Das christliche Glaubensbekenntnis beginnt mit einem Satz der Proklamation dieses ebenso schwer ergründbaren wie zwiespältigen Gottesprädikates der Allmacht, der Gottesnähe „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer...“. Doch wer „glaubt“ das überhaupt heutzutage noch? Wer kann diesen Satz nachsprechen, wenn er mit einigermaßen wachsamen Sinnen und Blicken die Erfahrungen der Gottesferne bis zur Gegenwart durchleuchtet? Im alten Testament ist bereits deutlich erkennbar, dass Jahwe sich seinem Volk auch entziehen kann.
Das große Lob Gottes, der „alles so herrlich regieret“, ist im derzeitigen Jahrtausend von der düsteren Skepsis verschlungen worden, welche in Bertolt Brechts1 parodistischem „Großer Dankchoral“ zum Ausdruck kommt:
Lobet die Nacht und die Finsternis, die euch umfangen! Kommt zuhauf!
Schaut in den Himmel hinauf! Schon ist der Tag euch vergangen.
Lobet die Kälte, die Finsternis und das Verderben! Schauet hinan:
Es kommet nicht auf euch an, und ihr könnt unbesorgt sterben!
Der Inhalt dieser Zeilen hat sich vielen Menschen tief eingeprägt, wie auch der Gegensatz zwischen Bildern hungernder Kinder in der Dritten Welt und Psalm 104, 14+15: „Du lässt Gras wachsen für das Vieh, auch Pflanzen für den Menschen, die er anbaut, damit er Brot gewinnt von der Erde und Wein, der das Herz des Menschen erfreut, damit sein Gesicht von Öl erglänzt und Brot das Menschenherz stärkt.“
Denn wenn es auf den Menschen praktisch „nicht ankommt“, wenn der Himmel sich über menschliche „Kälte“ und „Finsternis“ gleichgültig hinwegsetzt, dann ist das ein Beweis dafür, warum die Welt so aussieht, wie sie im Spiegel von Presse und Medien erlebt wird.
In den Aufklärungsphasen der Wissenschaft, der Leiderfahrungen und des Fortschritts hat sich das moderne Bewusstsein auf vielen Ebenen von der Vorstellung eines allmächtigen und immer gegenwärtigen Gottes getrennt. Eine große Spannbreite der verschiedensten Erfahrungen des fernen Gottes und die sich daraus entwickelnden Einsichten mit diversen Zugängen brachte und bringt sich in die Geschichte der Menschheit ein, beginnend im Alten Testament.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gottesferne im Alten Testament
- Stilles Handeln Gottes
- Die Unverfügbarkeit Gottes
- Feuersbrunst
- Mirjams Aussatz
- Schlangenstrafe
- Schatten der Gewalt
- Waren die Kriegsberichte des Pentateuch und des Josuabuches schon immer „Texte des Terrors\"?
- Wirkungsgeschichte
- Kreuzzugsgedanken
- Wer machte aus den Kriegsberichten des Pentateuch und des Josuabuches „,Texte des Terrors\"?
- Literarische Ebene
- Die Frage nach dem theologischen Konzept
- Waren die Kriegsberichte des Pentateuch und des Josuabuches schon immer „Texte des Terrors\"?
- Aktuelle Berichte der Gottesferne
- Schlussbemerkung
- Auszug aus einer Meditation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Erfahrung von Gottesferne im Alten Testament, insbesondere im Kontext von Jahwes scheinbarem Rückzug von seinem Volk. Sie untersucht, wie Israel mit dieser Erfahrung umgeht und welche Einsichten es daraus gewinnt. Anschließend werden aktuelle Beispiele von Gottesferne in der heutigen Zeit beleuchtet. Die Arbeit stellt Fragen nach der Bedeutung von Gottesferne für das Verständnis des christlichen Glaubens und den Umgang mit dem Problem des Leidens in der Welt.
- Die Darstellung von Gottesferne im Alten Testament
- Das stille Handeln Gottes und seine Unverfügbarkeit
- Die Rolle von Gewalt und Terror in der Gotteserfahrung
- Aktuelle Beispiele von Gottesferne in der heutigen Welt
- Die Auswirkungen von Gottesferne auf den Glauben und die Auseinandersetzung mit Leid
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema Gottesferne ein und stellt die Problematik im Kontext des christlichen Glaubensbekenntnisses dar. Sie beleuchtet die Ambivalenz der Gotteserfahrung und stellt den Bezug zu aktuellen Debatten her.
- Gottesferne im Alten Testament: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Konzept der Gottesferne im Alten Testament, wobei die beiden Aspekte des stillen Handelns Gottes und seiner Unverfügbarkeit beleuchtet werden. Es werden verschiedene Beispiele aus der Bibel herangezogen, um diese Aspekte zu veranschaulichen.
- Schatten der Gewalt: Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung von Gewalt und Terror in der Gotteserfahrung im Alten Testament. Dabei werden die Kriegsberichte im Pentateuch und im Josuabuch genauer betrachtet, um die Frage zu stellen, ob diese Texte von Beginn an als „Texte des Terrors“ betrachtet werden sollten. Es wird auch die literarische Ebene der Texte sowie die Frage nach dem theologischen Konzept hinter den Kriegsberichten beleuchtet.
- Aktuelle Berichte der Gottesferne: Dieses Kapitel präsentiert aktuelle Beispiele von Gottesferne in der heutigen Zeit, um die Kontinuität des Themas zu verdeutlichen. Es werden verschiedene Ereignisse, wie der Terroranschlag auf die USA am 11. September 2001 oder das Schicksal von Tobias, in den Kontext der Gottesferne gestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der Gottesferne, dem Alten Testament, Jahwe, dem Gottesbild, dem christlichen Glauben, Terror, Leid, Gewalt, und aktuellen Ereignissen, die die Gotteserfahrung in Frage stellen.
- Quote paper
- Elisabeth Frick (Author), 2003, Wie geht Israel mit der Erfahrung des fernen Gottes um und welche Einsichten gewinnt es dabei?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/20378