Dieses überaus kurze Essay setzt sich mit dem Aufsatz Der Humor des Psychoanalytikers Sigmund Freud auseinander.
Sigmund Freud und der Humor
von
Riccarda J. Schneider
Sigmund Freud beschreibt in seinem Aufsatz Der Humor (1927) die Entstehung des humoristischen Vorgangs und seinen daraus resultierenden Einfluss auf die menschliche Psyche.
Dabei unterscheidet er zwischen zwei humoristischen Vorgängen: Bei dem einen Vorgang geht die humoristische Einstellung von einer Person aus und eine andere Person wird zum „Zuschauer[...] und Nutznießer[…]“ (Freud 1948: 383) gemacht, wohingegen sich der zweite Vorgang zwischen zwei Personen ereignet, bei der die zweite Person zum Gegenstand der humoristischen Einstellung der ersten Person gemacht wird.
Aus beiden Prozessen erfolgt ein „Lustgewinn“ für den, der die humoristische Einstellung einnimmt. Dagegen werden die ZuschauerInnen/ ZuhörerInnen als Reflexion des Humoristen betrachtet. Das heißt, dass die ZuhörerInnen bereit sind die „gleichen Gefühlsregungen bei sich entstehen zu lassen“ (Freud 1948: 384) wie beim Humoristen und so „gewissermaßen eine Fernwirkung der humoristischen Leistung“ (Freud 1948: 383) erreicht wird.
Diese erwarteten „Gefühlsregungen“ treten aber nicht in Erscheinung, im Gegenteil der Humorist hält seine Affekte zurück und kompensiert sie, indem er einen Scherz macht. Dadurch entlädt sich aber auch der „ersparte[…] Gefühlsaufwand“ (Freud 1948: 384) der ZuhörerInnen, der sich, wie beim Humoristen, in einem Lustgewinn zeigt.
Dennoch lassen die ersparten Affekte eine Divergenz zur Realität erkennen, die „sich hier gegen die Ungunst der realen Verhältnisse […] behaupten“ (Freud 1948: 385). Kurzum bewirkt die humoristische Einstellung bei der Person, die sie einnimmt, dass sich die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit leichter ertragen lässt.
Freud zufolge äußern sich darin, sowohl das trotzige Wesen des Humors wie auch das bewusste Ignorieren einer Einschätzung der realen Begebenheiten.
Allerdings signalisiert der Humorist damit auch eine gewisse Überlegenheit, indem er sich – laut Freud – in eine „Vateridentifizierung“ begibt. Demzufolge ist das Verhältnis von Humorist zu ZuhörerInnen gleichzusetzen mit dem eines Erwachsenen zu einem Kind. Der Humorist, der hier stellvertretend für den wissenden Erwachsenen steht, stellt sich durch seine humoristische Einstellung über die ZuschauerInnen, die die Kinder symbolisieren. Anhand dessen wird der „psychischen Akzent vom […] Ich abgezogen und auf das Über-Ich verlegt“ (Freud 1948: 387).
Dadurch wiederum werden die „Reaktionsmöglichkeiten des Ichs […] unterdrück[t]“ (Freud 1948: 387), womit eine „Abweisung des Anspruchs der Realität“ (Freud 1948: 385) stattfindet, die zu der angestrebten „Abwehr der Leidensmöglichkeit“ (Freud 1948: 385) führt.
Obwohl Freud den Humor nicht in einem „herzhaften Lachen“ (Freud 1948: 389) münden sieht, wäre dennoch ein „dezentes“ Lachen/ Lächeln, welches den humoristischen Vorgang physisch sichtbar werden lässt, der Ausdruck einer Entladung der inneren Spannungen. Mit anderen Worten: „Lachen tröstet und sorgt dafür, dass das Individuum weniger leicht an den Misslichkeiten der Existenz zerbricht.“ (Jansen 2001: 23) Oder noch genauer gesagt, könnte somit die „Unverletzlichkeit des Ichs [siegreich behauptet]“ (Freud 1948: 385) werden.
Theodor Reik, ein Schüler Freuds, stellte sogar die These auf, dass das Erdulden schmerzhafter Erkenntnisse sich leichter akzeptieren ließe, wenn sie in witziger Form dargeboten werden würde. (Frings 1996: 22f.) Des Weiteren sah er im Witz eine Angstbewältigung. Das heißt, „eine alte unbewusste Angst wird in kleiner Dosis als Schrecken wieder aktualisiert, um dann bewältigt und in Lust verwandelt zu werden. Das Lachen wäre ein Zeichen für die bewältigte Angst.“ (Frings 1996: 22)
All dies zeigt, dass der Humor eine „Methode des Seelenlebens“ ist, die – polemisch ausgedrückt – als eine Art „Lebensretter“ fungiert.
Wilhelm Raabe hat einmal gesagt, dass Humor der „Schwimmgürtel im Strom des Lebens“ (Jansen 2001: 15) sei. Helmuth Plessner hat (insbesondere) das Lachen als „Grundfigur des menschlichen Daseins“ (Jurizik 1985: 41) betrachtet.
Folglich wird ersichtlich, dass der humoristische Vorgang ein elementarer Bestandteil der menschlichen Existenz ist.
Dennoch räumt Freud ein, dass nicht jeder Mensch dazu fähig ist, die humoristische Einstellung einzunehmen oder auch gar nur zu genießen. Denn beim humoristischen Vorgang ist die entscheidende Komponente die „Absicht, welche der Humor ausführt“ (Freud 1948: 389) und nicht der „Scherz“ als solches.
Also Glück für all diejenigen, die Humor haben!
Literatur:
Freud, Sigmund: Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet. Vierzehnter Band. Werke aus den Jahren 1925-1931, Frankfurt am Main 1948.
Frings, Willi: Humor in der Psychoanalyse. Eine Einführung in die Möglichkeiten humorvoller Intervention, Stuttgart, Berlin und Köln 1996.
Jansen, Wolfgang (Hrsg.): Über das Lachen. Aufsätze. Die Referate des Symposions „Spaß muss sein!? Eine Tagung über das Lachen“ vom 11.-13. Juni 1999 in Bergisch Gladbach, Berlin 2001.
Häufig gestellte Fragen zu "Sigmund Freud und der Humor"
Was beschreibt Sigmund Freud in seinem Aufsatz "Der Humor"?
Sigmund Freud beschreibt in seinem Aufsatz "Der Humor" (1927) die Entstehung des humoristischen Vorgangs und seinen daraus resultierenden Einfluss auf die menschliche Psyche.
Welche zwei Arten von humoristischen Vorgängen unterscheidet Freud?
Freud unterscheidet zwischen zwei humoristischen Vorgängen: Bei dem einen geht die humoristische Einstellung von einer Person aus und eine andere Person wird zum Zuschauer gemacht. Der andere Vorgang ereignet sich zwischen zwei Personen, wobei die zweite Person zum Gegenstand der humoristischen Einstellung der ersten Person wird.
Was ist der "Lustgewinn" im Zusammenhang mit dem humoristischen Vorgang?
Aus beiden humoristischen Prozessen resultiert ein "Lustgewinn" für denjenigen, der die humoristische Einstellung einnimmt. Die Zuhörer werden als Reflexion des Humoristen betrachtet, die bereit sind, die gleichen Gefühlsregungen entstehen zu lassen.
Wie kompensiert der Humorist seine Affekte?
Der Humorist hält seine Affekte zurück und kompensiert sie, indem er einen Scherz macht. Dadurch entlädt sich der "ersparte Gefühlsaufwand" der Zuhörer, was sich, wie beim Humoristen, in einem Lustgewinn äußert.
Wie hilft der Humor, mit der Realität umzugehen?
Die humoristische Einstellung ermöglicht es, die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit leichter zu ertragen. Der Humor bewirkt, dass man sich gegen die Ungunst der realen Verhältnisse behaupten kann.
Was signalisiert der Humorist durch seine Überlegenheit?
Der Humorist signalisiert eine gewisse Überlegenheit, indem er sich in eine "Vateridentifizierung" begibt. Das Verhältnis von Humorist zu Zuhörer ist somit gleichzusetzen mit dem eines Erwachsenen zu einem Kind, wobei der Humorist den wissenden Erwachsenen repräsentiert.
Wie wird die "Abweisung des Anspruchs der Realität" durch Humor erreicht?
Durch die Verlagerung des psychischen Akzents vom Ich auf das Über-Ich werden die Reaktionsmöglichkeiten des Ichs unterdrückt, was zu einer "Abweisung des Anspruchs der Realität" und der "Abwehr der Leidensmöglichkeit" führt.
Wie äußert sich der humoristische Vorgang physisch?
Obwohl Freud den Humor nicht zwingend in herzhaftem Lachen münden sieht, ist ein dezentes Lachen/Lächeln, welches den humoristischen Vorgang physisch sichtbar macht, der Ausdruck einer Entladung der inneren Spannungen.
Was sagte Theodor Reik über den Witz und schmerzhafte Erkenntnisse?
Theodor Reik, ein Schüler Freuds, stellte die These auf, dass das Erdulden schmerzhafter Erkenntnisse sich leichter akzeptieren ließe, wenn sie in witziger Form dargeboten werden würde. Er sah im Witz auch eine Angstbewältigung.
Was ist Humor laut Wilhelm Raabe und Helmuth Plessner?
Wilhelm Raabe sagte, dass Humor der "Schwimmgürtel im Strom des Lebens" sei. Helmuth Plessner betrachtete (insbesondere) das Lachen als "Grundfigur des menschlichen Daseins".
Was ist die entscheidende Komponente des Humors laut Freud?
Beim humoristischen Vorgang ist die entscheidende Komponente die "Absicht, welche der Humor ausführt" und nicht der "Scherz" als solches. Nicht jeder Mensch ist in der Lage, die humoristische Einstellung einzunehmen oder zu genießen.
Welche Literatur wird in dem Text erwähnt?
Die erwähnte Literatur umfasst:
- Freud, Sigmund: Gesammelte Werke. Chronologisch geordnet. Vierzehnter Band. Werke aus den Jahren 1925-1931, Frankfurt am Main 1948.
- Frings, Willi: Humor in der Psychoanalyse. Eine Einführung in die Möglichkeiten humorvoller Intervention, Stuttgart, Berlin und Köln 1996.
- Jansen, Wolfgang (Hrsg.): Über das Lachen. Aufsätze. Die Referate des Symposions „Spaß muss sein!? Eine Tagung über das Lachen“ vom 11.-13. Juni 1999 in Bergisch Gladbach, Berlin 2001.
- Jurzik, Renate: „Die Philosophie des Lachens“. In: Jurzik, Renate: Der Stoff des Lachens. Studien über Komik, Frankfurt/Main und New York 1985, S. 11-49.
- Arbeit zitieren
- Riccarda J. Schneider (Autor:in), 2006, Sigmund Freud und der Humor, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/187304