Der Autor befasst sich in seiner Seminararbeit mit Strom- und Gaskonzessionsverträgen. Dabei geht es um folgende Fragen:
Welches sind die typischen Inhalte von Strom- und Gaskonzessions-
verträgen? Wo liegen die Konfliktpotenziale?
Macht die Regelung des § 3 KAV(Konzessionsabgabenverordnung)
heute (noch) Sinn?
Inhaltsverzeichnis
A. Ausgangslage
B. Typischer Inhalt von Strom- und Gaskonzessionsvertragen i.S.d. $ 46 II EnWG, Konfliktpotenziale und $ 3 KAV
I. Vertragsgegenstand
II. Vertragspartner
III. Konzessionsabgaben
1. Allgemeines
2. Konzessionsabgabenverordnung
a) Allgemeines
b) Nebenleistungsverbotgem. § 3 KAV
aa) Allgemeines
bb) Fraglich ist, ob das Nebenleistungsverbot gem. § 3 KAV heute (noch) sinnvoll ist
(1) Ziel
(2) Legitimitat der Sicherung einer preisgunstigen Energieversorgung sowie Geeignetheit und Notwendigkeit des Nebenleistungsverbots diesbezuglich
(a) Legitimes Ziel
(b) Geeignetheit
(aa) Gefahr der Kostenabwalzung
(bb) ,,Wettbewerb um das Netz“
(cc) Absicherung des Hochstpreisrechts
(c) Notwendigkeit
(aa) EnWG und der ,,Wettbewerb um das Netz“
(bb) Gefahr der Kostenabwalzung
(aaa) StromNEV und GasNEV
(bbb) Anreizregulierung
IV. Vertragsdauer
V. Folgepflichten und -kosten, Informationsrechte
1. Folgepflichten und Informationsrechte
2. Folgekosten
VI. Altlasten und stillgelegte Infrastruktureinrichtungen
VII. Haftung
VIII. Ubertragung des KV und ,,Change-of-Control“-Klausel
IX. Endschaftsbestimmung
1. Allgemeines
2. Gesetzliche Rechtslage und vertragliche Gestaltungsmoglichkeiten
a) Netzubertragung
aa) Ubertragung
(1) Eigentum oder Besitz
(2) Umfang der notwendige Verteilungsanlagen
(a) Vertriebskunden
(b) Anlagen der allgemeinenVersorgung
(c) Zwischenergebnis
bb) Wirtschaftlich angemessene Vergutung
b) Kosten fur Entflechtung und Einbindung
c) Informationspflichten
Literaturverzeichnis
1. Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur, Gemeinsamer Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, 15.12.2010,
http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Diskussionsbeitraege/101215 Leitfaden Konze ssionsrecht BNetzA-BKartA.PDF. zuletzt abgerufen am 18.12.2011.
2. Danner / Theobald, Energierecht, 56. Auflage 2007.
3. Deutscher Bundestag, BT-Drucksache 17/6072.
4. DStGB-DokumentationenNr.82, Stadt und Gemeinde 2008.
5. DStGB-DokumentationenNr.97, Stadt und Gemeinde 2010.
6. Hoch / Theobald, Wettbewerb um Strom- und Gasverteilernetze im Spannungsfeld zwischen Art.28 Abs.2 GG und Kartellrecht, KSzW 2011.
7. Jansen, Eine Kommune kauft ihr Stromnetz, Artikel in der FAZ vom 23.08.2007, http://www.faz .net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/energie-eine-kommune-kauft-ihr-stromnetz- 1464483.html, zuletzt abgerufen am 17.12.2011.
8. Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, BDEW November 2010, http://www.bdew.de/internet.nsf/id/C125783000558C9FC12577DF00418462/$file/Leitfaden.pdf, zuletzt abgerufen am 29.11.2011.
9. Muller, Weg vom grofien Versorger, Focus online, http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/klima/energie/tid-11992/energie-weg-vom-grossen- versorger aid 336945.html, zuletzt abgerufen am 17.12.2011.
10. Ossenbuhl, Energierechtsreformundkommunale Selbstverwaltung, 1998.
11. Stadtwerk der Zukunft IV, Konzessionsvertrage Handlungsoptionen fur Kommunen und Stadtwerke,
http://archiv.dstgb.de/homepage/artikel/schwerpunkte/neuer leitfaden konzessionsvertraege handlungs optionen fuer kommunen und stadtwerke/materialien/leitfaden konzessionsvertraege handlungsoptio nen fuer kommunen und stadtwerke/902 23 handreichung konzessionsvertraege dstgb dst vku 09- pdf, zuletzt abgerufen am 17.12.2010.
12. Templin, Recht der Konzessionsvertrage 2009.
13. Theobald, Auslaufende Konzessionsvertrage Strom und Gas: Was ist seitens der Kommunen zu tun, DOV 2009.
14. Theobald / Theobald, Einfuhrung Beck-Texte im dtv Energierecht, 9. Auflage 2012.
15. Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, 2. Auflage 2008.
16. Theobald, Stellungnahme fur den Deutschen Bundestag 19.01.2011, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuessel7/a09/anhoerungen/Archiv der Anhoerungen/6 Oeffe ntliche Anhoerung/Stellungnahmen/17 9 377.pdf, zuletzt abgerufen am 17.12.2011.
17. Wegbeschreibung fur die kommunale Praxis, Der Konzessionsvertrag 2004, http://www.fes-kommunalakademie.de/ data/KB Konzessionsvertrag.pdf, zuletzt abgerufen am 10.12.2011.
A. Ausgangslage
Die Belieferung mit Energie in Form von Strom und Gas (im Folgenden: „Versorgung“) ist nur uber Strom- bzw. Gasleitungen moglich.1 Aufgrund dieser Leitungsgebundenheit bedarf es zur ortlichen Versorgung der Nutzung offentlicher Wege, Strafien und Platze2 (im Folgenden: „offentliche Flachen“), welche im Eigentum der Gemeinde stehen3. Denn nahezu alle Verbrauchsorte in der Gemeinde sind von offentlichen Flachen umgeben.4
Um die Verlegung und den Betrieb der (Energieversorgungs-) Leitungen zu regeln, schliefien Gemeinden bereits seit Jahrzehnten mit dem jeweiligen Energieversorgungsunternehmen (im Folgenden: „EVU“) sog. „Wegenutzungsvertrage“ ab.5 Bei einem EVU handelt es sich gem. § 3 Nr.18 EnWG6 um eine naturliche oder juristische Person, die Energie an andere liefert, ein Energieversorgungsnetz (§ 3 Nr.16; im Folgenden: „Netz“) betreibt oder daran als Eigentumer Verfugungsbefugnis besitzt.
Rechtliche Grundlage des Wegenutzungsrechts fur die Strom- und Gasversorgung ist § 46. Darin unterscheidet der Gesetzgeber zwischen „einfachen“ (Abs.1) und „qualifizierten“ (Abs.2) Wegenutzungs- vertragen, wobei letztere auch als „Konzessionsvertrage“ (im Folgenden: „KV“) bezeichnet werden.
Bei einem „einfachen“ Wegenutzungsvertrag i.S.d. § 46 I geht es um die Nutzung der offentlichen Flachen fur die Verlegung und den Betrieb von Leitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern (§ 3 Nr.25) im Gemeindegebiet. Damit sollen einzelne Letztverbraucher an eine gesonderte Leitung angeschlossen und durch diese versorgt werden.7 Die Wegenutzung ist hierbei leitungsbezogen.8
Im Gegensatz dazu betrifft § 46 II Leitungen, die ein Netz der allgemeinen Versorgung (§ 3 Nr. 17) bilden oder zu einem solchen gehoren. Hier erfolgt die Wegenutzung gebietsbezogen.9
Daruber hinaus konnen auch andere „einfache“ Wegenutzungsvertrage, welche nicht der Vorschrift des § 46 unterfallen, abgeschlossen werden, z.B. bezuglich Leitungen, durch die Energie lediglich durch das Gemeindegebiet durchgeleitet wird.10
B. Typischer Inhalt von Strom- und Gaskonzessionsvertragen i.S.d. $ 46 II, Konfliktpotenziale und $ 3 KAV
I. Vertragsgegenstand
Gegenstand des KV ist in erster Linie das Recht des EVU zur Nutzung der offentlichen Flachen zur Verlegung und zum Betrieb eines Netzes der Allgemeinversorgung.11 Diesbezuglich bedarf es auch einer Regelung uber das Vertragsgebiet. Denn ein einzelner KV muss nicht das gesamte Gemeindegebiet umfassen, vielmehr konnen fur einzelne Ortsteile verschiedene KV bestehen.12 Im Hinblick auf die geringere Storungsanfalligkeit und der Erhaltung des Ortsbildes kann eine Vereinbarung uber die Pflicht des EVU zur Erdverkabelung sinnvoll sein.13
Eine vertragliche Regelung zur Pflicht des EVU zum Betrieb des Netzes ist nicht notig, da sich diese bereits aus § 11 I ergibt.
Bis zum Inkrafttreten des EnWG 1998 dienten KV auf Betreiben des jeweiligen EVU14 insbesondere der Sicherung geschlossener Versorgungsgebiete, sodass die Einraumung des Wegenutzungsrechts regelmabig mit „Ausschliefilichkeitsrechten“ verbunden wurde.15 Da sich die Gemeinde darin verpflichtete, keinem anderen EVU ihre offentlichen Flachen fur eine unmittelbare offentliche Versorgung von Letztverbrauchern im Geltungsbereich des KV zur Verfugung zu stellen, war brancheninterner Wettbewerb im KV-Gebiet ausgeschlossen.16 Diese Moglichkeit besteht heutzutage aufgrund der Geltung der kartellrechtlichen Vorgaben gem. §§ 1 ff. GWB fur KV nicht mehr.17 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die bereits vor 1998 abgeschlossenen KV weiter gelten; jedoch wandelt sich das darin vereinbarte Aus- schliefilichkeitsrecht - ohne Auswirkung auf die Hohe der KA - in ein einfaches Wegerecht um.18
Fraglich ist, ob die Gemeinde zum Abschluss mehrerer KV verpflichtet werden kann. Dies durfte jedoch aufgrund folgender Uberlegungen nicht der Fall sein: Zum einen wurde ein Kontrahierungszwang fur denselben oder einen sich uberschneidenden Zeitraum dem Ziel des ,,Wettbewerbs um das Netz“ zuwider laufen.19 Des Weiteren ware die Regelung einer zeitlichen Begrenzung in § 46 II 2 ansonsten uberflussig.20
Zudem ware eine derartige Verpflichtung insbesondere nicht mit den in § 1 I normierten Zielen des EnWG zur Schaffung einer moglichst sicheren, preisgunstigen und umweltvertraglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas im Einklang.21 Denn der Bau von Parallelleitungen gefahrdet u.U. bereits verlegte Leitungen, fuhrt (sofern ausreichende Kapazitaten der bereits vorhandenen Leitungen gegeben sind) zu unnotigen zusatzlichen Kosten, welche i.d.R. an den Kunden weitergegeben werden und verbraucht zusatzliche Ressourcen.22 Letztlich durfte auch ein VerstoB gegen die Garantie kommunaler Selbstverwaltung aus Art.28 II 1 GG vorliegen, da ein Kontrahierungszwang zumindest an der Erforderlichkeit scheitern durfte.23 Denn es ist anerkannt, dass der Wettbewerb um Kunden auf dem Recht des Netzzugangs beruht und nicht auf einer Erweiterung der freien Leitungserrichtung.24
Die Gemeinde konnte bis zum Inkrafttreten des EnWG 2005 auch die Durchfuhrung der Energieversorgung von Letztverbrauchern im KV regeln.25 Zur Verfolgung des Ziels der „Entflechtung“ (d.h. der Trennung zwischen Netzbetrieb und den ubrigen Sparten der Energieversorgung gem. §§ 6 ff.) beschranken sich KV heutzutage nur noch auf das vertraglich einzuraumende Wegenutzungsrecht und dem damit verbundenen Netzbetrieb.26 Der Netzbetreiber ist nunmehr aufgrund der gesetzlichen Vorschrift des § 18 (nur) zum Anschluss an dieses Netz und zur Ermoglichung seiner Nutzung zu allgemeinen Bedingungen verpflichtet.27 Die Pflicht zur Grundversorgung eines Gebietes hingegen hat gem. § 36 I derjenige Energieversorger, der die meisten Haushaltskunden (§ 3 Nr.22) in dem Gebiet beliefert. Dies wird alle drei Jahre durch den Netzbetreiber empirisch ermittelt und kann nicht mehr durch einen KV auf ein EVU ubertragen werden.28 Zu beachten ist jedoch, dass diese Einschrankung der kommunalen Entscheidungshoheit verfassungs- rechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 28 II 1 GG aufwirft.29 Zum einen ist die Gemeinde dazu verpflichtet, eine hinreichende Energieversorgung fur die Gemeindebewohner sicherzustellen.30 Dies durfte sich - mangels Einwirkungsmoglichkeit der Gemeinde - im Falle des Ausfalls des Grundversorgers als problematisch erweisen bis zur erneuten Feststellung des Grundversorgers nach § 36 II 4.31 Zum anderen besteht kein Bedurfnis zur Trennung zwischen Netzbetrieb und Vertrieb als zumindest buchhalterische Trennung i.R.d. Entflechtung.32 Vielmehr kommt als milderes und ebenso effektives Mittel eine
„zweispurige Konzessionsvergabe“ in Gestalt eines KV zur Wegenutzung und eines weiteren KV zur allgemeinen Versorgung (ohne Netzanschluss) in Betracht.33
Hinsichtlich noch laufender KV regelt § 113, dass diese einschliefilich der vereinbarten Konzessionsabgaben „unbeschadet ihrer Anderungen durch die §§ 36, 46 und 48 im Ubrigen unberuhrt“ bleiben. Daraus folgt, dass sich der Vertragsgegenstand eines bereits bestehenden KV - ohne Auswirkung auf die Hohe der KA - kraft Gesetzes automatisch um den Teil der Versorgung verringert, sodass eine explizite Anderung des KV durch die Vertragsparteien nicht erforderlich ist.34
Die Rechtsnatur eines KV ist sowohl zivil- als auch offentlich-rechtlicher Art.35 Denn zum einen unterliegt die Nutzung der offentlichen Flachen aufierhalb der offentlich-rechtlichen Zweckbindung dem Zivilrecht.36 Zum anderen ist insbesondere die in § 18 geregelte ,,Allgemeine Anschlusspflicht“ der Netzbetreiber fur Gemeindegebiete Ausdruck der Daseinsvorsorge.37
II. Vertragspartner
Vertragspartner eines KV sind i.d.R. die Gemeinde und ein privates EVU. Sollte sich die Gemeinde zur sog. „Rekommunalisierung“ (d.h. zum Netzbetrieb durch sie selbst)38 entscheiden, kann sie dazu einen KV mit einer Eigengesellschaft als Stadtwerk z.B. in der Rechtsform einer GmbH oder AG abschliefien.39 Zudem hat sie die Moglichkeit, sich eines Eigenbetriebs zu bedienen.40 In diesem Fall ist der Abschluss eines KV jedoch nicht moglich, da einem Eigenbetrieb als unselbststandige Anstalt keine eigene Rechtspersonlichkeit zukommt.41
III. Konzessionsabgaben
1. Allgemeines
Gemafi § 48 I 1 handelt es sich bei einer sog. „Konzessionsabgabe“ (im Folgenden: „KA“) um die zivilrechtliche42 Gegenleistung des EVU an die Gemeinde fur das diesem im KV eingeraumte Wegenutzungsrecht. Insbesondere stellt sie keine strafienrechtliche Sondernutzungsgebuhr dar.43 KA stellen fur viele Gemeinden eine bedeutende Einnahmequelle dar.44 Im Jahre 2006 belief sich ihr Gesamtaufkommen auf etwa 3,5 Milliarden Euro.45 Auf der anderen Seite stellten sie im Strombereich im selben Jahr ca. 9 % des Strompreises dar.46 KA stehen damit in einem Spannungsverhaltnis zwischen der Sicherung gemeindlicher Finanzen und der Preisgunstigkeit der Energie.47 Hinsichtlich der Ausgestaltung der Gegenleistungspflichten kommt § 48 II i.V.m. der Konzessionsabgabenverordnung (im Folgenden: „KAV“) mafigebliche Bedeutung zu [s.u. unter B. III. 2.]. Zur Begrundung des Anspruchs auf eine KA ist grds. eine entsprechende Vereinbarung im KV erforderlich. Denn weder aus § 4848 noch aus der KAV lasst sich dieser Anspruch herleiten.49 Der Konzessionar ist auch dann weiterhin zur Zahlung der KA verpflichtet, falls es Zahlungsschwierigkeiten oder gar Insolvenzen bei den durchleitenden EVU gibt.50 Sein wirtschaftliches Risiko der Refinanzierbarkeit der vertraglich vereinbarten KA ist jedoch nicht unbillig, da er den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Betrieb des Netzes und damit der Inanspruchnahme offentlicher Flachen zieht.51 Moglich ist aber eine Vereinbarung im KV zugunsten des Konzessionars, wonach dieses Risiko auf die Gemeinde verlagert wird.52
Gemafi § 48 IV besteht die Pflicht zur Zahlung der vertraglich vereinbarten KA auch nach Ablauf des KV fur ein Jahr fort, sofern zwischenzeitlich keine anderweitige Regelung getroffen wird. Im Falle der Wegenutzung ohne Vereinbarung einer KA ist das EVU gemafi der bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB zur Leistung von Wertersatz verpflichtet, wobei das OLG Rostock den Wert mit 90 % der hochstzulassigen KA bezifferte.53
2. Konzessionsabgabenverordnung
a) Allgemeines
Hintergrund fur den Erlass der KAV im Jahre 1992, welche an die KAE aus dem Jahre 1941 anknupft54, ist die Monopolstellung der Gemeinde als einziger „Anbieter“ des Wegenutzungsrechts fur Strom- und Gasnetze (s.o. unter A.).55 Um einen Missbrauch seitens der Gemeinde in Form unangemessen hoher Wegenutzungsentgelte zu verhindern, werden in der KAV Grenzen fur zulassige Entgelte bestimmt („Hochstpreisrecht“).56 Dies erscheint sinnvoll, da ein derartiger Missbrauch zu einer ubermabigen Belastung der Letztverbraucher aufgrund einer Umwalzung dieser Kosten fuhren wurde.57 Denn fur den Netzbetreiber stellen KA nur einen „Durchgangsposten“ dar, welchen er vollstandig (uber den Energielieferanten) an die Letztverbraucher weiterleitet.58 Ein Verstofi des „Hochstpreisrechts“ gegen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung in Gestalt der Finanzhoheit der Gemeinde aus Art.28 II 1 GG durfte nicht vorliegen. Denn es durfte weder ihren Kernbereich also solchen59 noch ihren Randbereich in unverhaltnismabiger Weise60 betreffen. Vielmehr durfte es einen angemessenen Ausgleich im Spannungsfeld zwischen der Sicherung gemeindlicher Finanzen und der Preisgunstigkeit der Energie (s.o. unter B. III. 1.) darstellen.61 Zudem kann die Gemeinde den Abschluss eines KV von der Vereinbarung zur Entrichtung einer KA zum Hochstsatz nach der KAV abhangig machen.62 Zugunsten der Gemeinde kann gem. § 2 VI 1 KAV vereinbart werden, dass eine KA auch fur Falle sog. „Durchleitungen“ (d.h. Netznutzung durch Drittlieferanten) zu zahlen ist.
Gemab § 2 I KAV durfen KA nur in Centbetrageje gelieferter Kilowattstunde vereinbart werden. Die KAV regelt die Hochstbetrage in § 2 KAV nicht fur alle KV einheitlich, sondern differenziert zwischen Strom und Gas, unterschiedlichen Kundengruppen sowie Verwendungszweck / Bedarfsart, Anzahl der Einwohner je Gemeinde, Grenzmenge (Gas) und Grenzpreise (Strom und Gas) sowie i.R.d. Ubergangsvorschriften nach § 8 KAV („Abschmelzung“).63 Problematisch ist, dass im Gasbereich aufgrund des Fehlens einer dem § 2 VII KAV entsprechenden Norm eine Gesetzeslucke besteht.64 Denn die Vertragspartner konnen zusammen mit dem Grundversorger kleinere Gasverbraucher entweder als „Sonderkunden“ (§ 1 IV KAV) oder aber als „sonstige Tarifkunden“ (§ 1 III KAV) einstufen mit der Folge, dass der Hochstbetrag je Kilowattstunde von 0,03 Cent (§ 2 III Nr.2 KAV) auf mindestens 0,22 Cents [§ 2 II 1 Nr.2 b)] angehoben werden kann.65 Zu beachten ist jedoch, dass eine willkurliche Einordnung als Sonderkunde nicht zulassig ist66, sondern es vielmehr eines „individuell ausgehandelten Preises bedarf, der nur einzelnen Kunden und nicht der Allgemeinheit angeboten wird“.67
b) Nebenleistungsverbot aus $ 3 KAV
aa) Allgemeines
Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit der Vereinbarung der Gegenleistung ist die Vorschrift des § 3 KAV („Nebenleistungsverbot“). In Absatz 1 wird abschliefiend68 bestimmt, welche anderen Leistungen als eine KA neben oder an ihrer Stelle vereinbart bzw. gewahrt werden durfen. Dabei handelt es sich um Gemeinderabatte fur den Eigenverbrauch der Gemeinde (Nr.1), die Erstattung notwendiger Folgekosten fur Bau- und Unterhaltungsmafinahmen [Nr.2; s.u. unter B. V. 2.] sowie Verwaltungsbeitrage (Nr.3). In Absatz 2 werden noch einmal beispielhaft69 Leistungen aufgefuhrt, die nicht vereinbart bzw. gewahrt werden durfen. Dies betrifft insbesondere Finanz- und Sachleistungen zu marktunublichen Preisen70 (Nr.1) sowie die Ubertragung von Versorgungseinrichtungen zu einem wirtschaftlich unangemessenen Entgelt [Nr.2; s.u. unter B. VIII. 2. a) bb)]. Festzuhalten ist damit, dass Gemeinden mit dem potenziellen Neukonzessionar - bei Vereinbarung einer marktublichen Gegenleistung - alle moglichen Nebenleistungen vereinbaren durfen.71 Bei der Vereinbarung bzgl. der Hohe der KA und etwaiger Nebenleistungen i.S.d. KAV ist besonderes Augenmerk auf ihre Zulassigkeit zu richten. Denn i.d.R. fuhrt ein Verstofi gegen das Hochstpreisrecht oder das Nebenleistungsverbot gem. § 134 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten KV.72 Begrundet wird dies damit, dass der Abschluss eines KV oftmals gerade erst auf der (unzulassigen) uberhohten KA oder zusatzlichen Nebenleistungsvereinbarung beruht und dies bei einer blofien (Teil-) Nichtigkeit der Vereinbarung bzgl. des uberschiefienden Anteils sanktionslos bliebe.73 Daneben kann ein Verstofi auch strafrechtliche Konsequenzen aufgrund der §§ 332 bis 336 StGB mit sich bringen.74
bb) Fraglich ist, ob das Nebenleistungsverbot aus $ 3 KAV heute (noch) sinnvoll ist.
Zunachst ist festzuhalten, dass die Bezugnahme in Abs.1 S.1 auch auf „ausschliefiliche“ Wegerechte nicht mehr zeitgemafi ist. Vielmehr sollte entweder allgemein von „Wegenutzungsvertragen i.S.d. § 46“ gesprochen oder der Begriff„ausschliefiliche“ durch „qualifizierte“ (s.o. unter A.) ersetzt werden.
[...]
1 Wegbeschreibung fur die kommunale Praxis, S.1.
2 Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, S. 387.
3 Hoch / Theobald, Wettbewerb um Strom- und Gasverteilernetze im Spannungsfeld zwischen Art.28 Abs.2 GG und Kartellrecht, S.300.
4 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.54.
5 A.a.O, S.7.
6 Alle §§ ohne nahere Bezeichnung sind solche des EnWG.
7 Templin, Recht der Konzessionsvertrage, S.153.
8 Danner / Theobald / Theobald, Energierecht 2007, EnWG IB1 § 46 Rn.18.
9 A.a.O, § 46 Rn.25.
10 DStGB-DokumentationenNr.82, Stadtund Gemeinde 2008, S.7.
11 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.12.
12 A.a.O, S.11.
13 DStGB-DokumentationenNr.82, Stadtund Gemeinde 2008, S.9.
14 Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, S.94.
15 Stadtwerk der Zukunft IV, S.72.
16 Ebenda.
17 Templin, Recht der Konzessionsvertrage, S.162.
18 Wegbeschreibung fur die kommunale Praxis, S.1.
19 Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, S.404.
20 Ebenda.
21 Ebenda.
22 A.a.O, S.404 f.
23 A.a.O, S.406.
24 Ossenbuhl, Energierechtsreform und kommunale Selbstverwaltung, S.43.
25 Stadtwerk der Zukunft IV, S.72.
26 Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, S.389.
27 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.12.
28 Stadtwerk der Zukunft IV, S.16.
29 Danner / Theobald / Theobald, Energierecht 2007, EnWG IB1 § 46 Rn.26.
30 Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, S.393.
31 Ebenda.
32 A.a.O, S.112.
33 A.a.O, S.112, 393.
34 A.a.O, S.114.
35 A.a.O, S.338.
36 Ebenda.
37 Ebenda.
38 Jansen, Eine Kommune kauft ihr Stromnetz, S.11.
39 Wegbeschreibung fur die kommunale Praxis, S.4.
40 Ebanda.
41 Ebenda.
42 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.12.
43 A.a.O, S.53.
44 DStGB-DokumentationenNr.82, Stadtund Gemeinde 2008, S.4.
45 A.a.O, S.4, 15.
46 Templin, Recht der Konzessionsvertrage, S.302.
47 A.a.O, S.144.
48 Theobald, Auslaufende Konzessionsvertrage Strom und Gas: Was ist seitens der Kommunen zu tun, S.360.
49 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.13.
50 DStGB-DokumentationenNr.82, Stadtund Gemeinde 2008, S.8.
51 Ebenda.
52 Ebenda.
53 OLG Rostock, Urteil v. 06.09.2000, Az. 9 U 4/99.
54 Theobald, Auslaufende Konzessionsvertrage Strom und Gas: Was ist seitens der Kommunen zu tun, S.360.
55 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.54.
56 A.a.O, S.54, 69.
57 Theobald, Auslaufende Konzessionsvertrage Strom und Gas: Was ist seitens der Kommunen zu tun, S.360.
58 Templin, Recht der Konzessionsvertrage, S.302.
59 A.a.O, S.327.
60 A.a.O, S.328 ff.
61 A.a.O, S.331 f.
62 Stadtwerk der Zukunft IV, S.73.
63 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.54.
64 Theobald, Stellungnahme fur den Deutschen Bundestag 19.01.2011, S.47.
65 Theobald, Auslaufende Konzessionsvertrage Strom und Gas: Was ist seitens der Kommunen zu tun, S.360.
66 Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, S.397 f.
67 BGH, Urteil v. 12.12.1984, Az. VIII ZR 295 / 83.
68 Theobald / Theobald, Grundzuge des Energiewirtschaftsrechts, S.399.
69 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.71.
70 Templin, Recht der Konzessionsvertrage, S.348.
71 Ebenda.
72 Leitfaden Konzessionsvertrage und Konzessionsabgaben in der Strom- und Gasversorgung, S.70.
73 Ebenda.
74 Ebenda.