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Projektarbeit, 2008
27 Seiten, Note: 2
1. Einleitung
2. Problem Übergewicht und Adipositas
2.1 Bewertung des Körpergewichts
2.2 Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas in Deutschland
2.3 Ursachen von Übergewicht und Adipositas
3. Fehl- und Überernährung als Mitauslöser von Übergewicht und Adipositas
4. Therapiestrategien bei Übergewicht und Adipositas
4.1 Ernährungstherapie bei Übergewicht und Adipositas
5. Verhaltenstherapie bei Übergewicht und Adipositas
5.1 Methoden zur Erfassung des Ernährungsverhaltens
5.1.1 Vor- und Nachteile der retrospektiven Ernährungsanamnese
5.1.2 Die prospektive Ernährungsanamnese als Verlaufskontrolle
6. Die Ernährungsanamnese und die Verlaufskontrolle als Voraussetzung des Beratungserfolges
6.1 Problem Ernährungsanamnese
7. Theoretische Überlegungen zur qualitativen Sozialforschung
7.1 Die quantitative und die qualitative Sozialforschung
8. Methodenauswahl
8.1 Die qualitative Sozialforschung erschließt das Ernährungsverhalten
9. Das qualifizierte Interview als Methode der Datenerhebung
9.1 Das problemzentrierte Interview
10. Darstellung der Probleme der Ernährungsanamnese in der Standardliteratur
11. Reflexion
12. Literatur
Aktuellen empirischen Studien zufolge sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland übergewichtig oder adipös. Eine übermäßige Fettmasse- Ansammlung im menschlichen Organismus hat unzweifelhaft negative Einflüsse auf die Gesundheit und ist mitverantwortlich für die Auslösung und das Voranschreiten von Krankheiten. Zu den übergewichtsmitbedingten Erkrankungen gehören insbesondere Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen und Hyperurikämie. Außerdem haben Übergewicht und Adipositas negative Einflüsse auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Übergewicht ist auch mitverantwortlich für Gelenkerkrankungen und nimmt Einfluss auf die psychosoziale Gesundheit.
Übergewicht und Adipositas haben multifaktorielle Ursachen. Dazu gehören insbesondere Bewegungsmangel, genetische und soziale Bedingungen, Stoffwechselstörungen und natürlich die Ernährungsweise. Übergewicht liegt ein Missverhältnis von Energiezufuhr und Energieverbrauch zugrunde. Das Ergebnis einer interdisziplinär eingebetteten Ernährungsberatung ist zu Beginn die Erreichung einer negativen Energiebilanz und schließlich einer energetischen Balance. In der zielgerichteten Ernährungsberatung ist es notwendig, das Ernährungsverhalten zu modifizieren, um nachhaltig und klientenbezogen Veränderungen des Essverhaltens herbeiführen zu können.
In der klientenzentrierten Ernährungsberatung ist es erforderlich, die bisherigen Ernährungsgewohnheiten und die Lebensmittelauswahl sowie die Zubereitungsform und ‚Ess- Settings’ zu analysieren. Nur nach einer stattgehabten Analyse der Ernährung und des Ernährungsumfeldes ist es dem Berater überhaupt möglich, zielgerichtete Maßnahmen für den Übergewichtigen oder Adipösen zu erarbeiten und schließlich in eine neue Ernährungsweise münden zu lassen. Der Modifikation geht also grundsätzlich eine exakte Anamnese voraus. Und das ist problematisch. Die Ernährungsanamnese führt nur unzureichend zu Ergebnissen, die wahrhaftig sind. Übergewichtige neigen zum Underreporting, während Untergewichtige zum Overreporting neigen. Das heißt, Übergewichtige unterschätzen oftmals die Dimension ihrer Mahlzeiten und der aufgenommenen Lebensmittel. Zudem nehmen sie insbesondere Snacks und Zwischenmahlzeiten nicht ausreichend wahr. Ernährungsprotokolle von Übergewichtigen sind in vielen Fällen schlichtweg kein valider Beleg für das tatsächliche Ernährungsverhalten. Problematisch ist außerdem, dass Übergewichtige im Beratungsgespräch durch ein klares Ablehnungsverhalten und Verweigerung auffallen. Sie stellen den Aussagen des Beraters klare Hinweise voraus, indem sie beispielsweise ihr angeblich optimales Ernährungsverhalten darstellen und deutlich machen, dass sie bereits alles wissen.
Da eine optimale Ernährungsberatung bei Übergewichtigen nur effektiv sein kann, wenn sie das bisherige Ernährungsverhalten einschließt und auf zielgerichteten Modifikationen des selbigen beruht, ist der Anamnese und der Verlaufskontrolle größte Wichtigkeit beizumessen. Grundlage jeder Therapie ist die Anamnese. Hier gilt es, Stärken und Schwächen abzubilden und durch Verstärkung und Motivation zu einem klientenzentrierten Ergebnis zu führen.
Die bisherigen Formen der Ernährungsanamnese scheinen nicht geeignet, valide Aussagen zu treffen und eine Veränderung der Energiebilanz hervorzurufen. In der auf diese Projektarbeit folgenden Masterarbeit ist es mein Ziel, zu analysieren, warum Übergewichtige falsche Aussagen (Over-/Underreporting) gegenüber der Beratungskraft machen. Mit welchem Ziel gehen Übergewichtige zur Ernährungsberatung, um dort kontraproduktiv zu handeln? Auf welcher Basis beruht ihr Verhalten? Belügen Übergewichtige als offensive Täter ihren Berater und handeln damit bewusst oder bleiben sie unbewußt in der Opferrolle? In dieser Projektarbeit widme ich mich eingangs der Übergewichtsproblematik im medizinischen und epidemiologischen Sinne und anschließend der Entstehung von Übergewicht. Im Mittelpunkt meiner Projektarbeit stehen das Ernährungsverhalten und die Möglichkeiten der Erfassung von Problemstellungen. Die Erhebung von Datenmaterial ist qualitativ und quantitativ möglich. Ich werde darstellen, warum ich mich für welche Methode der Datenerhebung entscheide und wie ich die Befragung konkret durchführe.
Ziel der Masterarbeit ist die Entwicklung eines Fragebogens und eines Interview-Leitfadens zur Ermittlung der Hintergründe der bei vielen Übergewichtigen und Adipösen immer wieder scheiternden Ernährungsumstellung und der Problematik der Erhebung des Ernährungsverhaltens mit Ernährungstagebüchern und ähnlichen Protokoll- beziehungsweise Anamnesemethoden. Die Projekt-Voraussetzungen sind die statistischen, verhaltenspädagogischen und diätetischen Grundlagen der Erhebung von Daten und deren Auswertung mittels Fragebogentechniken. Anhand wissenschaftlicher Fachliteratur findet die Erarbeitung und Begründung eines Fragebogens zur Ermittlung des Ernährungsverhaltens sowie der Resistenz gegenüber gesundheitsförderlichen Verhaltensmodifikationen statt. In der sich an die Projektarbeit anschließenden Masterarbeit soll der Fragebogen als Forschungsmethode an einer Gruppe von übergewichtigen Probanden (BMI 25 bis 30) getestet werden Zielsetzung der Erhebungsmethode ist die Ermittlung der Ernährungsprobleme, der Körperwahrnehmung, der Einschätzung des Ernährungsverhaltens und der Auswirkung von Diäten sowie die Schwierigkeiten und Probleme der Diätumsetzung im pragmatischen, sozialen und psychischen Bereich.
Zur Verifizierung, dass Ernährungstagebücher und andere Methoden zur Protokollierung des Ess- und Trinkverhaltens wenig den Tatsachen entsprechen, habe ich auf meine eigenen Erfahrungen in der Diät- und Ernährungsberatung zurückgegriffen und habe diese Problematik mit Kollegen (Diätassistentinnen) besprochen (10).
Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas hat in den letzten Jahrzehnten global zugenommen. Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) bildet bei dieser Entwicklung keine Ausnahme. Überspitzt sprechen sogar Experten von einer globalen Adipositas-Epidemie, die die BRD wie andere westliche Industrieländer besonders bedroht. Die Entwicklung stellt ein gravierendes Gesundheitsproblem dar, da Übergewicht (BMI > 25,0) und Adipositas (BMI > 30,0) die Entwicklung einer großen Anzahl von chronischen Erkrankungen in besonderem Maße begünstigen können. Übergewicht ist als gesundheitlicher Risikofaktor allgemein anerkannt. Dabei spielen insbesondere die Ausprägung der Fettdepots und deren Manifestationsort eine entscheidende Rolle.
Die Einschätzung des Körpergewichts von Bevölkerungsgruppen findet anhand des Body Mass Index (BMI) statt. Dieser ist eine Orientierungsgröße für die Körperfülle. Die Zunahme des Körpergewichts durch Erhöhung der Körperfettmasse kennzeichnet das Übergewicht. Der Body Mass Index (BMI) hat sich zur Einteilung des Körpergewichts international etabliert. Durch seine Berechnungsgrundlage bedingt macht der BMI aber keine Aussage über die Körperfettmasse und die Körperzusammensetzung. Da jedoch ein erhöhter BMI in der Regel nicht auf erhöhte Muskel- oder Wassermasse zurückzuführen ist, scheint der BMI, zumindest solange keine anderen allgemein verfüg- und finanzierbaren Methoden vorliegen, zur statistischen Einschätzung und Einteilung des Körpergewichts von Bevöl]kerungsgruppen durchaus geeignet. Den Einzelpatienten anhand des Body Mass Index einzuschätzen, ist hingegen nur sinnvoll, sofern Ödeme und eine übermäßige Muskelmasse nicht auf ein erhöhtes Körpergewicht zurückzuführen sind. Zudem ist es wichtig zu beachten, dass bei Kindern und Jugendlichen sowie extrem kleinen oder großen Menschen die üblichen BMI- Einschätzungen nicht sinnvoll sind. Zur Bewertung des Körpergewichts und der gesundheitlichen Probleme von Einzelpersonen erscheint der BMI wenig zielführend. Der Body Mass Index ist das Ergebnis aus dem Verhältnis von Körpergewicht und Körperoberfläche - dargestellt als Körpergröße zum Quadrat. Der BMI ist für beide Geschlechter und mit Modifikation für alle Altersgruppen anwendbar. Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt die Bewertung anhand alters- und geschlechtsspezifischen BMI-
Referenzkurven. Ein BMI oberhalb der neunzigsten Perzentile wird als Übergewicht und oberhalb der siebenundneunzigsten Perzentile als Adipositas definiert (x2).
Tabelle 1: Klassifikation des Körpergewichts durch den BMI (mod. nach 11)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Übergewicht gehört zu den zentralen globalen Gesundheitsproblemen. Auch in Deutschland betrifft es beide Geschlechter, alle sozialen Schichten - wenn auch mit unterschiedlicher Ausprägung - und jede Altersgruppe. Die Entwicklung der Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas lässt sich nicht valide vorhersagen Da aber bereits 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen laut Ernährungsbericht 2008 präadipös oder adipös sind, ist die Vorhersage, dass die Häufigkeit des Vorliegens eines erhöhten Körpergewichts bei Erwachsenen in Deutschland zukünftig ansteigt, verhältnismäßig leicht zu mutmaßen. Die Datengrundlage bezüglich der Entwicklung und dem Ausmaß von Übergewicht und Adipositas in der Bundesrepublik Deutschland ist unzureichend, da die grundsätzliche Erhebung von Körpergröße und Körpergewicht nicht erfolgt. Als verlässlich werden jedoch die Daten des vom Robert Koch-Institut seit 1984 in mehrjährigen Abständen bundesweit durchgeführten Gesundheitssurveys (1) angesehen. Die Ergebnisse des Bundes-Gesundheitssurveys aus dem Jahre 1998 zeigen, dass etwa die Hälfte der Männer und ein Drittel der Frauen im Alter von 18 bis 79 Jahren übergewichtig sind. Erschreckend ist, dass 10 Prozent der Männer und sogar 22 Prozent der Frauen adipös sind. Insgesamt sind nach dem Bundes-Gesundheitssurvey 52 Prozent der westdeutschen Frauen und 67 Prozent der westdeutschen Männer mit einem Body Mass Index von mehr als 25 übergewichtig oder sogar adipös. Lediglich ein Drittel der erwachsenen Männer in der Bundesrepublik Deutschland sind vor dem Hintergrund dieser Daten noch als normalgewichtig einzustufen (2). Außerdem nimmt die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen in der BRD zu. Der Bundes-Gesundheitssurvey weist aus, dass die Verbreitung von Adipositas in den vergangenen zehn Jahren bei ostdeutschen Männern um 5,9 Prozent und bei westdeutschen Männern sogar um 11,5 Prozent zugenommen hat. Bei den westdeutschen Frauen ist sie um rund 6,4 Prozent angestiegen. Bei ostdeutschen Frauen ist die Adipositas-Verbreitung um 6,3% zurückgegangen. Die Bevölkerungsverhältnisse zwischen Ost und West bedingen insgesamt eine deutliche Zunahme von übergewichtigen Menschen, die schließlich alarmierend ist.
Übergewicht und Adipositas entstehen bei einem Ungleichgewicht in der Energiebilanz. Übergewicht und Adipositas können nur entstehen, wenn mehr Energie zugeführt als verbraucht wird. Zu den wichtigsten Ursachen für Übergewicht und Adipositas werden in der Fachliteratur insbesondere Fehl- und Überernährung, Bewegungsmangel sowie eine genetische Prädisposition angeführt. Die evidenzbasierte Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas“ führt unter den Ursachen für Übergewicht und Adipositas den modernen Lebensstil (Bewegungsmangel, Fehlernährung mit beispielsweise häufigem Snacking, übertriebener Konsum von energiedichten Lebensmitteln) an (5).
Professor Dr. Helmut Heseker erläutert im Ernährungsbericht 2008, dass die adipositasförderlichen Lebensumstände in Deutschland die Verbreitung und Rasanz der Zunahme von Übergewicht bedingen. Als adipogen bezeichnet er den Lebensmittelüberfluss und die Bewegungsarmut. Unter diesen Bedingungen entwickelt sich nahezu zwangsläufig Übergewicht in mehr oder minder ausgeprägter Form. Nur durch ein bewusstes Ernährungsverhalten und regelmäßige körperliche Aktivität lässt sich dieser Entwicklung gegensteuern. Die genetische Ausstattung des Menschen ist darauf programmiert, Fettdepots in Zeiten des Energieüberschusses anzulegen, um Hungerperioden oder Phasen hoher körperlicher Aktivität oder hohem Energieverbrauch kompensieren zu können.
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