Mit dem 'Willehalm’ hat Wolfram von Eschenbach wohl eine der bedeutendsten Dichtungen des deutschen Hochmittelalters geschaffen. Wie Zeilen zu Beginn des Textes bereits andeuten, handelte es sich bei diesem Werk um eine Neuheit innerhalb der damaligen Literatur. Wolframs Bearbeitung der La Bataille d’Aliscans gibt der Forschung durch ihre thematische Komplexität, einer besonderen Erzählstruktur und vor allem aufgrund des Fragment-Charakters viele Rätsel auf.
Insbesondere die Frage nach der konkreten Gattungszuordnung lässt sich daher nur schwer klären, wobei der Begriff des „opus mixtum“ eine vorläufige Einigung darstellt.
Ein wichtiger Punkt bei der Gattungseinteilung ist Wolframs Gestaltung der auftretenden Figuren. Neben Willehalm ist besonders die Darstellung von Gyburg sehr interessant. Als ehemalige Heidin Arabel und Frau Tybalts, die zum Christentum konvertiert und mit Willehalm die Ehe eingeht, gehört sie beiden Parteien an, und nimmt damit eine Sonderstellung in der Figurenkonstellation ein. Gyburg hat nur wenige Auftritte, diese sind jedoch prägend für das gesamte Werk. Der Einfluss der Figur Gyburgs auf die Dichtung erscheint vor allem deshalb zentral, da sie für die Verhältnisse von mittelalterlicher Literatur ein sehr breit gefächertes Rollenspektrum für sich beansprucht, das in einzelnen Versatzstücken die Grenzen damaliger Frauendarstellung sprengt.
Anhand verschiedener Rollenschwerpunkte will diese Arbeit versuchen, die weibliche Hauptfigur näher zu charakterisieren. Den Leitfaden hierfür bildet die Frage: Gyburg: Kriegerische Amazone, höfische vrouwe, Minnedame und Ehefrau sowie christliche Heilsbringerin?
Bei der Auswertung einschlägiger Textstellen spielen nicht nur konkrete Handlungen Gyburgs eine Rolle, sondern auch Beschreibung und Bewertung ihrer Person, sowohl durch den Erzähler, als auch durch andere Figuren der Dichtung. Diese Untersuchungen geben möglicherweise Aufschluss über Gyburgs Position im Personenkomplex und ihrem konkreten Wirkungskreis, sowie über eventuell damit zusammenhängende Auswirkungen auf den gesamten Handlungsverlauf. Die beabsichtigte Textinterpretation klammert einen realhistorischen Bezug des Werkes aus und konzentriert sich vielmehr auf Wertungen im Bereich der literarischen Gestaltungsmuster von Figuren. Inwieweit Gyburgs einzelne verkörperte Rollen dabei überwiegen oder sich gegebenenfalls aufeinander auswirken, soll im Anschluss genauer aufgearbeitet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Gegenstandsfeld und Problemstellung
- Gyburg: Kriegerische Amazone, höfische vrouwe, Minnedame und Ehefrau sowie christliche Heilsbringerin?
- Kriegerische Amazone
- Männlich-kriegerisches Verhalten
- Rückbezug zur Weiblichkeit
- Höfische vrouwe
- Minnedame und Ehefrau
- Christliche Heilsbringerin
- Resümee
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit der komplexen Figur der Gyburg im 'Willehalm' von Wolfram von Eschenbach. Ziel ist es, die verschiedenen Rollen, die Gyburg im Werk verkörpert, zu analysieren und zu charakterisieren. Dabei wird die Frage gestellt, inwieweit Gyburg als Kriegerische Amazone, höfische vrouwe, Minnedame und Ehefrau sowie christliche Heilsbringerin dargestellt wird.
- Die Darstellung von Gyburg als Kriegerische Amazone und ihre Rolle in der Verteidigung der Burg Orange
- Die Analyse von Gyburgs höfischem Verhalten und ihrer Position als vrouwe
- Die Untersuchung von Gyburgs Rolle als Minnedame und Ehefrau von Willehalm
- Die Interpretation von Gyburgs Entwicklung als christliche Heilsbringerin
- Die Bedeutung von Gyburgs komplexer Rolle für die Gesamtinterpretation des 'Willehalm'
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit stellt das Gegenstandsfeld und die Problemstellung dar. Es wird die Bedeutung des 'Willehalm' als Werk des deutschen Hochmittelalters hervorgehoben und die besondere Rolle der Figur Gyburg im Kontext der damaligen Literatur beleuchtet. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse von Gyburgs verschiedenen Rollen und deren Auswirkungen auf die Handlung des Werkes.
Das zweite Kapitel untersucht Gyburgs Rolle als Kriegerische Amazone. Es werden ihre männlich-kriegerischen Verhaltensweisen, wie ihre Verteidigung der Burg Orange und ihre strategischen Fähigkeiten, analysiert. Dabei wird auch der Rückbezug zur Weiblichkeit und die Frage nach der Vereinbarkeit von Kriegertum und Weiblichkeit beleuchtet.
Das dritte Kapitel befasst sich mit Gyburgs Rolle als höfische vrouwe. Es werden ihre höfischen Umgangsformen, ihre Position im gesellschaftlichen Kontext und ihre Beziehung zu den anderen Figuren des Werkes untersucht.
Das vierte Kapitel analysiert Gyburgs Rolle als Minnedame und Ehefrau von Willehalm. Es werden ihre Liebesbeziehung zu Willehalm, ihre Rolle in der Ehe und ihre Bedeutung für die Handlung des Werkes untersucht.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit Gyburgs Rolle als christliche Heilsbringerin. Es werden ihre Konversion zum Christentum, ihre Rolle als Vermittlerin zwischen den christlichen und heidnischen Parteien und ihre Bedeutung für die christliche Botschaft des Werkes untersucht.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Figur der Gyburg, den 'Willehalm' von Wolfram von Eschenbach, die Darstellung von Frauen in der Literatur des Mittelalters, die Rollen von Kriegerin, höfischer Frau, Minnedame, Ehefrau und christlicher Heilsbringerin, die Gattungszuordnung des 'Willehalm', die Bedeutung von Gyburgs komplexer Rolle für die Gesamtinterpretation des Werkes und die Analyse von Gyburgs Handlungen, Beschreibungen und Bewertungen im Kontext der Dichtung.
- Quote paper
- Patricia Becker (Author), 2008, Die Figur der Gyburg aus Wolframs von Eschenbach 'Willehalm', Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/132013