Was erscheint verantwortlich für Lores negative Entwicklung?
In einem ersten Teil werden erbliche Einflüsse auf die Entwicklung von Lore untersucht; hierbei erscheint es sinnvoll zunächst kurz die Ergebnisse der Vererbungslehre von Darwin und Haeckel in Betracht zu ziehen und im Anschluss daran die Erzählung im Hinblick auf vererbte negative Charaktereigenschaften der Mutter auf die Tochter zu analysieren. Hierbei spielt die subjektive Erzählperspektive der Erzählung, die des Vaters von Lore, eine elementare Rolle und sollte nicht außer Acht gelassen werden. Im Kontrast zu der Vererbungslehre ist es essenziell danach kurz eine zweite zeitgenössische Position, die Milieutheorie, die unter anderem von Hippolyte Taine befürwortet wurde, heranzuziehen. Im Anschluss daran wird der Fokus der Arbeit auf Einflüssen der familiären Sozialisation auf Lores Entwicklung liegen, im Besonderen die Vernachlässigung durch die Mutter, die unzureichende Erziehung ihres Vaters, die Rolle von Maud als Ersatzmutter und die fehlende Liebe ihrer Verwandten.
„Das einzige, was sie wohl je wirklich geliebt hat, war das Böse. Weil sie aber nicht treu sein konnte, war sie auch dem Bösen manchmal untreu“ (Das Schädliche 1956). Dieses Zitat aus Marie von Ebner-Eschenbachs 1894 zum ersten Mal publizierten Erzählung Das Schädliche schreibt einer der Protagonistinnen, Lore, schädliche Eigenschaften zu. Lore entwickelt sich in den ersten 20 Jahren ihres Lebens zunehmend zu einem personifizierten Bösen, wie der Titel suggeriert, und wird immer mehr wie ihre Mutter Edith, die vom Erzähler auch mit zahlreichen negativen Eigenschaften bedacht wird. In der Forschung wurde dieser Erzählung von Ebner-Eschenbach bisher kein großer Rahmen eingeräumt; lediglich zu Frauenbildern und Geschlechterrollen gibt es einige wenige Publikationen. Diese Ansätze erscheinen sehr plausibel, jedoch sollten darüber hinaus die Ursachen für Lores negative charakterliche Entwicklung unter Berücksichtigung zeitgenössischer Strömungen in den Naturwissenschaften und der Psychologie im 19. Jahrhundert genauer beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erbliche Einflüsse auf Lore
- Vererbungslehre - Darwin
- Das 'böse Erbgut' der Mutter
- Taines Milieutheorie
- Negative Einflüsse der familiären Sozialisation auf Lores Entwicklung
- Die Vernachlässigung durch die Mutter
- Die halbherzige Erziehung des Vaters
- Maud als Ersatzmutter
- Die fehlende Liebe ihrer Verwandten
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Ursachen für Lores negative Entwicklung in Marie von Ebner-Eschenbachs Erzählung "Das Schädliche". Der Fokus liegt auf der Untersuchung erblicher und sozialer Einflüsse, die in den Naturwissenschaften und der Psychologie des 19. Jahrhunderts diskutiert wurden. Dabei werden Darwins Vererbungslehre und Taines Milieutheorie als wichtige Rahmenbedingungen herangezogen.
- Die Rolle der Vererbung in der Entwicklung von Lores Charakter
- Die Bedeutung der Milieutheorie für das Verständnis von Lores Entwicklung
- Die Auswirkungen der familiären Sozialisation auf Lores Verhalten
- Die Einflussfaktoren, die zu Lores negativer Entwicklung beitragen
- Die Parallelen zwischen Lores Verhalten und dem ihrer Mutter Edith
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und stellt den Kontext der Analyse dar. Es zeigt, wie die Erzählung "Das Schädliche" in der Forschung bisher kaum beleuchtet wurde und wie wichtig es ist, die Ursachen für Lores negative Entwicklung im Lichte des 19. Jahrhunderts zu untersuchen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit den erblichen Einflüssen auf Lores Entwicklung. Es wird die Vererbungslehre von Darwin und Haeckel vorgestellt und anschließend analysiert, inwieweit Lores Verhalten auf vererbte Eigenschaften ihrer Mutter zurückzuführen ist. Dabei wird die subjektive Erzählperspektive des Vaters als entscheidende Variable berücksichtigt.
Das dritte Kapitel stellt Taines Milieutheorie als Gegenposition zur Vererbungslehre vor und zeigt, wie soziale und kulturelle Einflüsse die Entwicklung eines Individuums prägen können.
Das vierte Kapitel widmet sich den negativen Einflüssen der familiären Sozialisation auf Lores Entwicklung. Es werden die Vernachlässigung durch die Mutter, die unzureichende Erziehung des Vaters, die Rolle von Maud als Ersatzmutter und die fehlende Liebe der Verwandten analysiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Marie von Ebner-Eschenbach, "Das Schädliche", Lore, Vererbungslehre, Darwin, Haeckel, Milieutheorie, Taine, familiäre Sozialisation, negative Entwicklung, Mutter-Tochter-Beziehung, Charakterbildung.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2010, ‘Böses‘ Erbgut oder schlechte Erziehung? Lore in Marie von Ebner-Eschenbachs "Das Schädliche", Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1360151