Zu Beginn des Zweiten Deutschen Kaiserreichs begann eine öffentlich ausgetragene Diskussion um Literatur, die sich an eine möglichst breite Schicht in der Bevölkerung richtete und heute als Unterhaltungsliteratur zu bezeichnen ist. Diese Diskussion ist weithin als Schmutz- und Schunddebatte bekannt. Zum besseren Verständnis meiner Arbeit muss dieser Begriff eingeschränkt werden. Die Thematik ist zwar unter dem Schlagwort der Schmutz- und Schunddebatte bekannt, jedoch wird in der Fachliteratur weitestgehend auf Schund, also ästhetisch und "sozialmoralisch Schädliches" (Jäger 1988:173) eingegangen. Schmutz hingegen wird eher als "sexualmoralisch Anstößiges" (ebd.) verstanden und im Zusammenhang mit den Diskussionen um Pornographie behandelt. Dennoch ist festzuhalten, dass das Entstehen von Schmutz und Schund in der Literatur simultan stattfand und daher den Oberbegriff dieser Debatten rechtfertigt. Zentraler Gegenstand der Diskussion war die Frage, welche Literatur und Kunst zugelassen werden durfte, ohne moralisch anstößig und für die Bevölkerung schädlich zu sein. In der Kritik standen vor allem Werke 'niederer' literarischer Qualität, wie die massenangefertigten Kolportagen- und Heftchenromane . Im Rahmen der allgemeinen Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich auch in der Literatur eine immer stärker ausgeprägte wirtschaftliche Orientierung heraus (vgl. Link 1). Hierdurch sahen sich viele Intellektuelle veranlasst, einen Werteverfall in der Unterhaltungsliteratur festzustellen und sich für den Erhalt hochwertiger und anspruchsvoller Kunst einzusetzen. Auf der anderen Seite beobachtete man, ebenfalls in Intellektuellenkreisen, die im Zuge der Debatte ergriffenen Maßnahmen (sowohl gesetzliche als auch einzelne private und Vereinsinitiativen, auf die im Verlauf der Arbeit eingegangen werden soll) als gefährliche Eingriffe in Freiheit und Kunst (vgl. Füssel 1993:57). Die Diskussion manifestiert sich also in Intellektuellenkreisen als Disput Massenkultur versus Hochkultur. Ziel dieser Arbeit ist es, die Ursachen, Hintergründe und Auswirkungen sowie die Ansichten aller beteiligten Institutionen und Personen der Grundsatzdiskussion um diesen Disput zu erläutern. Die Debatte soll in ihrer ganzen Vielfalt dargestellt werden, um ihrer Komplexität Ausdruck zu verleihen und sie soll ständig von der Fragestellung begleitet sein, ob die Thematik eine Lösung bietet oder ob es sich um eine nicht zu lösende Problematik handelt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschichtliches und gesetzliche Grundlagen
- Inhalte von Schundliteratur
- Vertreter in der Diskussion
- Argumente in der Diskussion
- Argumente für eine verschärfte Gesetzeslage
- Argumente gegen eine verschärfte Gesetzeslage
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Schmutz- und Schunddebatte im Wilhelminischen Kaiserreich. Sie untersucht die Ursachen, Hintergründe und Auswirkungen dieser Debatte sowie die Ansichten der beteiligten Institutionen und Personen. Ziel ist es, die Debatte in ihrer ganzen Vielfalt darzustellen und die Frage zu beleuchten, ob die Thematik eine Lösung bietet oder ob es sich um eine nicht zu lösende Problematik handelt.
- Die Entstehung der Schmutz- und Schunddebatte im Kontext des gesellschaftlichen Wandels und der wachsenden Verbreitung von Massenliteratur
- Die Rolle von Schundliteratur in der Kritik an den sozialen und moralischen Normen der Zeit
- Die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern von Schundliteratur und ihre jeweiligen Argumente
- Die Auswirkungen der Schunddebatte auf die Gesetzgebung und die Kontrolle der Medien
- Die Bedeutung der Debatte für die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Kunst, Literatur und Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine Einleitung in die Schmutz- und Schunddebatte und erläutert den Begriff Schundliteratur. Kapitel zwei beleuchtet die geschichtlichen und rechtlichen Grundlagen der Debatte. Es wird der gesellschaftliche Wandel im Wilhelminischen Kaiserreich und die Rolle der Massenliteratur in diesem Prozess betrachtet. Außerdem werden die wichtigsten Gesetze und Artikel, die auf die im Mittelpunkt der Diskussion stehenden Inhalte griffen, vorgestellt.
Schlüsselwörter
Schmutz- und Schunddebatte, Schundliteratur, Massenliteratur, Unterhaltungsliteratur, Kolportage, Heftchenroman, Wilhelminisches Kaiserreich, Zensur, Meinungsfreiheit, Gesetzgebung, Moral, Gesellschaft, Kultur, Hochkultur, Massenkultur.
- Quote paper
- Stephan Jung (Author), 2008, Die Schmutz und Schunddebatte im zweiten Deutschen Kaiserreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/148177