In den Jahren 2008 und 2009 häuften sich Berichte in den Medien über Kündigungen von Arbeitnehmern wegen scheinbarer Kleinigkeiten. Deutschlandweit wurde die Kassiererin Barbara Emme unter dem Synonym „Emmely“ bekannt, nachdem ihr gekündigt wurde, weil sie angeblich Leergutbons im Wert von 1,30 € unterschlug. In den ersten beiden Instanzen wurde zugunsten des Arbeitgebers entschieden. Der Bundestagsvizepräsident Dr. h.c. Wolfgang Thierse empörte sich öffentlich und bezeichnete das Urteil als „barbarisch und mit asozialer Qualität“.
Zur gleichen Zeit wurden ähnliche Fälle veröffentlicht. Eine Sekretärin wurde beispielsweise entlassen, nachdem sie eine Frikadelle entwendet und verzehrt hatte. In Oberhausen wurde ein Arbeiter entlassen, weil er am Arbeitsplatz sein Mobiltelefon auflud. Laut eines Sachverständigen betrug der Schaden 0,014 €. Ein Pflegeheim entließ eine Angestellte, weil sie Essensreste (Maultaschen) mitnahm. Erstinstanzlich verlor die Pflegerin, jedoch erstritt sie im Verlauf des Berufungsverfahrens durch einen Vergleich eine Abfindung i. H. v. 42.500 €.
Dies ist nur ein kleiner Überblick der so genannten Bagatellkündigungen, die in den vergangenen beiden Jahren bekannt wurden. Die ARD-Moderatorin Anne Will widmete diesem Thema am 11. Oktober 2009 eine eigene Sendung in der sie unter anderem mit der Bundesjustizministerin a. D. Frau Dr. Däubler-Gmelin und Bundesarbeitsminister a. D. Herrn Dr. Blüm diskutierte.
Bagatellkündigungen sind jedoch kein neues Phänomen. Bereits im Jahr 1973 befassten sich die Richter des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf mit einer außerordentlichen Kündigung gegen einen Auszubildenden zum Kfz-Mechaniker nachdem dieser ein Einmarkstück aus dem Fahrzeug eines Kunden stahl. Als Leiturteil wird oftmals ein Spruch des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1984 zitiert, welches als „Bienenstich Urteil“ bekannt geworden ist. Damals entwendete eine Buffetkraft unmittelbar vor Ladenschluss ein Stück Bienenstichkuchen. Obwohl das Stück Kuchen am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden durfte und für den Arbeitgeber demnach völlig wertlos geworden war, sahen die Bundesrichter in der Geringwertigkeit keinen Ausschluss des wichtigen Kündigungsgrundes.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Ausgangslage / Einführung
- Problemstellung / Fragestellung
- Gang der Untersuchung
- Abgrenzung der Arbeit
- Methodischer Ansatz
- Die außerordentliche Kündigung von Arbeitnehmern nach geringwertigen Vermögensdelikten
- Die Systematik der Kündigungsarten
- Das wechselseitige Verhältnis der ordentlichen und außerordentlichen Kündigung
- Verhaltensbedingte Kündigung
- Die außerordentliche Kündigung
- Der „wichtige Grund“ und die „Abwägung der beiderseitigen Interessen“ im Arbeitsrecht
- Der wichtige Kündigungsgrund
- Der „wichtige Grund“ im Arbeitsrecht
- Vermögensdelikte als wichtiger Kündigungsgrund
- Die Möglichkeit einer Geringfügigkeitsgrenze
- Das Vertrauen in den Arbeitnehmer
- Die Erschütterung des Vertrauens
- Die Verdachtskündigung
- Die Bagatellkündigung
- Die Interessenabwägung der außerordentlichen Kündigung
- Die Abwägung von Geringwertigkeiten
- Sachenrechtliche Besonderheiten
- Die Heilung des zerstörten Vertrauens
- Unzumutbarkeit der Fristsetzung
- Die Systematik der Kündigungsarten im Arbeitsrecht
- Die Bedeutung des „wichtigen Grundes“ bei der außerordentlichen Kündigung
- Die Abgrenzung von geringwertigen und schwerwiegenden Vermögensdelikten
- Die Rolle des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
- Die rechtlichen Folgen der Bagatellkündigung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der außerordentlichen Kündigung von Arbeitnehmern nach geringwertigen Vermögensdelikten. Sie analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Abwägung von Interessen bei dieser Art von Kündigung.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel gibt eine Einführung in die Thematik der außerordentlichen Kündigung von Arbeitnehmern und stellt die Problemstellung der Arbeit dar. Es werden der methodische Ansatz und die Abgrenzung der Arbeit erläutert.
Das zweite Kapitel behandelt die rechtlichen Grundlagen der außerordentlichen Kündigung im Arbeitsrecht. Es werden die Systematik der Kündigungsarten, die Bedeutung des „wichtigen Grundes“ und die Abwägung der beiderseitigen Interessen erläutert. Weiterhin wird auf die Frage eingegangen, ob Vermögensdelikte einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen können und welche Bedeutung die Geringfügigkeitsgrenze in diesem Zusammenhang hat. Das Kapitel beleuchtet auch die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und die rechtlichen Folgen der Verdachtskündigung.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Bagatellkündigung. Es wird die Interessenabwägung bei der außerordentlichen Kündigung im Falle eines geringwertigen Vermögensdelikts analysiert. Außerdem werden die rechtlichen Besonderheiten der Bagatellkündigung und die Frage der Heilung des Vertrauensverhältnisses behandelt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die zentralen Begriffe der außerordentlichen Kündigung, des wichtigen Grundes, der Geringfügigkeitsgrenze, des Vertrauensverhältnisses und der Bagatellkündigung im Arbeitsrecht. Die Arbeit analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Abwägung von Interessen bei der außerordentlichen Kündigung von Arbeitnehmern nach geringwertigen Vermögensdelikten.
- Quote paper
- Sebastian Pleick (Author), 2011, Die außerordentliche Kündigung von Arbeitnehmern nach geringwertigen Vermögensdelikten, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/172105