb von Millisekunden Milliardenbeträge über den Globus transferiert werden. Genauso findet sich das Thema auch z. B. im Baugewerbe wieder. Hier werden mittels Fertigbauweise in kürzester Zeit neue Immobilien aus dem Boden gestampft. Die Aufforderung von SEIWERT (2000, S. 45; zitiert in: KARGL, 2011, S. 1) „Schnelligkeit ist wichtig in unserer Gesellschaft, gerade deshalb brauchen wir Langsamkeit“ ist nach wie vor hoch aktuell. Seiwert sagt damit, dass man sich für eine sorgfältige Planung und Ausrichtung Zeit nehmen muss. Und nur durch eine saubere Planung und Ausrichtung kann man einen reibungslosen Ablauf herstellen – somit auch Schnelligkeit erzeugen. Gerade im Rahmen der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens ist die Schnelligkeit, und dadurch bedingt auch die Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit, eine Ressource, auf die kein Unternehmen mehr verzichten kann – egal welcher Branche und Größe.
Anhand dieser Beispiele, welche nur exemplarischen Charakter besitzen, lässt sich eine enorme Steigerung der Anforderungen an die jeweiligen Geschäftsprozesse eines...
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsverständnis
2.2 Definitionen
2.2.1 Definition Business Process Management (BPM)/ Geschäftsprozess-management (GPM)
2.2.2 Definition Organisation und Organisationskultur
2.2.3 Definition Change Management, Widerstand und Kulturwandel
2.3 Grundlagen des Organisationsverständnisses
2.3.1 Funktions- und Prozessorganisation
2.3.2 Transformation Funktionsorganisation zu Prozessorganisation
3. Business Process Management (BPM)
3.1 Verankerung von Business Process Management im betrieblichen Kontext
3.2 Begriffliche Entwicklung
3.3 Ziele des Business Process Management
3.4 Zukunftsthema Business Process Management
4. Psychologie der Veränderung
4.1 Change Management
4.1.1 Handlungsfelder des Change Managements
4.1.2 Warum Change Projekte scheitern
4.2 Widerstandsmanagement
4.2.1 Ursachen von Widerständen
4.2.2 Arten und Merkmale von Widerständen
4.2.3 Umgang mit Widerständen
4.3 Kulturwandel (Cultural Change)
4.3.1 Der Verlauf eines Kulturwandels
4.3.2 Positive und negative Effekte einer Unternehmenskultur
5. Die Psychologie initiierter Veränderungsprozesse anhand eines Beispiels
5.1 Ausgangssituation
5.2 Ablauf der Szenarien
5.3 Analyse der Szenarien
6. Kritische Würdigung und Reflexion
7. Zusammenfassung
I. Anhang
I.i. Übersicht weiterer (Management-)Methoden
I.i.1. Total Quality Management (TQM)/EFQM Excellence Model
I.i.2. Qualitätsmanagement (QM)
I.i.3. Supply Chain Management (SCM)
I.i.4. Lean Management
I.i.5. Six Sigma
I.i.6. Lean Six Sigma
I.i.7. Kaizen/Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
I.i.8. Business Process Reengineering (BPR)
II. Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Rahmenbedingungen für die prozessorientierte Organisationsgestaltung (Quelle: Kugeler, 2000)
Abbildung 2: Bezugspunkte des Business Process Management (Quelle: Schmelzer/Sesselmann, 2010)
Abbildung 3: Auszug aus der Geschichte des Geschäftsprozessmanagement (eigene Darstellung in Anlehnung an Becker/Mathas/Winkelmann, 2009)
Abbildung 4: Ziele der Prozessgestaltung (Quelle: Vahs, 2007)
Abbildung 5: Ziele des Business Process Management (eigene Darstellung in Anlehnung an Müller, 2011)
Abbildung 6: Wichtigkeit des zukünftigen Einsatzes von BPM (eigene Darstellung in Anlehnung an Minonne, 2011)
Abbildung 7: Handlungsfelder des Change Managements (eigene Darstellung in Anlehnung an Vahs 2012)
Abbildung 8: Wirkungskette des Scheiterns von Change Projekten (eigene Darstellung in Anlehnung an Hernstein Management Report, 2006)
Abbildung 9: Typische Einstellungen gegenüber dem organisatorischen Wandel (Quelle: Vahs 2012)
Abbildung 10: Akzeptanzmatrix (Quelle: Mohr/Woehe, 1998)
Abbildung 11: Die 7 Phasen der Veränderung (Quelle: Kanton Bern, 2008).
Abbildung 12: Modell der Unternehmenskultur nach Schein (Quelle: Hungenberg, 2011)
Abbildung 13: Kreislauf der Werte, Normen und Grundannahmen eines Unternehmens (eigene Darstellung in Anlehnung an Hungenberg, 2011; Schein, 1984; Schein, 1985)
Abbildung 14: Typischer Verlauf eines Kulturwandels (eigene Darstellung in Anlehnung an Dyer, 1985)
Abbildung 15: Ausschnitt einer exemplarischen Ablaufdarstellung des QM-Zertifizierungsprojektes
Abbildung 16: Geschäftsprozesse sind Voraussetzung für viele Managementkonzepte, Methoden und Tools (Quelle: Schmelzer/Sesselmann, 2010).
Abbildung 17: Mindmap Total Quality Management (Quelle: Voigt, 2012a)
Abbildung 18: Mindmap Qualitätsmanagement (eigene Darstellung in Anlehnung an Deutsches Institut für Normung e.V., 2005)
Abbildung 19: Mindmap Supply Chain Management (Quelle: Siepermann, 2012)
Abbildung 20: Mindmap Lean Management (Quelle: Voigt, 2012b)
Abbildung 21: Mindmap Six Sigma (eigene Darstellung in Anlehnung an Harry/Schröder, 2000)
Abbildung 22: Mindmap Lean Six Sigma (eigene Darstellung in Anlehnung an Bornhöf/Faulhaber, 2007)
Abbildung 23: Mindmap Kaizen (Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon, 2012b)
Abbildung 24: Mindmap Business Process Reengineering (Quelle: Schewe, 2012)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Merkmale von Funktions- und Prozessorganisationen (eigene Darstellung in Anlehnung an Schmelzer/Sesselmann, 2010)
Tabelle 2: Sieben Typen von Personen und Personengruppen (eigene Darstellung in Anlehnung an Krebsbach-Gnath, 1992)
Tabelle 3: Unterschied Unternehmensverfassung und Unternehmenskultur (eigene Darstellung in Anlehnung an Hugenberg, 2011)
1. Einleitung
„Die wirtschaftliche Entwicklung ist seit Jahren von globalem Wettbewerbsdruck und einer zunehmenden Komplexität der Geschäftsmodelle geprägt. Die Unternehmen müssen sich mit verlängerten Wertschöpfungsketten auseinandersetzen und sich gleichzeitig durch eindeutige Kundenauftragsorientierung und Qualitätsverantwortung von ihren Wettbewerbern differenzieren.“ (Müller, 2011, S. 5)
Mit diesem Absatz startet die 2011 erschienene aktuelle Studie ‚Zukunftsthema Geschäftsprozessmanagement’ der PwC AG. Mehrere Begriffe lassen sich aus dem zitierten Absatz extrahieren, die von besonderer Relevanz sind. Diese sind Komplexität von Geschäftsmodellen, Veränderung der klassischen Wertschöpfungsketten und Wettbewerbsdifferenzierung. All diese Entwicklungen treffen Kaufleute, Einzelhändler, Mittelständler, Unternehmen und Konzerne gleichermaßen. Sicherlich ist aber eine Differenzierung hinsichtlich der Intensität der Auswirkung vorzunehmen. Dennoch ist es unumstritten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit jeder Entscheider der hier genannten Beispiele eine Beschleunigung des Marktes und die steigende Komplexität der Anforderungen als die herausfordernden Einflusskriterien aktuell und in der Zukunft nennen wird. Schnelligkeit ist in fast allen Bereichen der heutigen Wirtschaft ein elementarer Bestandteil. Nicht nur bezogen auf z. B. die Geschwindigkeit im Investmentbanking, wo computergestützt innerhalb von Millisekunden Milliardenbeträge über den Globus transferiert werden. Genauso findet sich das Thema auch z. B. im Baugewerbe wieder. Hier werden mittels Fertigbauweise in kürzester Zeit neue Immobilien aus dem Boden gestampft. Die Aufforderung von Seiwert (2000, S. 45; zitiert in: Kargl, 2011, S. 1) „Schnelligkeit ist wichtig in unserer Gesellschaft, gerade deshalb brauchen wir Langsamkeit“ ist nach wie vor hoch aktuell. Seiwert sagt damit, dass man sich für eine sorgfältige Planung und Ausrichtung Zeit nehmen muss. Und nur durch eine saubere Planung und Ausrichtung kann man einen reibungslosen Ablauf herstellen – somit auch Schnelligkeit erzeugen. Gerade im Rahmen der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens ist die Schnelligkeit, und dadurch bedingt auch die Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit, eine Ressource, auf die kein Unternehmen mehr verzichten kann – egal welcher Branche und Größe.
Anhand dieser Beispiele, welche nur exemplarischen Charakter besitzen, lässt sich eine enorme Steigerung der Anforderungen an die jeweiligen Geschäftsprozesse eines Unternehmens erkennen. Doch wie erreicht man diese Schnelligkeit und Anpassungs- bzw. Wandlungsfähigkeit? Welche Anforderungen stellt die Wandelbarkeit von Unternehmen an die Organisationsstruktur und Unternehmensstrategie? Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Unternehmen die genannten Anforderungen im Kern der Unternehmenskultur verankern kann?
Die notwendigen Rahmenbedingungen, welche in dieser Arbeit behandelt werden, lassen sich unter dem Terminus Geschäftsprozess subsumieren. Das Managen von Geschäftsprozessen (GPM), vielerorts und auch im weiteren Verlauf der Arbeit als Business Process Management (BPM) bezeichnet, hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen. BPM beschäftigt sich, als ganzheitlicher Ansatz, mit der Führung und Organisation, dem Controlling und der Optimierung von Geschäftsprozessen (vgl. Schmelzer/Sesselmann, 2010, S. IV). Unternehmen müssen mehr und mehr den Fokus auf integrierte und transparente Geschäftsprozesse legen, um in Zukunft weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Nur wenn dieser Paradigmenwechsel auf allen Ebenen eines Unternehmens (vom Top-Management bis zum Sachbearbeiter) Einzug hält und angenommen wird, besteht die Chance, dass die zukünftigen Herausforderungen erfolgreich gemeistert werden.
Der Anspruch der Arbeit ist es nicht, eine weitere theoretische Abhandlung über Geschäftsprozesse hervorzubringen. Vielmehr soll versucht werden, Schnittstellen zwischen BPM und der Psychologie zu identifizieren. Jeder Geschäftsprozess kommt nach der Planungs- und Konzeptionsphase in die Implementierungsphase, wo es darum geht, die neu geplanten oder angepassten Prozessabläufe im Unternehmen zu verankern. Genau hier setzt das Zielverständnis der Arbeit an. Beantwortet werden sollen Fragen, die bei der Betrachtung der Schnittstellen zwischen BPM und Psychologie auftreten. Welche Rahmenbedingungen müssen für eine erfolgreiche Implementierung von Geschäftsprozessen vorhanden sein? Wo können Schwierigkeiten bei der Implementierung neuer Prozesse auftreten? Wie muss man mit den Mitarbeitern umgehen, die die neuen Prozesse ausführen sollen? Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Adaption neuer Prozesse?
Zu Beginn der Arbeit werden die theoretischen Grundlagen gelegt. Neben einem Begriffsverständnis und den notwendigen Definitionen wird dem Leser ein kurzer Einblick in die Grundlagen des Organisationsverständnisses, genauer die funktionale und prozessuale Organisation, gegeben. Auf Basis der vermittelten theoretischen Grundlagen wird anschließend in das Business Process Management (BPM) eingeführt. Es wird dargelegt, was unter BPM zu verstehen ist, wie sich die geschichtliche Entwicklung des BPM zeichnen lässt, welche Ziele mit BPM verfolgt werden und welche Relevanz BPM in der Zukunft voraussichtlich haben wird. Anschließend wird im Kapitel Psychologie der Veränderung aufgezeigt, auf welche Weise sich Veränderung im Unternehmen zeigen kann. Vertiefend wird der Fokus auf Change Management, Widerstandsmanagement und Kulturwandel gelegt. Nachdem sowohl die Grundlagen als auch die einzelnen Schwerpunktthemen BPM und Psychologie abgegrenzt und beschrieben wurden, geht es um die Verknüpfung beider Bereiche und das Identifizieren und Verorten von Schnittstellen. Im Kapitel Die Psychologie initiierter Veränderungsprozesse anhand eines Beispiels sollen die Schnittstellen mittels Ableitung von Handlungsempfehlungen bearbeitet werden. Im Detail wird darauf eingegangen, worauf man im Rahmen der Implementierung von Geschäftsprozessen im Bezug auf die genannten psychologischen Faktoren achten muss und wie man aktiv den Change, Widerstand oder Kulturwandel bearbeiten kann. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer kritischen Würdigung und Reflexion.
2. Theoretische Grundlagen
Unter den theoretischen Grundlagen werden alle relevanten fachlichen Grundlagen für das weitere und tiefergehende Verständnis der Thematik aufgegriffen und erklärt. Nach einer Darlegung des Begriffsverständnisses in Kapitel 2.1, der Definition relevanter Begriffe für die weitere Arbeit in Kapitel 2.2 folgt in Kapitel 2.3 ein kurzer Einblick in die Grundlagen des Organisationsverständnisses. Weitere Begriffserklärungen zu einzelnen, hier nicht weiter behandelten Begrifflichkeiten finden in den jeweiligen Kapiteln und Unterkapiteln statt.
2.1 Begriffsverständnis
Im Rahmen des Begriffsverständnisses soll auf die unterschiedlichen Sichtweisen der in der Fachliteratur bekannten Autoren eingegangen werden. Ziel ist es nicht, allgemein verbindliche Definitionen zu postulieren. Vielmehr ist es von entscheidender Bedeutung, dass die unterschiedlichen fachlichen Herkünfte der (Definitions-)Autoren die notwendige Berücksichtigung finden. Nachfolgend wird eine kurze Übersicht über die zitierten und in der Fachliteratur primär vertretenen Autoren mit ihren jeweiligen Forschungsherkünften gegeben.
Die unterschiedliche Forschungsherkunft prägt selbstverständlich die jeweiligen Definitionen, Ansichten und Schlussfolgerungen. So lässt sich die Denk- und Sichtweise von Thomas Allweyer dem Lager der Informatik (Allweyer, 2005) zuordnen. Andreas Gadatsch als studierter Wirtschaftswissenschaftler ist Inhaber einer Professur für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik (Gadatsch, 2010) und orientiert sich in seiner Sichtweise sowohl am Lager der Informatiker als auch der Wirtschaftswissenschaftler. Hermann J. Schmelzer studierte Maschinenbau und BWL (Schmelzer/Sesselmann, 2010) und gehört in seiner Denkweise sowohl dem naturwissenschaftlichen als auch wirtschaftswissenschaftlichen Lager an. Wolfgang Sesselmann ist studierter Physiker (Schmelzer/Sesselmann, 2010) und vertritt in dieser exemplarischen Aufstellung die Naturwissenschaften. Dietmar Vahs ist studierter Wirtschaftswissenschaftler (Vahs, 2012) und Leiter des Change Management Instituts (CMI). Georg Schreyögg und Jochen Koch lehren und forschen beide am Institut für Management (Schreyögg/Koch, 2007) und sind somit dem Lager der Wirtschaftswissenschaftler zuzuordnen. Martin Kugeler und Michael Rosemann sind ebenfalls studierte BWLer. Jörg Becker hat neben BWL zusätzlich noch VWL studiert (Becker/Kugeler/Rosemann, 2003). Alle drei verstärken die wirtschaftswissenschaftliche Seite. Abschließend lässt sich noch Harald Hungenberg anführen, welcher BWL studiert hat, Inhaber eines Lehrstuhls für Unternehmensführung und wissenschaftlicher Leiter des IUP (Institut für Unternehmensplanung) ist (Hungenberg, 2011).
Diese kurze Übersicht, welche keinen Anspruch an Vollständigkeit besitzt, soll zeigen, wie vielgestaltig und vielschichtig sich das Thema Business Process Management (BPM)/Geschäftsprozessmanagement (GPM) darstellt. So vielschichtig wie die Forschungsherkunft der Autoren ist natürlich auch die daraus entstandene Fachliteratur. Es ist somit wichtig, darauf zu achten, welchem Lager der jeweilige Autor entspringt und welche Sichtweise er einbringt. Jedoch ist auch gerade diese Vielschichtigkeit geprägt von äußerst interessanten Ergebnissen und Kontroversen – ganz im Sinne einer gelebten Multikultur.
2.2 Definitionen
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden viele Begriffe verwendet, die in der Fachliteratur, je nach Autor wie unter 2.1 Begriffsverständnis dargestellt, thematisch unterschiedlich verankert sind. Um Missverständnissen und Fehlinterpretationen vorzubeugen, wird nachfolgend das Verständnis und die weitere thematische Verwendung der Begriffe Business Process Management (BPM), Geschäftsprozessmanagement (GPM), Organisation, Organisationskultur, Change Management, Widerstand und Kulturwandel festgelegt und beschrieben.
2.2.1 Definition Business Process Management (BPM)/ Geschäftsprozess-management (GPM)
Bis heute findet sich in der Fachliteratur keine allgemeingültige Definition für BPM und GPM. Jede Definition ist zum einen geprägt von der Forschungsherkunft des jeweiligen Autors. Zum Anderen fehlte es aber in der Vergangenheit auch an Institutionen, die einen allgemein anerkannten Standard definierten. In der Zwischenzeit hat mit der Association of Business Process Management Professionals (ABPMP) und der European Association of Business Process Management (EABPM) eine voranschreitende Akzeptanz des Begriffes BPM im Sprachgebrauch als auch in der Fachliteratur Einzug gehalten. In vielen Werken entscheidet auch die persönliche Vorliebe für deutsche oder englische Begrifflichkeiten die Begriffsverwendung. Grundsätzlich ist bei einer direkten Übersetzung ‚Geschäfts Prozess Management’ dem ‚Business Process Management’ gleichzusetzen.
Bezug nehmend auf die Ausrichtung der Arbeit wird nachfolgend mit der Definition der EABPM gearbeitet.
„BPM ist ein systematischer Ansatz, um sowohl automatisierte als auch nicht automatisierte Prozesse zu erfassen, zu gestalten, auszuführen, zu dokumentieren, zu messen, zu überwachen und zu steuern und damit nachhaltig die mit der Unternehmensstrategie abgestimmten Ziele zu erreichen.“ (EABPM, 2011, S. 38)
In dieser Definition wird BPM als systemischer Ansatz zum ganzheitlichen Prozessmanagement gesehen. Unter ganzheitlich wird hier mit dem Terminus End-2-End (E2E) gearbeitet. E2E bedeutet eine Prozessbetrachtung vom ersten Schritt (z. B. Kundentermin) über alle Bereiche hinweg (z. B. Kreditrahmen im System einrichten) bis zum Abschluss (z. B. EC Karte verschicken).
2.2.2 Definition Organisation und Organisationskultur
Im Rahmen des weiteren Verständnisses von Geschäftsprozessen und dem Managen von Geschäftsprozessen ist es notwendig, die Begriffe Organisation und Organisationskultur zu definieren. Das Verständnis der Arbeit orientiert sich an den praktikablen Definitionen der Autoren Gareth R. Jones und Ricarda B. Bouncken.
„Organisation = Mittel, das von Menschen genutzt wird, um Aktivitäten zu koordinieren und um etwas zu erzeugen, was gewollt oder wertgeschätzt wird.“ (Jones/Bouncken, 2008, S. 28)
„Organisationskultur = Das Set an gemeinsamen Werten und Normen einer Organisation, die interne Interaktionen, aber auch externe gegenüber Kunden, Lieferanten und weiteren Stakeholdern beeinflussen.“ (Jones/Bouncken, 2008, S. 43)
Die Autoren beschreiben die Organisation als ein Mittel zur Koordination von Aktivitäten und die Organisationskultur als ein Set an Werten und Normen, welches das Unternehmen, das Umfeld wie auch die Umwelt beeinflussen.
2.2.3 Definition Change Management, Widerstand und Kulturwandel
Ein großer Teil der Arbeit beschäftigt sich mit Change Management, Widerstand und Kulturwandel und den Prozessen, welche die genannten Bereiche anstoßen. Diese Prozesse werden durch unterschiedliche Einflussfaktoren bedingt. Im weiteren Verlauf wird sich die Arbeit vertiefend in den Themen Change Management, Widerstand und Kulturwandel bewegen. Daher ist es sinnvoll, diese Begriffe zu definieren. Change Management wird nach Dietmar Vahs, Widerstand nach Klaus Doppler und Christoph Lauterburg und Kulturwandel nach Georg M. Przeworski definiert. Alle Autoren liefern passgenaue und in der Praxis anwendbare Definitionen.
“Change Management ist die zielgerichtete Analyse, Planung, Realisierung, Evaluierung und laufende Weiterentwicklung von ganzheitlichen Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen.” (Vahs, 2012, S. 302)
Vahs beschreibt Change Management somit als E2E-Ansatz von Veränderungsmaßnahmen.
„Von Widerstand kann immer dann gesprochen werden, wenn vorgesehene Entscheidungen oder getroffene Maßnahmen…aus zunächst nicht ersichtlichen Gründen bei einzelnen Individuen, bei einzelnen Gruppen oder bei der ganzen Belegschaft auf diffuse Ablehnung stoßen, nicht unmittelbar nachvollziehbare Bedenken erzeugen oder durch passives Verhalten unterlaufen werden.“ (Doppler/Lauterburg, 2002, S. 323)
Doppler und Lauterburg kreieren mit ihrem Verständnis von Widerstand eine flächendeckende Sicht, wonach sie Widerstand als Ablehnungs- und/oder Unterwanderungsverhalten von Einzelnen oder Mehreren sehen, bei dem unersichtliche und/oder nicht nachvollziehbare Gründe eine zentrale Rolle spielen.
Der Kulturwandel wird definiert als „[…] ein bewusster und gesteuerter Prozess mit dem Ziel, eine vorhandene, strategisch unzulängliche Unternehmenskultur so zu verändern, dass sie mit der von der Unternehmensleitung präferierten Unternehmensstrategie im Einklang steht und die Erreichung der Unternehmensziele nachhaltig gewährleistet.“ (Przeworski, 2011, S. 8)
Przeworski sieht den Kulturwandel als einen bewusst zu steuernden Prozess zur Angleichung der Unternehmenskultur an die Unternehmensstrategie.
2.3 Grundlagen des Organisationsverständnisses
Im Rahmen des Kapitels Grundlagen des Organisationsverständnisses sei vorangestellt, dass es auch in diesem Bereich eine Fülle von Ausprägungen, Ansätzen und Methoden gibt, welche den Umfang dieser Arbeit übersteigen würden. Es soll lediglich eine kurze Einführung in den Themenbereich Organisation erfolgen. Anschließend wird die funktionale und prozessuale Organisation herausgegriffen und genauer betrachtet. Die Vertiefung erfolgt auf Grund der vorzunehmenden Verortung des Business Process Management in der prozessualen Organisationsgestaltung. Diesbezüglich ist ein tiefer gehendes Verständnis von Vorteil.
Auf die Frage ‚Was ist eine Organisation?’ findet sich ein vielgestaltiges Antwortspektrum. Eine besonders praktikable Definition findet sich bei Pepels.
„Organisation umfasst damit alles, was innerhalb eines […] sozialen Systems Ordnung schafft.“ (Pepels, 2011, S. 341)
Demnach versteht Pepels unter Organisation ein Ordnung schaffendes System innerhalb definierter Bereiche.
Nach einem weiteren Blick in verschiedene Fachquellen lassen sich neben dem Organisationsbegriff die Ablauf - und Aufbauorganisation als auch die Bereiche funktionale - und prozessuale Organisation als häufig flankierte und bearbeitete Begriffe ausmachen.
„Die Aufbauorganisation gliedert ein Unternehmen in Teileinheiten (Stellenbildung), ordnet ihnen Aufgaben und Kompetenzen zu und ermöglicht die Koordination der verschiedenen Organisationseinheiten.“ (Vahs, 2007, S. 33)
Die Aufbauorganisation beschäftigt sich also mit der Ausrichtung der einzelnen Organisationseinheiten, Bereiche, Abteilungen etc. Ein möglicher Funktionsablauf wird hier noch nicht weiter berücksichtigt.
„Der Ablauf des betrieblichen Geschehens findet seinen Niederschlag in der Ablauforganisation. Sie regelt primär die inhaltliche, räumliche und zeitliche Folge der Arbeitsprozesse.“ (Vahs, 2007, S. 33)
Die Ablauforganisation betrachtet rein den Ablauf der Arbeitsprozesse, also wie müssen Arbeitsprozesse aus inhaltlicher, räumlicher oder zeitlicher Sicht geregelt werden.
„Funktionale Organisationen hatten in Zeiten überschaubarer Märkte, hoher Marktstabilität, langer Produktlebenszyklen, stabiler Technologien und großer Stückzahlen ihre Berechtigung. Heute bereitet es ihnen jedoch erhebliche Schwierigkeiten, flexibel auf die sich schnell verändernden Märkte, Kundenbedürfnisse und Technologien zu reagieren. Prozessorientierte Organisationen haben bessere Antworten auf diese Herausforderungen.“ (Schuh/Friedli/Kurr, 2007, S. 4 ff.; zitiert in: Schmelzer/Sesselmann, 2010, S. 75)
Wie schon in Kapitel 1. Einleitung erwähnt, ist die immer höhere Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit eine große Herausforderung für Unternehmen. Die funktionale Organisation kann hier mit dem starren Blick auf Funktionsstrukturen nicht mehr mithalten und wird immer mehr an Bedeutung verlieren.
„Unter der prozessorientierten Organisationsgestaltung sind die dauerhafte Strukturierung und die laufende Optimierung von Unternehmensprozessen im Hinblick auf die Prozessziele zu verstehen. Im Gegensatz zu den klassischen Top-Down Verfahren erfolgt die Stellen- und Abteilungsbildung dabei unter ausdrücklicher Berücksichtigung der spezifischen Erfordernisse eines effizienten Ablaufs der betrieblichen Prozesse.“ (Vahs, 2012, S. 242).
Die Prozessorganisation stellt sich durch die Möglichkeit der laufenden Optimierung den Herausforderungen der Märkte. Jedoch reicht es nicht, wenn ein Unternehmen isoliert die Prozesse verändert. Durch das sich verändernde Umfeld müssen Unternehmen auch ihre Strategie anpassen. Nur wenn sowohl Strategie als auch Prozesse in einer stetigen Wechselwirkung verändert werden, ist die Zukunftsfähigkeit einer Unternehmensorganisation gewährleistet.
Das Zusammenwirken von Strategie und Struktur wurde erstmals von Chandler (1962) formuliert. Mit ‚structure follows strategy’ stellte er plakativ den engen und betriebswirtschaftlich bedeutsamen Zusammenhang zwischen Strategie und Struktur fest. Diese Formulierung ist eine der klassischen Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre. Daraus abgeleitet zeigt sich, dass heutzutage die Strategie als eine der wichtigsten Einflussgrößen auf die Organisation eines Unternehmens anzusehen ist. Hieraus lässt sich nach Hungenberg (2011, S. 334) „[…] das Schaffen einer strategiegerechten Organisation als maßgebliche Erfolgsbedingung für die Umsetzung einer Strategie“ identifizieren. Auch Gaitanides (1983, S. 62) hatte bereits in den 1980er Jahren vorausschauend formuliert, dass in diesem Sinne „[…] unter Prozessorganisation eine ‚prozessorientierte Organisationsgestaltung’ verstanden werden […]“ soll, „[…] in der die Stellen- und Abteilungsbildung unter Berücksichtigung spezifischer Erfordernisse des Ablaufs betrieblicher Prozesse im Rahmen der Leistungserstellung und -verwertung […]“ zu erfolgen hat. Bezug nehmend auf die neue Sichtweise von Gaitanides stellt sich nach Senden/Dworschack (2012, S. 22) folgender Perspektivwechsel ein: „Die Aufbauorganisation richtet sich nach der Ablauforganisation.“ Genauer bedeutet das, dass u. a. die abteilungsübergreifende Sicht bis zum Kundenergebnis in den Vordergrund rückt sowie der Fokus auf die Durchlaufzeit gelegt wird.
2.3.1 Funktions- und Prozessorganisation
Nachdem eine grundlegende Übersicht über die Aufbau- und Ablauforganisation und die Funktions- und Prozessorganisation erfolgt ist, wird die Funktionsorganisation in einer genaueren Betrachtung von der Prozessorganisation unterschieden. Der Fokus liegt auf einer genaueren Ausarbeitung der Differenzierung beider Organisationsformen. Dies erfolgt auf Grund der hohen Bedeutung der prozessorientierten Organisationsstruktur für das BPM.
In Tabelle 1 werden die jeweiligen Merkmale der Funktions- und Prozessorganisation einander gegenübergesellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Merkmale von Funktions- und Prozessorganisationen (eigene Darstellung in Anlehnung an Schmelzer/Sesselmann, 2010)
[...]
- Arbeit zitieren
- Urs Kargl (Autor:in), 2012, Psychologie des Business Process Management, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/206780