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Hausarbeit, 2017
19 Seiten, Note: 2,3
1. Einleitung
2. Das Nibelungenlied
2.1 Ausgangssituation
2.2 Bewertung von Kriemhild
2.2.1 Durch den Erzähler
2.2.2 Durch Hagen
2.2.3 Durch Giselher
2.2.4 Durch Iring
2.2.5 Durch Rüdiger
2.2.6 Durch Dietrich von Bern
2.3 Bewertung von Hagen
2.3.1 Durch den Erzähler
2.3.2 Durch Kriemhild
2.3.3 Durch Giselher
2.3.4 Durch Volker
2.3.5 Durch Hildebrand
2.3.6 Durch Etzel
3. Abschließende Bewertung
4. Die Klage
4.1 Bewertung von Kriemhild
4.1.1 Durch den Erzähler
4.1.2 Durch Dietrich von Bern
4.1.3 Durch Etzel
4.1.4 Durch Swämmel
4.1.5 Durch Bischof Pilgrim
4.1.6 Durch Brünhild
4.2 Bewertung von Hagen
4.2.1 Durch den Erzähler
4.2.2 Durch Hildebrand
4.2.3 Durch Dietrich von Bern
4.2.4 Durch Etzel
4.2.5 Durch direkte Rede von Einigen
5. Abschließende Bewertung
6. Abschließender Vergleich
7. Schluss
8. Literaturverzeichnis
8.1 Textausgaben und Quellen
8.2 Forschungsliteratur
Ziel dieser Arbeit ist, die Schuldfrage im Nibelungenlied und der Klage anhand der Figuren Kriemhild und Hagen vergleichend zu untersuchen. Dabei dient die 16. Aventiure des Nibelungenliedes, in der der Mordkomplott gegen Siegfried Gestalt annimmt und umgesetzt wird, als Ausgangspunkt der Analyse. Zuerst erfolgt die Bewertung von Kriemhild und dann die Bewertung von Hagen. Zuerst anhand des Nibelungenliedes, dann anhand der Klage. Nach dem Abschluss jeder Sektion erfolgt eine abschließende Bewertung. Abschluss der Arbeit bildet der Vergleich.
Dabei orientiere ich mich an folgender Fragestellung: Wie bewerten das Nibelungenlied und die Klage anhand der Figuren Kriemhild und Hagen die Schuld am Ausbruch der Kämpfe und der daraus resultierenden Tode?
Es ist daher sinnvoll, zu erläutern, in welchem Zusammenhang das Nibelungenlied und die Klage stehen. Die Klage und das Nibelungenlied bilden eine „Überlieferungsgemeinschaft“1. Dennoch gilt es zu beachten, dass das Ende des Nibelungenliedes „dâ hât daz mure ein ende: diz ist der Nibelunge nöt “2 und der Anfang der Klage: „hie hebt sich ein mure“3 dagegensprechen, dass die Klage von Anfang an mit dem Nibelungenlied zusammen vorgesehen war.4 Dann stellt sich die Frage, wie die Klage dann entstanden ist. Sie lässt sich als Nachtrag zum Nibelungenlied verstehen: „waz sider dâ geschach“5. Die Klage nimmt „abgerissene Fäden“6 wieder auf und versucht, Klarheit zu schaffen.7 Zusammenfassend kann also festgehalten werden, „dass die Klage zur Wahrnehmung und Perspektivierung des Nibelungenliedes im Hochmittelalter gehört.“8 Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Nibelungenlied und die Klage erheblich voneinander abweichen. Die Klage zeigt Handlungsoptionen auf, die im Nibelungenlied nicht zum Zug gekommen sind, und versucht, offene Fragen zu beantworten.9 Die Klage greift revidierend in das
Geschehen des Nibelungenliedes ein. „Ihr Weltbild ist schlüssig, jedoch um den Preis, dass die Komplexität der Epenwelt reduziert wird.“10
Die 16. Aventiure befasst sich mit der Umsetzung des zuvor geschmiedeten Mordkomplotts gegen Siegfried. Die Aventiure beginnt damit, dass Siegfried mit auf die Jagd reitet und sich, bevor er aufbricht, von seiner Frau Kriemhild verabschiedet.11 Doch Kriemhild ahnt Böses und will verhindern, dass Siegfried mit auf die Jagd reitet. Sie berichtet ihm von zwei fürchterlichen Träumen, aber Siegfried lässt sich dadurch nicht umstimmen.12 Es folgt das Jagdgeschehen, das für Siegfried durchaus erfolgreich ist.13 Als die Jagdgesellen bei Tisch sitzen, zeigt sich, dass Hagen dafür gesorgt hat, dass nichts zu trinken vorhanden ist. Er berichtet sogleich von einer Quelle, die sich in der Nähe befindet.14 Siegfried wird daraufhin zu einem Wettlauf zur Quelle herausgefordert, den er sogleich annimmt und gewinnt.15 Als Hagen und Gunther die Quelle ebenfalls erreicht haben, trinkt Gunther zuerst. Hagen schafft Siegfrieds Waffen fort, sodass dieser sich nicht mehr wehren kann. Als Siegfried sich über die Quelle beugt, um ebenfalls zu trinken, stößt Hagen ihm den Speer durch die von Kriemhild gekennzeichnete Stelle.16
Dâ der herre Sifrit ob dem brunnen tranc,
er [Hagen] schöz in [den Sperr] durch daz kriuze, daz von der wunden spranc
daz bluot im von dem herzen vaste an Hagenen wât.
sö gröze missewende ein helt nimmer mer begât.17
Trotz Siegfrieds schwerer Verwundung und seiner fehlenden Waffen, kämpfen Hagen und Siegfried, bis Siegfried schlussendlich stirbt.18
Die Strophen des Nibelungenliedes bestehen jeweils aus vier Langzeilen, die durch eine Zäsur in der Mitte in zwei Halbzeilen getrennt werden. Die längere Schlusszeile bewirkt eine Abgeschlossenheit der Strophe und beinhaltet unter anderem Wertungen und Vorausdeutungen.19 In Bezug auf Kriemhild (und später auch Hagen) ist das bezeichnend. „si [Kriemhild] enpfiengen dâ genuoge, den sit leit von ir geschach.“20, „in riet diu vrouwe Kriemhilt diu aller grözesten leit.“21 und „wi kunde ein wip durch râche immer vreislicher getuon?“22 Die Wertungen, die die Schlusszeilen einiger Strophen beinhalten, sind durchweg negativ. Immer wieder wird angedeutet, dass durch Kriemhild vielen Menschen Leid geschehen wird.23
Trotz der durchgängigen Negativbewertung in den Schlusszeilen, bleibt es nicht aus, dass Kriemhild unter anderem als „edeln küneginne“24 bezeichnet wird.
Gerade Kriemhilds Tod ist bezeichnend für die nicht ausschließliche Negativbewertung durch den Erzähler. „ze stucken was gehouwen dö daz edele wip.“25 Kriemhild wird zerstückelt aufgefunden, das lässt sich als Strafe für diejenigen verstehen, die die geltende Ordnung zerstören26, doch gleichzeitig wird sie als „edele wip“27 bezeichnet.
Hagen warnt die Könige Gunther, Gernot und Giselher vor der Hochzeit von Kriemhild und Etzel, da er befürchtet, dass von Kriemhild sehr viel Leid ausgehen kann, wenn ihr so viele Männer Untertan sind.28 Auch hier ist auffällig, dass Hagen trotz seiner Negativbewertung von Kriemhild, es nicht auslässt sie „edele Kriemhilt“29 oder „vil edliu küneginne“30 zu nennen.
Nachdem Kriemhild ihrem Bruder Gunther den Kopf hat abschlagen lassen, um ihn Hagen zu präsentieren31 erfolgt die Bezeichnung als „vâlendinne“32. Auch diese Bezeichnung steht in der Schlusszeile der entsprechenden Strophe.
Giselher hält fest, dass ganz gleich, wie freundlich Kriemhild ihre Verwandten an den Hunnenhof eingeladen hat, er befürchtet, dass sie durch Kriemhild sterben werden.33 Später fügt er hinzu: „uns hât min swester Kriemhilt ein arge höchzit gegeben.“34
Der Eintritt Irings in die folgenschweren Kämpfe erfolgt um der Ehre willen.35 Bevor er stirbt wird deutlich, dass er Kriemhild nicht verteufelt. Er bezeichnet sie als „herlich wip“36 und bittet sie, das Klagen sein zu lassen. Er bedauert es, dass er Kriemhild und Etzel nicht weiter dienen können wird.37
Anders als Iring tritt Rüdiger nicht freiwillig in die Kämpfe ein. Er wird an sein Treueversprechen gegenüber Kriemhild38 und an seine Verpflichtungen gegenüber Etzel39 erinnert. Rüdiger versucht, diesen Verpflichtungen zu entgehen, muss sich schlussendlich aber geschlagen geben.40 Er steckt in einem Zwiespalt zwischen seinen Verpflichtungen gegenüber Etzel und Kriemhild und der Freundschaft, die ihn mit den Burgunden verbindet. Dennoch verteufelt auch er Kriemhild nicht, sondern bezeichnet sie als „vil edel küneges wip“41.
Als die Burgunden am Hof Etzels ankommen, weigern sich Kriemhilds Brüder und auch Hagen ihre Waffen abzugeben. Kriemhild schließt daraus, dass die Burgunden gewarnt worden sind und fragt sich sogleich, von wem.42
Des antwurte ir mit zorne der fürste Dieterich:
,ich bin iz, der hât gewarnet die edeln kunege rich
und Hagen den küenen, den Burgonden man.
nu zuo, vâlandinne, dune solt michs niht geniezen lân. ‘43
Dietrich gibt sich als derjenige zu erkennen, der die Burgunden gewarnt hat, und wie später auch durch Hagen erfolgt an dieser Stelle die Bezeichnung als „vâlandinne“44, die ebenfalls in der Schlusszeile der Strophe steht.
Auch hier darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Dietrich die Königin zwar durchaus negativ sieht, sie aber trotzdem als „edliu küneginne“45 anspricht.
Auch Hagen kommt in den Vorausdeutungen der längeren Schlusszeile einiger Strophen vor. „mit im [Hagen] was manigem degene ze grimmem töde widerseit“46, „sit wart von im [Hagen] verhouwen vil manic helm unde rant.“47 und „sine wessen niht der lmvre, waz von dem recken [Hagen] sit geschach.“48 Wie auch bei Kriemhild, sind die Bewertungen von Hagen in den entsprechenden Schlusszeilen durchweg negativ. Es wird immer wieder angedeutet, dass durch ihn viele Männer den Tod finden werden.49 Trotz der negativen Bewertung von Hagen durch den Erzähler, wird er im Tod von allem freigesprochen: „si houb im üf daz houbet mit dem swerte siz absluoc.“50 Hagen wird durch Kriemhild der Kopf abgeschlagen. Dabei ist eine Enthauptung das Privileg der Vornehmen, da die Ehre nicht betroffen ist.51
Für Kriemhild ist von Anfang an klar, dass Hagen ihren Mann Siegfried ermordet hat.52 Auch im weiteren Verlauf des Nibelungenliedes wird deutlich, dass sie ihm die Schuld für ihr Leid gibt.
Als die Burgunden am Hof Etzels ankommen und Kriemhild Hagen und Volker auf einer Bank sitzen sieht, wird sie an ihr vergangenes Leid erinnert und erneut kommt ihre Trauer an die Oberfläche. Die Hunnen fragen Kriemhild, warum sie leidet und Kriemhild entgegnet, dass Hagen für alles die Verantwortung trage. Sogleich bieten die Hunnen ihre Hilfe an und wollen das, was Kriemhild angetan wurde, rächen.53
,Daz wold ich immer dienen, swer rache miniu leit.
alles, der er gerte, der w;cr ich im bereit.
Ich biute mich iu ze fuozen‘, sprach da des küneges wip,
,rechet mich an Hagene, daz er vliese den lip. ‘54
Giselher bewertet nicht die Schuld Hagens am Ausbruch der Kämpfe und der daraus resultierenden Tode, stärkt aber Kriemhilds Position insoweit, dass er Hagen auffordert, „noch der triuwe pflegen.“55 und die Hochzeit von Kriemhild und Etzel nicht zu verhindern. Er habe Kriemhild schon so viel Leid zugefügt, da solle er ihr etwas Glück nicht verwehren.56
Bei der Bewertung von Hagen durch Volker handelt es sich nicht um eine direkte, sondern um eine indirekte Bewertung durch den Erzähler: „swaz ie begie her Hagene, daz düht der vidal^re guot.“57
Hildebrand überlebt die Kämpfe, indem er vor Hagen, der ihm eine schwere Wunde zugefügt hat, flieht, nachdem er selbst Volker erschlagen hat.58 Hildebrand wird sogleich von seinem Herrn Dietrich gefragt, was ihm angetan wurde.59
Dö sagt er sinem herren: ,ez tet Hagene.
der sluog mir dise wunden in dem gademe, dö ich von dem recken wolde wenden dan. mit dem minen lebene ich dem tiuvel vil küme entran. ‘60
Besonders ins Auge fällt hierbei die Bezeichnung von Hagen als „tiuvel“61, die wie die Bezeichnungen Kriemhilds als „vâlandinne“62 ebenfalls in der längeren Schlusszeile der entsprechenden Strophe steht.
[...]
1 Jan-Dirk Müller: Das Nibelungenlied. 4., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Berlin 2015 (Klassiker Lektüren Band 5), S. 177.
2 Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, Nach der Handschrift B hg. von Ursula Schulze, Ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse, Stuttgart 2010, Str. 2376, V. 4.
3 Das Nibelungenlied und die Klage. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen, Mittelhochdeutscher Text, Übersetzung und Kommentar, hg. von Joachim Heinzle, Berlin 2013 (Bibliothek des Mittelalters Band 12), V. 1.
4 Vgl. Jan-Dirk Müller: Das Nibelungenlied, S. 176.
5 Das Nibelungenlied, Str. 2376, V. 1.
6 Jan-Dirk Müller: Das Nibelungenlied, S. 178.
7 Vgl. Ebenda, S. 177f.
8 Ebenda, S. 175.
9 Vgl. Ebenda, S. 175.
10 Ebenda, S. 184.
11 Vgl. Das Nibelungenlied, Str. 914-916.
12 Vgl. Ebenda, Str. 917-922.
13 Vgl. Ebenda, Str. 923-959.
14 Vgl. Ebenda, Str. 960-968.
15 Vgl. Ebenda, Str. 969-974.
16 Vgl. Ebenda, Str. 975-978.
17 Ebenda, Str. 978.
18 Vgl. Ebenda, Str. 979-996.
19 Diese Information wurde aus den Mitschriften der Vorlesung zur Einführung in die ältere deutsche Literatur und des Proseminars zum Nibelungenlied entnommen.
20 Ebenda, Str. 1338, V. 4.
21 Ebenda, Str. 1821, V. 4.
22 Ebenda, Str. 1909, V. 4.
23 Weitere interessante Stellen, an denen sich entsprechende Vorausdeutungen jeweils im vierten Vers der Strophe finden lassen: Str. 1410, Str. 1513, Str. 1723 und Str. 2362.
24 Ebenda, Str. 2350, V. 2.
25 Ebenda, Str. 2372, V. 2.
26 Vgl. Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998, S. 168.
27 Das Nibelungenlied, Str. 2372, V. 2
28 Vgl. Ebenda, Str. 1207, V. 2-4 und Str. 1209, V. 2-4.
29 Ebenda, Str. 1209, V. 1.
30 Ebenda, Str. 2365, V. 2.
31 Vgl. Ebenda, Str. 2366f.
32 Ebenda, Str. 2368, V. 4.
33 Vgl. Ebenda, Str. 1824, V. 3-4.
34 Ebenda, Str. 2119, V. 4.
35 Vgl. Ebenda, Str. 2025.
36 Ebenda, Str. 2064, V. 1.
37 Vgl. Ebenda, Str. 2064.
38 Vgl. Ebenda, Str. 2146.
39 Vgl. Ebenda, Str. 2135-2138 und Str. 2142.
40 Vgl. Ebenda, Str. 2160.
41 Ebenda, Str. 2227, V. 1.
42 Vgl. Ebenda, Str. 1742-1744.
43 Ebenda, Str. 1745, V. 2-4. Bemerkung: Die Unterstreichung wurde von mir, Katharina Fischer, vorgenommen. Das gilt für alle weiteren Unterstreichungen, sofern dies nicht anders gekennzeichnet ist.
44 Ebenda, Str. 1745, V. 4.
45 Ebenda, Str. 2352, V. 2.
46 Ebenda, Str. 1417, V. 4.
47 Ebenda, Str. 1510, V. 4.
48 Ebenda, Str. 1917, V. 4.
49 Weitere interessante Stellen, an denen sich entsprechende Vorausdeutungen jeweils im vierten Vers der Strophe finden lassen: Str. 1910 und Str. 1964.
50 Ebenda, Str. 2370, V. 3.
51 Vgl. Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang, S. 168.
52 Vgl. Das Nibelungenlied, Str. 1007.
53 Vgl. Ebenda, Str. 1758-1761.
54 Ebenda, Str. 1762.
55 Ebenda, Str. 1205, V. 1.
56 Ebenda, Str. 1205.
57 Ebenda, Str. 1581, V. 4.
58 Vgl. Ebenda, Str. 2304 und Str. 2283f.
59 Vgl. Ebenda, Str. 2306f.
60 Ebenda, Str. 2308.
61 Ebenda, Str. 2308, V. 4.
62 Ebenda, Str. 2368, V. 4 und Str. 1745, V. 4.