Hans Sachs gilt heute gemeinhin als der facettenreichste und weitaus produktivste deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts. Im Zuge seines Schaffens brachte er nicht weniger als 6170 literarische Produkte hervor, die den vielfältigsten Gattungen zugehörten: Meisterlieder, Spruchgedichte, Schwänke, Fastnachtsspiele, Komödien und Tragödien. Davon ausgehend nimmt sich die Anzahl seiner sogenannten Prosadialoge, d.h. nicht in Versen verfassten Dialoge, recht gering aus. Wie Sachs in seiner „summa all meiner gedicht“ angibt, habe er „artlicher dialogos siben [...] ungereimet in der pros / ganz deutlich, frei on alle glos“ (zitiert nach Wernicke, 1) geschrieben. Dazu zählen auch die vier im Dienste der Reformation stehenden Dialoge aus dem Jahre 1524: Zu ihnen gehören erstens die „Disputation zwischen einem Chorherren und Schuchmacher darinn das wort gottes / vnd ein recht Christlich wesen verfochten würdt“, zweitens „Eyn gesprech von den Scheinwercken der Gaystlichen / vnd jren gelübdten / damit sy zuouerlesterung des bluots Christi vermaynen selig zue werden“, drittens „Ein Dialogus / des inhalt / ein argumennt der Roemischen / wider das Christlich heüflein / den Geytz / auch ander offenlich laster etc. beteffend“ und viertens „Ain gesprech eins Evangelischen Christen / mit einem Lutherischen / darinn der ergerlich wandel etzlicher / die sich Lutherisch nennen / angezaigt / vnd bruderlich gestrafft wirdt“.
Die literarische Kunstform des Wechselspiels von Rede und Gegenrede beginnt in der Antike mit den sokratischen Dialogen Platons. Im Humanismus verhelfen ihr Erasmus von Rotterdam und Ulrich Hutten, anknüpfend sowohl an Ciceros peripatetische als auch Lukians satirische Dialoge, zu neuer Blüte. Im Kontext der Reformation entstanden schließlich durch die Anregung des „Gesprächbüchlins“ Huttens massenhaft Streitschriften in Gesprächsform. Einige von ihnen heben sich nicht nur durch ihren prosaischen Charakter von ihren Vorgängern ab, sondern auch dadurch, dass an ihrer Produktion erstmals nicht nur Gelehrte beteiligt waren. Dieser Gruppe war auch Hans Sachs angehörig, dessen eigentliches Metier nicht das Dichten, sondern das Schuhmacherhandwerk war.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Sachs und die Reformation
- Der Prosadialog
- Bedeutungselemente der Dialoge I: Lebendige Wirklichkeit
- Argumentationsinhalte
- Figurengestaltung
- Sprache
- Motivierung
- Bedeutungselemente der Dialoge II: Polemik, Ethopoiie und die soziale Dimension
- Erster Dialog
- Zweiter Dialog
- Dritter Dialog
- Vierter Dialog
- Intendierte Wirkung
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die vier Prosadialoge des Meistersängers Hans Sachs aus dem Jahr 1524, die im Kontext der Reformation entstanden sind. Ziel ist es, die Bedeutungselemente der Dialoge zu untersuchen und ihre intendierte Wirkung zu beleuchten. Dabei wird der Fokus auf die Darstellung der zeitgenössischen Gesellschaft, die Auseinandersetzung mit den reformatorischen Ideen und die Rolle der Sprache gelegt.
- Die Rolle des Prosadialogs in der Reformationsliteratur
- Die Bedeutungselemente der Dialoge: Argumentationsinhalte, Figurengestaltung, Sprache und Motivierung
- Die Polemik und die soziale Dimension der Dialoge
- Die intendierte Wirkung der Dialoge auf die zeitgenössische Gesellschaft
- Hans Sachs als Vertreter der Reformation und seine literarische Position
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Hans Sachs als den facettenreichsten deutschen Dichter des 16. Jahrhunderts vor und beleuchtet seine vielfältige literarische Produktion. Dabei wird der Fokus auf seine vier Prosadialoge aus dem Jahr 1524 gelegt, die im Kontext der Reformation entstanden sind. Die Einleitung skizziert die historische und literarische Bedeutung der Dialoge und stellt die zentralen Themen der Arbeit vor.
Das zweite Kapitel widmet sich dem historischen Kontext der Reformation und beleuchtet die zentralen geistigen Strömungen und Tendenzen des 16. Jahrhunderts. Es wird die Bedeutung der Bibelübersetzung in die Volkssprache, die Entstehung des Laienpriestertums und die Kritik an der römisch-katholischen Kirche hervorgehoben. Darüber hinaus wird die Rolle Nürnbergs als Zentrum der reformatorischen Auseinandersetzungen und die persönliche Motivation Hans Sachs' zum öffentlichen Bekenntnis zu den Protestanten beleuchtet.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der literarischen Gattung des Prosadialogs und untersucht seine Bedeutung im Kontext der Reformationsliteratur. Es wird die Frage aufgeworfen, ob der Prosadialog als eigenständiges Genre betrachtet werden kann und die Rolle des Dialogs als Medium der öffentlichen Auseinandersetzung und der Verbreitung reformatorischer Ideen hervorgehoben.
Das vierte Kapitel analysiert die Bedeutungselemente der Dialoge, die in vier Unterkapiteln behandelt werden: Argumentationsinhalte, Figurengestaltung, Sprache und Motivierung. Es wird die Art und Weise untersucht, wie Sachs die verschiedenen Aspekte der Reformation in seinen Dialogen darstellt und welche literarischen Mittel er dabei einsetzt.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Polemik, der Ethopoiie und der sozialen Dimension der Dialoge. Es wird die Art und Weise untersucht, wie Sachs die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in seinen Dialogen darstellt und welche Kritik er an ihnen übt. Darüber hinaus wird die Rolle der Sprache als Mittel der sozialen und politischen Kritik beleuchtet.
Das sechste Kapitel untersucht die intendierte Wirkung der Dialoge auf die zeitgenössische Gesellschaft. Es wird die Frage aufgeworfen, welche Rolle die Dialoge im Kontext der reformatorischen Auseinandersetzungen spielten und welche Auswirkungen sie auf die öffentliche Meinung hatten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Hans Sachs, Prosadialog, Reformation, Reformationsliteratur, Nürnberg, Bibelübersetzung, Laienpriestertum, Polemik, Ethopoiie, soziale Dimension, Sprache, Argumentationsinhalte, Figurengestaltung, Motivierung, intendierte Wirkung, öffentliche Meinung.
- Arbeit zitieren
- Sarah Till (Autor:in), 2007, Lebendige Wirklichkeit und Polemik als strategische Methoden der Leserlenkung in den Reformationsdialogen des Hans Sachs, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/126594