1. Einleitung
"Ein Prädikat ist das, was das Subjekt eines Satzes tut."
Solche oder ähnliche Merksätze lernt man in der Schule. Unreflektiert nimmt man sie als Erklärung hin, ohne weiter zu fragen, was unter diesem Tun alles gefasst werden kann. [...]
Weitgehend einig sind sich moderne Grammatiken darüber, dass ein Prädikat bezeichnet, was über ein Subjekt ausgesagt wird. Als Subjekt bezeichnet wird das, worüber ein Prädikat ausgesagt wird (Satzgegenstand). Das Prädikat wird demgemäß auch Satzaussage genannt. Nach Christa Dürscheid (2007: 35) ist das Prädikat durch ein formales, semantisches und morphologisches Kriterium gekennzeichnet. Das formale Kriterium meint, dass dem Prädikat nur eine Wortart – und zwar die des Verbs bzw. Verbkomplexes – entspricht. Diese Definition teilt Dürscheid mit Vertretern eines eher eng gefassten Prädikatbegriffs. Da das Prädikat grundsätzlich eine auf das Subjekt bezogene Handlung, einen Vorgang oder Zustand beschreibe, müsse ferner auch das semantische Kriterium erfüllt sein. Die Kongruenz des Prädikats mit dem Subjekt macht nach Dürscheid schließlich das morphologische Kriterium aus.
[...]
In den von mir betrachteten Grammatiken gehen die Antworten auf diese Fragen weit auseinander. Zusammengefasst finden sich drei Grundauffassungen, von denen ausgehend es zahlreiche Zwischenpositionen gibt. Die drei Grundauffassungen vertreten Konzeptionen eines eher „engen“, „weiten“ oder „gemäßigten“ Prädikatbegriffes. Unter Punkt drei meiner Hausarbeit möchte ich diese differenziert betrachten.
Wie kommt es zu diesen divergenten Konzepten? Zur Beantwortung dieser Frage habe ich traditionelle Theorien über den Prädikatbegriff untersucht. Es stellte sich heraus, dass die neueren Darstellungen wesentlich von ihrer zu Grunde gelegten historischen Tradition beeinflusst worden sind. Insbesondere sind zwei Linien deutlich erkennbar: Der Weg von der modernen Prädikatenlogik hin zu einem engen Prädikatbegriff, sowie die von Aristoteles ausgehende traditionell-logische Definition zu einem weit gefassten Begriff. Diese „logischen Traditionen“, in denen die konzeptionell unterschiedlichen Vertreter stehen, möchte ich unter Punkt zwei darstellen.
Ein wesentliches Teilgebiet der modernen Logik ist die so genannte Prädikatenlogik. Diese spielt – wie der Name erahnen lässt – eine wesentliche Rolle bei dem Begriffsverständnis des Prädikats in modernen logischen Konzepten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Logische Traditionen
2.1. Prädikatbegriff in der klassischen Logik
2.2. Prädikatbegriff in der modernen Logik
3. Neuere Grammatiken
3.1. Enge Prädikatbegriffe
3.2. Weite Prädikatbegriffe
3.3. Gemäßigte Prädikatbegriffe
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ein Prädikat ist das, was das Subjekt eines Satzes tut.
Solche oder ähnliche Merksätze lernt man in der Schule. Unreflektiert nimmt man sie als Erklärung hin, ohne weiter zu fragen, was unter diesem Tun alles gefasst werden kann. Mit dieser grundlegenden Fragestellung begann ich die Recherchen für meine Hausarbeit. Schnell stellte ich fest, dass die Frage, wie weit oder eng der Begriff des Prädikats gefasst werden sollte, sehr unterschiedlich beantwortet wird. Zeit also, die erlernte Formel zu prüfen – oder gar zu erneuern?
Weitgehend einig sind sich moderne Grammatiken darüber, dass ein Prädikat bezeichnet, was über ein Subjekt ausgesagt wird. Als Subjekt bezeichnet wird das, worüber ein Prädikat ausgesagt wird (Satzgegenstand). Das Prädikat wird demgemäß auch Satzaussage genannt. Nach Christa Dürscheid (2007: 35) ist das Prädikat durch ein formales, semantisches und morphologisches Kriterium gekennzeichnet. Das formale Kriterium meint, dass dem Prädikat nur eine Wortart – und zwar die des Verbs bzw. Verbkomplexes – entspricht. Diese Definition teilt Dürscheid mit Vertretern eines eher eng gefassten Prädikatbegriffs. Da das Prädikat grundsätzlich eine auf das Subjekt bezogene Handlung, einen Vorgang oder Zustand beschreibe, müsse ferner auch das semantische Kriterium erfüllt sein. Die Kongruenz des Prädikats mit dem Subjekt macht nach Dürscheid schließlich das morphologische Kriterium aus.[1]
Sicherlich kann man mit Dürscheid davon ausgehen, dass das Verb in der deutschen Sprache den Kern eines Prädikats bildet.[2] Ein Kern erfordert aber immer auch Teile, die ihn umfassen. Sind diese Teile nun eng mit dem Kern verbunden oder können sie auch alleine stehen? Oder weniger bildhaft gefragt: Welche Wörter im Satz lassen sich unter den Prädikatbegriff fassen, welche stellen eigenständige Satzglieder dar?
In den von mir betrachteten Grammatiken gehen die Antworten auf diese Fragen weit auseinander. Zusammengefasst finden sich drei Grundauffassungen, von denen ausgehend es zahlreiche Zwischenpositionen gibt. Die drei Grundauffassungen vertreten Konzeptionen eines eher „engen“, „weiten“ oder „gemäßigten“ Prädikatbegriffes. Unter Punkt drei meiner Hausarbeit möchte ich diese differenziert betrachten.
Wie kommt es zu diesen divergenten Konzepten? Zur Beantwortung dieser Frage habe ich traditionelle Theorien über den Prädikatbegriff untersucht. Es stellte sich heraus, dass die neueren Darstellungen wesentlich von ihrer zu Grunde gelegten historischen Tradition beeinflusst worden sind. Insbesondere sind zwei Linien deutlich erkennbar: Der Weg von der modernen Prädikatenlogik hin zu einem engen Prädikatbegriff, sowie die von Aristoteles ausgehende traditionell-logische Definition zu einem weit gefassten Begriff. Diese „logischen Traditionen“, in denen die konzeptionell unterschiedlichen Vertreter stehen, möchte ich unter Punkt zwei darstellen.
Ein wesentliches Teilgebiet der modernen Logik ist die so genannte Prädikatenlogik. Diese spielt – wie der Name erahnen lässt – eine wesentliche Rolle bei dem Begriffsverständnis des Prädikats in modernen logischen Konzepten. Obwohl sich der Einfluss des logischen Prädikats auf verschiedene Strömungen der Linguistik nicht leugnen lässt, macht die moderne Logik nur einen geringen Teil der heutigen Linguistik aus. Ich möchte daher insbesondere die Prädikatenlogik ausführlicher darstellen. Abschließend möchte ich meine Ergebnisse zusammenfassen und offen gebliebene Fragen, sowie das grundsätzliche Verhältnis von Logik und Linguistik diskutieren. Auf Grund der Fülle an wissenschaftlichen Theorien habe ich versucht, mich auf die wesentlichen Punkte zu beschränken.
2. Logische Traditionen
2.1 Prädikatbegriff in der klassischen Logik
Die klassische Logik wurde von Aristoteles begründet. In der Sprachphilosophie und Sprachwissenschaft war sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts richtungweisend. Man nennt sie auf Grund dieser langen Tradition auch traditionelle Logik. Der Kern der traditionellen Logik beruht auf der so genannten Syllogistik. In ihr werden Argumente auf ihre Gültigkeit hin untersucht.[3] Die Gültigkeit ist abhängig von der logischen Form des jeweiligen Arguments. Die angenommene Standardform des Arguments umfasst zwei Prämissen, welche eine daraus resultierende Konklusion begründen sollen. Man bezeichnet diese Standardform entsprechend als einen Syllogismus.
Wichtig ist zu bemerken, dass Aristoteles bei der Form der Prämissen nicht von beliebigen Sätzen ausgeht, sondern kategorische Urteile zu Grunde legt. Es handelt sich um Urteile, die im Indikativ stehen und entweder wahr oder falsch sind. Sie sind überdies nicht aus anderen Urteilen zusammengesetzt. Ein kategorisches Urteil verbindet nach der traditionellen Auffassung einen Subjektbegriff und einen Prädikatbegriff durch eine „Kopula“. Als Kopula gelten nach traditioneller Auffassung die Verben ist oder sind.[4] Die Dichotomie des Satzes in Subjekt und Prädikat geht demnach auf Aristoteles zurück. Das Prädikat bezeichnet nach traditioneller Auffassung eine Eigenschaft, die einem oder mehreren Subjekt(en) zu- oder abgesprochen wird. Es entstehen so vier Formen kategorischer Urteile. Sie werden gemeinhin mit den Buchstaben A, E, I und O gekennzeichnet (frei nach Essler 1969: 135):
A: Alle Subjekte sind betroffen und ihnen wird ein Prädikat zuerkannt
E: Nur ein Subjekt ist betroffen und ihm wird ein Prädikat aberkannt.
I: Alle Subjekte sind betroffen und ihnen wird ein Prädikat aberkannt.
O: Nur ein Subjekt ist betroffen und ihm wird ein Prädikat zuerkannt.[5]
Aristoteles bezeichnet Subjekt und Prädikat als hypokeimenon und kategorumenon. (zitiert nach Brockhaus 1969: 19) Übersetzt wurden diese Begriffe später als subjectum („das darunter gelegte“) und praedicatum („das darüber ausgesagte“). Demzufolge ist das Prädikat nach aristotelischer Logik alles, was über das Subjekt ausgesagt wird. Da prinzipiell alle Wortarten bzw. Satzglieder Aussagen über das Subjekt machen können, werden diese dem Prädikat zugerechnet.
Es lässt sich also festhalten, dass eine Aussage nach traditioneller Auffassung aus einer Synthese von Subjektbegriff und Prädikatbegriff besteht. Subjekt und Prädikat werden als zwei selbstständige und einander bedingende Einheiten aufgefasst. Prädikat eines Satzes ist alles außer dem Subjekt.
2.2 Prädikatbegriff in der modernen Logik
Die moderne Logik ist im Gegensatz zur klassischen Logik nicht nur formale, sondern auch symbolische Logik. Sie bedient sich verschiedener Symbole und Formeln, um Aussagen[6] darzustellen. Durch diese Umformung von Wörtern oder Satzteilen zu festgelegten Symbolen ist die moderne Logik überschaubarer als die klassischen Konzepte. Nachfolgend werde ich mich ausschließlich auf das Gebiet der Prädikatenlogik beziehen, da mir diese für die Darstellung des modernen logischen Prädikats geeignet erscheint.[7]
Als Begründer der modernen Logik gilt der Mathematiker und Philosoph Gottlob Frege. Frege löst die Dichotomie des Satzes in Subjekt und Prädikat ab durch eine Gliederung in Funktion und Argument. Eine Funktion bezeichnet hierbei etwas Unvollständiges, das durch Argumente ergänzt werden muss. Frege (1891):
Behauptungssätze im allgemeinen kann man […] zerlegt denken in zwei Teile, von denen der eine in sich abgeschlossen, der andere ergänzungsbedürftig, ungesättigt ist. So kann man z.B. den Satz “Caesar eroberte Gallien” zerlegen in “Caesar” und “eroberte Gallien”. Der zweite Teil ist ungesättigt, führt eine leere Stelle mit sich, und erst dadurch, dass diese Stelle von einem Eigennamen ausgefüllt wird oder von einem Ausdrucke, der einen Eigennamen vertritt, kommt ein abgeschlossener Sinn zum Vorschein. Ich nenne auch hier die Bedeutung dieses ungesättigten Teiles Funktion. In diesem Falle ist das Argument Caesar. (zit. nach Zimmermann 2007: 2)
Die moderne Logik sieht also in einer Aussage – im Gegensatz zu der traditionellen Auslegung – Verbindungen zwischen strukturell unterschiedlichen, uneigenständigen Elementen. Bei einer Aussage handelt es sich daher um eine Vervollständigung von Elementen. Aus dieser Annahme ergibt sich, dass die durch das Prädikat eröffneten Leerstellen vervollständigt werden müssen. Interpretiert man (1) nach prädikatenlogischer Auffassung, ist der unvollständige Satzteil (das Prädikat) ist müde, die Vervollständigung des Satzes (das Subjekt) Peter. Satz (1) wird als Individuenaussage bezeichnet.
(1) Peter ist müde.
[...]
[1] Diese Annahme trifft zumindest was die Numerus-Kongruenz des Prädikats mit dem Subjekt betrifft, meist zu. Ausnahmen sind z.B. Sätze mit einem substantivischen Plural, der syntaktisch singulär gebildet wird (z.B. „Die Polizei ist …“). Über die Kongruenz in der Person gibt es unterschiedliche Annahmen. Meiner Ansicht nach trifft diese aber weitestgehend zu.
[2] In anderen Sprachen ist dies durchaus nicht der Fall, so weisen etwa das Türkische oder Russische Satzkonstruktionen auf, in denen kein Verb vorhanden ist. Auch in der deutschen Sprache sollte man nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass das Verb im Satz gleichbedeutend mit dem Prädikat ist Ein Verb kann schließlich auch nominal oder adjektivisch verwendet werden. Eine Unterscheidung zwischen Wortart und Satzglied ist also unbedingt erforderlich. Ich werde mich im Folgenden ausschließlich auf das Prädikat im Deutschen beziehen und gehe davon aus, dass ein Prädikat zumindest ein Verb enthalten muss.
[3] Der Begriff der Gültigkeit entstammt der modernen Logik. Aristoteles selbst verwendete die Ausdrücke „analytisch“ oder „aus den Prämissen folgend“, um die Schlüssigkeit einer Aussage zu begründen.
[4] Heutzutage werden als „Kopula“ die Verben „sein, werden, bleiben, scheinen und heißen“ genannt.
[5] Aristoteles verwendete stattdessen die Formulierungen „G kommt jedem (Ding) zu“, „G kommt keinem (Ding) zu“, „G kommt (wenigstens) einem (Ding) zu und G kommt (wenigstens) einem Ding nicht zu“ (Essler 1969:135). Zusammenfassend bezeichnet man die vier Urteile als „aristotelisches Urteilsquadrat“.
[6] Urteile bezeichnen in der Philosophie zum einen den Inhalt eines Aussagesatzes, zum anderen den Aussagesatz selbst. An Stelle des Urteilsbegriffes wird in der Prädikatenlogik häufig der Begriff der „Aussage“ verwendet. Eine Aussage ist ein Aussagesatz, der entweder wahr oder falsch ist und der im Indikativ steht. Die Definition stimmt also weitgehend mit der des Urteils überein. Im Folgenden werde ich ebenfalls den Begriff der Aussage verwenden.
[7] Es wäre auch interessant zu untersuchen, ob die Prädikatbegriffe der Aussagenlogik von denen der Prädikatenlogik abweichen. Die Aussagenlogik ist ein Teilgebiet der modernen Logik, in der die logische Form von Aussagezusammenhängen (Argumenten) untersucht wird. Die Prädikatenlogik untersucht die einzelnen Aussagesätze, aus denen die Argumente zusammengesetzt sind. Um den Prädikatbegriff der modernen Logik darzustellen ist die Prädikatenlogik daher geeigneter, da sich die Rolle des Prädikats in einzelnen Aussagesätzen besser veranschaulichen lässt.