In der heutigen Zeit, in der das neoliberale Paradigma die gesellschaftspolitischen Diskurse maßgeblich bestimmt, ist die soziologische Beschäftigung mit dem Risikobegriff vor die Aufgabe gestellt, auf welche Fragen sie ihr Augenmerk legen soll. So genannte „evolutionäre Risiken“, Risiken wie globale Klimaveränderungen durch das Auftreten des Ozonlochs oder die Nutzung der Kernenergie, liegen spätestens seit Ulrich Becks „Risikogesellschaft“ auf dem wissenschaftlichen Tableau.
Beck setzt voraus, dass globale Risiken der Bedrohung des Lebens auf unserem Planeten gegeben sind, die egalisierend wirken und lediglich die Einschätzung und Wahrnehmung dieser Risiken sozialen Definitionsprozessen unterworfen sind. Einen anderen Zugang zum Risikobegriff als die objektivistische Analyse Becks eröffnet die des Foucault-Schülers Francois Ewald, fokussiert sie doch die vermeintlichen Risiken auf einer anderen Ebene. Risiken sind nicht gegeben, sondern stets konstruiert. Sie sind „eine Rationalität, eine Art des Denkens über die Realität und der Versuch, sie vorhersehbar und beherrschbar zu machen.“ Deshalb betrachtet Ewald die Entstehung der Versicherung gleichsam als Konzept zur sozialen Steuerung von Kontingenz.
Ferner erscheint Foucaults Begriff der Gouvernementalität hier als hilfreich, die Vorgänge angemessen zu beschreiben, da im Zuge der Bewältigung der vermeintlichen Risikolagen die Individuen als subjektivierte mit Selbstsorge, Vorsorge und Verantwortung betraute autonome Entscheider hervorgebracht werden. Wie aber kommt es dazu? Wie schreiben sich die Subjektivierungsformen in die Individuen ein? Wie nutzen die „Technologien der Macht“ die Versicherungsrationalität, um sie auch auf ihr vormals fremde Felder anzuwenden? Wie werden die Individuen Träger und Verwalter ihres eigenen Risikos? Zunächst sollen die Begriffe definiert werden. Danach soll die Versicherungsrationalität im Blickpunkt stehen und die Sozialversicherung als spezielle Form der Versicherung. Schließlich sollen die neoliberale Regierungsform, ihre Auswirkung auf die Gestaltung der Sozialpolitik, ihre Subjekte und die Regierung der Risiken im Zentrum der Betrachtung stehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kontingenz, Risiko und Gefahr - grundlegende Begriffe
- Die Versicherung und die Konstruktion von Risiken - eine Rationalitätsform zur Steuerung von Kontingenz
- Die Sozialversicherung - eine andere Form von Versicherung
- Die neoliberale Rationalität und der Sozialstaat
- Die Regierung der Risiken oder jeder schützt sich selbst
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Risikobegriff im Kontext der neoliberalen Rationalität. Sie untersucht, wie das Konzept des Risikos als ein Werkzeug zur sozialen Steuerung von Kontingenz eingesetzt wird und welche Folgen dies für die Gestaltung der Sozialpolitik und die Subjektivierung von Individuen hat.
- Die Konstruktion von Risiken und die Rolle der Versicherung
- Die Unterschiede zwischen klassischer Versicherung und Sozialversicherung
- Der Einfluss der neoliberalen Rationalität auf den Sozialstaat
- Die Regierung der Risiken und die Subjektivierung des Einzelnen
- Die Bedeutung des Begriffs der Gouvernementalität für die Analyse dieser Prozesse
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den aktuellen Forschungsstand zum Risikobegriff im Kontext der neoliberalen Rationalität dar. Sie beleuchtet verschiedene Ansätze, wie z.B. die "Risikogesellschaft" von Ulrich Beck und die Konstruktionstheorie von Francois Ewald. Außerdem wird der Begriff der Gouvernementalität eingeführt und seine Relevanz für die Untersuchung der Subjektivierung von Individuen im Kontext von Risikomanagement erläutert.
- Kontingenz, Risiko und Gefahr - grundlegende Begriffe: Dieses Kapitel definiert die grundlegenden Begriffe Kontingenz, Risiko und Gefahr. Es erklärt, wie diese Begriffe in der soziologischen Risikoforschung verwendet werden und wie sie sich voneinander unterscheiden.
- Die Versicherung und die Konstruktion von Risiken - eine Rationalitätsform zur Steuerung von Kontingenz: Das Kapitel analysiert die Versicherung als ein Konzept zur sozialen Steuerung von Kontingenz. Es zeigt auf, wie Versicherungen zur Konstruktion von Risiken beitragen und wie sie als Werkzeug zur Risikomanagement eingesetzt werden.
- Die Sozialversicherung - eine andere Form von Versicherung: Dieses Kapitel beleuchtet die Sozialversicherung als eine besondere Form der Versicherung. Es untersucht, wie sich die Sozialversicherung von anderen Versicherungsformen unterscheidet und welche spezifischen Herausforderungen sie im Kontext der neoliberalen Rationalität bewältigen muss.
- Die neoliberale Rationalität und der Sozialstaat: Das Kapitel analysiert die Auswirkungen der neoliberalen Rationalität auf die Gestaltung des Sozialstaates. Es untersucht, wie die neoliberale Denkweise die Sozialpolitik beeinflusst und welche Folgen dies für die Subjektivierung von Individuen hat.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Fokusthemen dieser Arbeit sind: Risikobegriff, neoliberale Rationalität, Kontingenz, Versicherung, Sozialversicherung, Gouvernementalität, Subjektivierung, Selbsttechnologien, Risikogesellschaft, Sozialstaat.
- Arbeit zitieren
- Oliver Kanehl (Autor:in), 2001, Der Risikobegriff in der neoliberalen Rationalität, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/19630