Diese Hausarbeit untersucht die soziale Arbeit mit Geflüchteten, insbesondere die Herausforderungen und Bedarfe von LGBTQI*-Geflüchteten. Nach einer Begriffsbestimmung und einer historischen Einordnung der Flüchtlingssozialarbeit werden deren Organisationsstrukturen, rechtliche Grundlagen sowie methodische Ansätze dargestellt. Ein besonderer Fokus liegt auf den spezifischen Problemen, mit denen LGBTQI*-Geflüchtete konfrontiert sind, darunter Unsichtbarkeit, Diskriminierung und fehlende rechtliche Beratung. Die Arbeit zeigt auf, dass die doppelte Marginalisierung dieser Gruppe besondere Schutzmaßnahmen erfordert, die über bestehende Konzepte hinausgehen. Abschließend werden methodische Ansätze wie Ressourcenorientierung, Schutzräume und Gewaltschutzkonzepte diskutiert, um eine inklusivere Flüchtlingssozialarbeit zu fördern.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmung
2.1 Asylsuchende
2.2 Flüchtlinge/Geflüchtete
2.3 LGBTQI*
3 Historische Entwicklung der Flüchtlingshilfe
3.1 Entwicklung im 20. Jahrhundert
3.2 Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im 21. Jahrhundert
4 Organisation der Flüchtlingssozialarbeit
4.1 Adressat*innen
4.1.1 Asylsuchende
4.1.2 Anerkannte Flüchtlinge
4.1.3 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
4.1.4 LGBTQI* Flüchtlinge
4.2 Aufgaben und Ziele der Flüchtlingssozialarbeit
4.2.1 Notunterkünfte und Basisversorgung
4.2.2 Asylverfahrensberatung
4.2.3 Integration und soziale Teilhabe
4.2.4 Psychosoziale Unterstützung
4.3 Rechtliche Grundlage
4.3.1 Das Asylverfahren
4.3.2 Asylrecht für LGBTQI* Personen
4.3.3 Regelung zu Lebensbereichen
4.3.4 a Freizügigkeit
4.3.5 b Unterbringung
4.3.6 c Arbeit und Bildung
4.3.7 d Sozialleistungen
4.4 Trägerstrukturen
4.4.1 Öffentliche Träger
4.4.2 freie Träger
4.5 Finanzierung
5 Spannungsfelder in der Flüchtlingshilfe mit LGBTQI* Geflüchteten: Unsichtbarkeit der LGBTQI* Geflüchteten
5.1 Gewalterfahrungen als Folge der Unsichtbarkeit
5.2 Weiterverheimlichung und Diskriminierung
5.3 Fehlende rechtliche Beratung
6 Methodisches Handeln in der Flüchtlingssozialarbeit
6.1 Ressourcenorientierung
6.2 Schutzräume für LGBTQI* Geflüchtete: Projekt borderless diversity
6.3 Gewaltschutzkonzepte
7 Fazit
1 Einleitung
Die Flüchtlingssozialhilfe hat die Aufgabe, Personen zu helfen, die ihre Heimat aufgrund von Krieg, Verfolgung und Verletzungen der Menschenrechte verlassen mussten. In dieser vielfältigen Gruppe befinden sich besonders schutzbedürftige Untergruppen, wie LGBTQI*-Geflüchtete. Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität können diese Menschen mehrfach diskriminiert werden, sowohl in den Ankunftsländern als auch in ihren eigenen Kulturkreisen.
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der historischen und aktuellen Situation der Flüchtlingssozialarbeit. Es werden die Organisation, Aufgaben, Spannungsfelder und Methoden thematisiert. Des Weiteren fokussiert sich diese Hausarbeit auf die Situation von LGBTQI*-Geflüchtete, einer Gruppe, die doppelte Diskriminierung erfährt und mit komplexen Hindernissen und Problemen konfrontiert ist. Die Geschichte und Organisation des Arbeitsfeldes bezieht sich auf die allgemeine Flüchtlingssozialarbeit. LGBTQI*-Geflüchtete sind auch als Zielgruppe der Flüchtlingssozialarbeit zu verstehen.
2 Begriffsbestimmung
Um die anwendbaren Methoden in Bezug auf die gesetzlichen Grenzen bei der Flüchtlingshilfe im Bereich der Sozialen Arbeit richtig verstehen zu können, ist es wichtig, den rechtlichen Status der Adressat*innen definieren zu können. Der folgende Teil dieser Hausarbeit zielt darauf ab, eine klare Unterscheidung zwischen dem Asylbewerberstatus und dem anerkannten Asylstatus zu schaffen.
2.1 Asylsuchende
Unter dem Begriff Asylsuchende, sind Menschen zu verstehen, die in ein anderes Land eingereist sind und einen Antrag auf Asyl gestellt haben, damit sie als anerkannte Flüchtlinge angesehen werden können, muss eine positive Entscheidung über ihr Asylantrag getroffen worden sein (BMZ, o. D.).
2.2 Flüchtlinge/Geflüchtete
Nach der im Jahr 1951 verabschiedeten Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“ (BMZ, o. D.)
In einem Asylverfahren wird darüber entschieden, ob eine asylsuchende Person einen Flüchtlingsstatus bekommt.
2.3 LGBTQI*
Unter LSBTQI*/LGBTQI* sind Homo-, Bisexuelle-, Trans-, und Intergeschlechtliche Menschen zusammengefasst (Antidiskriminierungsstelle Des Bundes-Sexuelle Identität, o. D.).
Nicht jeder Queere oder nicht Gender Konforme-Mensch, fühlt sich mit den verschiendenen Begriffen wohl. Um den Umgang mit dieser Hausarbeit zu erleichtern, werde ich den Begriff LGBTQI* verwenden.
3 Historische Entwicklung der Flüchtlingshilfe
3.1 Entwicklung im 20. Jahrhundert
Nach den beiden Weltkriegen spielte Deutschland eine besondere Rolle in der Flüchtlingshilfe im 20. Jahrhundert. Bis Mitte der 1920er Jahre überschritten rund zehn Mio. Menschen die Grenzen in Europa aufgrund von politischen Veränderungen (Oltmer, 2016, S. 67). In Deutschland war die größte einzelne Gruppe unter den Flüchtlingen die russischen Flüchtlinge, die vor der Oktoberrevolution im Jahr 1917 und dem Bürgerkrieg bis 1920 flohen (ebd., S. 67). In den Jahren 1922 und 1923 hielten sich rund 600 000 russische Flüchtlinge im Reichsgebiet auf (ebd., S. 68). „Vor allem die Wohnungsnot in Deutschland ließ die Flüchtlingsaufnahme zu einem erheblichen sozialen Problem werden.“ (ebd., S. 68). Es wurden mehrere ‘Russenlager’ aufgebaut und dazu wurde eine sehr einschränkende Integrationspolitik ausgeübt, die den Flüchtlingen „weder rechtliche noch wirtschaftliche Integrationshilfen bot: Sie wurden höchstens geduldet, ohne dass mit der Duldung ein Rechtsanspruch auf Aufenthalt verbunden gewesen wäre. Ausweisungen blieben jederzeit möglich. Die deutschen Arbeitsämter durften russische Flüchtlinge nicht vermitteln. Sie hatten deshalb kaum eine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt [...] legal zu verdienen und damit die Voraussetzungen zu schaffen, von Fürsorgeleistungen unabhängig zu werden und die Lagerunterkünfte zu verlassen.“ (ebd., S. 68).
Die wirtschaftliche und soziale Integration der Geflüchteten wurden durch den Aufschwung der 1950er und 1960er Jahre erleichtert. Dadurch entstand ein qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial, das den wirtschaftlichen Wiederaufstieg maßgeblich unterstützte (D. Brandes et al., 2010, zitiert nach Oltmer, 2016, S. 70).
Eßer (2016, S. 305ff.) schreibt auch, dass es schon Ende der 1940er Flüchtlingsarbeit gab, die sich aber mit der Betreuung von ‘Displaced Persons’ und den ‘heimatlosen Ausländern’ beschäftigte.
3.2 Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im 21. Jahrhundert
Es gibt schon bereits 2004 vom Bundesministerium finanzierte Angebote, die dazu dienen, die Integration von ankommenden Geflüchteten und Zuwanderen zu beschleunigen; Die MBE (Migrationsberatung für Erwachsene Zuwanderer) und die JMD (Jugendmigrationsdienste) sollen dabei helfen die Integrationschancen in allen Bereichen zu verbessern (Rehklau, 2016, S. 306ff.).
Im 21. Jahrhundert hat die politische und gesellschaftliche Spannung beim Thema Flucht und Asyl zugenommen und es gab diverse Änderungen in der Flüchtlingspolitik, wie die Neufassung der Beschäftigungsverordnung vom Juli 2013, die zu ersten Vereinfachungen im Hinblick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende mit Aufenthaltserlaubnis, anerkannte Asylbewerber und Geduldete mit Aufenthaltserlaubnis führte (Bendel & Borkowski, 2016, S. 105). In der Entwicklung lässt sich ein wiederkehrendes Muster erkennen: „Integration sowohl von Gastarbeitern, Zuwanderern als auch von Asylsuchenden und Geduldeten begann immer mit politischen Bestrebungen hinsichtlich einer Arbeitsmarktintegration. Wenngleich sich die Integrationspolitik insbesondere in den zurückliegenden 15 Jahren erheblich weiterentwickelt hat, wiederholte sich dieses altbekannte Muster noch im Jahr 2013.“ (ebd., S. 107)
Im Jahr 2015 stellten 890.000 Geflüchtete in Deutschland einen Asylantrag (Kolhoff, 2020, S. 1). Daraufhin gab es in den Jahren 2014 und 2015 einen Aufschwung der sogenannten Willkommenskultur, da sich immer mehr Menschen zusammenfanden, um den Geflüchteten zu helfen, die nach Deutschland kamen. Mit freiwilligen Initiativen wie der Erstversorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und anderen Gelegenheiten, wie Hilfe bei Übersetzungen, Behördenbesuchen und Sprachkursen (Rössel-Cunovic, 2018, S. 21ff.). Ein professioneller Umgang mit dem Zustrom von Flüchtlingen war daher in dieser Zeit durch die Soziale Arbeit wichtig, um sicherzustellen, dass die angebotene Hilfe koordiniert wird und sich die Diskrepanz zwischen dem, was die Helfer bereit sind zu leisten, und der Hilfe, die im Rahmen des Gesetzes professionell und realistisch angeboten werden kann, bewusst wird (Scherr, 2015, S. 17-19).
Die soziale Arbeit steht heute vor vielen Herausforderungen in der Arbeit mit Geflüchteten. Aufgrund der zunehmenden Wahrscheinlichkeit von undokumentierten Menschen in Deutschland aufgrund der Entwicklung des Flüchtlingsrechts werden Probleme wie ihr Zugang zu medizinischer Hilfe, Schulbildung und Sozialarbeit von großer Bedeutung sein (Scherr, 2017b, S. 46).
Laut Gemende (2022, S. 29) hat „Flüchtlingssozialarbeit sich [...] zu einem zentralen Handlungsfeld [der] Sozialer Arbeit entwickelt.“
4 Organisation der Flüchtlingssozialarbeit
4.1 Adressat*innen
Die soziale Arbeit beschäftigt sich im Rahmen der Flüchtlingssozialarbeit u.a. mit angekommenen Geflüchteten, nicht anerkannten Flüchtlingen und geflüchtete Menschen mit oder ohne Duldung. In dem folgenden Teil dieser Hausarbeit werde ich auf den Adressaten*innen Gruppen Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge, unbegleitete minderjährige Geflüchtete und LGBTQI*-Geflüchtete eingehen.
4.1.1 Asylsuchende
Geflüchtete Menschen, die sich in einem Asylverfahren befinden oder eine Duldung besitzen, „zählen nicht zur Zielgruppe der MBEs und JMDs.“ (Rehklau, 2016, S. 307). Diese Gruppe von Menschen wird daher bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, von Sozialarbeiter*innen betreut (ebd., S. 308).
Die klassische Flüchtlingssozialarbeit wird meist bei dieser Gruppe der Adressat*innen im Rahmen der Erstaufnahme durchgeführt (ebd., S. 305, 308).
Die Adressat*innen Gruppen der Asylsuchenden spielt schon seit 2015 aufgrund des ehrenamtlichen Engagements eine sehr große Rolle. Hier sind auch Hauptamtliche in der Koordination mit den Freiwilligen tätig. „Das freiwillige Engagement bedarf, um es langfristig zu sicher, der Koordinierung durch Hauptamtlich Mitarbeitende. Dies Beinhaltet: Engagementfelder Identifizieren, attraktive Angebote formulieren und aktiv bewerben, Engagierte begleiten, qualifizieren und ihr Engagement anerkennen.“ (ebd., S. 311).
4.1.2 Anerkannte Flüchtlinge
Wenn das Asylverfahren abgeschlossen ist und eine positive Entscheidung von der BAMF getroffen worden ist, gelten geflüchtete Menschen als anerkannte Flüchtlinge. Diese Änderung des rechtlichen Status bedeutet nicht, dass die Arbeit, die von Sozialarbeiter*innen geleistet werden muss, beendet ist. Die Menschen mit einem offiziellen Flüchtlingsstatus benötigen nach wie vor Hilfe bei ihrem neuem Leben und beim Kennenlernen ihrer Umgebung.
Für Menschen, die nach der Genfer Konvention als Flüchtlinge eingestuft werden, sind dann auch Sozialarbeiter*innen für ihre Integration und Inklusion zuständig. Die Soziale Arbeit ist dann dabei: „unterschiedliche Integrationshilfen bereitzustellen, die den Spracherwerb, die Inklusion ins Bildungssystem, in den Arbeitsmarkt usw. unterstützen sollen. Besondere Anforderungen und Aufgaben, die Flüchtlingssozialarbeit hier von der übrigen Migrationssozialarbeit unterscheiden, ergeben sich aus den besonderen psychischen Belastungen, wie sie als Traumatisierung von Flüchtlingen diskutiert werden aber auch daraus, dass ein Teil der Flüchtlinge mehrere Jahre auf der Flucht war und dabei Überlebensstrategien jenseits der geordneten Strukturen des Bildungssystems und des Arbeitsmarkts entwickelt hat.“ (Scherr, 2017a, S. 51)
4.1.3 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Minderjährige unbegleitete Geflüchtete sind eine besonders verletzliche Gruppe von Adressat*innen für die Soziale Arbeit. „Wer als umF [unbegleiteter minderjähriger Flüchtling] in Deutschland ankommt wird [..] vom Jugendamt in Obhut genommen.“ (Rehklau, 2016, S. 316).
Für das Begleiten einer minderjährigen geflüchteten Person durch den Asylverfahren ist nach dem §42 SGB VIII das Jugendamt verpflichtet (ebd., S. 317).
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stellen auch eine besondere Herausforderung für die Mitarbeiter*innen in der sozialen Arbeit dar, indem die Sozialarbeiter*innen „mit unterschiedlichen Hintergründen und unterschiedlichen Erwartungen [konfrontieren][...].“ (ebd., S. 318). Dabei ist auch mit einem Bedarf an psychologischer Unterstützung zu rechnen, da die Adressat*innen meistens traumatisiert sind (ebd., S. 318).
Diese Gruppe von Adressat*innen stellt auch einen komplexen Fall für die Soziale Arbeit im Bereich Bildung und Schule dar. „Deshalb ist es für Einrichtungen und Fachkräfte, die mit geflüchteten jungen Menschen an der Schule und im Bildungsbereich arbeiten, wichtig, sich über die Länder und Lebensbezüge, aus denen die geflüchteten Menschen kommen, zu informieren.“ (Wagner, 2017, S. 12).
4.1.4 LGBTQI* Flüchtlinge
Mit LGBTQI*-Geflüchteten hat die Soziale Arbeit eine unglaublich schwierige und kompliziertes Klientel. Nicht nur die doppelte Diskriminierung, mit der Adressat*innen in dieser Gruppe konfrontiert sind, ist eine Herausforderung, sondern auch die rechtliche Grundlage über Sexualität und Geschlechtsidentität als Fluchtgrund, ist schwer zu bewältigen.
„Die geringe Berücksichtigung queerer Migrant*innen und Lebensformen gründet auch in der Vernachlässigung von Geschlecht und Sexualität in der Migrationsforschung.“ (Kleiner und Thielen., 2020, S. 190).
Diese Gruppe von Adressat*innen braucht besondere Hilfe und Begleitung, wenn es um psychologische Hilfe und das Erkennen von Traumata geht, da „die doppelte Minoritätserfarhung zu Vereinsamung und Depression führen [kann].“ (Falch, 2020, S. 17).
Die Soziale Arbeit steht mit dieser besonderen Gruppe vor vielen komplexeren Problemen, nicht nur wegen ihrer doppelten Marginalisierung, sondern auch wegen des Mangels an Studien und Repräsentation. Falch (2020, S. 19) schreibt, dass es „im deutschen Sprachraum kaum empirische, wissenschaftlich fundierte Studien zum Thema ‘sexuelle Identität als Fluchtgrund’ [gibt].“
4.2 Aufgaben und Ziele der Flüchtlingssozialarbeit
4.2.1 Notunterkünfte und Basisversorgung
Asylsuchende, die einen Antrag auf Schutz in Deutschland gestellt haben, werden zunächst in eine Erstaufnahmeeinrichtung überführt, wo sie für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten untergebracht werden, bis eine dauerhafte Unterkunft arrangiert werden kann (Täubig, 2017, S. 1027).
In dieser Erstaufnahmeeinrichtung ist die soziale Betreuung durch die Sozialarbeiter*innen für die Geflüchteten von immenser Bedeutung und sorgt dafür, dass das Ankommen so zufriedenstellend wie möglich begleitet wird (Rehklau, 2017, S. 186). Allerdings schreibt Rehklau (2017, S. 186) auch: „Zur Ausgestaltung der Arbeit in den Unterkünften gibt es weder eine verbindliche noch Bundesweite Standards. Sie hängt wesentlich von den Verordnungen der einzelnen Bundesländer, den Betreibern und den einzelnen Fachkräften vor Ort ab.“
In der Stadt Köln sind die Qualitätsstandards der Unterbringung z.B. vertraglich festgelegt. „Im Rahmen des Vertrages wird der Träger dazu verpflichtet, für 80 Bewohnerinnen und Bewohner eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter einzusetzen, die bzw. der die sozialarbeiterische Betreuung und die Objektbetreuung übernimmt.“ (Ottersbach & Wiedemann, 2017, S. 66).
Die angekommenen Flüchtlinge in diesen Einrichtungen benötigen Unterstützung und Beratung in vielen Bereichen. Diese Aufgaben fallen in Zuständigkeitsbereich der eingesetzten Sozialarbeiter*innen und sind u.a. laut Ottersbach und Wiedemann (2017, S. 67): „Organisation des Heimbetriebes, sozialarbeiterische Beratung und Hilfe für die Bewohnerinnen und Bewohner bei allen persönlichen Problemen und Konflikten der Bewohnerinnen und Bewohner untereinander, Beratung und Information bei behördlichen Angelegenheiten, zentrale Verwaltungsaufgaben, Gesundheitsfürsorge, Konfliktmanagement, Sozialraumaktivitäten, Qualitätsmanagement“.
Ein sehr starker Fokus hinsichtlich dieser Erstaufgaben liegt dabei auf dem Beraten in rechtlichen Verfahren, von Sozialarbeiter*innen, dies bedeutet auch, dass die Soziale Arbeit im Prozess involviert ist, wenn eine Person, die Asyl sucht, keinen Flüchtlingsstatus erhält und ausreisen muss. Das geschieht in der Rückkehrberatung (Scherr, 2017a, S. 50).
4.2.2 Asylverfahrensberatung
Die BAMF-Anhörung ist der wichtigste Faktor bei der Entscheidung, ob einer Person, Asyl gewährt wird oder nicht. Während des Asylverfahrens benötigen Asylsuchende Hilfe im gesamten rechtlichen Prozess und bei den Abläufen und Anforderungen, die sie nicht vollständig verstehen können. Zusätzlich dazu sind die Sozialarbeiter*innen tätig, um ihre Adressat*innen mit Anwälten*innen zu verbinden, da sie in der Regel keine rechtliche Hilfe selbst in Anspruch nehmen können (Rehklau, 2016, S. 309).
4.2.3 Integration und soziale Teilhabe
Neben der Betreuung in den Erstaufnahmeeinrichtungen, ist die Soziale Arbeit zuständig für ihre Adressat*innen, wenn sie in Flüchtlingsgemeinschaftsunterkünften oder in Wohnungen untergebracht werden. Sobald den Asylsuchenden der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird oder eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung erteilt wird, sind Sozialarbeiter*innen für Integration und gesellschaftlicher Teilhabe im Einsatz. Im Rahmen dieser Aufgaben sind der Zugang zu Sprachkursen, dem Arbeitsmarkt, der Schule und Freizeitaktivitäten enthalten. Bei besonderen und befristeten Aufenthaltsgenehmigungen stehen die Sozialarbeiter*innen in diesem Bereich auch ihre Adressat*innen zur Seite, um Wege zu finden, einen längeren legalen Aufenthaltsstatus zu erhalten (Scherr, 2017a, S. 51).
Die meisten Geflüchtete haben große Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Gründe dafür können unter anderem das Trauma sein, das sie auf ihrer Flucht erlebt haben, Sprachbarrieren, rechtliche Beschränkungen, strukturelle Unterschiede und die allgemeine Herausforderung, sich an die neue Gesellschaft anzupassen (Rehklau, 2016, S. 313f.). „Für die Soziale Arbeit stellt sich hiermit zum einen die Aufgabe der Beratung hinsichtlich der Anerkennung von bereits erworbenen Abschlüssen und zum anderen die Begleitung von Maßnahmen zur berufsorientierten Sprachförderung mit Angeboten zur beruflichen Orientierung und Qualifizierung.“ (ebd., S. 314).
4.2.4 Psychosoziale Unterstützung
Die meisten Geflüchteten haben auf ihrem Weg nach Deutschland sehr traumatische Erfahrungen gemacht. Die Diagnose einer Traumastörung ist meist sehr schwer zu erhalten, aufgrund des langen Asylverfahrens und damit verbundene eingeschränkten Lebensbedingungen der Geflüchteten, daher besteht eine lange Wartezeit zwischen dem traumatischen Erleben und dem Zugang zu psychosozialer Hilfe, in dieser Zeit haben sich die Symptome verschlimmert und sind als Traumareaktion schwer zu diagnostizieren (Schneck, 2017, S. 176). Nicht nur die Fluchterfahrung ist eine Ursache für Stress und Trauma bei Geflüchteten, sondern auch die Lebenssituationen in Gemeinschaftsunterkünften und die gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung (ebd., S. 179). Der Zugang zu medizinischen Therapiemöglichkeiten ist nicht nur für Geflüchtete, sondern für alle Menschen in Deutschland schwierig. Die Wartezeit bei der Suche nach einem Therapieplatz beträgt in mindestens der Hälfte der meisten Fälle etwa 18 Wochen (Deutscher Bundestag, 2022). Um dem entgegenzuwirken, arbeiten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter mit Psychosozialen Zentren für Geflüchtete zusammen (Rehklau, 2016, S. 310). „Die Zentren arbeiten dabei mit unterschiedlichen Schwerpunkten, das Leistungsspektrum umfasst in der Regel folgende Angebote: Erstgespräch und Clearing, Stabilisierung und Krisenintervention, psychosoziale Beratung, sowie therapiebegleitende sozialarbeiterische und pädagogische Angebote, Informierung zu allen Lebensbereichen (Asyl-, Aufenthalts-, Sozial-, Arbeitsrecht etc.).“ (ebd., S. 310).
Kinder sind in diesem Fall aufgrund ihres Alters und ihrer Sensibilität für traumatische Erfahrungen eine besonders zu schützende Gruppe. „Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind aufgefordert, die Leiden und Bedarfe geflüchteter Kinder und ihre Angehörigen mit Blick auf bereits im Herkunftsland vorhandene sowie aus den Migrationsbedingungen im Aufnahmeland resultierende psychische Erkrankungen stärker wahrzunehmen.“ (Krueger, 2017, S. 447).
Darüber hinaus resultiert aus der Arbeit mit LGBTQI*-Geflüchteten eine Vielzahl an komplexen Herausforderungen. Obwohl diese Gruppe Teil der Klientel der Psychosozialen Zentren ist, sind die Kenntnisse und Erfahrungen bezüglich LGBTQI*-Flüchtlingen in diesen Zentren jedoch noch sehr begrenzt (Teigler, 2019, S. 45). Um den LGBTQI*-Flüchtlingen angemessene und hilfreiche Unterstützung zu bieten, ist es notwendig, dass die Psychosozialen Zentren auf die traumatische Erfahrungen dieser Gruppe spezialisiert sind. Sie werden auf vielfache weise diskriminiert, und ihre Erfahrungen im Hinblick auf ihre Sexualität und Geschlechtsidentität müssen anders betrachtet werden als bei Nicht-Geflüchteten (ebd., S. 43f.).
4.3 Rechtliche Grundlage
4.3.1 Das Asylverfahren
Das Asylverfahren wird von Wedermann (2017, S. 176-178) wie folgt zusammengefasst: Nach dem §13 der Asylgesetz (AsylG) kann ein formloser Antrag auf Asyl bei jeder Grenz-, Ausländer-, oder Polizeibehörde gestellt werden. Nachdem ein förmlicher Antrag auf Asyl bei BAMF nach §14 AsylG gestellt worden ist, wird der Ankunftsnachweis (§36a AsylG) durch eine Aufenthaltsgestattung (§36 AsylG) ersetzt. Der zentrale Teil des Asylverfahrens ist die Gerichtsverhandlung, bei der, dass BAMF prüfen wird, ob ein anderer europäischer Staat gemäß der Dublin-III-Verordnung für den Asylantrag verantwortlich ist. Wedermann (ebd.) schreibt, dass das es laut gesetz vier Anerkennung Möglichkeiten gibt: Es liegt eine politische Verfolgung, Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, zugehörigkeit einer bestimmten Gruppe oder politische überzeugung, Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung, Unversehrheit einer Zivilperson im Rahmen eines bewaffneten Konflikts oder ein Vertoß gegen die Euröpäische Menschenrechtskonvention, vor. Bei einer positiven Entscheidung wird ein Aufenthalt nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG erteilt.
4.3.2 Asylrecht für LGBTQI* Personen
Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als Fluchtgrund zu klassifizieren (Vahle, 2019, S. 118). Die Umsetzung ist nicht immer problemlos, da es nahezu unmöglich ist, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität vor dem BAMF im Rahmen einer Anhörung nachzuweisen. „Die [UNHCR-Richtlinie Nr. 9] bietet eine menschenrechtliche Verankerung des Schutzes von LSBTTIQ-Person.“ (ebd., S. 121). Zusätzlich dazu gibt es Probleme, wie beispielsweise einen Mangel an Informationen über die Gesetze des Herkunftslandes oder, dass einige Länder zwar gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht explizit kriminalisieren, aber konkrete sexuelle Praktiken wie Anal- oder Oralsex oder Sex außerhalb der Ehe verbieten (ebd., S. 121f.). Das BAMF-Bescheid, das Vahle (2019, S. 120f.) als Fallbeispiel verwendet, zeigt, dass der Asylantrag von Ihsan, einer lesbischen Frau aus Marokko, mit der Begründung abgelehnt wurde, dass Marokko Homosexualität nicht explizit kriminalisiert und sie sogar toleriert, solange sie im Verborgenen gelebt und praktiziert wird.
4.3.3 Regelung zu Lebensbereichen
Besonders interessant für die Soziale Arbeit in der Arbeit mit Geflüchteten sind die rechtlichen Rahmen, die die Lebensbedingungen der Geflüchteten einschränken bzw. beeinflussen.
4.3.4 a Freizügigkeit
Geflüchtete Menschen sind in der Regel eine Wohnsitzauflage unterlegen, dass heißt, dass nicht anerkannte Flüchtlinge verpflichtet sind „an dem ihnen zugewiesenen Ort ihren Wohnsitz zu nehmen (§ 60 Abs. 1 AsylG, § 61 Abs. 1d AufenthG).“ (Wedermann, 2017, S. 178). Geduldete Flüchtlinge dagegen unterliegen nach § 61 Abs. 1 AufenthG eine Residenzpflicht und können auch nicht das Bundesland verlassen (ebd., S. 179). Weitere Abweichungen und Wohneinschränkungen sind auch im Asylgesetz geregelt.
4.3.5 b Unterbringung
Asylsuchende sind laut § 47 Abs. 1 AsylG verpflichtet, von 6 Wochen bis zu 6 Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Falls sie aus sogenannten sicheren Herkunftsländern stammen, bleiben sie jedoch bis zur Abschiebung dort (ebd., S. 179). Nach der Erstaufnahme werden die Geflüchteten in eine Gemeinschaftsunterkunft unterbracht, wo sie meistens bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bleiben (ebd., S. 179).
4.3.6 c Arbeit und Bildung
Ob geflüchtete Menschen eine Erwerbstätigkeit eingehen können, ist von deren Aufenthaltstitel abhängig. Asylsuchende in einer Erstaufnahmeeinrichtung dürfen nicht arbeiten (§ 61 Abs. 1 AsylG). Wohnen sie jedoch nach 3 Monaten nicht mehr in der Erstaufnahmeeinrichtung, kann mit Zustimmung der Ausländerbehörde (§ 61 Abs. 2 AsylG & § 32 Abs. 1 BeschV) und Bundesagentur für Arbeit, eine Arbeitserlaubnis zugeteilt werden (ebd., S. 179f.)
Die Schulpflicht gilt auch grundsätzlich für geflüchtete Kinder und das Aufenthaltsgesetz enthält auch keine Einschränkung für den Hochschulzugang (ebd., S. 180). Dies ist aber durchaus von der Wohnsitzauflage und den in 4.3.2a genannten Einschränkungen stark beeinflusst, zudem sind Asylsuchende so gut wie vom BAföG ausgeschlossen (ebd., S. 180f.). Alles weitere ist unter dem AsylG und dem AufenthG geregelt.
4.3.7 d Sozialleistungen
Besitzen sie eine Aufenthaltserlaubnis, sind Geflüchtete den deutschen Staats- bürger*innen gleichgestellt, Asylsuchende und Geduldete erhalten dagegen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 1 AsylG) (ebd., S181).
„Jedoch können sie nach 15 Monaten Aufenthalt Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII erhalten. Hier wird jedoch wiederrum bei Personen eine Ausnahme gemacht, welche die Dauer des Aufenthalts „rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben“, also insbesondere bei Geduldeten, die nicht ausreichend bei der Passbeschaffung mitwirken.“ (ebd., S. 181). Leistungen können auch bei „asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Fehlverhalten (§ 1 a und § 11 Abs. 2a AsylbLG), bei Ablehnung von Arbeitsgelegenheiten (§ 5 Abs. 4 und § 5a Abs. 3 AsylbLG), sowie bei Weigerung, an einem Integrationskurs teilzunehmen (§ 5b Abs. 2 AsylbLG)“, gekürzt werden.
4.4 Trägerstrukturen
Die Flüchtlingssozialarbeit ist unter ein Subsidiaritätsprinzip zu verstehen, dieses „beschreibt ein Koordinationsverhältnis im Rahmen politischer und gesellschaftlicher Ordnung mit Hinblick auf das Bearbeiten verschiedenster Angelegenheiten.“ (Gemende & Lehr, 2022, S. 72).
Bei der Flüchtlingssozialarbeit kommen mehrere Träger zusammen, darunter die staatlichen Träger, die freie Träger bzw. die Wohlfahrtsverbänden und NGOs, um den geflüchteten Menschen möglichst gerecht zu helfen.
4.4.1 Öffentliche Träger
Auf der Bundesebene gehört das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu dem wichtigsten Träger der Flüchtlingssozialarbeit. Das BAMF ist u.a. für die Durchführung des Asylverfahrens, Informations Bereitstellung, Präventivmaßnahmen, Integrationsmaßnahmen und die wissenschaftliche Forschung im Bereich Migration und Asyl zuständig (Bundestag & Bundesrat, 2004). Das BAMF hat laut dem Zuwanderergesetz (2004) auch die Aufgabe, zwischen anderen öffentlichen Trägern wie der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Ausländerbehörden zu koordinieren, um Pass- und Erwerbtätigkeitsanliegen zu verwalten.
Die sogenannten ‘örtliche öffentliche Träger’ wie Städte, Gemeinde und Landkreise sind „allgemein für die Organisation und Durchführung der konkreten Leistungen zuständig.“ (Gögercin., 2018, S. 766). Im Bereich Migration-, und Flüchtlingssozialarbeit können die Kommunen selbst entscheiden, welche Aufgaben sie an sich nehmen möchten, daher sind sie auch meistens als Kooperationspartner für die privaten Träger tätig (ebd., S. 766).
Auch das Jugendamt gehört zu einem der Träger der Flüchtlingssozialarbeit, da geflüchtete Familien mit der Zuweisung in eine Stadt oder Gemeinde ein Anspruch auf die Sozialleistungen der Jugendhilfe haben (§ 2 Abs. 2 SGB VIII, zitiert nach Rüting., 2017, S. 284). Aufgabenstellungen wie „die Mitwirkung im familien-, und jugendgerichtlichen Verfahren, das Führen einer Beistandschaft oder Vormundschaft für Minderjährige, die Erteilung und der Widerruf der Pflegeerlaubnis, Beurkundung etc.“ (Rüting, 2017, S. 285) sind dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe zugeschrieben.
4.4.2 freie Träger
Unter dem Begriff freie Träger sind allgemein Organisationen zu verstehen die nicht staatlich bzw. privat sind und „vorrangig im Gesundheits-, und Sozialwesen tätig sind.“ (Gögercin, S. 766).
Nach dem bereits genannten Subsidiaritätsprinzip haben freie Träger in der Flüchtlingssozialarbeit Vorrang und die öffentlichen Träger sind dann verantwortlich, wenn die freien Träger nicht den Bedarf abdecken können (ebd., S. 767). Diese freien Träger setzen sich aus Kirchen, Wohlfahrtsorganisationen und anderen Gemeinschaften zusammen. Die sechs größten Wohlfahrtverbände in Deutschland sind: Die AWO, DCV, der Paritätische, DRK, die Diakonie Deutschland und ZWST (ebd., S. 768).
Andere freie Träger wie z.B. der Internationale Bund haben sich über Jahre hinaus durch die Unterstützung von vielen Menschen weiterentwickelt und bieten spezielle Hilfe für Geflüchtete an (ebd., S. 769)
In Bezug auf LGBTQI*-Geflüchtete gibt es auch freie Träger wie Vielbunt Darmstadt, der ehemalige Vorsitzende Stefan Kräh rief im Jahr 2015 die queere Flüchtlingsarbeit ins Leben, im Rahmen dieses ‘Rainbow Refugees Darmstadt’ Projekt werden Schwule, Transidenten und Lesben mit Fluchterfahrung begleitet und es wird ihnen ein geschützter Raum zur Verfügung gestellt (Kräh, 2020, S. 282).
4.5 Finanzierung
Wie bereits erwähnt, wird die Flüchtlingssozialarbeit von verschiedene Trägern unterstützt. Die Finanzierung der Flüchtlingssozialarbeit erfolgt über diverse Quellen, die dann zusammen die Integration und Teilhabe der Geflüchteten fördern.
Als öffentliche Mittel der Finanzierung der Flüchtlingssozialarbeit sind die staatlichen Gelder zu betrachten die auf eine Bundes-, Landes-, und kommunaler Ebene verteilt werden. Hierzu gehören z.B. die vom BAMF geförderten Integrationsprogramme und Beratungsangebote (Rehklau, 2016, S. 306f.).
Die Versorgung der geflüchteten Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgt durch Sachleistungen nach § 3 Abs.1 AsylbLG (Rehklau, 2017, S. 185).
Die Finanzierung der Gemeinschaftsunterkünften erfolgt nicht auf Bundesebene, die Ausgestaltung hängt von der Verordnung der einzelnen Bundesländer und den Träger ab und wird in der Regel von den „Kommunen, gemeinnützigen Organisationen oder privaten Firmen betrieben.“ (ebd., S. 308).
Der Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) regelt die Leistungen, die den geflüchteten Menschen zur Verfügung stehen.
Neben den öffentlichen Mittel der Finanzierung, stehen die Wohlfahrtsverbände und andere freie Träger, deren Arbeit entweder aus eigenen Mitteln oder aus anderen Projekten finanziert wird. Die Wohlfahrtsverbände arbeiten zusammen mit den Kommunen mit geflüchteten Menschen, die noch nicht anerkannt oder geduldet sind (Amirpur, 2022, S. 166f.).
5 Spannungsfelder in der Flüchtlingshilfe mit LGBTQI* Geflüchteten: Unsichtbarkeit der LGBTQI* Geflüchteten
Die Arbeit mit LGBTQI* Geflüchteten stellt für die Soziale Arbeit eine besondere Herausforderung dar. Um die Spannungen und Konflikte, die entstehen, zu verstehen, werde ich in diesem Abschnitt, die Unsichtbarkeit der LGBTQI*- Geflüchtete und wie das zu Problemen führen kann, andeuten.
Eines der durchdringendsten Probleme im Zusammenhang der sozialen Arbeit mit LGBTQI*-Flüchtlingen ist die Unterrepräsentation oder der Fakt, dass die meisten von ihnen ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität immer noch verbergen: teilweise, weil die Menschen, vor denen sie fliehen, mit ihnen fliehen, oder weil sie auch Angst vor Diskriminierung im Land haben, in dem sie Asyl beantragen (Falch, 2020, S. 16). Einige von ihnen könnten in ihrem ersten BAMF-Anhörungsgespräch vermeiden, darüber zu sprechen, weil sie nicht möchten, dass ihre Familie davon erfährt oder weil die anwesenden Dolmetscher*in nicht sensibel für das Thema sind, oder in schlimmeren Fällen, selbst homofeindlich sind (Klocke, 2021).
Die Unterrepräsentation zeigt sich in der Sozialarbeit genauso wie in Schulen, in denen Lehrer*innen es vermeiden, über LGBTQI*-bezogene Themen zu sprechen. Dies betrifft insbesondere Klassen mit mehr Flüchtlingen, wie Integrations- und Sprachkurse, entweder glauben Lehrkräfte nicht, dass sich LGBTQI*-Personen in dieser Gruppe befinden, fühlen sich nicht qualifiziert dafür oder haben keinen Zugang zu entsprechendem Material (ebd.). Das Aufzeigen von Diskriminierungserfahrungen von LGBTQI*-Geflüchteten und nicht LGBTQI*-Geflüchteten und wie sich die Erfahrungen ähneln, könnte für mehr Sichtbarkeit und Diskurs sorgen (ebd.).
Die Spannung, die zwischen dem Zugehörigkeitsgefühl zu zwei Minderheitengruppen besteht, die oft als nicht miteinander verbunden dargestellt werden und das Fehlen angemessener Unterstützung für Ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität als Geflüchtete, wird in der Arbeit mit Geflüchteten hinsichtlich ihrer Unterbringung und Sicherheit weitgehend ignoriert. Im Gegensatz zu anderen Geflüchteten haben LGBTQI*-Geflüchtete keinen sicheren Raum in ihren eigenen Gemeinschaften und sind im Vergleich zur andere LGBTQI* Menschen rechtlich und ökonomisch im Nachteil (ebd.).
Die Sozialarbeit kann eine Rolle bei der Stärkung der LGBTQI*-Geflüchteten spielen, indem sie maßgeschneiderte Unterstützung anbietet. Dies kann durch die Vernetzung dieser Menschen mit anderen LGBTQI*-Gruppen und durch Eingreifen in Diskriminierungsfällen geschehen (Klocke, 2021). Eine bessere Schulung über die speziellen Bedürfnisse von LGBTQI*-Geflüchteten wäre ebenfalls von Vorteil, sowohl während des Asylverfahrens als auch in den Unterkünften.
5.1 Gewalterfahrungen als Folge der Unsichtbarkeit
Der Mangel an Repräsentation und Information unter den Vertreter*innen der Sozialen Arbeit kann zu Gewalterfahrungen für die LGBTQI*-Geflüchteten führen. Das zeigt sich an einem Fall aus dem Jahr 2017, bei dem eine Transaktivistin aus Honduras in einer Gemeinschaftsunterkunft in Mecklenburg-Vorpommern beschimpft und angespuckt wurde, es ist wichtig anzumerken, dass die Fachkräfte von den Maltesern über die Situation lachten, anstatt ihr zu helfen oder die Täter*innen am Entkommen zu hindern (Fischer et al., 2018, S. 164). Dies zeigt, dass eine angemessene Schulung und Sensibilität für die Sozialarbeiter*innen, die in der Flüchtlingssozialarbeit tätig sind, vorhanden sein muss, wenn es um das besonders sensible Thema LGBTQI*-Geflüchtete geht. Das nicht Wahrnehmen LGBTQI*-Geflüchteten führt zu einem Mangel an Sympathie und kontextueller Reaktion im Arbeitsfeld. Nicht nur das, sondern die nicht Wahrnehmung der LGBTQI*-Geflüchteten führt auch zu einem Mangel an angemessener Vorbereitung und Hilfe für ihre BAMF Anhörung in Bezug auf ihre Sexualität und Geschlechtsidentität (ebd., S. 166).
5.2 Weiterverheimlichung und Diskriminierung
Die Vorstellung in der Sozialarbeit, dass es sich bei geflüchteten Menschen, um eine heternormative Gruppe handelt, führt zu dem Konsens, dass diese Menschen immer von der Anwesenheit ihrer eigenen Kulturkreisen profitieren. Allerdings werden sie in diesen Kreisen meist stärker wegen ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität diskriminiert, etwa in Deutschkursen oder anderen Integrationsmaßnahmen, oder sie sind gezwungen, ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität geheim zu halten (Kammholz & Willeke, 2020, S. 305). Daher wäre es wichtig, die Mitarbeiter*innen zu dieses Thema zu sensibilisieren und mehr Sichtbarkeit zu schaffen sowie um LGBTQI*-Geflüchtete Räume anzubieten, die nicht von Homo- oder Transfeindlichkeit geprägt sind (ebd.).
5.3 Fehlende rechtliche Beratung
In der BAMF-Anhörung, werden die Gründe für das Asyl auf ihre Gültigkeit und Plausibilität überprüft, aufgrund der fehlenden allgemeinen Information und Sensibilität der Themen rund um LGBTQI*-Geflüchtete, kommt es vor, dass viele dieser Menschen gar nicht wissen, dass ihre Sexualität und/oder Geschlechtsorientierung ein triftiger Asylgrund nach der Genfer Konvention sein kann (Wiegand, 2019, S. 158). Darüber hinaus würde die Möglichkeit, über intime Erfahrungen im Rahmen einer Anhörung oder sogar in der Vorbereitung darauf zu sprechen, ein gewisses Vertrauen zwischen der asylsuchenden Person und ihrer Betreuung erfordern. Das Problem dabei ist, dass nicht alle LGBTQI*-Geflüchtete vor ihrer Anhörung Zugang zu einer Beratungsstelle haben und oft nicht genug Sensibilität vorhanden ist, um angemessen über ihre Erfahrungen zu sprechen (ebd., S. 159).
Die meisten Anhörungen werden auch fast immer mit dem Problem einer Sprachbarriere konfrontiert, die eine weitere Person erfordert, zu der die Asyl suchende Person kein Vertrauensverhältnis hat: einen Übersetzer*in (ebd.). Das kann auch eine sehr problematische Situation sein, da einige Dolmetscher*innen nicht sensibel für diese Themen sind und einige Asylsuchende sogar berichtet haben, von ihren Übersetzern bedroht oder beschimpft worden zu sein (Klocke, 2021).
Dies zeigt, wie der Mangel an Sensibilität gegenüber LGBTQI*-Geflüchteten zu einer Vielzahl von Problemen führen kann, die überwunden werden müssen, sei es bei ihrer Betreuung durch Sozialarbeiter*innen, Rechtsberatung oder Unterbringung.
6 Methodisches Handeln in der Flüchtlingssozialarbeit
In der Arbeit mit geflüchteten Menschen sind Wissen und eine Sensibilität gegenüber anderen Kulturen wichtig, wenn es darum geht, interkulturelle Konflikte zu lösen, die meist durch eine Unterscheidung zwischen einem Wir und einem Ihr entstehen (Reissen, 2017, S. 537). Neben der äußerst wichtigen kulturellen Sensibilität gibt es weitere Methoden, die in der Flüchtlingssozialarbeit verwendet werden.
6.1 Ressourcenorientierung
Die Arbeit mit geflüchteten Menschen, die das Trauma der Flucht erlebt haben und verschiedene Formen von Gewalt, Diskriminierung, Identitätsverlust und viele andere schwer zu verarbeitende Erlebnisse erfahren haben, erfordert eine besondere Ressourcenorientierung seitens der Mitarbeiter*innen in der Flüchtlingssozialarbeit. Mit dem Ziel, das Gefühl der Verlorenheit, Hilflosigkeit und Abhängigkeit nicht zu verstärken, sondern ihnen zu helfen, eine neue Orientierung und Stabilität zu finden, um neue Beziehungen aufzubauen und ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln (Rössel-Cunovic, 2018, S. 94f.).
Das bringt in der Sozialarbeit mit Geflüchteten viele Komplikationen mit sich, da die rechtlichen, sozialen und bildungsbezogenen Hürden, mit denen Geflüchtete konfrontiert sind, es erfordern als Sozialarbeiter*innen einzugreifen und eine Vertreterrolle anzunehmen (ebd., S. 95). Es scheint notwendig zu sein, dass Methoden verwendet werden, die ein Licht auf die positiven Aspekte, Ressourcen und Stärken der Geflüchteten werfen und sich nicht nur auf die Schwierigkeiten und Probleme fokussieren (ebd., 97). Das bedeutet nicht, dass das Trauma und die aktuellen Herausforderungen ignoriert werden sollten, oder dass Flüchtlinge ermutigt werden sollten, ohne jegliche Kontextualisierung oder Verarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse in die Zukunft zu schauen. Es impliziert lediglich, dass es sinnvoll ist, die vorhandenen Ressourcen zu betrachten und zu überlegen, was für ihr Engagement hilfreich sein könnte (ebd., 98).
Es ist bei der Ressourcenorientierung sinnvoll zu schauen, wie geflüchtete Menschen sich mit ihren eigenen Ressourcen aufbauen können, „hilfreich können dafür folgende Fragen sein:
- Mit welchen Fähigkeiten hat der*die Geflüchtete Krisen bisher bewältigt?
- Welchen Teil einer komplexeren Aufgabe könnte der*die Geflüchtete gut übernehmen, ohne sich damit allein gelassen zu fühlen?
- Was gelingt trotz aller Schwierigkeiten gut?
- Was gibt halt in schwierigen Situationen? (Personen, Überzeugungen, z. B. Spiritualität)
- Auf welche familiären oder freundschaftlichen Beziehungen kann er oder sie aktuell bauen? Und wen gab es früher schon einmal?
- Was hat früher Freude bereitet und könnte heute eine wichtige Ressource sein?“ (Rössel-Cunovic, 2018, S. 95f.)
6.2 Schutzräume für LGBTQI* Geflüchtete: Projekt borderless diversity
Das Projekt Grenzenlose Vielfalt ist ein Projekt von Grede- homo, bi und trans eV in Dresden und dient als Anlaufstelle für LGBTQI*-Flüchtlinge oder LGBTQI*- Personen mit Migrationshintergrund (Wiegand, 2019, S. 154).
Grede und ihr Projekt „Grenzenlose Vielfalt“ zeigen die Bedeutung und den Erfolg von Schutzräumen, die frei von jeglicher Diskriminierung für LGBTQI*-Flüchtlinge in ihrer Stärkung sind (ebd.). Der besondere Bedarf an Sicherheit für LGBTQI*- Geflüchtete bedeutet, dass es eine ausdrückliche Notwendigkeit für einen sicheren Lebensraum gibt, der aufgrund der Diskriminierung, die Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt erfahren, schwer zu erreichen ist, dazu ist das Vertrauen, das LGBTQI*-Flüchtlinge in ihre Mitmenschen haben, aufgrund der Erfahrungen und Diskriminierung in ihrem Herkunftsland sehr gering (ebd., 156). Im Rahmen des Projekts „borderless diversity“ gibt es immer wieder in Diskussionen eine Angebotsnachfrage für LGBTQI*-Geflüchtete, dabei würde sich in einem Schutzraum an einem möglichst diskriminierungsfreien Ort handeln, wo es eine Awareness-Struktur gibt (ebd., S. 160). Solche Räume zu gestalten, bedeutet in der aller erste Linie, die Erfahrungen von geflüchtete Menschen in Bezug auf ihre Sexualität, Geschlechtsorientierung, Flucht und Herkunftsländer zu berücksichtigen, „um ein daran angepasstes Schutzraumkonzept mit entsprechender Awareness-Struktur zu entwickeln.“ (ebd., S. 161). Diese Schutzräume sollten auch darauf abzielen, Sprachbarrieren bei der Informationsweitergabe zu verringern, bzw. sicheren Raum bieten, in dem andere Projekte sich vorstellen und ihre Angebote klar, persönlich und sicher kommunizieren können, um den Zugang zu Hilfsangeboten zu erhöhen (ebd.). Dies sollte jedoch Hand in Hand mit Kontinuität und regelmäßiger Reflexion und Kontrolle des Schutzraumkonzepts gehen, um eine Qualitätsverbesserung und Entwicklung sicherzustellen (ebd.).
6.3 Gewaltschutzkonzepte
Frauen, Kinder und LGBTQI*-Geflüchtete sind eine besonders verletzliche Gruppe für die Soziale Arbeit, sie sind aufgrund ihrer besonderen Vulnerabilität meist vor ihrer Ankunft in Deutschland mit irgendeiner Art von Gewalt und Traumata konfrontiert, daher kann ihr Schutz vor weiterer Gewalt in Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften keine optionale Aufgabe für Sozialarb- eiter*innen sein (Engelhardt, 2017, S. 113). Der Schutz dieser Personengruppen in Gemeinschaftsunterkünften vor Gewalt erfordert ein maßgeschneidertes Gewaltschutzkonzept, das jedoch nicht eins zu eins aus den bereits entwickelten Konzepten von 2015 und 2016 übernommen werden kann, die einen Mindeststandard für Flüchtlingsunterkünfte festgelegt haben (ebd., S. 114). Für die Erstellung eines guten, maßgeschneiderten Gewaltschutzkonzepts ist eine gründliche Analyse der Risikofaktoren erforderlich, die zu Gewalt in Flüchtlingsunterkünften führen oder die Wahrscheinlichkeit erhöhen, der Verein „Zartbitter“, z. B. unterscheidet dabei zwischen Risikofaktoren auf Träger- und Leistungsebene, „wie zum Beispiel ein Leistungsvakumm, hohe Arbeitsbelastung und fehlende Kommunikation zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen sowie mangelnde (unabhängige) Beschwerdemöglichkeiten im Allgemeinen sowie bei Gewaltbetroffenheit, biographische Belastungen mit traumatisierenden Fluchterfahrungen, Gewalterfahrungen im Herkunftsland, Trennung und Verlust von nahe stehenden Personen u.ä. stellen ebenfalls einen Risikofaktor für das Entstehen von Gewalt dar.“ (ebd.).
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Erstellung eines Gewaltschutzkonzepts ist der Mangel an privatem Raum und die allgemeine Situation in Flüchtlingsunterkünften: Meistens gibt es keine abschließbaren Zimmer oder generell keine abschließbaren Sanitäranlagen in Erstaufnahmeeinrichtungen, hinzu kommt ein allgemeiner Mangel an Freizeitaktivitäten und schlechter Infrastruktur, all das führt zu Gefühlen von Langeweile und Hilflosigkeit sowie Unsicherheit darüber, wie das Asylverfahren ausgehen wird, was das Risiko von Gewalt erhöhen kann (ebd.).
Unter Berücksichtigung all dieser Risikofaktoren sollte ein Gewaltschutzkonzept darauf abzielen, diese zu reduzieren, indem Initiativen ergriffen werden, wie beispielsweise eine separate Unterbringung ausschließlich für Frauen, Kinder und andere vulnerable Gruppen (wie LGBTQI*-Geflüchtete), es könnte auch beispielsweise das Prinzip der Gewaltfreiheit für alle involvierte, bzw. dort lebenden und arbeitenden Menschen in der Hausordnung festgeschrieben werden und in allen Sprachen zugänglich gemacht werden (ebd.).
Zusätzlich dazu, dass allen dort tätigen Personen, wie den Sozialarbeiter*innen, dem Sicherheitsteam oder sogar den Freiwilligen, eine spezielle Sensibilitätsschulung für den professionellen Umgang mit Gewalt erhalten, sollte es ein spezifisches Protokoll für die Einrichtung geben, das den Umgang mit gewalttätigen Situationen oder dem Verdacht auf einen gewaltsamen Angriff regelt (ebd., S, 115).
„Konkret bedeutet dies, die Gefährdungslage einzuschätzen, Kontaktpersonen in Fällen von sexualisierter, häuslicher Gewalt und Kindeswohlgefährdung zu kennen, die zeitnah, mit Unterstützung von Dolmetscher*innen Beratung durchführen, Schutz sichern sowie eine medizinische Versorgung und Untersuchung vermitteln bzw. durchführen können.“ (ebd.).
Nach der Gewaltschutzkonzepte von ASB (2016), BMFSFJ/UNICEF (2016), DIMR (2015), Gleichstellungsbeauftragte Gießen (2016) und Zartbitter (2016), ist es sinnvoll für die Umsetzung eines Gewaltschutzkonzepts, eine Kommunale Arbeitsgruppe, bestehend aus z. B. Sozialarbeiter*innen, Bewohner*innen der Unterkünften, die Polizei, das Jungendamt, die Gleichstellungsbeauftragte, den Betreibern, Security Team, mitwirkende Organisationen sowie Fachberatungsstellen, zu haben (ebd.).
7 Fazit
Es lässt sich zusammenfassen, dass die Flüchtlingssozialarbeit mit sehr verschiedenem Träger, mit Verbindung zu den verschiedenen Arbeitsfeldern stattfindet und sich damit nicht auf einen Punkt begrenzen lässt (Rehklau, 2016, S. 305). Mit dieser Hausarbeit habe ich versucht, zu unterstreichen, wie diese Arbeit strukturiert ist und welche Maßnahmen dabei wichtig sind, um die Weiterentwicklung der Flüchtlingssozialarbeit zu fördern, insbesonders für die Unterstützung und den Schutz der LGBTQI*-Geflüchteten.
An dieser Stelle möchte ich auch an die Notwendigkeit von Projekten die sich an LGBTQI*-Geflüchtete richten, und von LGBTQI* Personen mit Migrationshintergrund geleitet sind, aufmerksam machen. Es ist wichtig, diese zwei Gruppen nicht voneinander abzugrenzen, sondern wahrzunehmen, dass, „unter dem Rechtbegriff Flüchtling eine Vielzahl von Gruppen zusammengefasst werden.“ (Özdemir, 2017, S. 414). LGBTQI*-Geflüchtete finden unter ihre Mitmenschen aus ihren Herkunftsländern oft keine Schutzräume (Klocke, 2021), daher ist die Repräsentation für LGBTQI*-Geflüchtete umso wichtiger, damit sie sich zugehörig fühlen können. Zusätzlich möchte ich anmerken, dass die Homophobie bzw.
Transfeindlichkeit innerhalb Anlaufstellen für Geflüchtete sich nicht immer durch Angriffe oder Aussagen bekannt macht, ich habe im Rahmen meiner Arbeit mit dem Ausländerbeirat, als gewähltes Mitglied, mehrmals versucht, Projekte für LGBTQI*-Geflüchteten in meiner Stadt zu entwickeln, wurde aber immer abgelehnt, da das Thema entweder zu kontrovers war oder es keine Berührungspunkte mit der Arbeit des Ausländerbeirats gäbe1.
Umso wichtiger ist es für die Soziale Arbeit, maßgeschneiderte Unterstützung anzubieten und Sensibilitätstrainings zu erhalten, die interkulturelle Kompetenzen im Umgang mit Geflüchteten vermitteln, die sich aus Angst vor Verfolgung nicht zeigen.
Abschließend ist es wichtig zu betonen, dass für die dringend benötigte Professionalität in der Flüchtlingssozialarbeit fundiertes Wissen über Ausländerund Flüchtlingsrecht sowie Kenntnisse über Zugangsmöglichkeiten zu qualifizierten Anwälten und rechtlicher Beratung erforderlich sind. Zusätzlich dazu besteht die Einschränkung der Flüchtlingssozialarbeit darin, dass sie von der Asyl- und Flüchtlingspolitik abhängig ist, nur Personen mit einem legalen Status profitieren von dieser Arbeit, während jene, die nicht als rechtlich anerkannt gelten oder es nicht in das Ankunftsland geschafft haben, politisch und rechtlich keine Unterstützung von der Flüchtlingssozialarbeit erhalten können (Scherr, 2017a, S. 49f.).
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[...]
1 Diese Aussage basiert auf meinen persönlichen Erfahrung und sollte nicht als wissenschaftlich fundiert interpretiert werden, es soll nur darauf hinweisen, dass es Bereitschaft, Projekte für LGBTQI*-Geflüchtete zu schaffen gibt, die aber manchmal Aufgrund Unsichtbarkeit dieser Gruppe nicht als nötig wahrgenommen werden.
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- Tahira Khan (Author), 2024, Flüchtlingssozialarbeit mit Fokus auf LSBTQI* Geflüchtete, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1571372