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Hausarbeit, 2019
14 Seiten
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Geschlecht
2.1.1 Das biologische Geschlecht
2.1.2 Das soziale Geschlecht
2.1.3 Zweigeschlechtlichkeit
2.2 Pädagogische Fachkräfte
2.3 Elementarbereiche (Kindergärten/Kitas)
3.Das System der Zweigeschlechtlichkeit.
3.1. Das Konstruieren von Geschlechterrollen durch die Spielzeugbranche
3.2. Die Vermittlung von geschlechtertypischer Aufgabenverteilung
4. Geschlechterdifferenzierung und pädagogische Fachkräfte
4.1 Die Minderheit der Männer in der Pädagogik
4.2 Wie können pädagogische Fachkräfte Stereotypenbildug Entgegenwirken?
5. Fazit
Literaturverzeichnis
„Biologically men and women are 98 per cent chromosomally identical. We are one chromosome away from being the opposite sex” (Synnot 1993, S.38) Obwohl nur ein Chromosom Männer und Frauen voneinander unterscheidet, ergeben sich doch aus diesem Unterschied weitreichende Auswirkungen auf die Konstruktion von Geschlechtern, welche im Fokus dieser Arbeit liegen und vor dem Hintergrund empirischer Forschungen systematisch ermittelt und analysiert werden. Wenn wir an Männer, oder Frauen denken, dann denken wir automatisch auch an Dinge, die wir mit diesem Geschlecht assoziieren: „Alle, […] haben eine – nicht notwendig klar artikulierte – Vorstellung davon, was typisch weiblich und was typisch männlich ist […].“ (Meuser 1995 S. 109) Jeder Mensch hat somit bestimmte Vorstellungen vor Augen, wenn es darum geht, typische Verhaltensweisen von Frauen und Männern zu beschreiben. Besonders konzentriere ich mich hierbei darauf, wie die Aufgaben- und Rollenverteilung von Mann und Frau in der Gesellschaft angesichts dieser Vorstellungen entstanden ist und wodurch sie aufrecht erhalten wird. Diese Vorstellungen und gebildeten Stereotype werden in dieser Arbeit mit Hilfe von empirischen Forschungsarbeiten und Theorien genauer untersucht, erklärt und auf ihren Ursprung in der Gesellschaft hin untersucht, um Aufschluss darüber zu geben, in welchen Verhältnissen wir uns innerhalb der Geschlechterthematik bewegen. Die Stigmatisierungen im Bezug auf das Geschlecht werden stetig durch soziale Interaktionen weitergegeben und manifestieren sich somit in der Bevölkerung. Diese Hypothese und die grundlegende Frage wie die Tradierung von Geschlechterbildern im Kontext des Aufwachsens verläuft, sind dominierende Diskussionspunkte dieser Ausarbeitung. Abschließend wird auf die vorher aufgekommenen Fragestellungen aufbauend erläutert, wie Fachkräfte aus sozialen Institutionen wie Kindertagesstätten diesen präsenten Geschlechtsstereotypen und der essentialistischen Annahme eines natürlichen Geschlechts schon im Kindesalter entgegenwirken können und warum gerade männliche Fachkräfte in der Pädagogik so wichtig sind.
Folgend aufgeführte Begriffe sind für das Verständnis von Geschlecht in seiner Herkunft, seiner Sichtweise und seiner Ausübung von Individuen in der Gesellschaft von Bedeutung.
„Historisch ging man grundsätzlich von einer biologisch-genetischen Verfasstheit geschlechtlicher Differenzen aus, allerdings kam es innerhalb der Geschlechterforschung zum Wandel von biologisch-genetischen Erklärungsmustern hin zu der Betonung einer historischen, kulturellen und sozialen Konstitution geschlechtlicher Unterschiede.“ (Kubandt 2017 S.4)
Das Geschlecht ist ein biologisches Faktum. Ob jemand ein Junge oder ein Mädchen […] lässt sich meist sehr genau aus den äußeren Geschlechtsorganen (Scheide oder Penis) schließen, deren Beschaffenheit fast perfekt mit dem chromosomalen Geschlecht (XX oder XY) korreliert. (Asendorpf & Neyer 2012 S. 334).
Die Unterschiede der Geschlechter aus rein genetischen Aspekten sind jedoch zu kurzsichtig. Um Geschlecht richtig zu erfassen und zu definieren, müssen verschiedene Ebenen betrachtet werden, wie zum Beispiel die Soziale Definition von Geschlecht.
Peterson & Hann (1999, S. 327) nennen vier Einflussfaktoren der Sozialisierung, die zur Bildung von Geschlechterstereotype beitragen. Beeinflussend wirken hierbei die Eltern „parent effects“, andere Kinder bzw. Gleichaltrige „child effects“, die Wechselwirkung aus der Gesellschaft „reciprocal socialization“ und die systemisch-ökologischen Faktoren „systemic-ecological theory“. Daraus lässt sich schließen, dass aus diesen vier Perspektiven Geschlecht als Resultat vieler sozialer und gesellschaftlicher Einflussfaktoren hervorgeht, die als Umwelt auf das Individuum einwirken. „Was wir als männlich (und als weiblich) begreifen, ist das Ergebnis bestimmter historischer, kultureller, ökonomischer und politischer Bedingungen.“ (Meuser 1995 S. 108)
Menschen können nur dem einen oder dem anderen Geschlecht angehören. Dies wird beispielsweise an körperlichen Merkmalen wie der primären und sekundären Geschlechtsorgane ausgemacht. (vgl. Bereswill 2019 S. 50)
Das Berufsfeld einer pädagogischen Fachkraft lässt sich aus dem Kindertagesbetreuungsgesetz, Pädagogisches Personal und Zusatzkräfte, § 7 wie folgt definieren:
(1) In den Einrichtungen sind die Kinder durch pädagogisch qualifizierte Fachkräfte zu betreuen, zu erziehen und zu bilden.
(2) Fachkräfte in Einrichtungen sind:
1. staatlich anerkannte Erzieher und Erzieherinnen sowie staatlich anerkannte Erzieher und Erzieherinnen der Fachrichtung Jugend- und Heimerziehung.
2. staatlich anerkannte Kindheitspädagogen und Kindheitspädagoginnen von Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen oder sonstigen Hochschulen.
3. staatlich anerkannte Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen, staatlich anerkannte Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, Diplompädagogen und Diplompädagoginnen, Diplom-Erziehungswissenschaftler und Diplom-Erziehungswissenschaftlerinnen mit sozialpädagogischem Schwerpunkt sowie Bachelor-Absolventen und Bachelor-Absolventinnen dieser Fachrichtungen.
„Der Elementarbereich umfasst die Einrichtungen familienergänzender Bildung und Erziehung für Kinder im vorschulischen Alter nach Vollendung des 3. Lebensjahres. Diese Institutionen werden als Kindergärten von Trägern der freien und öffentlichen Jugendhilfe sowie von privaten Trägern unterhalten.“ (Deutscher Bildungsrat 1973)
Nach einer in der Gesellschaft habitualisierten Vorstellung wird Zweigeschlechtlichkeit als eine biologisch begründete körperliche Gegebenheit wahrgenommen, die unveränderbar erscheint. (vgl. Bereswill 2019 S. 50) Aus der Perspektive der Zweigeschlechtlichkeit wird dabei mit Hilfe von Stereotypen und Unterteilungen in binären Geschlechterrollen und -identitäten versucht, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern darzustellen und zu erklären. (vgl. Bramberger 2008) Dausien wiederum unterstützt nicht die eben genannte These von Bereswill. Sie betont, dass das Geschlecht eine rein soziale Konstruktion darstellt. Die soziale Konstruktion von Geschlecht erfasst die Zweigeschlechtlichkeit in unserer Gesellschaft als Ergebnis historischer Entwicklungen. (Dausien 2002, S. 177ff.) Darüber hinaus wird das System der Zweigeschlechtlichkeit von sozialen Praxen, welche zur Reproduktion der zweigeschlechtlichen Alltagstheorie beitragen, stabilisiert (vgl. Wetterer 2010, S. 126). Auch das eigene Geschlecht wird gemäß dem Konzept nicht durch die Geburt lebenslang erworben, sondern von den Subjekten in Handlungen und Interaktionen hergestellt. Diese konstruktivistische Perspektive distanziert sich somit von Annahmen eines natürlichen Wesens von Mann und Frau (vgl. Riegraf 2010, S. 59f.). Die binäre Funktion von Geschlecht tritt besonders dann hervor, wenn bestimmte Räume nur für ein bestimmtes Geschlecht zugänglich sind, oder für dieses eigens spezielle Rahmenbedingungen geschaffen werden, Die binäre Geschlechterordnung ist demnach tief in unserem sozialen Alltag verankert und wird auch von diesem konstruiert. (vgl. Bereswill 2019 S. 51) Viele Mädchen und Jungen äußern ab dem Ende des Kindergartenalters sehr klischeehafte Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit: Männer fahren Auto, Frauen kochen, rosa ist weiblich, Pistolen sind männlich. Dies liegt daran, dass Kinder in diesem Alter „die Geschlechtsstereotype erlernen, von denen unsere Gesellschaft geprägt ist“, mit der Folge, dass eigene Gedanken schnell verdeckt werden. (Rohrmann & Wanzeck-Sielert 2014 S. 39). Diesen Zuschreibungen über männlich und weiblich wird demnach erwartet, dass sich Frauen und Männer auch ihrem Geschlecht entsprechend verhalten. (vgl. Bereswill 2019 S. 51) Die Menschheit sei schließlich von Natur aus zweigeschlechtlich strukturiert und Heterosexualität bilde dabei die einzige Normalität und Grundlage. Diese zwei Annahmen bilden deshalb die zentralen Elemente des Alltagswissens über Zweigeschlechtlichkeit in der Gesellschaft. (vgl. Degele 2004, S. 51) Es lässt sich deshalb von einem System der Zweigeschlechtlichkeit sprechen, dass unser gesamtes Leben schon seit dem Kindesalter umfasst und beeinflusst. (vgl. Hagemann-White 1984 S.78)
Der Sachverhalt wie die Gesellschaft diese Stereotypen und somit auch Geschlecht schon von klein auf herstellt, lässt sich in einem Textabschnitt von Barbara Rendtorff aus dem Jahre 2015 gut erläutern, indem sie als erstes Beispiel auf die Spielzeugbranche zurückgreift:
Wesentliche Faktoren, die zu diesen Befestigungen und Verstärkungen beitragen, sind neben dem Erziehungsverhalten von Erwachsenen vor allem mediale sowie durch das Marktangebot transportierte Darstellungen von Jungen und Mädchen, die durch Kleidung, Mode, Spielsachen und Schulmaterial deren Selbstbilder und Selbstentwürfe beeinflussen. (Rendtorff 2015 S.15)
Die Spielserien von LEGO und Playmobil für Jungen und Mädchen zeigen die Grundlinie dieser Darstellungen und Zuschreibungen an beide Geschlechter. Zum Beispiel bietet LEGO zwei parallele Serien an: „Gemeinsam träumen“ auf rosafarbenem Untergrund sowie „Abenteuer erleben“ in kräftigem Rot. (vgl. ebd.) Daraus lässt sich schlussfolgern, dass dank dieser sich an dem jeweiligen Geschlecht orientierten Spielserien, den Kindern unabsichtlich Informationen über den Charakter von weiblich und männlich vermittelt werden. Ihnen wird damit automatisch signalisiert, was zu Ihnen passt und welche Interessensfelder für sie typisch sind. (vgl. ebd.) Aktivitäten von Mädchen und Frauen sind auch im Spielzeugangebot ganz überwiegend in Verbindung mit Häusern abgebildet z.B. das rosafarbene Märchenschloss, die Tierarztpraxis oder der Gartenpavillon, während die den Jungen angebotenen Aktivitäten häufig im öffentlichen Raum stattfinden: Der Feuerwehrmann agiert im Freien, oder er reitet mit den Indianern, oder bewacht als Ritter seine Burg. (vgl. ebd.)
Mit der Zuordnung zu einer der beiden Geschlechtergruppen werden Frauen und Männer zumeist unterschiedliche Eigenschaften, Fähigkeiten, […] oder kognitive Merkmale zugeschrieben. (vgl. Bereswill 2019 S. 51) Die Zuweisung des Mannes zur öffentlichen Sphäre beziehungsweise die der Frau zur häuslichen Sphäre wurde früher mit einer natürlichen Veranlagung der Geschlechter begründet. (vgl. Riegraf 2010, S. 63) Betrachtet man nun die Räumlichkeiten des angebotenen Spielzeugs für Mädchen und Jungen, so kristallisiert sich unbewusst die vermeintliche Aufgabenverteilung von Mann und Frau heraus: Die Frau wird eher mit häuslicher Fürsorglichkeit und Pflege in Verbindung gebracht und der Mann eher als unabhängiges Wesen mit kriegerischer, heldenhafter Funktion (vgl. Rendtorff 2015 S.17)
Deshalb ist es merkwürdig, dass in den Spielzeugwerbungen letztendlich genau das […] zu sehen ist, wenn die weiblichen Lego Figuren sich nahe bei den Häusern aufhalten, sich miteinander und mit den täglichen Belangen wie Essen und Trinken beschäftigen, während das Angebot für die Jungen als dynamische Aneignung und Aktivität in Form von Abenteuern aus dem Haus hinaus ins Außerhalb führt. (ebd).
Zu sehen ist, die Vorstellungen von männlichen und weiblichen Aufgabenfeldern werden hier somit von der Gesellschaft hergestellt und zementiert. Tätigkeiten, die aus der Privatsphäre, wie Kochen, waschen, Erziehung, etc. die zunehmend in den öffentlichen Arbeitsmarkt übergegangen sind, waren und sind daher bis heute weiblich konnotiert. (Vgl. Buschmeyer 2013 S. 208) Dadurch werden ebenfalls wertende Aussagen über die Persönlichkeit von Männlichkeit und Weiblichkeit transportiert und vermittelt. „Eigenschaften wie fürsorglich werden als weiblich, Eigenschaften wie selbstsicher als männlich bezeichnet.“ (Rohrmann & Wanzeck-Sielert 2014 S.34) Die Aufgabe der Männer der bürgerlichen Gesellschaft war die Entwicklung – die Weiterentwicklung der Kenntnisse, der Industrie und Technologie und die Eroberung anderer Länder. Diese Aufgabe konnten sie nur dann ausüben, wenn ihnen der Rücken freigehalten wurde, wenn für Essen und Schlafen und für die Erziehung gesorgt war, so dass sie sich aus dem Haus heraus in die bürgerliche Arbeitswelt begeben konnten. (vgl Rendtorff S.17)
[...]