1.1 Gegenstand und Fragestellung
Wenn Friedrich Gottlieb Klopstock sein Gefühl für die Freunde darstellt, dann nicht aus dem konfessionellen Impuls des Gefühlsausdrucks, sondern, um den Rezipienten durch Besingen der Freundschaft zu Erfahrung dieses Gefühls zu erheben. Den Rezipienten, durch das Besingen einer Thematik zu der Erfahrung dieser themengebundenen Gefühle zu erheben, gelingt F.G. Klopstock außerordentlich gut, wobei das Themenfeld ein weites Spektrum hat und nicht ausschließlich Freundschaft beinhaltet. Es scheint also gegeben, dass F.G. Klopstock auf Grund seiner Schreibart etwas in seinem Rezipienten hervorruft. Dies ist nicht nur in seiner Wortwahl und seinem Schreibstil begründet, sondern auch darin, dass er als erster Dichter den Hexameter in die deutsche Sprache integrierte. Die Gesamtheit dieser Gründe führte für Klopstock zu einer großen Popularität und dies bereits zu seinen Lebzeiten. Klopstock war nicht nur bei seinen Künstlerkollegen angesehen, sondern genoss sowohl beim einfachen Volk, als auch beim hohen Adel, eine hohe Anerkennung. Diese Popularität reicht über seinen Tod hinaus bis in die heutige Zeit hinein. Er hat nicht nur die deutsche Sprache in bedeutendem Ausmaß geprägt und verändert, sondern auch den Grundstein dafür gelegt, dass über Gefühle (Freundschaft, Liebe, Trauer) öffentlich geredet wird und diese dadurch auch gezeigt werden. Vor dem zeithistorischen Kontext der Epoche „Empfindsamkeit“, spielt sich eine interessante Entwicklung ab, die in Klopstocks Lyrik zum Vorschein tritt: Der Geist des Menschen wird durch die Empfindung erweitert und kommt so zu einer ganzheitlichen Erfahrung von Wirklichkeit, bzw. die Empfindung im Allgemeinen führt zu einer Stärkung des Charakters. Begriffe wie Zärtlichkeit und Tugend sind von tragender Bedeutung für die Epoche der Empfindsamkeit. Das menschliche Miteinander basiert auf einem Mitgefühl als moralische Leitinstanz. Die Natur wird in dieser Zeit als vollkommene „Schöpfung Gottes“ angesehen. Dieser Hintergrund hat das Interesse in mir geweckt, das Auftreten von dem Motiv „Natur“ in Verbindung mit dem Motiv der beiden Gefühle „Freundschaft und Liebe“ genauer zu betrachten, diese zu analysieren und interpretieren.
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
1.1 Gegenstand und Fragestellung
1.2 Forschungsbericht
1.3 These
2. Hauptteil
2.1 Methodenreflexion
2.2 Das Motiv „Freundschaft/Liebe“ in Verbindung mit dem Motiv „Natur“ in ausgewählten Werken von Friedrich Gottlieb Klopstock (Textanalyse)
2.2.1 „Der Zürchersee“
2.2.2 „Die frühen Gräber“
2.2.3 „Das Rosenband“
2.3 Literarhistorischer Hintergrund (Kontextanalyse)
3. Schluss
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Gegenstand und Fragestellung
Wenn Friedrich Gottlieb Klopstock sein Gefühl für die Freunde darstellt, dann nicht aus dem konfessionellen Impuls des Gefühlsausdrucks, sondern, um den Rezipienten durch Besingen der Freundschaft zu Erfahrung dieses Gefühls zu erheben.[1] Den Rezipienten, durch das Besingen einer Thematik zu der Erfahrung dieser themengebundenen Gefühle zu erheben, gelingt F.G. Klopstock außerordentlich gut, wobei das Themenfeld ein weites Spektrum hat und nicht ausschließlich Freundschaft beinhaltet. Es scheint also gegeben, dass F.G. Klopstock auf Grund seiner Schreibart etwas in seinem Rezipienten hervorruft. Dies ist nicht nur in seiner Wortwahl und seinem Schreibstil begründet, sondern auch darin, dass er als erster Dichter den Hexameter in die deutsche Sprache integrierte. Die Gesamtheit dieser Gründe führte für Klopstock zu einer großen Popularität und dies bereits zu seinen Lebzeiten. Klopstock war nicht nur bei seinen Künstlerkollegen angesehen, sondern genoss sowohl beim einfachen Volk, als auch beim hohen Adel, eine hohe Anerkennung. Diese Popularität reicht über seinen Tod hinaus bis in die heutige Zeit hinein. Er hat nicht nur die deutsche Sprache in bedeutendem Ausmaß geprägt und verändert, sondern auch den Grundstein dafür gelegt, dass über Gefühle (Freundschaft, Liebe, Trauer) öffentlich geredet wird und diese dadurch auch gezeigt werden. Vor dem zeithistorischen Kontext der Epoche „Empfindsamkeit“, spielt sich eine interessante Entwicklung ab, die in Klopstocks Lyrik zum Vorschein tritt: Der Geist des Menschen wird durch die Empfindung erweitert und kommt so zu einer ganzheitlichen Erfahrung von Wirklichkeit, bzw. die Empfindung im Allgemeinen führt zu einer Stärkung des Charakters. Begriffe wie Zärtlichkeit und Tugend sind von tragender Bedeutung für die Epoche der Empfindsamkeit. Das menschliche Miteinander basiert auf einem Mitgefühl als moralische Leitinstanz. Die Natur wird in dieser Zeit als vollkommene „Schöpfung Gottes“[2] angesehen. Dieser Hintergrund hat das Interesse in mir geweckt, das Auftreten von dem Motiv „Natur“ in Verbindung mit dem Motiv der beiden Gefühle „Freundschaft und Liebe“ genauer zu betrachten, diese zu analysieren und interpretieren.
1.2 Forschungsbericht
Begibt man sich auf die Suche nach wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit dem Thema der Lyrik von Klopstock beschäftigen und zu deren Verständnis beitragen sollen, so findet man, auf Grund der großen Popularität des Autors, unzählige Aufsätze aber auch Monographien. Jedoch ist die Auswahl an Aufsätzen, die die Motive „Natur“ und „Gefühle“ beinhalten relativ gering, da sich die Forschung eher mit dem Konzept der Wirkung in der Lyrik von Klopstock befasst. Ich werde hier die drei mir am wichtigsten erscheinenden Aufsätze zusammenfassen, um einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu geben. Die drei Aufsätze sind von Gerhard Sauder, Carsten Zelle und Albrecht Koschorke und versuchen jeweils unter einem anderen Aspekt die Lyrik bzw. die Konzeptionalisierung der Werke von Klopstock darzustellen. Sie sind unabhängig voneinander geschrieben und beziehen sich auch nicht aufeinander.
In „Klopstocks Diät- Das Erhabene und die Anthropologie um 1750“[3] von Carsten Zelle wird der Versuch unternommen, Klopstocks Schreiben in den sich vollziehenden Wandel der Auffassung über die Dimensionen des menschlichen Daseins einzuordnen und das konzeptionelle Funktionieren seiner Werke zu erläutert. Es wird nicht direkt Bezug auf die Motive „Natur“, „Freundschaft“ oder „Gefühle“ genommen, jedoch lassen sich Ableitungen für ihre Bedeutung herausstellen. Es stehen hierbei die ästhetischen Schriften im Vordergrund, an die die Lyrik angelehnt ist. Als Grundlage wird die Affektenlehre[4] gesehen: Affekt gesteuertes Handeln wurde bis zu diesem Zeitpunkt als moralisch verwerflich angesehen und wird nun in der Anthropologie von der „Affektvertilgung“ hin zur „Affektlenkung“ entwickelt. Man akzeptiert nun, dass man emotionale Stimmungen wahrnimmt, auf dieseren Einflüsse reagiert und zwar seiner eigenen Empfindung folgend. Körper und Seele werden nicht mehr voneinander getrennt, sondern sind verknüpft, was für die Affekthandlung von Bedeutung ist.[5] Klopstocks Wirkungsziel unter Berücksichtigung der neuen Affektenlehre ist es, in dem Menschen das Gefühl des vermittelten Topos hervorzurufen, damit sich dieser seiner Gefühlsregungen als neue Erkenntnis bewusst wird. In dem Begriff der „ganzen Seele“[6] wird genau diese Affektenlehre integriert, so dass die Trennungen zwischen Körper/Seele, Verstand/Sinne und Denken/Empfinden hinfällig werden und sich aufeinander beziehen. Hervorgerufene Prozesse, die durch etwas ausgelöst werden, sollen nicht unterdrückt, sondern zugelassen und anschließend gelenkt werden, um zu einer Erhabenheit zu gelangen. Für die Motive „Gefühl“ und „Freundschaft“ würde dies bedeuten, dass sie keines Wegs willkürlich in eine motivische Umgebung in Klopstocks Lyrik inszeniert werden, sondern genau diese Umgebung konzeptionalisiert wird, um die Erfahrung der Gefühle für den Rezipienten noch deutlicher zum Vorschein kommen zulassen.
„Die Verschriftlichung der Liebe und ihre empfindsamen Folgen. Zu Modellen erotischer Autorschaft bei Gleim, Lessing und Klopstock“[7] von Albrecht Koschorke thematisiert das Liebesmotiv unter anderem in Klopstocks Werken. Hier wird Klopstocks Popularität wieder deutlich, da er „nicht nur die Texte geschaffen hat, nach der eine ganze Generation ihre Liebeserfahrung buchstabierte, sondern er hat die neue Art zu lieben auch vorgelebt“[8]. Es scheint ein typisches Phänomen dieser Zeit zu sein, dass man seine Gefühle eher nicht persönlich ausdrückt, sondern nur in schriftlicher Form über sie redet. Neben Briefen und Aufsätzen zeigt sich ganz besonders bei Klopstock, dass die Ode als Ort des Gefühlsausdrucks von Liebe funktionalisiert wird. Es scheint von Relevanz, dass der Autor die nicht erwiderte Liebe seiner Cousine „Fanny“[9] trotzdem zum Anlas nahm, seine Gefühle für sie in Oden auszudrücken. Literatur diente allerdings auch zusätzlich zur Produktion von Gefühlen und nicht nur zu deren Ausdruck.
Durch das Schreiben wird der unangenehmen Situation des Gesprächs ausgewichen und ein Platz in der Lyrik eingeräumt. Dies bedeutet für das Motiv „Gefühl“, dass es sicherlich offensichtlicher als im alltäglichen Sprachgebrauch, aber weiterhin auch versteckt in Lyrik auftreten kann. Ein gängiges Mittel wäre hierfür, dass das Motiv entweder an ein anderes gekoppelt bzw. hinter einem anderen versteckt wird.
Gerhard Sauder stellt in seinem Aufsatz „Der zärtliche Klopstock“[10] den Aspekt der Zärtlichkeit in Klopstocks Lyrik in den Vordergrund. Zärtlichkeit ist zu Zeiten Klopstocks dabei, sich als eine Tugend der Freundschaft zu etablieren.[11] Der Begriff und der dahinterstehende Gedanke, dass zu vollkommener Freundschaft auch die Zärtlichkeit gehört, unterliegen einem Wandlungsprozess der sich bis in die 1770iger Jahre zieht. Aus der Zärtlichkeit heraus soll sich eine Empfindsamkeit entfalten, die proklamiert, dass durch Zärtlichkeit in Freundschaft (auch im Alltag) der Mensch erst zum Mensch wird. Es ist Klopstock ein großes Anliegen, dieses Gefühl der vollkommenen Freundschaft zu verbreiten, denn: „Der gebildete Verstand und das gebesserte Herz sind die beiden Grundsäulen der Freundschaft“[12]. Ab 1751/52 steht nicht mehr die Freundschaftsthematik im Vordergrund, sondern die „Liebe“. Das Motiv „Freundschaft“ und „Liebe“ liegt also nah beieinander und ist nicht immer konkret auseinander zu halten. Tränen dienen Klopstock immer dann in seiner Lyrik, wenn die poetische Reflexion eines Sachverhalts und deren ganze Empfindung nicht ausgesprochen werden kann. Klopstock beeinflusst mit der Zärtlichkeit gerade die Anfänge der Empfindsamkeit, verpasst es aber gegen Ende sich der allgemein entwickelten Epochen anzugleichen: „Es ist für Klopstocks Zärtlichkeit charakteristisch, daß Mitleid und Wohltun weniger Gewicht haben als die allgemeine Menschlichkeit und Väterlichkeit, die er am König rühmt“[13]. Das Grundkonzept nach welchem Klopstocks wirkungsästhetisches Konzept aufgebaut ist, hat er selbst erklärt und definiert: „Der Zweck der Darstellung ist Täuschung. Zu dieser muß der Dichter den Zuhörer, sooft er kann, hinreißen, und nicht hinleiten“[14]. Es findet keine deutliche Abgrenzung des Begriffs „Zärtlichkeit“ zu der semantischen Bedeutung für die Liebe statt.
1.3 These
Es stellt sich nun die Frage was verifiziert bzw. falsifiziert werden soll? Beim Lesen der Sekundärliteratur und der Gedichte ist mir aufgefallen, dass der Übergang zwischen Freundschaft und Liebe sowohl aus heutiger als auch aus damaliger Sicht eng beieinander liegt. Es wird in den Gedichten selten direkt bzw. eindeutig das Thema Liebe oder Freundschaft vordergründig dargestellt. Hinzukommt, dass beim Auftreten der beiden Thematiken, immer das Naturmotiv eine Grundlage bildet. Entweder wird eine Szene in der Natur inszeniert oder eine Thematik mit dieser als Motiv verbunden. Es drängt sich daher die These auf, dass sich durch die Kopplung der beiden nicht eindeutig zu trennenden Motive „Liebe / Freundschaft“ an das Motiv „Natur“ zwei Lesarten bei der Lyrik von G.F. Klopstock möglich scheinen: Eine erotisch geprägte und eine freundschaftlich geprägte.
[...]
[1] Vgl. Kohl, Katrin: Friedrich Gottlieb Klopstock. Stuttgart 2000, S. 86
[2] Ebd., S. 86
[3] Zelle, Carsten: „Klopstocks Diät - das Erhabene und die Anthropologie um 17502“. In: Hilliard, Kevin/Kohl, Katrin (Hg.): Wort und Schrift – Das Werk Friedrich Gottlieb Klopsstocks. Tübingen 2008 S. 101-127
[4] Ebd., S. 103
[5] Ebd., S. 108
[6] Ebd., S. 122
[7] Koschorke, Albrecht: „Die Verschriftlichung der Liebe und ihre empfindsamen Folgen. Zu modellen erotischer Autorschaft bei Gleim, Lessing und Klopstock“. In: Paul Goetsch (Hg.): Lesen und Schreiben im 17. Und 18. Jahrhundert. Studien zu ihrer Bewertung in Deutschland, England, Frankreich. Tübingen 1994, S. 251-264
[8] Ebd., S. 259
[9] Wahrer Name: Maria Sophia Schmidt
[10] Sauder, Gerhard: „Der zärtliche Klopstock“. In: Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Friedrich Gottlieb Klopstock. München 1981, S. 59-70
[11] Ebd., S.60
[12] Sauder, Gerhard: „Der zärtliche Klopstock“. In: Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Friedrich Gottlieb Klopstock. München 1981, S. 62
[13] Ebd., S. 66
[14] Ebd., S. 66