Innerhalb der Auseinandersetzungen um die Bedeutung der Russischen Revolu-tion entstanden im Grunde zwei verschiedene Auffassungen: die eine strebte gesellschaftliche Veränderungen eher mit evolutionären Mitteln an und die andere hielt einen gewaltsamen Umsturz nach dem Vorbild der Oktoberrevolution für unumgänglich. Aus diesen Differenzen heraus wird die Russische Revolution sowohl in den Gesellschaftswissenschaften, als auch in der öffentlichen Meinung äußerst kontrovers diskutiert.
Um dies zu verdeutlichen werden im Folgenden zwei Darstellungen der Russischen Revolution miteinander verglichen. Die erste stammt aus dem Werk Eric Hobsbawms, eines englischen Sozialhistorikers, Marxisten und langjährigen Mitglied der britischen KP. Die zweite wurde dem Werk von Walter Görlitz entnommen, einem deutschen Schriftsteller, Historiker und Publizisten, der jahrelang in der Hamburger Redaktion der Zeitung „Die Welt“ die Sparten Kulturpolitik und Zeitgeschichte leitete. Im Zuge dieses Vergleichs liegt der Fokus allein auf der jeweiligen Darstellung der Russischen Revolution.
Vergleich zweier Darstellungen der Russischen Revolution
E. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme vs. W. Görlitz, Ideen machen Weltgeschichte
Über ein Jahrhundert lang hat die Französische Revolution die Vorstellung davon, was eine Revolution sei, geprägt. Im Jahre 1917 jedoch hat die Russische Revolution diese Rolle über- nommen, war zukünftigen Revolutionären ein Vorbild und Verteidigern der etablierten Ver- hältnisse ein Schrecken. Ähnlich wie die Französische Revolution hat auch die Russische eine Monarchie gestürzt und außerdem ein neues mächtiges Staatswesen hervorgebracht. Hatte das alte Russland unter der Herrschaft der Zaren immer mehr an Bedeutung verloren, so entwi- ckelte sich die Sowjetunion zu einer der führenden Weltmächte in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Innerhalb der Auseinandersetzungen um die Bedeutung der Russischen Revolu- tion entstanden im Grunde zwei verschiedene Auffassungen: die eine strebte gesellschaftliche Veränderungen eher mit evolutionären Mitteln an und die andere hielt einen gewaltsamen Umsturz nach dem Vorbild der Oktoberrevolution für unumgänglich. Aus diesen Differenzen heraus wird die Russische Revolution sowohl in den Gesellschaftswissenschaften, als auch in der öffentlichen Meinung äußerst kontrovers diskutiert.
Um dies zu verdeutlichen werden im Folgenden zwei Darstellungen der Russischen Revoluti- on miteinander verglichen. Die erste stammt aus dem Werk Eric Hobsbawms[1], eines engli- schen Sozialhistorikers, Marxisten und langjährigen Mitglied der britischen KP. Die zweite wurde dem Werk von Walter Görlitz[2] entnommen, einem deutschen Schriftsteller, Historiker und Publizisten, der jahrelang in der Hamburger Redaktion der Zeitung „Die Welt“ die Spar- ten Kulturpolitik und Zeitgeschichte leitete. Im Zuge dieses Vergleichs liegt der Fokus allein auf der Darstellung der Russischen Revolution. Alle anderen Themen, die in den entspre- chenden Kapiteln angesprochen werden, werden aus Platzgründen weggelassen. Als weitere Quellen dieses Vergleichs dienen sowohl sozialistische[3] als auch allgemeinere[4] Überblicks- werke, um die Darstellungen der beiden Autoren richtig einordnen zu können.
Arten der Darstellung
Die Darstellung von Eric Hobsbawm
In dem Werk Eric Hobsbawms befindet sich das Kapitel „Weltrevolution“ zwischen dem Ka- pitel über die Weltkriege und dem Kapitel über die Weltwirtschaftskrise. Diese Reihenfolge ist bedeutend für Hobsbawms Argumentation, da sich bei ihm immer das Eine aus dem Ande- ren ergibt. So folgert er zum Beispiel in seiner Einleitung, dass die Russische Revolution eine direkte Folge des Ersten Weltkriegs gewesen sei. Als Begründung hierfür gibt er an, dass die- ser Krieg alle beteiligten Staaten an ihre Grenzen gebracht habe und dass die Menschen daher auf eine Alternative gewartet hätten, welche die sozialistischen Parteien geboten hätten. Nach Kriegsende kam es fast überall zu revolutionären bzw. sozialen Krisen, daher setzt Hobs- bawm hier die erste Welle der Weltrevolution an. Der sowjetische Kommunismus wollte eine Alternative zum Kapitalismus sein, hatte aber in seinen Anfängen mit diversen Problemen zu kämpfen. Die Zarenherrschaft war zusammengebrochen, da die zaristischen Truppen nicht mehr gegen die hungrigen Volksaufstände vorgingen, sondern sich mit den Aufständischen verbündeten. Lenins Macht habe nun darin bestanden, diesen „unkontrollierbaren anarchischen Volksaufstand in eine bolschewistische Macht“[5] zu transformieren. Nach dem Sturz des Zaren sei ein „revolutionäres Vakuum“[6] entstanden, welches sich durch eine machtlose provi- sorische Regierung und eine Unzahl von Räten („Sowjets“) der verschiedenen Revolutionsor- ganisationen ausdrückte. Die Folge war 1917 der Sturz dieser Regierung durch die Bolsche- wiki, da keine andere Partei darauf vorbereitet gewesen sei, die Verantwortung zu überneh- men. Die Macht dieser Partei beruhte auf der kommunistischen Organisationsform nach Le- nin, auf der Führung durch eine Elite und auf der großen Disziplin und Leidenschaft ihrer Mitglieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte die zweite Welle der Weltrevolution, an deren Ende die Kommunisten alle Regierungsgewalt zwischen der Elbe und dem Chinesi- schen Meer hatten. Am Schluss seines Kapitels geht Hobsbawm auf die Folgen ein, die er in direkte und indirekte aufteilt. Direkte Folgen seien der Untergang der Imperien und der Be- ginn des Sowjetischen Zeitalters gewesen. Weitergehend seien jedoch die indirekten Folgen gewesen: so habe die Russische Revolution den Prozess der Dekolonisation eröffnet, habe sowohl die Politik der Konterrevolution (Faschismus) als auch die der Sozialdemokratie ein- geleitet und sei sogar der eigentliche Retter des liberalen Kapitalismus gewesen. Dies begrün- det Hobsbawm damit, dass die Sowjetunion dem Westen zum Sieg über Hitler verholfen hat und dass sie die Möglichkeit bot, den gängigen Glauben an Kapitalismus bzw. Marktwirtschaft zu revidieren.
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[1] Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. 8. Auflage. München und Wien 2007, S. 78-114.
[2] Görlitz, Walter: Ideen machen Weltgeschichte. Epochen der großen geistigen Veränderungen – von Milet bis Mao. Würzburg 1974, S. 220-248.
[3] U.a. Sobolew, P.N. et al: Illustrierte Geschichte der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Institut für Ge- schichte der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Berlin 1973. Thorndike, A.: Das russische Wunder. Bilder, Geschichten, Dokumente vom Werden des ersten Landes des Kommunismus nach dem gleichnamigen DEFA-Film. Potsdam 1962. Reed, John: Zehn Tage, die die Welt erschütterten. Mit Vorworten von W.I. Lenin und N.K. Krupskaja. Berlin 1957.
[4] U.a. Hildermeier, Manfred: Die Russische Revolution 1905-1921. Frankfurt am Main 1989. Digel, Werner (Hrsg.): Meyers Illustrierte Weltgeschichte. Band 18: Imperialismus, Bolschewismus, Faschismus (1870-1938). Mannheim 1973, S. 44-64. Mann, Golo u. Alfred Heuss (Hrsg.): Propyläen der Weltgeschichte. Band IX/1: Das zwanzigste Jahrhundert. Berlin u. Frankfurt am Main 1960, S. 129-230.
[5] Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme, S. 84.
[6] Ebenda, S. 85.
- Arbeit zitieren
- Birgit Stubbe (Autor:in), 2009, Vergleich zweier Darstellungen der Russischen Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/134310