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Seminararbeit, 2022
21 Seiten, Note: 1,3
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Arbeit – Ein negativ konnotierter Begriff im Wandel der Zeit
1.2 Methode und Gang der Studie
1.3 Literaturbericht
2 Deskription
2.1 Aristoteles‘ „Politik“
2.2 Hannah Arendts „Vita activa oder Vom tätigen Leben“
3 Die Arbeit
3.1 Nach Aristoteles
3.2 Nach Hannah Arendt
4 Das Herstellen
4.1 Nach Aristoteles
4.2 Nach Hannah Arendt
5 Das Handeln
5.1 Nach Aristoteles
5.2 Nach Hannah Arendt
6 Fazit - Analogien und Divergenzen der politischen Theorien
7 Quellenverzeichnis
8 Literaturverzeichnis
Laut dem Politologen Klaus Schubert ist Arbeit „eine spezifisch menschliche – sowohl körperliche als auch geistige – Tätigkeit, die […] [primär] zur Existenzsicherung […] [dient.]“ Darüber hinaus konstatiert er, dass „Arbeit […] insofern ein gestaltender, schöpferisch produzierender und sozialer, zwischen Individuen vermittelnder Akt“ ist.1 Dieser komplex anmutenden, modernen Definition des Arbeitsbegriffes geht eine lange Entwicklungsgeschichte voran. So sahen beispielsweise die antiken Philosophen Arbeit als nicht erstrebenswerte Tätigkeit an, die vor allem den Sklaven und Frauen vorbehalten war.
Diese ursprünglich negativ behaftete Konnotation findet sich ebenso in der etymologischen Herkunft des Wortes wieder. So „leitet sich [der Ausdruck] vom indogermanischen Wortstamm orbho ab und erscheint gotisch als arbaiphs, althochdeutsch als arabeit und mittelhochdeutsch als arebit “2 und steht für „Mühsal, Plage, Not oder Beschwerde“. Mit den Wortwurzeln rab beziehungsweise rabu („Fronarbeit, Sklave, Knecht“) im Slawischen, dem lateinischen Wort arvum, welches übersetzt einen „gepflückter Acker“ repräsentiert und dem im Französischen verwendeten travial, „was sowohl eine Vorrichtung zum Beschlagen von wilden Pferden wie auch ein Folterwerkzeug meinte“3, finden sich weitere abwertende Charakterisierungen.
Auch in den Reden der griechischen Philosophen manifestiert sich mit dem Begriff ponos („Mühe, Qual, Leid“) eine negative Bedeutung.4 Nicht zu vernachlässigen ist außerdem die im Kontrast stehende Doppelbedeutung des Ausdrucks. Ponein und ergazesthai im Griechischen, laborare und facere im Lateinischen oder auch Arbeiten und Werken im Deutschen weisen sowohl „auf das Arbeiten im engeren Sinne, [als auch] auf das Herstellen von bleibenden Dingen“ hin.5
Umso überraschender scheint, dass bei oberflächlichem Studieren der knapp 2000 Jahre jüngeren Werke Hannah Arendts, Aristoteles überholt-wirkende Auffassungen breite Anwendung finden. Doch inwiefern spiegelt das Arbeitsverständnis Hannah Arendts die antike Vorstellung wirklich wider? Die Untersuchung möchte gezielt dieser Fragestellung nachgehen und analysieren, inwieweit sich die Definitionen Arendts und Aristoteles hinsichtlich des Arbeitsbegriffes gleichen. Handelt es sich um eine einfache Reproduktion der antiken Texte durch die jüdische Publizistin oder zeigen sich Weiterentwicklungen und Ergänzungen?
Noch vor einer möglichen Antwort auf die Fragestellung werden im zweiten Kapitel die für diese Arbeit zentralen Werke und ihre Kernaussagen vorgestellt. Dieser rein deskriptive Abschnitt beschränkt sich dabei auf die Politik von Aristoteles sowie Hannah Arendts Vita activa oder Vom tätigen Leben.
Die darauffolgenden Gliederungspunkte 3. – 5. dienen der eigentlichen Beantwortung der Leitfrage und versuchen mithilfe eines vergleichenden Vorgehens eine mögliche Antwort zu finden. Um eine bessere Übersicht zu gewährleisten und die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Autoren hinsichtlich ihrer Theorien deutlicher zu beleuchten, wird eine Unterteilung in „Arbeit“, „Herstellen“ und „Handeln“ vorgenommen. Dabei ist zu erwähnen, dass die strikte Trennung der drei Begriffe vor allem bei Aristoteles auf Schwierigkeiten trifft. Die Kategorisierung ist vor allem der deckungsgleichen arendtschen Einteilung geschuldet und wird im Nachgang nochmals begründet.
Vervollständigt wird das Elaborat im abschließenden sechsten Abschnitt, in welchem mittels des erlangten Wissens die zentrale Fragestellung herausgestellt und resümiert wird.
Wie bereits in 1.1 erläutert, setzt sich die Primärliteratur aus Politik von Aristoteles sowie Vita activa oder Vom tätigen Leben von Hannah Arendt zusammen. Beim erstgenannten Werk handelt es sich um eine Übersetzung von Eckart Schütrumpf; für die Monografie der jüdischen Publizistin, findet die 11. Auflage der Taschenbuchversion aus dem Piper Verlag Verwendung.
Neben den aufgeführten Werken sind für den Themenbereich vor allem die Studien von Aßländer6, Frambach7 und Arlt/Zech zu nennen. Sie bieten allesamt einen ausführlichen Überblick über den Wandel des Arbeitsbegriffes und übermitteln notwendiges Elementarwissen. Die tiefgründigen Forschungen Popps und Inántsy-Paps fokussieren dahingegen die Überlegungen Hannah Arendts. Sie gehen in ihren Publikationen vor allem hinsichtlich der vermeintlichen Orientierung Arendts an der griechischen Polis tiefer in die Materie und studieren den Tätigkeitsbegriff noch eindringlicher. Die aristotelischen Pendants zu diesen Werken bieten Stepinas und Höffes Analysen, welche sich auf den antiken Philosophen fokussiert.
Für den zugrundeliegenden Vergleich ist anzugeben, dass Aristoteles neben der Politik auch in anderen Werken den menschlichen Tätigkeitsbegriff erläutert. So sind die Nikomachischen Ethik als auch einzelne Textpassagen der De Anima Schriften zu erwähnen. Die umfassendsten Ausführungen finden sich dennoch im erstgenannten Werk, sollen die Bedeutung der Restlichen, vor allem hinsichtlich der Ausführungen in der Tugendlehre, aber weder bestreiten noch verschweigen.
Aristoteles befasst sich in Politik ausführlich mit dem Staat und den darin lebenden Menschen. So konstatiert er im ersten Buch, dass alle Menschen in einer Gemeinschaft leben „und jede Gemeinschaft […] zum Zwecke eines bestimmten Gutes gebildet [wurde]“.8 Zudem beschreibt er das, „was von Natur aus herrscht und beherrscht wird“.9 Diese Leitgedanken ziehen sich durch das gesamte erste Buch, in welchem er vor allem die Grundlagen seiner Staatsentstehung und Anthropologie übermittelt.
Neben einer Kritik anderer Verfassungen im zweiten Buch, vor allem der Politeia Platons, erläutert er in Buch III und IV politische Grundbegriffe sowie verschiedene Verfassungsformen. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Fragen nach den nötigen „Qualifikationen[,] die Bürger einer Polis besitzen müssen, um sich an der archê: Herrschaft und Regierung aktiv beteiligen zu können“ sowie der Erforschung der für ihn besten Staatsformenlehre.10 Komplementiert wird seine Theorie in Buch V und VI. in welchen er den Verfassungswandel und -erhalt, die Tyrannis, Demokratie als auch Oligarchie intensiver beleuchtet.11
Abschließend entwirft Aristoteles in den Büchern VII und VIII seine Utopie einer optimalen Gemeinschaft und legt dabei besonderes Augenmerk auf die notwendige Erziehung seiner Bürger.12 Die für diese Arbeit essenziellen Textstellen finden sich primär im ersten und siebten Abschnitt.
Analysiert Aristoteles in seinen Werken noch ein eher weites Themenfeld, befasst sich die arendtschen Studie hingegen zielgerichteter mit dem menschlichen Tätigsein an sich. Sie identifiziert jeden Menschen als ein „bedingte[s] Wesen, weil ein jegliches, womit sie in Berührung kommen, sich unmittelbar in eine Bedingung ihrer Existenz verwandelt.“13 Weiter konstatiert sie den Menschen aufgrund der Erfolge in den Naturwissenschaften als „nicht erdgebundene Wesen“, sieht aber auch Probleme in der Bestimmung seiner Natur, weil wir nicht „über unseren eigenen Schatten springen“ können.14 Arendt erweitert den Begriff der Vita activa, der ursprünglichen antiken Ausübung eines politischen Engagements und interpretiert ihn zeitgenössisch. Zudem nennt sie mit der „Erde, Natalität und Mortalität [sowie] Weltlichkeit und Pluralität“ die Grundvoraussetzungen menschlichen Lebens und ihrer späteren Ausführungen.15 Abschließend schreibt sie im ersten Abschnitt über die Hypothese der „Ewigkeit und Unsterblichkeit“, welche antike Philosophen – analog zu göttlichen Handlungen – im Prinzip des reinen Denkens und den daraus resultierenden Taten sahen.16
Im zweiten Kapitel definiert die Autorin den öffentlichen und privaten Raum. Zurückführend auf die antiken Vorstellungen beschreibt das Private den Haushalt, in welchem unfreie Tätigkeiten vollzogen werden. In der Öffentlichkeit dahingegen finden gutes Handeln und politische Themen statt. Zudem führt Hannah Arendt weiter aus, dass sich der private Sektor in ihrer heutigen Arbeitsgesellschaft immer mehr mit dem öffentlichen Sektor vermische. Der Prozess der Überlagerung des Verborgenen auf das Öffentliche sieht die Publizistin als fatale Entwicklung an, die Sie auf die Emanzipation der Arbeit zurückführt.17
Im dritten bis fünften Kapitel finden sich die für dieses Elaborat entscheidenden Passagen. Mit den Überschriften „Die Arbeit“, „Das Herstellen“ und „Das Handeln“ verdeutlicht Arendt schon vor dem eigentlichen Studieren ihrer Texte, den dreifach differenzierten Tätigkeitsbegriff. Das Arbeiten entspreche hierbei „dem biologischen Prozeß [sic!] des menschlichen Körpers“ und diene der Erhaltung des Organismus.18 Das Herstellen indes definiert die Welt der künstlichen erzeugten Dinge und überdauert im Gegensatz zur Arbeit eine gewisse Zeit. Folglich ist es zur Errichtung und zum Fortbestehen einer standhaften Welt nötig.19 Das Handeln wiederum identifiziert Hannah Arendt als „einzige Tätigkeit der Vita activa, die sich ohne die Vermittlung von Materie, Material und Dingen direkt zwischen Menschen abspielt.“20 Sie ist gekoppelt an die Pluralitätsbedingtheit des Menschen und unterscheidet uns grundlegend von der animalen Welt.21
Die Studie Arendts im abschließenden sechsten Kapitel ist von der Analyse des Änderungsprozesses zwischen der Vormoderne und Moderne geprägt. Mithilfe eines geschichtlichen Bogens versucht die Philosophin hierbei die Kernaussage des „Sieg[es] des Animal laborans“ zu verdeutlichen und begründet ihr Statement mit der Begrenzung des politischen Handelns mittels der Funktionalität und Konformität.22
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1 Schubert, Klaus; Klein, Martina (2018): Das Politiklexikon. Begriffe, Fakten, Zusammenhänge, Band 10206, 7. Auflage, Bonn. Seite 26.
2 Walther, Rudolf (1990): Arbeit – Ein begriffsgeschichtlicher Überblick von Aristoteles bis Ricardo. In: König, Helmut (Hrsg.); Burckhardt, Martin: Sozialphilosophie der industriellen Arbeit. LEVIATHAN Zeitschrift für Sozialwissenschaften 11, Wiesbaden. Seite 4.
3 Walther (1990), Seite 5.
4 Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm (1854): „Arbeit“. In: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Erstbearbeitung (1854 – 1961), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/wb/dwb/Arbeit#GA05417, zuletzt abgerufen am 01.04.2022 und Baldinger, Kurt (1958): Vom Affektwort zum Normalwort. Das Bedeutungsfeld von altgaskognisch ‚trebalh‘ „Plage; Arbeit“, in: Keller, Hans-Erich (Hrsg.): Etymologica. Walther von Wartburg zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen. Seite 59 – 62.
5 Popp, Alexandra (2007): Arbeiten und Handeln. eine Weiterführung von Hannah Arendt, Marburg. Seite 22 – 24.
6 Aßländer, Michael Stefan (2005): Bedeutungswandel der Arbeit. Versuch einer historischen Rekonstruktion, München.
7 Frambach, Hans A. (1999): Arbeit im ökonomischen Denken. Zum Wandel des Arbeitsverständnisses von der Antike bis zur Gegenwart, Marburg.
8 Aristoteles (2019a): Politik. Übersetzung von Schütrumpf, Eckart, in: Philosophische Schriften in sechs Bänden. Band 4, Hamburg. I 1, 1252a 1 – 10.
9 Ders., I 2, 1252a 4 – 5.
10 Höffe, Otfried (Hrsg.) (2011): Aristoteles, Politik. 2. Auflage, Berlin. Seite 8 – 9.
11 Ders., Seite 9 – 10.
12 Ders., Seite 10 – 11.
13 Arendt, Hannah (1999): Vita activa oder Vom tätigen Leben. 11. Auflage, München. Seite 18.
14 Dies., Seite 19 – 20.
15 Dies., Seite 16 – 27.
16 Dies., Seite 28 – 32.
17 Dies., Seite 33 – 89.
18 Dies., Seite 16
19 Ebd.
20 Dies., Seite 17.
21 Dies., Seite 17 – 21.
22 Dies., Seite 318 – 415.