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Der Sprachwandel des Wortes "Neger" im Deutschen. Vom Alltagsbegriff zur rassistischen Beleidigung

Title: Der Sprachwandel des Wortes "Neger" im Deutschen. Vom Alltagsbegriff zur rassistischen Beleidigung

Essay , 2025 , 19 Pages , Grade: 2,3

Autor:in: Khaled Omayrat (Author)

German Studies - Comparative Literature

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Summary Excerpt Details

Ziel dieser Arbeit ist es, den Bedeutungswandel des Wortes "Neger" im Deutschen nachzuzeichnen und diesen im Zusammenhang mit Kolonialismus, gesellschaftlichem Bewusstsein und sprachpolitischen Debatten zu analysieren. Im Zentrum steht dabei die Frage: Wie und warum hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung des Wortes "Neger" vom
Alltagsbegriff zur rassistischen Beleidigung gewandelt?

Die Arbeit gliedert sich in mehrere Schritte: Zunächst wird die Begriffsgeschichte mit Blick auf den kolonialen Ursprung dargestellt. Anschließend folgt eine Analyse des Wandels der gesellschaftlichen Bedeutung im 20. Jahrhundert, bevor die sprachpolitischen Debatten der letzten Jahrzehnte in den Blick genommen werden. Schließlich wird der aktuelle Sprachgebrauch sowie die juristische Einordnung untersucht. Das Fazit fasst die zentralen Ergebnisse zusammen und reflektiert die Bedeutung sprachlicher Sensibilisierung im heutigen gesellschaftlichen Kontext.

Excerpt


Inhalt

Einleitung

Begriffsgeschichte und kolonialer Ursprung
Etymologische Betrachtung
Verlaufskurve des Begriffs „Neger“ (1600 - frühes 20. Jahrhundert)
Koloniale Schriften
Koloniale Schulbücher
Koloniale Werbung

Wandel der gesellschaftlichen Bedeutung
Nationalsozialismus: rassistische Aufladung
Nachkriegszeit und Wandel ab 1970/80
Wörterbuchvergleich

Die sprachpolitische Debatte um Pippi Langstrumpf

Der aktuelle Sprachgebrauch und juristische Einordnung
Das Wort als strafbare Beleidigung
Verwendung im rechten Diskurs und als Provokation
Meinungsfreiheit, Diskriminierung und Selbstbezeichnung

Fazit und Ausblick

Literatur

Einleitung

Sprache ist nicht nur ein neutrales Kommunikationsmittel, sondern stets Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse, historischer Prozesse und kollektiver Erinnerungen. Kaum ein Begriff verdeutlicht dies so stark wie das Wort „Neger“, das über Jahrhunderte hinweg im Deutschen gebräuchlich war und heute als eindeutig rassistisch gilt. Während es in früheren Zeiten scheinbar unmarkiert im Alltag Verwendung fand, etwa in Literatur, Schulbüchern oder Werbung, hat sich seine Bedeutung im Laufe der Zeit grundlegend gewandelt: vom vermeintlich neutralen Bezeichner zur diskriminierenden und strafbaren Beleidigung.

Dieser Wandel wirft grundlegende Fragen über das Verhältnis von Sprache, Gesellschaft und Macht auf. Er zeigt, dass Sprachwandel nicht nur ein natürlicher Prozess ist, sondern auch durch politische Auseinandersetzungen, postkoloniale Kritik und gesellschaftliche Sensibilisierung vorangetrieben wird. Besonders in den Debatten um Kinderliteratur, Produktnamen oder öffentliche Sprachregelungen wird deutlich, wie stark Sprache mit Erinnerungen, Identitäten und Machtstrukturen verknüpft ist.

Ziel dieser Arbeit ist es, den Bedeutungswandel des Wortes „Neger“ im Deutschen nachzuzeichnen und diesen im Zusammenhang mit Kolonialismus, gesellschaftlichem Bewusstsein und sprachpolitischen Debatten zu analysieren. Im Zentrum steht dabei die Frage: Wie und warum hat sich die gesellschaftliche Wahrnehmung des Wortes „Neger“ vom Alltagsbegriff zur rassistischen Beleidigung gewandelt?

Die Arbeit gliedert sich in mehrere Schritte: Zunächst wird die Begriffsgeschichte mit Blick auf den kolonialen Ursprung dargestellt. Anschließend folgt eine Analyse des Wandels der gesellschaftlichen Bedeutung im 20. Jahrhundert, bevor die sprachpolitischen Debatten der letzten Jahrzehnte in den Blick genommen werden. Schließlich wird der aktuelle Sprachgebrauch sowie die juristische Einordnung untersucht. Das Fazit fasst die zentralen Ergebnisse zusammen und reflektiert die Bedeutung sprachlicher Sensibilisierung im heutigen gesellschaftlichen Kontext.

Begriffsgeschichte und kolonialer Ursprung

In diesem Kapitel wird zunächst die lexikalische Entwicklung des Begriffs „Neger“ nachgezeichnet, wie sie sich in historischen Wörterbüchern wie dem Grimm niederschlägt. Anschließend wird der Blick auf die koloniale Dimension des Begriffs gerichtet: Es wird untersucht, wie er in missionarischen Schriften, Schulbüchern und Werbemitteln verwendet wurde und welche Funktion er in kolonialen Macht- und Herrschaftsstrukturen erfüllte. Ziel ist es, aufzuzeigen, dass der Begriff keineswegs neutral war, sondern systematisch zur Abwertung und Homogenisierung Schwarzer Menschen eingesetzt wurde.

Etymologische Betrachtung

Ein erster Blick auf die Wortgeschichte zeigt, dass der Begriff „Neger“ von Beginn an eng mit kolonialen Machtverhältnissen und dem transatlantischen Sklavenhandel verbunden war. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) vermerkt hierzu:

„Neger m. ‘Mensch mit dunkler Hautfarbe’, entlehnt (Ende 17. Jh., vorher Negres, Negren Plur., Anfang 17. Jh.) aus gleichbed. mfrz. frz. nègre, das seinerseits auf gleichbed. span. port. negro, einer abschätzigen Bezeichnung für die als Sklaven gehandelten Eingeborenen Afrikas, beruht; zu lat. niger ‘schwarz’. Zuvor begegnet (Ende 16. Jh.) auch im Dt. Negro als direkte Entlehnung aus dem Span. oder Port., das neben Mohr und schwarze Leute tritt.“ (DWDS, Stichwort „Neger“)

Bereits diese etymologische Herkunft verdeutlicht: Das Wort wurde einerseits früh aus den romanischen Sprachen ins Deutsche übernommen, andererseits war es von Anfang an durch koloniale Praxis und Sklavenhandel geprägt. Es handelte sich also nie um eine rein „neutrale“ Farbbezeichnung, sondern immer um eine Fremdbenennung mit abwertender Konnotation.

Diese Perspektive wird durch die lexikographische Behandlung im 19. Jahrhundert ergänzt. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm erscheint „Neger“ als scheinbar unproblematische Kategorie, definiert etwa als „schwarzer, eingeborener Afrikaner“. Zahlreiche Belegstellen aus Literatur und Alltagsgebrauch verdeutlichen, dass der Begriff bereits damals fest im Sprachgebrauch verankert war.

Gerade die unkommentierte Aufnahme ins größte deutsche Wörterbuch zeigt, wie tief koloniale und rassistische Denkmuster in der Gesellschaft verwurzelt waren. Lexikographie wirkte hier nicht nur beschreibend, sondern auch stabilisierend: Indem das Wort ohne kritische Distanz dokumentiert wurde, erhielt es eine wissenschaftliche Legitimation, die seine Selbstverständlichkeit im Alltag zusätzlich festigte.

Verlaufskurve des Begriffs „Neger“ (1600 - frühes 20. Jahrhundert)

Anmerkung der Redaktion: Abbildung 1 wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.

Abbildung 1: Quelle: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS), https://www.dwds.de

Die Verlaufskurve des Wortes „Neger“ im DWDS zeigt, dass seine Nutzung bereits im 17. Jahrhundert belegt ist, zunächst jedoch nur vereinzelt, etwa in Reiseberichten oder frühen Wörterbüchern. Im Laufe des 18. Jahrhunderts nimmt die Häufigkeit spürbar zu. Diese Entwicklung fällt in eine Phase, in der europäische Expansion und koloniale Wissensordnungen an Bedeutung gewannen. Der Begriff etablierte sich in missionarischen Texten, ethnographischen Schriften und politischen Diskursen zunehmend als Sammelbezeichnung für afrikanische Bevölkerungen.

Im 19. Jahrhundert verstärkt sich dieser Trend deutlich. Mit der deutschen Kolonialbewegung, der Verbreitung kolonialer Propaganda und der Aufnahme entsprechender Inhalte in Schulbüchern und populären Darstellungen erreicht die Verwendung von „Neger“ eine neue Qualität. Die Kurve steigt hier kontinuierlich an und markiert ihren Höhepunkt im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Damit lässt sich klar erkennen, dass der Begriff in dieser Zeit nicht nur sprachlich präsent war, sondern aktiv zur Stabilisierung kolonialer Hierarchien und rassistischer Weltbilder diente.

Koloniale Schriften

Während die lexikographischen Einträge das Wort „Neger“ als vermeintlich neutrale Fremdbezeichnung festschrieben, zeigt ein Blick auf die koloniale Praxis, wie sehr es tatsächlich in Macht- und Herrschaftsstrukturen eingebettet war. Spätestens im Zeitalter des europäischen Kolonialismus wurde der Begriff nicht nur zur Beschreibung, sondern auch zur Abwertung und Hierarchisierung verwendet.

So beschreibt Hölzl (2016) die Haltung der katholischen Mission im 19. Jahrhundert gegenüber Afrikanern sehr deutlich: „Selbst das Christentum vermöge ,nicht mit einem Schlage Herz und Nieren des Negervolkes umzuwandeln und sie wie über Nacht auf die Höhen der Kultur‘ zu versetzen. Dazu bedürfe es ,vieler Generationen’. Derzeit seien die ,Neger als primitive Naturvölker’ einzuordnen. Außerdem blieben die Unterschiede in der ,anthropologischen Beschaffenheit’, deren Wirkungen auf die Dauer niemand sicher abschätzen könne“ (S. 23). Dieses Zitat illustriert, wie der Begriff „Neger“ nicht neutral war, sondern als Teil einer rassistischen Ideologie diente, die Schwarze Menschen homogenisierte, ihre kulturelle Vielfalt negierte und die koloniale Unterordnung rechtfertigte.

Koloniale Schulbücher

Anmerkung der Redaktion: Abbildung 2 wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.

Abbildung 2: Quelle: Deutschlandfunk Kultur, https://www.deutschlandfunkkultur.de/stereotype-in-deutschenschulbuechern- wenn-menschen-in-100.html

Diese Abbildung aus einem deutschen Schulbuch von 1905 zeigt eine stereotype Darstellung Schwarzer Menschen in Afrika. Die Szene zeigt Schwarze Männer in traditionellen Kleidern, die in einer afrikanischen Landschaft arbeiten. Solche Darstellungen waren in Schulbüchern jener Zeit weit verbreitet und dienten der Verfestigung rassistischer Stereotype. Sie präsentierten Schwarze Menschen als „exotische“ oder „primitive“ Wesen, was zur Rechtfertigung kolonialer Herrschaftsstrukturen beitrug.

Koloniale Werbung

Anmerkung der Redaktion: Abbildung 3 wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.

Abbildung 3: Quelle: Sarotti, https://www.sarotti.de/historie/

Ein prägnantes Beispiel für die Verflechtung von Sprache, Bild und kolonialem Denken bietet die Werbefigur des „Sarotti-Mohrs“. Seit ihrer Einführung im frühen 20. Jahrhundert prägte sie das Markenimage der Berliner Schokoladenfabrik Sarotti und wurde über Jahrzehnte hinweg auf Verpackungen, Plakaten und Werbematerialien eingesetzt. Die Figur stellt einen dunkelhäutigen Diener dar, der mit Turban und Tablett exotisierende Attribute trägt.

Die Bildsprache knüpft unmittelbar an koloniale Stereotype an: Schwarze Menschen erscheinen nicht als Individuen, sondern als ornamentale Figuren, die dem weißen Konsumenten zu Diensten sind. Damit erfüllte der „Sarotti-Mohr“ eine doppelte Funktion: Er sollte einerseits das Produkt durch den Verweis auf „Ferne“ und „Exotik“ aufwerten, andererseits aber auch die koloniale Hierarchie bestätigen, in der Schwarze Menschen als untergeordnete Dienstleister dargestellt wurden.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Figur fester Bestandteil der Markenidentität, bevor sie angesichts wachsender Kritik an rassistischen Stereotypen umgestaltet wurde. Die Werbefigur macht deutlich, wie tief koloniale Denkweisen nicht nur in politische und soziale Strukturen, sondern auch in die Alltagskultur und Konsumästhetik der deutschen Gesellschaft eingebettet waren.

Wandel der gesellschaftlichen Bedeutung

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Begriffsgeschichte sowie der koloniale Ursprung des Wortes „Neger“ nachgezeichnet wurden, soll nun der gesellschaftliche Bedeutungswandel im 20. Jahrhundert in den Blick genommen werden. Dieser Wandel zeigt sich besonders deutlich in drei Phasen: In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Begriff im Rahmen der rassistischen Ideologie gezielt aufgeladen und biologisch kodiert. In den Jahrzehnten nach 1945 blieb er zunächst weitgehend unreflektiert im Alltagsgebrauch bestehen, bevor er ab den 1970er und 1980er Jahren zunehmend in die Kritik geriet. Unter dem Einfluss Schwarzer Bewegungen, internationaler Bürgerrechtsdiskurse und postkolonialer Theorien setzte sich in Deutschland eine neue Sprachsensibilität durch, die den Begriff als diskriminierend markierte und zurückdrängte.

Besonders deutlich wird dieser Bedeutungswandel im Vergleich lexikographischer Einträge: Während ältere Ausgaben des Duden den Begriff noch neutral verzeichneten, weisen aktuelle Versionen ihn ausdrücklich als veraltet und diskriminierend aus. Die Entwicklung verdeutlicht, wie eng sprachlicher Wandel mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen, politischen Diskursen und kulturellen Aushandlungsprozessen verbunden ist.

Nationalsozialismus: rassistische Aufladung

In der nationalsozialistischen Ära wurde der Begriff „Neger“ nicht nur als Fremdbezeichnung benutzt, sondern systematisch mit rassistischen Zuschreibungen verknüpft. Rassenlehre wurde Pflichtfach in Schulen und Rassenkunde war Teil des staatlichen Unterrichts. Schriften wie „Erbkunde, Rassenkunde, Rassenpflege“ von Bruno K. Schultz (1934) ordnen Schwarze unter „den Negern“ ein und beschreiben ihnen Eigenschaften zu, die sie kulturell und intellektuell abwerten: Sie gelten als leicht zu beeinflussen, verspielt, nicht schöpferisch: „Kennzeichnend für den Neger ist sein spielerischer Trieb, seine Neigung zum Schwatzen, seine Vorliebe für Histörchen und Scherze. Er nimmt das Leben selten ernst und ist daher auch nicht in der Lage, den wirklichen Schwierigkeiten des Lebens mit Entschiedenheit entgegenzutreten, sondern er lässt sich mehr vom Zufall treiben. Fremde Kulturgüter vermag der Neger leicht zu übernehmen und sie seinen Zwecken anzupassen, er kann sie aber nicht weitergestalten.“

Nachkriegszeit und Wandel ab 1970/80

In der unmittelbaren Nachkriegszeit blieb der Begriff „Neger“ weitgehend unreflektiert im alltäglichen Sprachgebrauch bestehen. Er tauchte in Schulmaterialien, Witzen und der Werbung auf und wurde vielfach als scheinbar neutrale Bezeichnung verwendet. Dies verweist auf eine sprachliche Kontinuität, die über die politischen Zäsuren von 1945 hinweg wirkte. Während nationalsozialistische Rassentheorien offiziell diskreditiert waren, setzte sich die kolonial und rassistisch geprägte Terminologie im Alltagsdeutsch ungebrochen fort. Besonders in der Kinderliteratur wurde der Ausdruck weiterhin selbstverständlich gebraucht: So verweist Susan Arndt darauf, dass die erste deutsche Übersetzung von Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf (1949) den Vater der Hauptfigur noch als „Negerkönig“ bezeichnet (Arndt, 2011, S. 45).

Erst ab den 1970er Jahren lässt sich ein deutlicher Wandel beobachten. In dieser Zeit begannen gesellschaftliche Strömungen, die zuvor in der Bundesrepublik kaum Resonanz gefunden hatten, den Sprachgebrauch zu hinterfragen. Zum einen übten internationale Bürgerrechtsbewegungen aus den USA und postkoloniale Theorien einen spürbaren Einfluss aus. Zum anderen formierten sich in Deutschland Schwarze Selbstorganisationen wie die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e. V. (ISD), die auf die diskriminierende Wirkung der Fremdbezeichnung aufmerksam machten.

In den 1980er Jahren nahm die Sensibilisierung weiter zu: Der Begriff wurde zunehmend als herabwürdigend erkannt und verschwand mehr und mehr aus offiziellen Kontexten, während gleichzeitig erste kritische Stimmen in Wissenschaft und Öffentlichkeit auf eine diskriminierungskritische Sprachpraxis drängten (vgl. Arndt & Ofuatey-Alazard, 2011).

Dieser Abschnitt verdeutlicht somit, dass der Bedeutungswandel nicht abrupt einsetzte, sondern auf einer langen Phase sprachlicher Beharrung beruhte, bevor neue politische und kulturelle Impulse den Weg für eine breitere Reflexion ebneten. Die intensiven gesellschaftlichen Debatten, die sich seit den 1980er Jahren um Kinderliteratur, Medien und lexikographische Markierungen entzündeten, werden im folgenden Kapitel gesondert behandelt.

Wörterbuchvergleich

Besonders aufschlussreich für den gesellschaftlichen Bedeutungswandel des Wortes „Neger“ ist ein Blick in die verschiedenen Ausgaben des Duden. In den älteren Auflagen aus den 1950er und 1960er Jahren erscheint der Begriff noch ohne jegliche Kennzeichnung als neutrale Fremdbezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Diese Präsentation spiegelt den damals ungebrochenen Alltagsgebrauch wider und verdeutlicht, dass Wörterbücher in dieser Phase vor allem eine deskriptive Funktion erfüllten, ohne die diskriminierende Dimension des Ausdrucks zu reflektieren.

„Neger, der; -s, - dunkelhäutiger Mesch mit sehr krausem schwarzem Haar a) Nachkomme der nach Amerika verschleppten Bewohner Afrikas“, heißt es im Wörterbuch der Deutschen Gegenwartssprache (Klappenbach, 1974).

Ab den 1990er Jahren ist ein deutlicher Bruch zu erkennen: In neueren Duden-Ausgaben wird der Begriff zunächst als „veraltet“ gekennzeichnet, später kommt der Zusatz „diskriminierend“ hinzu (Dudenredaktion, 2020, s. v. „Neger“) . Diese Veränderungen markieren den Einfluss gesellschaftlicher Diskurse auf die lexikographische Praxis. Wörterbücher reagieren hier nicht nur auf tatsächliche Sprachgewohnheiten, sondern übernehmen zugleich eine normative Funktion, indem sie problematische Ausdrücke durch ihre Bewertung sichtbar machen und deren Gebrauch aktiv beeinflussen.

Im direkten Vergleich lässt sich somit nachvollziehen, wie sich die gesellschaftliche Bewertung des Begriffs vom scheinbar neutralen Eintrag der Nachkriegszeit hin zu einer klaren Distanzierung in der Gegenwart verschoben hat. Der Duden fungiert damit als ein Spiegel sprachlicher Sensibilisierung und zugleich als Akteur, der an der Durchsetzung neuer Normen beteiligt ist

Die sprachpolitische Debatte um Pippi Langstrumpf

Während im vorherigen Kapitel der historische Bedeutungswandel des Begriffs im Zentrum stand, soll nun der Blick auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen gerichtet werden. Gerade seit den 1970er- und 1980er-Jahren wird Sprache zunehmend nicht nur als neutrales Kommunikationsmittel, sondern als gesellschaftliches Machtinstrument verstanden, dessen Verwendung unmittelbar mit Fragen von Diskriminierung, Anerkennung und Erinnerungskultur verknüpft ist. Diese Entwicklung spiegelt sich in zahlreichen öffentlichen Debatten wider, in denen um die Veränderung oder Beibehaltung bestimmter sprachlicher Formen gestritten wird. Im Folgenden soll ein prominentes Felder solcher sprachpolitischen Kontroversen näher untersucht werden: die Diskussionen um rassistische Begriffe in Kinderliteratur, exemplarisch am Beispiel von Pippi Langstrumpf.

Im Folgenden stütze ich mich in der Analyse der Debatte um Pippi Langstrumpf überwiegend auf die Untersuchung von Mecheril und Rangger (2022), die die Frage der Gültigkeit von Normen und Wissen im Kontext der Kinderliteratur differenz- und machttheoretisch reflektieren.

Die Kontroverse entzündet sich an Begriffen, die aus heutiger Sicht als rassistisch und diskriminierend gelten. In der ersten deutschen Übersetzung von 1949 wird Pippis Vater als „Negerkönig“ bezeichnet. Diese Bezeichnung war Teil eines kolonial und rassistisch geprägten Sprachgebrauchs, der über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus im Alltagsdeutsch lange unreflektiert fortbestand.

Ein Wandel in der Wahrnehmung dieser Begriffe setzte ab den 1970er-Jahren ein. Beeinflusst durch internationale Bürgerrechtsbewegungen in den USA und die Arbeit von Schwarzen Selbstorganisationen wie der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD), wuchs die Sensibilität für die diskriminierende Wirkung solcher Fremdbezeichnungen. Öffentlich intensivierte sich die Debatte besonders im Jahr 2013, als ein deutscher Verlag ankündigte, herabwürdigende Begriffe in Kinderbuchklassikern durch wertneutrale zu ersetzen. Diese Ankündigung löste eine heftige öffentliche Auseinandersetzung aus, in der nicht nur über Literatur, sondern auch über Alltagsrassismus und seine sprachlichen Manifestationen verhandelt wurde. Als Reaktion auf die anhaltende Kritik haben Verlage damit begonnen, in neueren Ausgaben von Pippi Langstrumpf Textänderungen vorzunehmen.

In der Debatte um Textänderungen in Kinderbüchern stehen sich zwei zentrale Positionen gegenüber:

Kritikerinnen und Kritiker von Textänderungen argumentieren häufig aus einer literaturhistorischen Perspektive. Sie betonen, dass literarische Werke im Kontext ihrer Entstehungszeit betrachtet werden müssten und nicht mit heutigen Maßstäben bewertet werden dürften. Änderungen werden als „Sprachzensur“, Eingriff in die Authentizität des Originaltextes und als Gefahr für den Schutz des literarischen Erbes angesehen. Aus dieser Sicht wird die Verwendung von Begriffen wie „Negerkönig“ als historisches Faktum betrachtet, das die damalige gesellschaftliche Normalität widerspiegelt, in der solche Wörter noch als neutrale Bezeichnungen galten.

Befürworterinnen und Befürworter von Änderungen heben hingegen die pädagogische Verantwortung gegenüber Kindern hervor. Sie argumentieren, dass die Rezeption der Bücher in der Gegenwart stattfindet und rassistische Begriffe auch heute noch verletzen und Diskriminierungserfahrungen auslösen können. Die Verantwortung im Umgang mit rassistischen Begriffen gebiete es, Kinder vor solchen herabwürdigenden Darstellungen zu schützen. Die Tatsache, dass das Buch nach wie vor „in allen Regalen“ steht, macht es zu einem relevanten Beispiel, da die Diskriminierungserfahrung durch die Lektüre weiterhin stattfindet, unabhängig von der Intention der Autorin zur Entstehungszeit.

Die Verlage und die Nachlassverwaltung der Autorinnen und Autoren nehmen in dieser Auseinandersetzung eine Vermittlerrolle ein. Sie müssen zwischen dem Schutz des Originalwerks und der Verantwortung gegenüber einer sich wandelnden Gesellschaft abwägen, was oft zu der Entscheidung führt, problematische Begriffe in Neuauflagen zu ersetzen oder zu kontextualisieren.

Aus der Perspektive von Schwarzen Menschen und rassismuskritischen Initiativen sind Begriffe wie „Neger“ oder „Negerkönig“ weit mehr als „nur ein Wort“. Sie sind tief in der Geschichte von Kolonialismus, Versklavung und Gewalt verwurzelt. Die Bezeichnung ist nicht „nur ein Wort“, weil sie historisch mit Gewalt verbunden ist. Sprache und Gewalt sind eng miteinander verknüpft. Die Bezeichnung „Neger“ wurde von europäischen Sklavenhändlern verwendet, um Menschen zu entmenschlichen und ihre Versklavung zu legitimieren. Wörter wie der „Negerkuss“ oder der „Negerkönig“ rufen diese Geschichte der Erniedrigung auf und können bei rassistisch belangbaren Personen körperliche und seelische Reaktionen wie Schmerz oder Trauer auslösen. Die Begriffe stehen in Verbindung zu alltäglichen Diskriminierungserfahrungen. Organisationen wie die ISD machten bereits in den 1980er Jahren auf die diskriminierende Wirkung solcher Fremdbezeichnungen im Alltag aufmerksam. Bestimmte sprachliche Figuren, wie das „N-Wort“, können eine „Trigger-Funktion“ haben, die unabhängig von der Absicht der sprechenden Person schmerzhafte Erinnerungen an rassistische Erfahrungen reaktiviert.

Sprachliche Sensibilität wird als Form der Anerkennung und Sichtbarkeit verstanden. Der Kampf um eine diskriminierungsfreie Sprache ist Teil des Strebens nach gesellschaftlicher Anerkennung. Indem verletzende Begriffe aus dem öffentlichen Sprachgebrauch entfernt werden, werden die Erfahrungen von Rassismusbetroffenen ernst genommen und ihre Würde anerkannt.

Der Fall Pippi Langstrumpf lässt sich aus einer macht- und differenztheoretischen Perspektive analysieren, die Kinderliteratur als einen Ort betrachtet, an dem gesellschaftliche Normen und Wissen verhandelt und weitergegeben werden.

• Kinderliteratur als Ort der Norm- und Wissensvermittlung: Kinderbücher sind keine neutralen Räume, sondern vermitteln spezifische Welt- und Selbstbilder. Im Fall von Pippi Langstrumpf werden rassistische Darstellungen aus einer weißen, eurozentrischen und kolonialen Perspektive präsentiert, die sich an eine ebenfalls als weiß vorgestellte Leserschaft richtet. Dadurch werden Nicht-Weiße als „Andere“ konstruiert und rassistisch belangbare Leserinnen und Leser mit degradierenden Bildern konfrontiert, während die Normalität von weißen Lesenden unhinterfragt bestätigt wird.
• Macht- und differenztheoretische Perspektive: Die Debatte um das Buch ist eine Auseinandersetzung um die Deutungshoheit und die Legitimität von Wissen. Die Kritik an den rassistischen Begriiien stellt die Autorität dominanter, literaturhistorischer Perspektiven inirage, die den historischen Kontext über die gegenwärtige Wirkung stellen. Aus rassismuskritischer Sicht wird hier auch das Phänomen der sekundären Rassismuseriahrung relevant: Wenn die diskriminierende Wirkung der Begriiie geleugnet wird, reproduziert dies die untergeordnete Position rassistisch belangbarer Menschen und veriestigt die rassistische Ordnung.
• Die Frage nach der „Gültigkeit von Normen und Wissen“: Im Kern der Debatte steht die Frage, ob normative Maßstäbe der Gegenwart aui historische Werke angewendet werden dürien. Während die eine Position aui der Unantastbarkeit des historischen Originals beharrt, argumentiert die rassismuskritische Perspektive, dass die Wirksamkeit der Darstellungen in der Gegenwart der Rezeption entscheidend ist. Da das Buch heute gelesen wird, sind auch die heutigen Normen iür seine Bewertung relevant, insbesondere weil die darin enthaltenen Begriiie nach wie vor Diskriminierungseriahrungen auslösen können. Die Auseinandersetzung um Pippi Langstrumpi ist somit eine Verhandlung darüber, wessen Wissen, wessen Eriahrungen und wessen Normen im literarischen und pädagogischen Kontext Gültigkeit beanspruchen dürien.

Der aktuelle Sprachgebrauch und juristische Einordnung

Die bisherigen Kapitel haben den historischen Ursprung, die semantischen Wandlungen sowie die sprachpolitischen Debatten um den Begriii „Neger“ nachgezeichnet. In diesem abschließenden Teil richtet sich der Blick aui die Gegenwart. Heute ist das Wort im öiientlichen Diskurs nahezu ausschließlich negativ konnotiert und wird in den meisten Kontexten als diskriminierend und verletzend wahrgenommen. Neben der gesellschaitlichen Ächtung spielt auch die rechtliche Dimension eine zentrale Rolle: In Deutschland ist die Verwendung des

Begriffs in vielen Fällen strafrechtlich relevant. Darüber hinaus wird er von rechten Akteuren gezielt als Provokationsinstrument eingesetzt, wodurch sich Fragen nach der Reichweite von Meinungsfreiheit und dem Schutz vor Diskriminierung besonders deutlich stellen. Ziel dieses Kapitels ist es daher, die aktuelle Stellung des Begriffs im Spannungsfeld zwischen Strafbarkeit, politischer Instrumentalisierung und gesellschaftlicher Wahrnehmung zu beleuchten.

Das Wort als strafbare Beleidigung

Die rechtliche Bewertung des Begriffs „Neger“ erfolgt in Deutschland in erster Linie im Rahmen des § 185 StGB, der Beleidigungen unter Strafe stellt. Maßgeblich ist dabei, ob die Verwendung des Wortes geeignet ist, die persönliche Ehre des Adressaten zu verletzen. In der Rechtsprechung gilt die Bezeichnung Neger mittlerweile durchgängig als herabwürdigend und somit grundsätzlich beleidigend.

Mehrere Gerichtsurteile haben dies bestätigt: So stellte das Landgericht Görlitz (Az. 5 Ns 150 Js 30310/18, Urteil vom 1. Juli 2021) klar, dass die Bezeichnung einer Person als „Neger“ unzweifelhaft den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. Das Gericht betonte dabei den diskriminierenden Charakter des Ausdrucks, der auf eine rassistische Herabwürdigung abzielt. Auch das Landgericht Karlsruhe (Az. 4 Qs 25/16, Beschluss vom 20. Juli 2016) beschäftigte sich mit dieser Frage. Dort war die Formulierung „wunderbarer Neger“ Gegenstand einer strafrechtlichen Bewertung. Das Gericht führte aus, dass der Begriff auch dann beleidigend ist, wenn er in einem vermeintlich positiven Kontext eingebettet wird. Maßgeblich sei nicht die subjektive Intention des Sprechers, sondern das objektive Sprachverständnis, wonach das Wort heutzutage als rassistisch gilt. Ähnliche Urteile finden sich auch in anderen Instanzen, die regelmäßig betonen, dass der Ausdruck aufgrund seiner historischen Belastung und seiner heutigen Konnotation als rassistische Schmähung zu verstehen ist.

Allerdings bleibt die Einordnung kontextabhängig. So wird in einzelnen Fällen berücksichtigt, ob das Wort in einer zitierten oder distanzierenden Weise verwendet wurde, etwa in wissenschaftlichen, journalistischen oder literarischen Zusammenhängen. Entscheidend ist, ob der Ausdruck als abwertende Fremdbezeichnung oder im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung gebraucht wird. Gleichwohl zeigt die Entwicklung der Rechtsprechung, dass die Grenze für eine zulässige Verwendung zunehmend enger gezogen wird und der Begriff in fast allen direkten Adressierungen strafrechtlich relevant ist.

Verwendung im rechten Diskurs und als Provokation

Neben der juristischen Einordnung spielt auch die gesellschaftliche Verwendung des Begriffs eine Rolle. Auffällig ist dabei, dass das Wort „Neger“ insbesondere in rechten und rechtsextremen Diskursen weiterhin gezielt eingesetzt wird. Dabei dient es nicht nur als abwertende Fremdbezeichnung, sondern auch als bewusst eingesetzte Provokation im Rahmen einer Strategie der „Sprachrebellion“.

Ein anschauliches Beispiel bietet der Fall von Nikolaus Kramer (AfD, Mecklenburg- Vorpommern). In einer Landtagsdebatte, sowie in einem Zwischenruf verwendete Kramer mehrfach das Wort „Neger“. Er verteidigte seine Wortwahl damit, dass er sich nicht vorschreiben lassen wolle, was ein Schimpfwort sei (Merkur, 2021). Juristisch bekam er Recht vor dem Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Das Gericht entschied, dass der Ordnungsruf gegen Kramer sein Rederecht verletzte, da nicht in allen Fällen klar gewesen sei, dass er die Würde des Hauses verletzt habe (FAZ, 2021). Der Fall verdeutlicht, wie rechte Akteure das Wort gezielt einsetzen, um gesellschaftliche Tabus zu testen und Meinungsfreiheit als Verteidigungsargument zu nutzen. Gleichzeitig zeigt er, dass Gerichte eine Abwägung zwischen Redefreiheit und Ehrschutz vornehmen müssen.

Rechtsextreme Gruppierungen setzen das Wort zudem in Parolen, Liedtexten oder auf Demonstrationen ein, um Feindbilder zu schaffen und rassistische Stereotype zu reproduzieren. Auch in der Alltagskultur kommt es zu Provokationen: So warben in der Vergangenheit etwa Gastronomiebetriebe auf Rügen bewusst mit Bezeichnungen wie „Negerkuss“ oder „Zigeunerschnitzel“, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und gegen die gesellschaftliche Sprachsensibilität zu rebellieren.

Eine besondere Rolle spielt dabei die Verbindung von Provokation und Opferinszenierung: Verwender des Begriffs stilisieren sich nachträglich häufig als „Opfer von Sprachzensur“ oder „Unterdrückte der Meinungsfreiheit“. Diese Strategie erlaubt es, rassistische Rhetorik in den öffentlichen Diskurs einzuschleusen und gleichzeitig an Debatten um Meinungsfreiheit anzuknüpfen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Wort „Neger“ im rechten Diskurs nicht lediglich als zufällige Beleidigung vorkommt, sondern als kalkuliertes Mittel der politischen Kommunikation dient. Es erfüllt die doppelte Funktion einerseits der rassistischen Herabsetzung, andererseits der bewussten Provokation gegen gesellschaftliche Normen und Sprachsensibilität.

Meinungsfreiheit, Diskriminierung und Selbstbezeichnung

Neben der problematischen Verwendung des Begriffs „Neger“ durch Dritte ist auch die Verwendung durch Schwarze selbst ein relevanter Aspekt im aktuellen Sprachgebrauch. In bestimmten Kontexten kann die bewusste Selbstbezeichnung, also die Aneignung eines ursprünglich abwertenden Begriffs, als Mittel der Identitätsstärkung und des Empowerments dienen. Solche sprachlichen Strategien zeigen, dass die Bewertung eines Wortes stark vom Sprechkontext, der Intention und der sozialen Position des Sprechenden abhängt.

Im gesellschaftlichen Diskurs führt dies zu Spannungen: Während die Verwendung durch Dritte als klar diskriminierend und juristisch problematisch gilt, kann die Selbstbezeichnung als Ausdruck von Widerstand, Stolz oder kultureller Selbstermächtigung verstanden werden. In der Praxis bedeutet dies, dass Gerichte, Medien und Öffentlichkeit zunehmend differenzieren müssen, wer das Wort verwendet, in welchem Kontext und zu welchem Zweck.

Diese Differenzierung greift auch in Debatten um Meinungsfreiheit versus Diskriminierung ein. Nach Artikel 5 des Grundgesetzes ist die Meinungsfreiheit umfassend geschützt, sie stößt jedoch dort an Grenzen, wo Äußerungen die Menschenwürde anderer verletzen. Die Selbstbezeichnung durch Schwarze fällt nicht unter diese Einschränkung, da hier keine Herabsetzung durch Dritte erfolgt. Gleichzeitig illustriert die öffentliche Reaktion auf solche Verwendungen, wie stark historische Belastungen und rassistische Kontinuitäten weiterhin die gesellschaftliche Wahrnehmung beeinflussen.

Zusammenfassend zeigt sich: Der aktuelle Sprachgebrauch des Wortes „Neger“ ist nicht isoliert zu betrachten, sondern kontextabhängig. Die Debatte um Selbstbezeichnung verdeutlicht, dass Sprache sowohl Mittel der Diskriminierung als auch der Selbstermächtigung sein kann und dass die juristische und gesellschaftliche Bewertung differenziert erfolgen muss.

Fazit und Ausblick

Die vorliegende Arbeit hat den tiefgreifenden Bedeutungswandel des Wortes „Neger“ im Deutschen nachgezeichnet, um die in der Einleitung formulierte Frage zu beantworten: Wie und warum hat sich seine gesellschaftliche Wahrnehmung vom Alltagsbegriff zur rassistischen Beleidigung gewandelt? Die Analyse hat gezeigt, dass dieser Wandel kein isolierter linguistischer Prozess ist, sondern das Ergebnis eines langen gesellschaftlichen Lern- und Aushandlungsprozesses, der untrennbar mit historischen Machtverhältnissen, postkolonialer Kritik und dem Engagement Betroffener verbunden ist.

Die Untersuchung der Begriffsgeschichte hat verdeutlicht, dass das Wort von Beginn an im Kontext des Kolonialismus und des transatlantischen Sklavenhandels stand und somit nie neutral war. Seine Verwendung in kolonialen Schriften, Schulbüchern und der Werbung diente systematisch der Abwertung, Homogenisierung und Stabilisierung rassistischer Hierarchien. Während der Begriff in der Zeit des Nationalsozialismus eine extreme rassistische Aufladung erfuhr und in der Nachkriegszeit zunächst unreflektiert im Alltagsgebrauch fortbestand, setzte ab den 1970er-Jahren ein entscheidender Wandel ein. Dieser wurde maßgeblich durch internationale Bürgerrechtsbewegungen und die Arbeit Schwarzer Selbstorganisationen in Deutschland vorangetrieben, die auf die verletzende und diskriminierende Wirkung der Fremdbezeichnung aufmerksam machten. Dieser Prozess spiegelt sich auch in der Lexikographie wider, wo der Duden den Begriff heute explizit als diskriminierend kennzeichnet.

Die sprachpolitischen Debatten der Gegenwart, exemplarisch analysiert am Fall Pippi Langstrumpf, zeigen die fortdauernde Relevanz dieser Auseinandersetzung. Hier prallen das Argument des historischen Kontexts und der Werkauthentizität auf die pädagogische Verantwortung und die Anerkennung der Tatsache, dass solche Begriffe für Betroffene untrennbar mit einer Geschichte der Gewalt und Entmenschlichung verbunden sind und auch heute noch schmerzhafte Diskriminierungserfahrungen auslösen können. Schließlich wurde die heutige Position des Wortes beleuchtet: In der direkten Ansprache gilt seine Verwendung durchgängig als strafbare Beleidigung nach § 185 StGB, während es im rechten und rechtsextremen Diskurs gezielt als Provokationsinstrument eingesetzt wird, um gesellschaftliche Normen zu unterlaufen und rassistische Ideologien zu verbreiten.

Die Analyse des Wortes „Neger“ verdeutlicht die Notwendigkeit einer fortwährenden sprachlichen Sensibilisierung im gesellschaftlichen Kontext. Die Auseinandersetzungen sind keineswegs abgeschlossen, sondern ein kontinuierlicher Aushandlungsprozess. Für die Zukunft bedeutet dies, dass der Fokus nicht allein auf der Ächtung einzelner Wörter liegen kann. Vielmehr muss ein tieferes Verständnis für die historischen Kontexte und die Perspektiven von Rassismus betroffener Menschen gefördert werden. Die Anerkennung ihrer Erfahrungen ist die Grundlage für einen diskriminierungskritischen Sprachgebrauch, der über die Vermeidung problematischer Begriffe hinausgeht und einen respektvollen Umgang in einer pluralistischen Gesellschaft ermöglicht. Die juristische Verankerung des Ehrschutzes bietet hierbei einen wichtigen Rahmen, doch die eigentliche Aufgabe bleibt eine gesamtgesellschaftliche: die kritische Reflexion des eigenen Sprachgebrauchs und die Bereitschaft, etablierte Denkmuster zu hinterfragen, um Sprache bewusst als Instrument der Inklusion und nicht der Ausgrenzung zu nutzen.

Literatur

Arndt, S. (2011). Die 101 wichtigsten Fragen: Rassismus. München: C.H. Beck.

Arndt, S., & Ofuatey-Alazard, N. (Hrsg.). (2011). Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Münster: Unrast.

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Details

Title
Der Sprachwandel des Wortes "Neger" im Deutschen. Vom Alltagsbegriff zur rassistischen Beleidigung
College
University of Koblenz-Landau  (Germanistik)
Course
Sprache und Kolonialismus
Grade
2,3
Author
Khaled Omayrat (Author)
Publication Year
2025
Pages
19
Catalog Number
V1665181
ISBN (eBook)
9783389160589
ISBN (Book)
9783389160596
Language
German
Tags
sprachwandel wortes neger deutschen alltagsbegriff beleidigung
Product Safety
GRIN Publishing GmbH
Quote paper
Khaled Omayrat (Author), 2025, Der Sprachwandel des Wortes "Neger" im Deutschen. Vom Alltagsbegriff zur rassistischen Beleidigung, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1665181
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