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Seminararbeit, 2020
17 Seiten, Note: 1,7
Abkürzungsverzeichnis
1 Problemstellung
2 Allgemeines zum BilMoG
2.1 Ziele der handelsrechtlichen Rechnungslegung
2.1.1 Die Ausschüttungsbemessungsfunktion
2.1.2 Die Informationsfunktion
2.2 Ziele der Rechnungslegung nach IFRS
3 Änderungen durch das BilMoG
3.1 Aktivierung spezieller selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände §248 Abs. 2 HGB
3.1.1 Vom Aktivierungsverbot zum Aktivierungswahlrecht
3.1.2 Auswirkungen auf die Informations- und Ausschüttungsbilanz
3.2 Rückstellungsabzinsung
3.2.1 Die Diskontierungspflicht nach §253 Abs. 2 HGB
3.2.2 Auswirkungen der Diskontierungspflicht
3.3 Herstellungskosten
3.3.1 Gesetzliche Regelungen nach §255 Abs.2 HGB
3.3.2 Auswirkungen
4 Thesenförmige Zusammenfassung
5 Verzeichnis zitierter Schriften
6 Verzeichnis zitierter Gesetze
Abs. Absatz
Änd. Änderung
Aufl. Auflage
BFUP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
BilMoG Bilanzmodernisierungsgesetz
Bzw. Beziehungsweise
CF Conceptual Framework
DRS Deutschen Rechnungslegungs Standards
EStG Einkommenssteuergesetz
GAAP generally accepted accounting principles
GoB Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
HGB Handelsgesetzbuch
IAS International Accounting Standards
IFRS International Financial Reporting Standards
i.V.m. in Verbindung mit
KMU Kleine und mittlere Unternehmen
KoR Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung
Nr. Nummer
RegE Regierungsentwurf
RGBl. Reichsgesetzblatt
S. Seite
Vgl. Vergleiche
Das Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG) hat mit seiner Einführung im Jahr 2009 einige gravierende Änderungen in der deutschen Rechnungslegung bewirkt.1 Auch wenn anfänglich über eine Ersetzung des dem Privatrecht zugehörigen Handelsgesetzbuches (HGB) als Sonderrecht der Kaufleute bzw. Gewerbetreibenden durch die International Financial Reporting Standards (IFRS) diskutiert wurde, entschieden sich die Schöpfer des BilMoG für eine lediglich „maßvolle Annäherung“2 an die IFRS. Mit dieser Entscheidung sollte hauptsächlich der Kernpunkt des handelsrechtlichen Jahresabschlusses keine Änderung erfahren, sprich die Gewinnausschüttungsfunktion mit dem Grundsatz der Maßgeblichkeit bzw. Umkehrmaßgeblichkeit.3 Die Fassung des BilMoG sollte also lediglich eine Vergleichbarkeit zur IFRS herstellen und gleichzeitig eine „einfachere und kostengünstigere Alternative“4 zur IFRS darstellen.5 Die Informationsfunktion sollte mit dem BilMoG zwar weiterhin eine sekundäre Funktion nach der Ausschüttungsbemessungsfunktion einnehmen, unklar bleibt hier jedoch worauf mit dem Gedanken einer „in den Vordergrund“6 tretenden Informationsfunktion abgezielt wird.7
Die Frage, inwieweit die Ausschüttungsbemessungsfunktion ihre primäre Funktion in der deutschen Rechnungslegung behält, ist von großer Bedeutung, da mit dem BilMoG einige grundlegende Normen verändert, Ansatz- und Bewertungswahlrechte abgeschafft und nicht zuletzt neue Ansatz- und Bewertungskonzeptionen geschaffen wurden.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich insbesondere mit der Fragestellung, in welchem Maße die Ausschüttungsfunktion der deutschen Rechnungslegung mit der Einführung des BilMoG weiterhin die primäre Zielsetzung darstellt und ob demgegenüber die Informationsfunktion noch immer hintangestellt oder ggf. zu einem neuen Primat der Rechnungslegung erhoben wird.
Zu Beginn stelle ich dar, was die wesentlichen Unterschiede der deutschen Rechnungslegung und die der internationalen Rechnungslegung nach IFRS ausmacht. Anschließend gehe ich auf drei Einzelnormen ein, die sich durch das des BilMoG geändert haben und untersuche, wie sich diese Änderung auf die Ausschüttungs- und Informationsfunktion auswirken. Zum Schluss meiner Arbeit werden die wesentlichen Ergebnisse meiner Untersuchung im Hinblick auf die hier aufgeworfenen Fragestellungen in Thesenform nochmals zusammengefasst.
Als zentrale „Eckpunkte“ des HGB gelten auch nach Einführung des BilMoG die Ausschüttungsbemessungs- und die Steuerbemessungsfunktion.8 Ermittelt werden soll der sogenannte „entziehbare Gewinn“ in Höhe dessen eine Ausschüttung an die Gesellschafter erfolgen darf. Der Vermögensstamm des Unternehmens darf dabei nicht vermindert werden.9 Konkretisiert man diese Gewinnansprüche lassen sich zwei Funktionen hervorheben: Bei der Ermittlung des Gewinnes können Interessenunterschiede zwischen den Gewinnberechtigten und dem gewinnermittelnden Organ auftreten, weswegen ein Schutz der Gewinnberechtigten durch die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) erreicht werden soll. Einerseits soll eine Verminderung von entziehbaren Gewinnen unter anderem verhindert werden. Andererseits sollen die Interessen eines ggf. noch viel größeren Interessenkreises - darunter insb. die Belange der Unternehmenssicherung durch Begrenzung gewinnabhängiger Mittelabflüsse - berücksichtigt werden.10 Dieses Ziel der Unternehmenssicherung liegt sowohl im Interesse der Unternehmensgläubiger als auch der Gewinnberechtigten und wird, vornehmlich aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Ausschüttungssperren, durch die „GoB-unabhängige Gewinnverwendung“11 angestrebt.12 Auch der Gesetzgeber stand und steht insoweit vor einem Interessentenkonflikt und hatte die Aufgabe der Gewichtung dieser Interessen im Sinne des Vorsichtsprinzips.13
Eine subsidiäre Funktion der GoB nimmt die Informationsfunktion, d. h. die Frage ein, welche Informationen über die Unternehmenslage an die Jahresabschlussadressaten übermittelt werden sollen.14 Sowohl die Funktion der Selbstinformation des Kaufmanns als auch die der Information Dritter macht deutlich, dass die Informationsfunktion auf einen „Mindesteinblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens“15 abzielt. Gemäß §238 Abs.1 HGB hat jeder Kaufmann die Pflicht „Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen“ (§238 Abs. 1 HGB). Auch Kapitalgesellschaften haben mitunter im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses die Aufgabe „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-Finanz- und Ertragslage“ (§264 Abs. 2 Satz 1 HGB) zu schaffen.
Das primäre Ziel der Rechnungslegung nach den Bestimmungen des IFRS ist die Bereitstellung von „Informationen über die Vermögens- Finanz- und Ertragslage des Unternehmens“16, die vor allem für die Entscheidungen von Investoren, Kreditgebern und anderen Adressaten, nützlich und für deren Entscheidungen im Hinblick auf das Engagement in Unternehmen notwendig sind. Die Informationen sollen laut Conceptual Framework „complete, neutral and free from errors“17 sein. Wichtig anzumerken ist dabei, dass die IFRS lediglich eine reine Informationsfunktion besitzen und somit weder der Zahlungsbemessung noch der Steuerbemessung dient. Zwar stellt die Gewinnermittlung ein Element der Informationsfunktion dar, fungiert aber nicht als eignes Ziel der IFRS. Daraus folgend werden die IFRS nicht vom Vorsichtsprinzip bestimmt, da die Vorsicht laut Conceptual Framework (CF) nicht mit der in eben jenen CF als notwendig deklarierten Anforderung der Neutralität vereinbar wäre.18
Mit dem BilMoG wurde die alte Rechtslage des §248 Abs.2 HGB, wonach ein Verbot der Aktivierung von nicht entgeltlich erworbenen immateriellen Vermögensgegenständen geherrscht hat, durch ein Aktivierungswahlrecht ersetzt.19 Demnach dürfen seit der Einführung der neuen Fassung solche selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aktiviert werden, sofern diese im handelsrechtlichen Sinne einen Vermögensgegenstand darstellen.20 Der Regierungsentwurf zum BilMoG weist in diesem Kontext ausdrücklich auf die Regelung des §246 Abs.1 Satz 1 HGB hin, wonach nur Vermögensgegenstände in den Jahresabschluss aufgenommen werden dürfen und betont so die Verpflichtung des tatsächlichen Vorliegens eines Vermögensgegenstandes in Verbindung mit §248 Abs. 2 HGB.21 Das Ansatzwahlrecht impliziert jedoch, dass nur jene Herstellungskosten zu aktivieren sind, die bei der Entwicklung des Vermögensgegenstands angefallen sind. Dies geht aus der Fassung des §255 Abs.2a Satz 1 HGB hervor. Forschungs- und Vertriebskosten sind demnach nicht aktivierungsfähig (§255 Abs.2a Satz 1 HGB). Für „selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens“ (§248 Abs.2 Satz 2 HGB) herrscht, aufgrund ihrer Eigenschaft, sich wertmäßig nicht angemessen verlässlich bestimmen zu lassen, ein Aktivierungsverbot.22
Schon vor der Veröffentlichung des BilMoG gab es im Schrifttum zur Rechnungslegung Forderungen, das Ansatzverbot für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände abzuschaffen. Befürworter der Ansatzpflicht kritisierten, der Gesetzgeber würde mit dem Ansatzverbot das Vorsichtsprinzip überbewerten. Einer realistischen Darstellung des Vermögensausweises sei mit einer Ansatzpflicht genüge getan, was gleichzeitig auch die Stärkung der Informationsfunktion bedeuten würde. Ohne die Berücksichtigung der selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstände sei eine „Ungleichbehandlung“23 von Anlagevermögen und Umlaufvermögen in Bezug auf immaterielle Vermögensgegenstände gegeben. Fragwürdig auszulegen sei zudem die bisherige Beibehaltung in Bezug auf das Vollständigkeitsprinzips gemäß §246 Abs.1 HGB. Schließlich wurde von Kritikern der Ansatzpflicht eine mögliche Gefahr der Tendenz zur Erhöhung der Ausschüttungsbemessungsgrundlage angeführt. Insoweit als keine Ausschüttungssperre oder andere „Instrumente des Gläubigerschutzes“24 angesetzt würden, bestehe das Risiko einer „Aufzehrung der unternehmerischen Haftungsmasse“25.
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber somit mit dem Aktivierungswahlrecht, unter Berücksichtigung der Ausschüttungssperre, einen Mittelweg gefunden, um sowohl der Stärkung der Informationsfunktion, als auch der Wahrung der Ausschüttungsbemessung und des Gläubigerschutzes, nachzukommen.26 So legt die Rechtsprechung gemäß der neuen Fassung des §248 HGB dar, dass das Aktivierungswahlrecht, i.V.m. der in §268 Abs. 8 HGB dargelegten Ausschüttungssperre, lediglich das Vorsichtsprinzip berücksichtige. Auch würde dieses verstärkt werden durch das bestehende Aktivierungsverbot der in §248 Abs.2 Nr.2 HGB aufgeführten Vermögensgegenstände.27
Der Betriebswirtschaftler und Mitbegründer der Wissenschaft von der „Bilanz im Rechtssinne“ Prof. Dr. Adolf Moxter hingegen kritisiert, dass die Neuregelung eine „erhebliche Einschränkung des Vorsichtsprinzips“28 mit sich ziehe. Der Wert eines immateriellen Anlagegegenstandes lasse sich nämlich nur unzureichend verlässlich bestimmen. Zudem führt er an, das Gesetz hätte mit dem Aktivierungswahlrecht ein „faktisches Ansatzwahlrecht“29 geschaffen, was wiederum eine „Zukunftsprognose“30 voraussetzen würde.31
Die im HGB angesetzte Ausschüttungssperre ist zunächst nur auf Kapitalgesellschaften anzuwenden, was der in §268 Abs. 8 HGB verwendete Begriff der Ausschüttung bestätigt.32 Auch im RegE des BilMoG wird betont, dass lediglich Kapitalgesellschaften von der Ausschüttungssperre Gebrauch machen dürfen.33 An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass gemäß §264a HGB auch offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, unter bestimmten Vorraussetzungen - nämlich immer dann, wenn bei ihnen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter entweder eine natürliche Person oder eine offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter ist (vgl. § 264a Abs. I Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 HGB) - von der Ausschüttungssperre Gebrauch machen dürfen. Insoweit erstreckt sich die Anwendung der Ausschüttungssperre nicht auf „gewöhnliche“34 Personengesellschaften und Einzelkaufleute. Dieser Schutz sei nach Ansicht der Bundesregierung dabei aber ohnehin nicht notwendig.35
Ein weiterer Kritikpunkt im Hinblick auf die Zahlungsbemessungsfunktion ergibt sich aus der, durch das Aktivierungswahlrecht, hervorgehenden Ungleichheit im Vergleich zur Steuerbilanz. Gemäß §5 Abs. 2 EStG wird nämlich die Aktivierung von selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen steuerrechtlich weiterhin untersagt.36
Die stärkere Betonung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, wie sie der RegE zum BilMoG beschreibt, ist laut Prof. Dr. Moxter davon abhängig, wie man die neu gefassten Normen auslegt. Aus einer Auslegung des §248 Abs. 2 Satz 1 HGB gehe nämlich nicht notwendigerweise hervor, zu welchem Zeitpunkt in seiner Entwicklungsphase ein Vermögensgegenstand tatsächlich vorliegt. Er verweist dazu auf die fehlende Unbestimmtheit der Aktivierung einer Entwicklungsaufwendung. Es fehle sowohl gemäß §255 Abs.2a HGB als auch in der IFRS an einem hierzu erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad.37
[...]
1 Vgl. Gerhards (2020), S. 177.
2 Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 50
3 Vgl. Moxter/ Engel-Ciric (2019), S.49.
4 Rieg/ Heyd (2015), S.71.
5 Vgl. Rieg/ Heyd (2015), S.71.
6 Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 44
7 Vgl. Moxter/Engel-Ciric (2019), S.44.
8 Vgl. Bundesregierung: Gesetzesentwurf (2008) Drucksache 16/10067, S. 1.
9 Vgl. Wüstemann/Wüstemann (2018), S. 19 f.
10 Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 27.
11 Moxter/ Engel-Ciric (2019), S.27.
12 Vgl. Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 27.
13 Vgl. Moxter/ Engel-Ciric (2019), S.31.
14 Vgl. Binger (2009), S. 7.
15 Vgl. Wüstemann/ Wüstemann (2018), S.21.
16 Coenenberg/ Haller/ Schultze (2018), S.25.
17 Moxter, Engel-Ciric (2019), S. 47.
18 Vgl. Coenenberg/ Haller/ Schultze (2018), S.25.
19 Vgl. Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 43.
20 Vgl. Kütig/ Pfirmann/ Ellmann (2008), S. 690.
21 Vgl. Bundesregierung: Gesetzentwurf (2008) Drucksache 16/10067, S.49.
22 Vgl. Moxter/Engel-Ciric (2019), S. 39.
23 Velte (2008), S.9.
24 Velte (2008), S.9.
25 Velte (2008), S. 9 f.
26 Vgl. Velte (2008), S. 9 f.
27 Bundesregierung: Gesetzentwurf (2008) Drucksache 16/10067, S. 109.
28 Moxter/ Engel-Ciric (2019), S.40.
29 Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 40.
30 Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 40.
31 Vgl. Moxter/ Engel-Ciric (2019), S. 40 f.
32 Vgl. Wehrheim, Rupp (2009), S.357.
33 Vgl. Bundesregierung: Gesetzentwurf (2008), Drucksache 16/10067, S. 64.
34 Petersen, Zwirner, Forschhammer (2010), S. 335.
35 Vgl. Bundesregierung: Gesetzentwurf (2008), Drucksache 16/10067, S.64.
36 Vgl. Schwamberger (2008), S. 48.
37 Vgl. Moxter, Engel-Ciric (2019), S. 50.