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Hausarbeit, 2009
19 Seiten, Note: 1,0
Einleitung
1. Gegenstandsbereiche und historische Entwicklung der Spracherwerbsforschung
2. Theorien der Sprachentwicklung im 20. Jahrhundert
3. Die Spracherwerbstheorien
3.1 Der behavioristische Ansatz
3.2 Der nativistische Ansatz
3.3 Der kognitivistische Ansatz
3.4 Der interaktionistische Ansatz
4. Zum Stand der Spracherwerbsforschung nach 1990
5. Zusammenfassung
Quellen-/Literaturverzeichnis
Die Frage, ob Anlagen oder Umwelteinflüsse für das menschliche Verhalten verantwortlich sind, beschäftigt nicht nur Biologen, Genetiker, Pädagogen und Psychologen, sondern auch die Sprachwissenschaft hinsichtlich der Frage, wie ein Kind zur Sprache kommt. Auf Grund dieser Frage sind im letzten Jahrhundert verschiedene Spracherwerbstheorien entstanden, von denen die vorliegende Hausarbeit handelt.
Zunächst wird beschrieben, was Spracherwerbstheorien sind und womit sie sich auseinandersetzen. Danach wird die historische Entwicklung der Spracherwerbsforschung kurz aufgezeigt.
Im Anschluss werden die vier Spracherwerbstheorien des 20. Jahrhunderts vorgestellt, wobei die Ausgangsthesen und Grundaussagen erläutert werden. Besonders soll die Rolle von Anlagen und Umwelt in den einzelnen Theorien herausgestellt werden. Weiterhin werden für alle Spracherwerbstheorien ihre bedeutendsten Vertreter und deren Annahmen aufgeführt. Auch auf das, was an den Inhalten der Theorien kritisiert wurde, wird kurz eingegangen. Es soll außerdem kurz dargestellt werden, wie sich die Theorien zum Spracherwerb im Laufe des 20. Jahrhunderts weiterentwickelten und um welche neuen Annahmen die Theorien ergänzt wurden.
Abschließend werden die sich heute gegenüberstehenden Positionen erläutert. Zudem werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die für die Spracherwerbsforschung von Bedeutung sind, genannt und eingeordnet.
Spracherwerbstheorien sind Theorien, die versuchen, zu erklären, wie Sprachen gelernt werden (vgl. Wode 1993, 26) und wie es Kindern gelingt, anhand von Sprachbeispielen abstrakte Spracheinheiten und formale Regeln zu erwerben. Sie erforschen, was konkret gelernt wird, wenn eine Sprache erlernt wird. Die Theorien fragen, welche Grundausstattung und Fähigkeiten das Kind mitbringt, welche Mechanismen im Verlauf des Spracherwerbs wirken und welche Bedeutung dem Input zukommt. Außerdem wird der Frage nachgegangen, warum Sprachen erlernt werden. (vgl. ebd.)
Was beim Spracherwerb gelernt wird, ist ein Zeichensystem, dessen Erlernen den Lauterwerb impliziert. Beim Spracherwerb müssen auch Konventionen erlernt werden, die die Anwendung von Sprache im sozialen Kontext regeln (vgl. ebd.). Was innerhalb des Spracherwerbs erlernt wird, ist außerdem die Fähigkeit zur kommunikativen Kompetenz. Das Kind lernt innerhalb der kommunikativen Kompetenz, zu welcher Zeit und in welcher Situation bestimmte Wörter und Äußerungen zu gebrauchen sind. Das Kind lernt, Dinge und Ereignisse unterschiedlich und situationsabhängig auszudrücken und zwischen unterschiedlichen Sprechhandlungen zu unterscheiden. (vgl. Engelkamp/Grimm 1981, 164f.) Die Kompetenz ist notwendig, um mit anderen Menschen kommunizieren zu können. Teil der kommunikativen Kompetenz ist die linguistische Kompetenz. Das Kind baut im Laufe seiner Entwicklung Regeln auf, die es ihm ermöglichen, das komplizierte Struktursystem der Sprache seiner Umwelt zu verstehen. Es lernt, Wörter richtig auszusprechen, mit Bedeutung zu verknüpfen und grammatisch korrekt zu sinnvollen Äußerungen zu verbinden. (vgl. ebd. 164) Kernbereich von Spracherwerbstheorien ist die Frage, wie Sprachen erlernt werden, welche Vorgänge dabei im Gehirn ablaufen, wie der Lernende die Reize filtert und wie verbunden oder nicht verbunden der Spracherwerb mit anderen Entwicklungsbereichen ist (vgl. Wode 1993, 37). Daraus ergibt sich für die Spracherwerbstheorien die Aufgabe, Entstehung und Veränderung der kommunikativen und linguistischen Kompetenz zu beschreiben und zu erklären (vgl. Engelkamp/Grimm 1981, 165).
Hinsichtlich der Frage, warum Sprachen erlernt werden, existierte zunächst die Auffassung, Sprache diene der Bedürfnisbefriedigung. Das bedeutet, die sprachliche Mitteilung von Bedürfnissen ist ein Mittel zu deren Befriedigung. Das schließt auch das Bedürfnis nach Kommunikation ein. Ungeklärt ist, warum Kinder trotz dem, dass das Kommunikationssystem der Lall- und Schreiphase zur Bedürfnisbefriedigung geeignet und ausreichend ist, aus dieser vorsprachlichen Phase austreten. Demnach müssen beim Kind langfristig andersartige Bedürfnisse entstehen. (vgl. Wode 1993, 38) Eine andere Auffassung ist die anthropologische, die davon ausgeht, dass Sprache ein Teil des gesamten menschlichen Reifungsprozesses ist. Beispielsweise geht Lenneberg (1967) davon aus, dass jeder Mensch unter normalen Umständen innerhalb einer Frist eine Sprache erlernt. (vgl. ebd.) Innerhalb der bisherigen Forschung fand die Frage, warum Sprache erlernt wird, wenig Interesse. Im Mittelpunkt der Spracherwerbstheorien steht die Frage, wie Menschen Sprache erlernen. (vgl. Wode 1993, 39)
Hinsichtlich des kindlichen Spracherwerbs existieren verschiedene Erklärungsansätze nebeneinander. Bis heute gibt es keine übergeordnete Spracherwerbstheorie, die den Spracherwerb umfassend erklärt. Deshalb ist es erforderlich, die bestehenden Theorien gleichwertig und nicht gegensätzlich zu behandeln.
Die kindliche Sprach- und Denkentwicklung wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als einheitlicher Prozess betrachtet. Danach begann auf Grund neuer diagnostischer Verfahren die moderne Erforschung des Erstsprachenerwerbs. Dieser Forschungsgegenstand wurde seitens der Psychologie, Philosophie und Pädagogik entdeckt. Sprache und Denken wurden von da an getrennt erforscht; verstärkt wurde diese Trennung durch konkurrierende Vorstellungen. (vgl. Kegel, o. J.)
Schon damals herrschten vorwiegend zwei unterschiedliche Denkrichtungen. Die eine verband die kindliche Sprachentwicklung mit der psychischen Entwicklung. Diese Richtung besteht mit der Entwicklungspsychologie von Jean Piaget, der anhand der sprachlichen Entwicklung bis heute Rückschlüsse auf die intellektuelle Entwicklung zieht. Die andere Richtung beschäftigte sich ausschließlich mit der Sprachentwicklung, und versuchte, die Frage zu klären, ob Sprache durch endogene Faktoren oder durch die Umwelt erworben wird. Diese zwei Erklärungsansätze wollten bereits 1928 Stern und Stern miteinander verbinden, indem die Frage gestellt wurde, wie die Umwelteinflüsse die endogenen Faktoren aktivieren. Ende der 60er Jahre stieg das Interesse am kindlichen Spracherwerb an, als Noam Chomsky seine Sprachtheorie veröffentlichte, sodass in den folgenden Jahren erneut die kontroverse Diskussion zwischen der Rolle der endogenen und exogenen Faktoren geführt wurde. (vgl. Wode 1993, 32f.)
Während sich die Spracherwerbsforschung bis dahin auf den Erstsprachenerwerb konzentrierte, wurde in den 70er Jahren auch der Zweitsprachenerwerb in die wissenschaftliche Forschung einbezogen (vgl. Wode 1993, 32).
Die Erforschung des kindlichen Spracherwerbs erfolgt heute interdisziplinär, was bedeutet, dass sie von Beiträgen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen wie Sprachwissenschaft, Medizin, Pädagogik und Psychologie gestaltet wird. Besonders kennzeichnend war hier die Sprachpsychologie, deren Rolle heute der Psycholinguistik zugewachsen ist. Diese vertritt die Auffassung, dass zwischen Denken und Sprechen eine Wechselwirkung besteht, sodass diese Bereiche »in der Entwicklungsforschung nicht getrennt werden sollten«. (vgl. Kegel, o. J.)
In den Sprachentwicklungstheorien des vergangenen Jahrhunderts spielte die Frage nach der Bedeutung der endogenen und der exogenen Faktoren eine entscheidende Rolle. Diese Diskussion ist hauptsächlich über den Erstsprachenerwerb und den natürlichen Zweitsprachenerwerb geführt worden (vgl. Wode 1993, 46).
Der Disput zwischen Erfahrung und angeborenen Fähigkeiten lässt sich laut Wode (1993, 46) im philosophischen Sinn bis in die Antike zurückverfolgen, seit der ein Streit zwischen Empiristen und Rationalisten besteht. Dabei untersuchen Empiristen wissenschaftlich nur das, was direkt beobachtbar ist, während Rationalisten davon ausgehen, dass nicht beobachtbare Phänomene beobachtbares Verhalten steuern und somit als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geeignet sind. (vgl. Wode 1993, 46)
In den 60er Jahren entfachte zwischen den Psychologen Burrhus F. Skinner und Jean Piaget als Empiristen und Noam Chomsky als Rationalist erneut die Debatte um Anlage und Umwelt (vgl. Wode 1993, 46).
Im Zuge dieser Debatte entstanden mehrere Ansätze zum Erklären von Spracherwerb, wobei an dieser Stelle nur die vier geläufigsten erklärt werden sollen.
Der behavioristische Ansatz ist ein lerntheoretischer und betont die Rolle der Erfahrung. Die nativistische Auffassung betont das angeborene sprachliche Wissen. Der kognitive Ansatz stellt die Wechselwirkung zwischen Sprache und Denken heraus. Der interaktionistische Ansatz verweist auf die Rolle der sozialen Umwelt hinsichtlich Kommunikationsverhalten und sprachlichem Input.
Da Lernen, Interaktion und Kognition von außen angeregt werden, lassen sich der behavioristische, der interaktionistische und der kognitive Ansatz zu outside-in-Theorien zusammenfassen, während der Nativismus eine Inside-out-Theorie darstellt, weil hier das angeborene sprachliche Wissen durch das Sprechen nach außen gelange.
Deutlich hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass es keine allgemeingültige Theorie gibt, die alle Ansätze vereint, sondern dass jede Spracherwerbstheorie jeweils verschieden erklärt wird und unterschiedliche Aspekte betont (vgl. Engelkamp/Grimm 1981, 165). Dennoch gehen alle Spracherwerbstheorien von angeborenen Fähigkeiten aus, sodass die Frage ist, wie viel und was angeboren ist (vgl. Wode 1993, 53f.).
Ausgangspunkt dieser Spracherwerbstheorie ist die behavioristische Lerntheorie. Diese Lerntheorie geht davon aus, dass menschliches Verhalten durch Belohnung und Strafe erlernt wird, indem positives, gewünschtes Verhalten belohnt und negatives, unerwünschtes Verhalten bestraft wird. Diese Ansicht bestätigte sich in Tierexperimenten. Zeigte eine Ratte die gewünschte Reaktion auf einen Reiz, wurde sie belohnt. Das Verfahren wurde so oft wiederholt, bis sich daraus bei der Ratte eine Gewohnheit gebildet hatte. (vgl. Wode 1993, 47) Weiterhin bestätigte sich, dass sich gewünschtes Verhalten umso schneller und fester herausbildete, je häufiger Reiz und Reaktion wiederholt wurden, je dichter die Abfolge und je stärker die Belohnung war (vgl. Wode 1993, 47f.). Diesen Vorgang des Reizreaktionsschemas bezeichnet man als Konditionierung. Ausgehend von den englischen Wörtern für Reiz und Reaktion, stimulus und response, bezeichnet man die Konditionierung als S-R-Schema. Wird diese Lerntheorie auf Spracherwerb übertragen, bedeutet das, dass dieser ein erfahrungsabhängiger Lernvorgang ist; demnach von Reizen und belohnten oder getadelten Reaktionen abhängt.
Der berühmteste Vertreter der behavioristischen Spracherwerbstheorie ist Skinner (1904 - 1990), der in seinem 1957 erschienenen Buch ǶVerbal BehaviorǮ den Spracherwerb lerntheoretisch erklärte (vgl. Engelkamp/Grimm 1981, 165). Indem er nicht von Sprache, sondern von verbalem Verhalten spricht, macht er deutlich, dass es keinen Unterschied zwischen Sprechen und andersartigem Verhalten gäbe (vgl. Engelkamp/Grimm 1981, 166). Skinner betont allerdings die Abhängigkeit dieses Lernprozesses von der sozialen Umwelt, die die Sprache des Kindes vermittelt, verstärkt, bekräftigt und kontrolliert (vgl. ebd.). Skinner geht davon aus, dass das Kind in der vorsprachlichen Phase spontan Laute bildet, welche durch die soziale Umwelt zu einer Sprache geformt werden, indem sie zunächst großzügig, dann restriktiver bekräftigt werden (vgl. ebd.).
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