Zu Anfang des 19. Jahrhunderts schickten sich zwei Großmächte - das Russische Reich und das Britische Empire - an, die an ihre etablierten Machtbereiche angrenzenden, politisch zwar nicht vakanten, aber doch recht schwachen Steppen Zentralasiens ihrem Einfluss zu unterwerfen. Wenn die Anfangsphase dieser Expansion (vor allem auf russischer Seite) mehr als Reaktion auf regionale Probleme verlief und kaum Züge eines umfassenden Konzepts erkennen ließ, so rückten später politische und wirtschaftliche Überlegungen in den Vordergrund, die deutlich globaler angelegt waren. Eine innere Logik entwickelte ihre Dynamik: Die politische Komponente gewann in dem Maß an Bedeutung, wie beide Seiten in eine zunächst latente und dann offene Konkurrenz um die Gebiete gerieten, deren wirtschaftliches Potential als Rohstoff- und Absatzmärkte für eine ständig wachsende kapitalistische Maschinerie nicht zu überschätzen war. Der Wettstreit um Zentralasien, das "Great Game", nahm seinen Lauf.
Die vorliegende Arbeit wird sich der russischen Perspektive in dieser Auseinandersetzung widmen und hier vor allem dem Zeitraum, in dem sich die russische Südgrenze über die zentralasiatischen Khanate von Kokand, Chiwa und Buchara hinwegschob und direkten Anschluss an Afghanistan, China und den Iran fand. Bevor die tatsächlichen militärischen Operationen dargestellt werden, die zum Anschluss der Khanate an das russische Reichsterritorium führten, gilt es, die Vorgeschichte der russisch-zentralasiatischen Beziehungen zusammenzufassen sowie den politischen und ökonomischen Hintergrund zu umreißen, auf dem sich diese Beziehungen im 19. Jh. entwickelten. Hierbei soll vor allem die Genesis der russischen Politik gegenüber den Khanaten von Diplomatie und Handel zu direkter Einflussnahme und Eroberung in ihren Motiven nachvollzogen werden.
Parallel zur Darstellung der russischen Durchdringung Zentralasiens gilt es auch, die Stufen des Konflikt mit dem Britischen Empire nachzuzeichnen - von Spannung über drohende Eskalation bis hin zur Normalisierung des ausgehenden Jahrhunderts. Diese übergeordnete Dimension der russischen Politik gegenüber den Khanaten soll also - weil sie als konstitutives Element derselben anzusehen ist - zu keinem Zeitpunkt aus dem Blickfeld verloren werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Fragestellung und Arbeitsmethode
- 2. Die Vorzeichen der russischen Politik in Zentralasien
- 2.1. Kaukasus und Zentralasien – Zusammenhänge und Parallelen
- 2.2. Beweggründe und Rahmenbedingungen der russischen Expansionspolitik in Zentralasien
- 3. Die russischen Beziehungen zu Zentralasien in der ersten Hälfte des 19. Jhs.
- 4. Zentralasien im Zeichen des »Great Game« englische und russische Expansionspolitik bis 1853
- 5. Die russische Politik in Zentralasien in den 1850er und in der ersten Hälfte der 60er Jahre
- 6. Die russische Politik in Zentralasien in der zweiten Hälfte der 1860er und zu Anfang der 70er Jahre
- 6.1. Die russischen Militäroffensiven im kokandisch-bucharischen Raum
- 6.2. Die Entstehung des Turkestaner Generalgouvernements und der Konflikt mit Buchara
- 6.3. Die Maßnahmen der russischen Administration im Turkestaner Generalgouvernement
- 6.4. Die Verschlechterung der Beziehungen zu Chiwa und Buchara und der Petersburger Sonderkongress von 1872
- 7. Die letzte Phase der russischen Annexionspolitik in Zentralasien (1872-84)
- 7.1. Die Eroberung Chiwas
- 7.2. Die kokandische Aufstandsbewegung 1775/76
- 7.3. Die Eingliederung Turkmeniens
- 7.4. Zentralasien in russischer Hand - Versuch einer Bewertung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die russische Expansionspolitik in Zentralasien im 19. Jahrhundert, insbesondere die Eroberung der Khanate von Kokand, Chiwa und Buchara. Der Fokus liegt auf der russischen Perspektive und der Entwicklung der russischen Politik von Diplomatie und Handel hin zur direkten Einflussnahme und Eroberung. Der Einfluss des "Great Game" mit dem Britischen Empire wird ebenfalls betrachtet.
- Die Vorgeschichte der russisch-zentralasiatischen Beziehungen
- Die Beweggründe und Rahmenbedingungen der russischen Expansionspolitik
- Die militärischen Operationen und deren Folgen
- Der Einfluss des "Great Game" auf die russische Politik
- Die Entwicklung des Turkestaner Generalgouvernements
Zusammenfassung der Kapitel
1. Fragestellung und Arbeitsmethode: Das Kapitel erläutert die Forschungsfrage, die sich mit der russischen Eroberung der zentralasiatischen Khanate im Kontext des "Great Game" befasst. Die Arbeitsmethode wird beschrieben, die sich auf die russische Perspektive konzentriert und die Vorgeschichte sowie den politischen und ökonomischen Hintergrund der Expansion beleuchtet. Der Einfluss des Britischen Empire als konstitutives Element der russischen Politik wird als zentraler Aspekt hervorgehoben.
2. Die Vorzeichen der russischen Politik in Zentralasien: Dieses Kapitel untersucht die Parallelen zwischen der russischen Politik im Kaukasus und in Zentralasien. Es wird argumentiert, dass die Erfahrungen im Kaukasus die spätere Vorgehensweise in Zentralasien beeinflusst haben. Weiterhin werden die Beweggründe und Rahmenbedingungen der russischen Expansionspolitik in Zentralasien im Kontext des post-Krimkriegs Russland analysiert, welches mit innenpolitischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Die rasche Expansion wird im Gegensatz zur langwierigen Eroberung des Kaukasus hervorgehoben.
3. Die russischen Beziehungen zu Zentralasien in der ersten Hälfte des 19. Jhs.: Das Kapitel beschreibt die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Verfassung der zentralasiatischen Khanate in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es analysiert die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen des russisch-zentralasiatischen Handels und dokumentiert wichtige Expeditionen wie die Muraw'jew-Expedition nach Chiwa. Der Fokus liegt auf der schrittweisen Ausweitung der diplomatischen und ökonomischen Beziehungen Russlands zu den Khanaten.
4. Zentralasien im Zeichen des »Great Game« englische und russische Expansionspolitik bis 1853: Dieses Kapitel untersucht das russische Vordringen nach Transkaspien und die englische Hegemonialpolitik im Mittleren Osten im Kontext des "Great Game". Es analysiert die russische Strafexpedition nach Chiwa und deren Folgen. Der Fokus liegt auf der zunehmenden Konkurrenz zwischen Russland und Großbritannien um Einfluss in Zentralasien.
5. Die russische Politik in Zentralasien in den 1850er und in der ersten Hälfte der 60er Jahre: Hier werden die Aktivitäten Englands und Russlands in Zentralasien während des Krimkriegs beleuchtet, sowie drei russische Missionen und die Situation Zentralasiens am Vorabend der russischen Militäroperationen. Das Kapitel zeigt, wie der Krimkrieg die Dynamik des "Great Game" beeinflusste und die Vorbereitungen Russlands für weitere Expansion beschreibt.
6. Die russische Politik in Zentralasien in der zweiten Hälfte der 1860er und zu Anfang der 70er Jahre: Dieses Kapitel behandelt die russischen Militäroffensiven im kokandisch-bucharischen Raum, die Entstehung des Turkestaner Generalgouvernements und den Konflikt mit Buchara. Die Maßnahmen der russischen Administration, die Verschlechterung der Beziehungen zu Chiwa und Buchara und der Petersburger Sonderkongress von 1872 werden detailliert analysiert. Der Fokus liegt auf der Konsolidierung der russischen Herrschaft und den daraus resultierenden Konflikten.
7. Die letzte Phase der russischen Annexionspolitik in Zentralasien (1872-84): Das Kapitel beschreibt die Eroberung Chiwas, die kokandische Aufstandsbewegung und die Eingliederung Turkmeniens. Es schließt mit einer Bewertung der russischen Herrschaft in Zentralasien. Die letzten Schritte der russischen Annexion und die Reaktionen der eroberten Gebiete werden umfassend dargestellt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur russischen Expansionspolitik in Zentralasien im 19. Jahrhundert
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die russische Expansionspolitik in Zentralasien im 19. Jahrhundert, insbesondere die Eroberung der Khanate Kokand, Chiwa und Buchara. Der Fokus liegt auf der russischen Perspektive und der Entwicklung der russischen Politik von Diplomatie und Handel hin zur direkten Einflussnahme und Eroberung. Der Einfluss des "Great Game" mit dem Britischen Empire wird ebenfalls betrachtet.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Vorgeschichte der russisch-zentralasiatischen Beziehungen, die Beweggründe und Rahmenbedingungen der russischen Expansionspolitik, die militärischen Operationen und deren Folgen, den Einfluss des "Great Game", und die Entwicklung des Turkestaner Generalgouvernements.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. Kapitel 1 erläutert die Fragestellung und die Arbeitsmethode. Kapitel 2 untersucht die Vorzeichen der russischen Politik in Zentralasien, insbesondere die Parallelen zum Kaukasus. Kapitel 3 behandelt die russisch-zentralasiatischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Kapitel 4 analysiert Zentralasien im Kontext des "Great Game". Kapitel 5 und 6 befassen sich mit der russischen Politik in den 1850er und 1860er/70er Jahren, einschließlich der Militäroffensiven und der Entstehung des Turkestaner Generalgouvernements. Kapitel 7 beschreibt die letzte Phase der russischen Annexionspolitik (1872-1884) und bietet eine abschließende Bewertung.
Welche Methode wurde angewendet?
Die Arbeit konzentriert sich auf die russische Perspektive und beleuchtet die Vorgeschichte sowie den politischen und ökonomischen Hintergrund der Expansion. Der Einfluss des Britischen Empire wird als zentraler Aspekt hervorgehoben.
Welche Rolle spielte das "Great Game"?
Das "Great Game", die geopolitische Rivalität zwischen dem Russischen und dem Britischen Empire, wird als konstitutives Element der russischen Politik in Zentralasien betrachtet. Die Arbeit analysiert den Einfluss dieser Rivalität auf die russische Expansionspolitik.
Welche Khanate wurden erobert?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Eroberung der Khanate Kokand, Chiwa und Buchara durch Russland.
Wie wird die russische Herrschaft in Zentralasien bewertet?
Kapitel 7 bietet eine abschließende Bewertung der russischen Herrschaft in Zentralasien nach der Annexion der Khanate.
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- Eduard Luft (Author), 2003, Russland, England und das "Great Game" - Die Eroberung der zentralasiatischen Khanate, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/14085