Da sich die Beweggründe menschlichen Handelns zu einem durchaus beachtlichen Teil aus ansozialisierten (Geschlechts-)Rollenerwartungen speisen, wird sich in dieser Arbeit damit auseinandergesetzt, inwiefern zwischen geschlechtsspezifischer Sozialisation und der Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, ein Zusammenhang zu erkennen ist.
Dazu werden zunächst die wichtigsten Begrifflichkeiten erläutert. Der Hauptteil widmet sich der Bedeutung von Geschlechtsstereotypen, Geschlechtsrollen und der Ausbildung von Geschlechtsidentitäten, danach wird beleuchtet, ob eine zunehmende Gewaltbereitschaft von Mädchen und Frauen auf lange Sicht die bisherigen Geschlechterverhältnisse so nachhaltig infrage stellt, dass sich dadurch auch die geschlechtsbezogenen Sozialisationsinhalte verändern könnten.
Gewalt ist ein soziales Phänomen, das bereits seit über vierzig Jahren durch Forscher*innen aus den Gebieten Sozial-, Kultur- und Rechtswissen untersucht wird, mit steigender Tendenz. Gleichzeitig scheint das öffentliche Interesse an der Thematik immer mehr zuzunehmen. Der Faktor Geschlecht scheint in der Gewaltforschung mittlerweile eine nicht mehr vernachlässigbare Kategorie darzustellen. Sich auf tradierte Stereotype und gängige Rollenklischees stützend, behauptet noch so manche Alltagstheorie, Gewalt sei eine beinahe ausschließlich männliche Erscheinung, was zu hinterfragen ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definitionen wichtiger Grundbegriffe
2.1 Der Begriff des Geschlechts
2.2 Der Begriff der Sozialisation
2.3 Der Begriff der Gewalt
3. Geschlechtstypische Unterschiede - vorhanden oder gemacht?
4. Geschlechtsstereotype, Geschlechtsrollen und Geschlechtsidentitaten
5. Gewaltbereitschaft vor dem Hintergrund hegemonialer Mannlichkeit
6. Gewaltbereite Madchen -ein Ausdruck von Veranderung?
7. Resumee und Ausblick
Literaturverzeicnis
1. Einleitung
Gewalt ist ein soziales Phanomen, das bereits seit uber vierzig Jahren durch For- scher*innen aus den Gebieten Sozial-, Kultur- und Rechtswissen untersucht wird, mit steigender Tendenz. Gleichzeitig scheint das offentliche Interesse an der Thematik immer mehr zuzunehmen, einerseits, da die stattfindende massenme- diale Berichterstattung den Eindruck erweckt, Gewaltbereitschaft und die sie ab- bildenden Fallzahlen wurden sich stetig erhohen. Andererseits aber sicher auch aus der Uberlegung heraus, dass es mithilfe einer gezielten, wissenschaftlichen Betrachtung des Themengebiets Gewalt in Zukunft moglich sein konnte, die Ent- stehung gewisser Gewaltformen besser zu verstehen und dieser dadurch hof- fentlich in Zukunft praventiv entgegenzuwirken.1
Der Faktor Geschlecht scheint in der Gewaltforschung mittlerweile eine nicht mehr vernachlassigbare Kategorie darzustellen. Sich auf tradierte Stereotype und gangige Rollenklischees stutzend, behauptet noch so manche Alltagstheo- rie, Gewalt sei eine beinahe ausschlieftlich mannliche Erscheinung, was zu hin- terfragen ist.2
Da sich die Beweggrunde menschlichen Handelns jedoch tatsachlich zu einem durchaus beachtlichen Teil aus ansozialisierten (Geschlechts-)Rollenerwartun- gen speisen, mochte ich mich in dieser Arbeit damit auseinandersetzen, inwie- fern zwischen geschlechtsspezifischer Sozialisation und der Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, ein Zusammenhang zu erkennen ist. Dazu werde ich zunachst die wichtigsten Begrifflichkeiten erlautern. Im Hauptteil dieser widme ich ein Kapitel der Bedeutung von Geschlechtsstereotypen, Geschlechtsrollen und der Ausbil- dung von Geschlechtsidentitaten, danach mochte ich beleuchten, ob eine zuneh- mende Gewaltbereitschaft von Madchen und Frauen auf lange Sicht die bisheri- gen Geschlechterverhaltnisse so nachhaltig in Frage stellt, dass sich dadurch auch die geschlechtsbezogenen Sozialisationsinhalte verandern konnten.
Am Ende dieser Arbeit werde ich versuchen, noch einen kleinen Ausblick auf zukunftige Anknupfungspunkte zu bieten.
2. Definitionen wichtiger Grundbegriffe
2.1 Der Begriff des Geschlechts
Der Begriff des Geschlechts muss heutzutage als ein mehrdimensionaler ver- standen werden, da nicht mehr die Geschlechterforschung allein die bipolare Identifikation eines Individuums als mannlich oder weiblich fur unzureichend halt. Auch im alltaglichen Umgang der Geschlechter miteinander, der Eltern mit ihren Kindern oder ganz allgemein im Rahmen der Bewertung bestimmter Eigenschaf- ten (z.B. fursorglich, durchsetzungsfahig, kampferisch etc.) als typisch mannlich oder typisch weiblich findet eine zunehmende Aufspaltung des Begriffs Ge- schlecht statt. Zunehmend wird der aus dem Englischen stammende Ausdruck Gender bemuht, der auf eine Dimension des Geschlechtsbegriffs abzielt, die als das „soziale Geschlecht“ bezeichnet werden kann.3 Im Gegensatz zum rein bio- logischen Geschlechtsbegriff des Sex, enthalt Gender geschlechtstypische Ver- haltensweisen und auch Arten der Selbstinszenierung des eigenen (empfunde- nen?) biologischen Geschlechts. Hierzu gehoren auch Rollenstereotype, Rollen- erwartungen, kulturelle Zuschreibungen an die Geschlechter, die sich von Kultur zu Kultur unterscheiden und auch uber den Lauf der Zeit teilweise starken Ver- anderungsprozessen unterworfen sein konnen. Der wesentliche Unterschied zwi- schen Sex und Gender besteht also darin, dass Gender sozial erlernt und kultu- rell stark gepragt ist, sowie sich stetig wandelt.4
Festzustellen ist, dass soziale Akteure sich nach wie vor - trotz diverser Tenden- zen, auch das biologische Geschlecht als gewissermaften konstruiert zu erach- ten - noch immer in einem kulturellen System der Zweigeschlechtlichkeit bewe- gen und es - zumindest im alltaglichen Zusammenleben - oft noch unerlasslich erscheint, sich selbst oder andere einem biologischen Geschlecht zuzuordnen; (auch wenn seit Ende 2018 eine dritte Geschlechtsoption gemaft dem Gesetz zur Anderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben (divers)5 be- steht, durfte es m. E. noch eine Weile dauern, bis sich diese dritte Moglichkeit auch im Alltagsbewusstsein der Menschen etabliert.)6
2.2 Der Begriff der Sozialisation
Als Sozialisation wird in den Sozialwissenschaften ein Prozess der Entstehung und Entwicklung der Personlichkeit eines Individuums verstanden. Dabei ist das Individuum nicht eine unabhangige Grofte, sondern befindet sich in standiger, wechselseitiger Interdependenz mit seiner Umwelt; und zwar auf sozialer, mate- rieller und gesellschaftlich vermittelter Ebene.7
Dies geschieht im Gegensatz zur Erziehung nicht im Zusammenhang eines be- wussten und planmaftigen Einwirkens eines Erwachsenen auf einen Heranwach- senden, sondern quasi als unterschwelliges, aber stets wirkendes Nebenprodukt sozialer Interaktion.8
Im Rahmen seiner Entwicklung durchlauft das Individuum einzelne Phasen, in welchen jeweils unterschiedliche Sozialisationskontexte und -instanzen im Vor- dergrund stehen.
[...]
1 Vgl. Hormann, 2004, S. 6.
2 Vgl. Boatca & Lamnek, 2003, S. 13 f.
3 Vgl. Alshut, 2012, S. 20.
4 Vgl. Alshut, 2012, S. 21.
5 Vgl. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, (2019) https://www.antidiskriminierungs- stelle.de/DE/ThemenUndForschung/Geschlecht/Dritte_Option/Drttte_Option_node.html abgerufen am 20.06.20
6 Vgl. Alshut, 2012, S. 21.
7 Vgl. Niederbacher & Zimmermann, 2011, S. 15.
8 Vgl. Niederbacher & Zimmermann, 2011, S. 14.