Die Einführung von allgemeinen Studiengebühren ist ein heiß diskutiertes Thema mit bildungs- und sozialpolitischer Brisanz. In einem solchen Fall bietet sich die Umfrageforschung an, um Klarheit bezüglich der Mehrheitsverhältnisse in der Bevölkerung zu schaffen. Die Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen „forsa“ führte im Auftrag des dem Bertelsmann-Konzern nahe stehenden Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) im Jahr 2003 eine bundesweite Umfrage zum Thema Studiengebühren durch (CHE 2003). Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass „Die Mehrheit der Studierenden (59%) und die Mehrheit der Bevölkerung (67%) […] Studiengebühren befürworten würden, wenn diese den Hochschulen direkt zugute kommen und durch Darlehen finanziert werden können.“ (S. 2). Der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) Klemens Himpele kritisierte das Vorgehen von CHE und forsa heftig (Süddeutsche Zeitung, 2003). So behauptete er, dass mit einer „suggestiven Fragestellung gearbeitet“ worden ist. Die Zustimmung oder Ablehnung der Befragten wurde nur zu drei verschiedenen Gebührenmodellen erfasst, aber nicht zur generellen Frage nach Studiengebühren. Himpele zufolge glaubten die Befragten, sie könnten bei der Wahl des Modells mitentscheiden und wählten deshalb die sie am wenigsten störende Variante. Die Ludwig-Maximilians-Universität München und die Friedrich-Schiller-Universität Jena führten daraufhin eigene Umfragen mit ihren Studenten durch und kamen zum Ergebnis, dass jeweils weit mehr als die Hälfte der Befragten gegen Studiengebühren für das Erststudium ist (AStA der Universität München, 2004; LZaS, 2006). Das war der Ausgangspunkt für unsere Projektarbeit, die sich mit den Manipulationsmöglichkeiten beschäftigt, die durch Umfragen ermöglicht werden.
Zuerst klären wir, was Manipulation bedeutet und stellen Erkenntnisse der Psychologie des Überzeugens vor (Kap. 2). Danach wird der Leser mit der kognitionspsychologischen Theorie der Befragung (Kap. 3) und möglichen „Fehlerquellen“ bei der Konstruktion von Fragebögen bekannt gemacht (Kap. 4). Im Anschluss wird das Vorgehen bei unserer empirischen Kurzstudie beschrieben, die mithilfe eines dafür konstruierten Fragebogens zum Thema Studiengebühren eine Möglichkeit der Manipulation auf ihre Wirksamkeit testet (Kap. 5). Im darauf folgenden Kapitel werden dann die Ergebnisse der Kurzstudie vorgestellt und diskutiert (Kap. 6). Ein Fazit rundet die Projektarbeit ab (Kap. 7).
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Manipulation und die Psychologie des Überzeugens
- 3. Die kognitionspsychologische Theorie der Befragung
- 4. Manipulationsmöglichkeiten bei der Fragebogenkonstruktion
- 4.1 Einleitender Überblick
- 4.2 Befragtenmerkmale
- 4.3 Frageeffekte
- 4.4 Situationaler Befragungskontext
- 5. Vorgehen bei der empirischen Kurzstudie
- 6. Vorstellung und Interpretation der Ergebnisse der empirischen Kurzstudie
- 6.1 Halo-Effekt
- 6.2 Wahrnehmung der versuchten Meinungsmanipulation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Projektarbeit untersucht die Manipulationsmöglichkeiten, die durch Umfragen ermöglicht werden. Sie setzt sich zum Ziel, die Auswirkungen von suggestiven Fragestellungen auf die Meinungsbildung der Befragten zu analysieren und die Wirksamkeit verschiedener Manipulationstechniken zu bewerten.
- Einführung von Studiengebühren als sozial- und bildungspolitisches Thema
- Kognitionspsychologische Theorie der Befragung und ihre Bedeutung für die Fragebogenkonstruktion
- Manipulationsmöglichkeiten bei der Fragebogenkonstruktion, z. B. durch suggestive Fragestellungen und Befragtenmerkmale
- Durchführung einer empirischen Kurzstudie zur Erfassung der Wirksamkeit von Manipulationstechniken
- Analyse und Interpretation der Ergebnisse der empirischen Kurzstudie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den aktuellen Diskurs über Studiengebühren und die Bedeutung der Umfrageforschung in diesem Kontext beleuchtet. Anschließend werden Manipulation und die Psychologie des Überzeugens erläutert. Die Autoren stellen dabei die "Waffen der Einflussnahme" nach Robert B. Cialdini vor, die auch für die Fragebogenkonstruktion relevant sind. Kapitel 3 widmet sich der kognitionspsychologischen Theorie der Befragung und zeigt mögliche "Fehlerquellen" bei der Konstruktion von Fragebögen auf. In Kapitel 4 werden konkrete Manipulationsmöglichkeiten im Detail behandelt. Es folgt die Beschreibung der empirischen Kurzstudie, in der eine Möglichkeit der Manipulation mit einem speziell konstruierten Fragebogen zum Thema Studiengebühren getestet wird. Die Ergebnisse der Kurzstudie werden im darauffolgenden Kapitel präsentiert und diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Projektarbeit befasst sich mit den Themen Studiengebühren, Umfrageforschung, Manipulationsmöglichkeiten, Fragebogenkonstruktion, kognitionspsychologische Theorie der Befragung, Suggestivfragen, empirische Kurzstudie, Meinungsmanipulation.
- Quote paper
- Paul Thierbach (Author), Stephan Nickmann (Author), 2008, Manipulationsmöglichkeiten bei Umfragen, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/146746