Die ‚Imagination‘ stellt einen zentralen Begriff in der Literatur– und Geistesgeschichte von den alten Griechen (Platon) bis in die Postmoderne dar. Auch in Shakespeares großen Tragödien, besonders aber in Macbeth, das allgemein als sein düsterstes und schaurigstes Drama bezeichnet wird, kommt der Imagination eine entscheidende Bedeutung zu, da sie hier in Form von Macbeths Einbildungskraft sowohl als Ausgangspunkt wie auch als Antriebskraft des gesamten Handlungsverlaufes fungiert.
Das Werk stellt sich ebenso als Tragödie des Ehrgeizes und seiner Folgen dar wie als Charakterstudie eines überaus komplex dargestellten Protagonisten, der sich im Verlauf des Stückes von einem ehrbaren, tapferen und loyalen Vasallen des schottischen Königs zu einem angstzerfressenen, blutrünstigen und skrupellosen Tyrannen wandelt, der sich von seiner ursprünglichen, eigentlich besseren Natur entfremdet und sich daraufhin ganz den Mächten des Bösen überantwortet.
Auf der anderen Seite könnte man freilich argumentieren, das Drama entlarve im Laufe der Handlung erst die wahre, bösartige Natur Macbeths. Dem kann man sich allerdings nicht vorbehaltlos anschließen, da nicht davon auszugehen ist, daß er all die guten Eigenschaften, die er zu Beginn unbestritten besitzt, so ohne weiteres nur vorgespielt haben kann. Hier muß sicherlich mehr dahinter stecken.
Die treibende Kraft in seinem inneren Konflikt liegt in seiner nicht unterdrückbaren Imagnation, die, zusammen mit ihren Auswirkungen auf Macbeth und die Handlung des Dramas, in dieser Arbeit vor allem erörtert werden soll.
Diese Arbeit wird nun zunächst den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Tragödie und die elisabethanische Psychologie darlegen, anschließend ausführlich Begriff und Bedeutung der Imagination Macbeths erläutern und danach auf essentielle Charaktereigenschaften sowie auf das Wesen und die Macht seiner Imagination eingehen. Danach soll die doppelte Zeitstruktur des Dramas aufgezeigt und Macbeths Einbildungskraft als Antizipation der Zukunft sowie als Ausdruck einer gestörten Psyche thematisiert werden. Abschließend wird noch zu analysieren sein, ob der Protagonist eher Opfer oder Täter ist, bzw. inwiefern man hier überhaupt von einer rationalen Täterschaft im heutigen Sinne sprechen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die dramatische Kunst: Shakespeare als Meister der Psychologisierung des Dramas
- Erkenntnisinteresse
- Die Entstehung des Individuums im Mittelalter
- Der zeit- und geistesgeschichtliche Hintergrund mit Blick auf die Individualität
- Die elisabethanische Psychologie
- Imagination - ein schillernder Begriff und seine Bedeutung bei Shakespeare
- Die negative Sicht der Imagination sowie der menschlichen Wünsche bei Dr. Samuel Johnson im Hinblick auf Macbeth
- Essentielle Charakterzüge und die psychische Verfassung Macbeths als Basis für die Ausdrucksformen und die Macht seiner Imagination
- Wesen und Auswirkungen der Imagination Macbeths – Die Macht der Einbildungskraft
- Wesen und Ausdrucksformen seiner Imagination
- Auswirkungen auf sein Denken und seine psychische Verfassung
- Auswirkungen auf sein konkretes Handeln
- Auswirkungen auf den Handlungsverlauf
- Imagination und Realität - zwei völlig unterschiedliche Welten in Macbeth – Anmerkungen zur doppelten Zeitstruktur im Drama
- Diskrepanz zwischen Imagination und Realität bei Macbeth
- Allgemeines
- Macbeth zwischen zwei verschiedenen Welten
- Der Dolchmonolog und daraus abgeleitete Erkenntnisse
- Macbeths Vision vom Geist Banquos
- Macbeths Beschwörung der Hexen
- Nachlassen und Ende seiner Visionen
- Macbeths Realitätsverlust
- Erkenntnisse
- Diskrepanz zwischen Imagination und Realität bei Lady Macbeth
- Ausdrucksformen von Macbeths Imagination und ihre Bedeutung als Mittel der Projektion von Wünschen und Ängsten in die Zukunft
- Imagination als Spiegel von geheimen Hoffnungen und Sehnsüchten: Positive Antizipation der Zukunft und Desillusionierung am Ende
- Macbeths Hoffnungen und Sehnsüchte
- Völlige Desillusionierung Macbeths
- Erkenntnisse
- Imagination als Spiegel von Ängsten und Befürchtungen: Negative Antizipation der Zukunft
- Imagination als Ausdruck einer gestörten und kranken Psyche
- Paranoide Schizophrenie Macbeths
- Selbstentfremdung und Persönlichkeitsspaltung Macbeths
- Macbeth - skrupelloser Machtmensch oder willenloses und wehrloses Opfer seiner eigenen Imagination? - Shakespeares Sympathielenkung
- Macbeth als skrupelloser, grausamer Machtmensch
- Macbeth als Opfer seiner Imagination
- Der Nihilismus in Macbeth als Gegenwartsrelevanz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Macht der Imagination in Shakespeares Tragödie „Macbeth“ und analysiert, wie diese auf die Handlung, die Charakterentwicklung und die psychische Verfassung des Protagonisten Einfluss nimmt. Es wird untersucht, wie Shakespeare die Imagination als Mittel der psychologisierung des Dramas einsetzt und die inneren Konflikte und seelischen Prozesse Macbeths für den Zuschauer erfahrbar macht.
- Die Rolle der Imagination in der elisabethanischen Psychologie
- Die Auswirkungen der Imagination auf Macbeths Handeln und Denken
- Die Diskrepanz zwischen Macbeths realer Welt und seiner Imagination
- Die Beziehung zwischen Imagination und Macbeths psychischer Verfassung
- Die Funktion der Imagination in Shakespeares Dramaturgie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Dramaturgie Shakespeares und seiner Fähigkeit, die Psychologie seiner Figuren durch neuartige dramatische Mittel zu veranschaulichen. Im Anschluss wird der zeit- und geistesgeschichtliche Hintergrund des Dramas beleuchtet, mit besonderem Fokus auf die Entstehung des Individuums und die elisabethanische Psychologie. Das vierte Kapitel widmet sich dem Begriff der Imagination und seiner Bedeutung in Shakespeares Werk.
Die folgenden Kapitel analysieren die Imagination Macbeths. Es wird untersucht, wie seine Imagination seine Wahrnehmung der Welt und seine Handlungen beeinflusst. Der Fokus liegt auf der Diskrepanz zwischen Macbeths Realität und seiner Imagination und wie diese Diskrepanz zu seinem psychischen Verfall beiträgt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Imagination, Psychologie, Dramaturgie, Shakespeare, Macbeth, elisabethanisches Theater, und der Rolle der Imagination in der menschlichen Psyche.
- Quote paper
- Oliver Kast (Author), 2003, Imagination und ihre Macht - Shakespeares Macbeth als eine frühe Form der psychologischen Beschreibung, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/13868