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Hausarbeit (Hauptseminar), 2022
26 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Gesundheit im Sozialraum – Theoretische Grundlagen
2.1 Zielgruppe und Problemlage
2.2 Abgrenzung Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung
2.3 Krankheitsprävention – Drei Stufen Gliederung, Risikofaktoren und rechtliche Verortung
2.4 Setting Ansatz – Prävention in Lebenswelten
2.5 Sozialepidemiologisches Modell – Ursachen für gesundheitliche Ungleichheit
3. Mitgliedergewinnung und Zieldefinierung
3.1 Zieldefinierung
3.2 Mitgliedergewinnung
4. Projektablauf
5. Methodisches Vorgehen
6. Finanzierung und Kostenplan
7. Nachhaltigkeit und Übertragbarkeit
8. Evaluationsmöglichkeiten
9. Anhang
Literaturverzeichnis
Die Gesundheit ist das höchste Gut – die fortlaufende gesellschaftliche Entwicklung zeigt jedoch auf, dass das Ungleichgewicht immer mehr zunimmt. Sowohl im sozialen Kontext wie auch in der gesundheitlichen Verfassung der Menschen zeigt sich dies. Soziale Ungleichheit lässt sich mehr denn je am Bildungsniveau und an finanziellen Möglichkeiten der betroffenen Personen messen. Menschen, die mit gesellschaftlichen Benachteiligungen zu kämpfen haben äußern sich in Befragungen hinsichtlich ihres Gesundheitsempfindens eher defizitär. Diese gesundheitlichen Einschätzungen werden durch Studien des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) bestätigt, wonach z.B. die Lebenserwartung von Männern mit Einkommen unterhalb des Armutsrisikos um 8 Jahre kürzer ausfiel als dies bei Männern mit höherem Einkommen der Fall sei (vgl. Lampert et al 2021: o.S.). Sozialer Stress und Belastungsmomente im Lebensalltag von Menschen mit Benachteiligungen führen unweigerlich zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die sich nicht selten in psychosomatischen Symptomen äußern. Auch im Hinblick auf eine ausgewogene Ernährung wird der Unterschied zwischen den finanziellen Ressourcen deutlich. Sozialleistungsempfängern ist es nur bedingt möglich sich durchgehend mit Lebensmitteln zu versorgen, die als gesundheitsfördernd und qualitativ hochwertig angesehen werden. Chronische Krankheiten sowie Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes können hier Folgen sein. Aber auch unmittelbare körperliche Einschränkungen wie Übergewicht oder Mangelerscheinungen tragen dazu bei, dass sich der Gesundheitsstatus negativ verändert und hierdurch wiederum die soziale Teilhabe eingeschränkt werden kann.
Diese Daten zeigen bereits auf, dass soziale Ungleichheit nicht selten mit gesundheitlichen Einschränkungen und Risiken einher geht. Hier spielt der Sozialraum, in dem sich die Betroffenen bewegen eine zentrale Rolle. Die Frage nach Möglichkeiten, soziale und gesundheitliche Angebote in Anspruch nehmen zu können, spielt ebenso eine Rolle, wie die Angebote sozialer Arbeit, die zum Abbau soziale Ungleichheit zur Verfügung stehen.
Aufgrund dessen hat sich die Agentur für Arbeit nach einer Befragung von Sozialleistungsempfänger*innen hinsichtlich der Einstufung des eigenen gesundheitlichen Empfindens dazu entschlossen, einen Träger der Sozialen Arbeit damit zu beauftragen, ein Konzept zur Gesundheitsprävention für Leistungsempfänger zu erstellen und dieses unter Einbeziehung sozialräumlicher Ressourcen durchzuführen.
Im Folgenden werden neben der Zielgruppe auch die theoretischen Schwerpunkte sowie der geplante Projektablauf näher beschrieben. Des Weiteren wird ein Fokus auf die Festlegung der zu erreichenden Ziele und dem methodischen Vorgehen gelegt. Bevor die Projektkonzeption mit der Nachhaltigkeitsfrage und den Evaluationsmöglichkeiten abschließt, werden die Kostenfaktoren näher benannt.
Auch in einem Land wie Deutschland, das im internationalen Vergleich durchaus als Reich zu betiteln ist, lassen sich gesundheitliche Diskrepanzen auf den sozioökonomischen Status zurückführen. Gesundheit und soziale Lage sind somit nicht voneinander zu trennen. Menschen die von einem geringen Einkommen, Bildungsniveau und beruflichem Status betroffen sind, leiden somit nicht nur häufiger an Krankheiten, sie haben auch eine niedrigere Lebenserwartung. Nun kommt erschwerend hinzu, dass immer mehr Menschen in Deutschland von Armut betroffen sind und diese trotz eines fortschrittlichen Gesundheitssystems benachteiligt werden (vgl. Lampert, Mielck 2008: 7).
Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status leiden häufiger an psychischen- und chronischen Krankheiten und Beschwerden. Dazu gehören Herz-Kreislaufprobleme, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Bronchitis, Adipositas und Magengeschwüre. Gründe hierfür finden sich nicht nur in einem Lebensstil, der für die Gesundheit größere Risiken birgt oder in Verhalten, das für die Gesundheit relevant ist, sondern auch in den schlechteren Wohnbedingungen, Arbeitsbedingungen, in der sozialen Integration, in der gesundheitlichen Versorgung und der Mobilität (vgl. Lampert, Mielck 2008: 9ff).
Aufgrund des Zusammenhangs zwischen sozialem Status und der Gesundheit, werden Rufe lauter, die Chancengleichheit fordern. Auf politischer Ebene finden sich unterschiedliche Ansätze, die das Ziel verfolgen, die Gesundheit der Menschen zu verbessern, die mit einem geringen sozioökonomischen Status konfrontiert sind. Durch die Förderung der Bildung und der anschließenden Berufsbildung, sollen mehr Menschen in Arbeit gebracht werden. Durch diese Maßnahme sind weniger Menschen von Armut betroffen, was die Gesundheit der Adressat*innen fördert. Laut Bundesregierung nimmt die Verbesserung der Gesundheit von sozial Benachteiligten einen hohen Stellenwert ein. Doch was, wenn es nicht gelingt Menschen in Arbeit zu bringen. Laut Regierungserklärung sind hier Konzepte der Prävention und Gesundheitsförderung von Nöten, die am Alltag der Klienten ansetzen (vgl. Mielck 2012: 139ff).
Hier soll auch das nachstehende Projekt intervenieren. Orientiert an den Bedarfen von Menschen, die bereits erkrankt sind und die von sozialer Ungleichheit betroffen sind. Dabei steht der Sozialraum im Fokus, um präventive Maßnahmen in den Alltag der Klient*innen zu etablieren und sie dazu zu befähigen, selbst für eine gesundere Lebensweise einzustehen.
In der einschlägigen Fachliteratur sind die Begriffe Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention nicht eindeutig voneinander abgegrenzt. Zum Teil werden sie synonym verwendet. Um eine Zieldefinition zu gewährleisten, müssen diese beiden Begriffe allerdings bestimmt und voneinander differenziert werden (vgl. Hurrelmann et al. 2017: 13).
Gesundheitsförderung wird als Begriff definiert, der dazu beiträgt, den Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre eigene Gesundheit beizumessen. Die Definition von Gesundheitsförderung wurde im Laufe der Zeit weiterentwickelt, so definiert die Jakarta-Erklärung Gesundheitsförderung 1997 als „ein Prozess, der Menschen befähigen soll, mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu erlange und sie zu verbessern durch Beeinflussung der Determinanten für Gesundheit“ (Kaba-Schönstein 2018: 227). So fokussiert Gesundheitsförderung vor allem soziale und gesundheitliche Unterschiede und strebt nach Chancengleichheit. Hierbei werden die Ressourcen der Menschen in den Vordergrund gerückt und Potentiale geweckt, um die Förderung der Gesundheit umfassend auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu gewährleisten (vgl. ebd.).
Aus biomedizinischer-gesundheitswissenschaftlicher Sicht wird Krankheitsprävention als „die Gesamtheit aller Maßnahmen, die eine gesundheitliche Schädigung gezielt verhindern, weniger wahrscheinlich machen oder ihren Eintritt verzögern [definiert]. Krankheitspräventive Maßnahmen sollen das Risiko des Neuauftretens von Krankheiten, der Verschlimmerung von Krankheiten, die Entstehung von chronischen Einschränkungen und Behinderungen und die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Todes senken – zugleich zu einem möglichst langen Erhalt von Selbständigkeit, aktiver Lebens- und Krankheitsbewältigung im fortschreitenden Alter beitragen“ (Franzkowiak 2018: 48). Aus Perspektive der Gesundheitswissenschaften meint Prävention als Oberbegriff Intervention, die darauf abzielen die Ausbreitung und das Auftreten von Krankheiten und Gesundheitsbelastungen zu reduzieren. Hierbei gibt es eine Vielzahl an Maßnahmen wie etwa medizinische oder erzieherische Intervention oder Lebensweltbeeinflussungen. Der Begriff Krankheitsprävention beschreibt Handlungen, die mit der Zielsetzung erfolgen, das Eintreten oder Ausbreiten von Krankheiten zu vermeiden. Dies soll durch das Abwenden von Risiken geleistet werden (vgl. Franzkowiak 2018: 49).
Gesundheitsförderung und Prävention lassen sich als ergänzende Strategien verstehen, die auf die Verbesserung und den Erhalt der Gesundheit hinwirken. Bezieht sich Gesundheitsförderung hier in erster Linie auf Ressourcen, konzentriert sich Prävention auf Gesundheitsrisiken. Da sich Prävention grob gefasst als vorrausschauendes Eingreifen beschreiben lässt, das Krankheiten und Gesundheitsbelastungen reduzieren soll, lässt sich das vorliegende Projekt der Prävention zuordnen (vgl. Homfeldt, Sting 2015: 626). Die Teilnehmer*innen werden durch das Jobcenter aufgrund ihrer Vorbelastung und defizitärer Gesundheit ausgewählt und vermittelt. Dies weist auf präventives Handeln hin. Allerdings lassen sich die Begriffe Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung in der Praxis nicht eindeutig voneinander trennen.
Im weitesten Sinne lässt sich Prävention als vorbeugendes Eingreifen beschreiben, dass die Ziele der Vermeidung oder Verhinderung von Gesundheitsbelastungen, beziehungsweise Krankheiten, versteht. Bezüglich des Zeitpunktes, an dem die Prävention ansetzt, hat sich eine Gliederung aus drei Stufen ergeben. Diese unterscheiden Primärprävention, Sekundärprävention und Tertiärprävention. Die Primärprävention setzt vor der Entstehung von Krankheiten an. Dabei sollen Schutzfaktoren gefördert werden, die für den allgemeinen Gesundheitszustand von Nöten sind. Die Sekundärprävention zielt auf das Erscheinen erster Risikoindikatoren ab. Dabei werden Gesundheitsrisiken, vor allem in Gruppen minimiert, die als besonders gefährdet gelten. Die Überwindung von gesundheitlichen Problemlagen ist Gegenstand der Tertiärprävention. Hierbei sollen Rückfälle vermieden werden, was auf eine enge Verbindung zur Rehabilitation hindeutet. Da sich das drei Stufen-Schema an biomedizinischen Krankheitsmodellen orientiert, zielt es zunächst vorrangig auf individuelle Zugänge ab, die eine personenbezogene Komponente aufweisen. Da hier ein Konflikt der Zuständigkeiten entsteht, werden die Zielgruppen unterteilt. „Demnach richtet sich die `universelle Prävention´ an die Allgemeinbevölkerung, während sich die `selektive Prävention´ an besonders gefährdete Risikogruppen wendet und sich die ´indizierte Prävention´ mit Personen beschäftigt, die bereits manifeste Gesundheitsprobleme aufweisen“ (Homfeldt, Sting 2015: 626).
Neben der Gliederung in drei Stufen, die den Ansatz der Prävention im temporalen Sinne beschreiben, werden die Risikofaktoren in vier Bereiche klassifiziert. Die erste Klasse beinhaltet genetische physiologische Dispositionen. Hierzu zählen beispielsweise Stoffwechselkrankheiten oder Arterienverengungen. Ungesunde Verhaltensweisen, wie etwa Konsum von Suchtmitteln oder defizitäres Ernährungsverhalten fallen unter die Kategorie der behavioralen Dispositionen. Die Klassifikation der psychischen Risikofaktoren beschreibt andauernde Belastung oder Konflikte innerhalb einer Beziehung. Dispositionen ökologischer Natur können beispielsweise durch Strahlenbelastung entstehen oder Ozonbelastung in Form von jahrlanger ungefilterter Sonnenstrahlung. Diese Risikofaktoren basieren auf Wahrscheinlichkeiten und beziehen statistische Zusammenhänge ein. So kann davon ausgegangen werden, dass zum Beispiel das Risiko von Bluthochdruck bei Männern über 50 Jahre etwaig höher ist als bei anderen Bevölkerungsgruppen (vgl. Hurrelmann et al. 2017: 15).
Da sich Präventionsziele aus epidemiologischer Sicht oft an Lebensphasen messen, haben die Gesundheitswissenschaftlerin Walter und der Sozialmediziner Schwartz 2003 Handlungsfelder festgelegt, die eine Übersicht bieten. Die Klientel des Projekts bewegt sich in einer Altersspanne zwischen 25 und 64 Jahren. Demnach bestehen Handlungsfelder etwa aus Ernährung, Rauchen, Alkohol, körperliche Bewegung, Blutdruckkontrolle und körperliche und psychologische Belastungen am Arbeitsplatz (vgl. Franzkowiak 2018: 52).
Die bisherigen rechtlichen Bestimmungen, die im Kontext der Prävention ihre Gültigkeit haben, bestehend aus den Paragrafen 20-26 des fünften Sozialgesetzbuches. Diese wurden zum 01.01.2016 ergänzt. In diesem Jahr trat das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention“ in Kraft. Die neugeschaffen rechtlichen Grundlagen nehmen Einfluss auf eine Vielzahl an Handlungsfeldern und ergänzen sie durch neue Reglungen. In erster Linie sind allerdings Krankenkassen betroffen. Die Begriffe Primärprävention im gesundheitlichen Bereich und Gesundheitsförderung wurde definiert. Dabei sollen die nationalen Gesundheitsziele berücksichtigt und umgesetzt werden. Um dies zu ermöglichen, wird zwischen den drei Leistungsarten individuelle Verhaltensprävention, Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten nach dem Setting Ansatz unterschieden. Zudem wird der Auftrag an die Krankenkassen deutlich, sowohl gesellschaftliche als auch geschlechterbedingte Ungleichheiten in Bezug auf Gesundheit, durch die Leistungen aufzulösen. Darüber hinaus legt das neue Gesetz „den Aufbau einer Kooperations- und Koordinierungsstruktur zwischen den institutionellen Präventionsakteuren in Bund und Ländern […], die Qualitätssicherung und Finanzierung von Prävention, erweiterte Aufgaben für die BZgA sowie Neuschaffungen einer ärztlichen Präventionsempfehlung für Versicherte“ fest (Franzkowiak 2018: 54).
Dem „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention“ liegt die Prävention in Lebenswelten nach dem Setting Ansatz zugrunde. Der Setting Ansatz ist zentraler Bestandteil des nationalen und internationalen WHO-Netzwerks oder etwa der Präventionsempfehlungen des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland (vgl. Franzkowiak 2018: 77). Ein Setting beschreibt hier einen sozialen Raum, der Teil des Alltags eines Menschen oder einer Gruppe ist und Einfluss auf die Gesundheit ausübt.
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