In dieser Seminararbeit soll die These analysiert werden, ob sich die Anpassungsschwierigkeiten der NATO vor allem anhand der Two-Level-Games Theorie von Putnam sowie anhand des historischen Institutionalismus erklären lässt. Dafür soll zunächst überprüft werden, ob die USA innerhalb der NATO eine zu starke Machtposition innehaben und mit diesem Machtungleichgewicht eine Hierarchie kreiert, in welcher die anderen NATO-Mitglieder auf Handeln der USA warten, bevor sie selbst agieren. Danach soll darauf eingegangen werden, wie die NATO in ihren Mitgliedsstaaten gesehen wird und welchen Einfluss dies auf die Innovation neuer Problemlösungen in der NATO hat. Abschließend wird argumentiert, dass die der NATO zur Verfügung stehenden Mittel ihren Zweck für die NATO noch gut genug erfüllen, während neue Lösungsansätze zu entwickeln oft kostspieliger ist. Diese Argumente sollen zum Schluss noch einmal zusammengefasst werden und mit einem Blick auf die Zukunft verknüpft werden.
Gliederung
1. Einleitung
2. Die NATO und ihre Anpassungsschwierigkeiten an ihre neue Rolle im21. Jahrhundert
2.1 Die Sonderstellung der USA als Hindernis
2.2 Abnehmende Unterstutzung der NATO in Mitgliedsstaaten
2.3 Inkrementeller Wandel der NATO
3. Fazit
1. Einleitung
Die NATO sei hirntot, die NATO sei obsolet. Zumindest wenn man den Worten Emmanuel Macron und Donald Trumps Glauben schenken will1. Klar ist, dass die NATO seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ihren grundlegenden Auftrag neu definieren muss. Schlieblich bestand ihr ursprungliches Ziel darin, Schutz vor der expansionistischen Aubenpolitik der UdSSR zu bieten und die Souveranitat der NATO-Mitglieder zu wahren2. Doch auch fast 30 Jahre nach der Auflosung der UdSSR scheint es, als ob immer noch kein neuer Konsens uber den Auftrag der NATO gefunden wurde. Grundsatzliche Fragen nach neuen Herausforderungen und Losungen fur diese bleiben unbeantwortet3. Die Rolle einer intervenierenden Weltpolizei erscheint mehr imperialistisch und Einsatze der NATO, die dieser Rolle zugeschrieben werden konnten, wie in Jugoslawien, Afghanistan oder Libyen, haben allesamt nur zu mehr Chaos und Destabilisierung gefuhrt, selbst in den Landern, wie Libyen, in denen Regimewechsel stattfanden4. Dabei ist gerade in einer Zeit von internationalen Terrororganisationen, zerfallenden Staaten, Cyberterrorismus und neuen Konflikten durch Folgen des Klimawandels ein starkes Verteidigungsbundnis wichtig. Auch das erneute Auftreten Russlands als Bedrohung seit der Krim- Annexion 2014 sowie Chinas Erstarken als politischer, sowie militarischer, Akteur stellt die NATO vor neue Herausforderungen. Es stellt sich also die Frage, warum die NATO Schwierigkeiten hat sich an diese neuen Herausforderungen anzupassen. In dieser Seminararbeit soil die These analysiert werden, ob sich die Anpassungsschwierigkeiten vor allem anhand der Two-Level-Games Theorie von Putnam, sowie anhand des historischen Institutionalismus erklaren lasst. Dafur soil zunachst uberpruft werden, ob die USA innerhalb der NATO eine zu Starke Machtposition inne haben und mit diesem Machtungleichgewicht eine Hierarchie kreiert, in welcher die anderen NATO-Mitglieder auf Handeln der USA warten, bevor sie selbst agieren. Danach soil darauf eingegangen werden, wie die NATO in ihren Mitgliedsstaaten gesehen wird und welchen Einfluss dies auf die Innovation neuer Problemlosungen in der NATO hat. Abschliebend wird argumentiert, dass die der NATO zur Verfugung stehenden Mittel ihren Zweck fur die NATO noch gut genug erfullen, wahrend neue Losungsansatze zu entwickeln oft kostspieliger ist. Diese Argumente sollen zum Schluss noch einmal zusammengefasst werden und mit einem Blick auf die Zukunft verknupft werden.
2. Die NATO und ihre Anpassungsschwierigkeiten an neue Herausforderungen
2.1 Die Sonderstellung der USA als Hindernis
Der Two-Level Games Ansatz nach Putnam besagt, dass staatliche politische Akteure oft auf zwei politischen Ebenen gleichzeitig Verhandlungen fuhren mussen, wie der lokalen und nationalen Ebene oder auch der nationalen und internationalen Ebene5. In beiden Fallen nehmen die unterschiedlichen Ebenen uber verschiedene Wege Einfluss aufeinander6. Hierbei stellt sich die Frage ob die USA durch ihre militarische Macht innerhalb der NATO ein Ungleichgewicht kreieren, eine Hierarchie, in welcher die restlichen Staaten ihr Handeln vom Handeln der Vereinigten Staaten abhangig machen. Solch eine Praktik wurde selbstverstandlich fast samtliche Innovationen innerhalb der NATO von einem Akteur, den USA, abhangig werden, was die Bewaltigung neuer Herausforderungen erschweren wurde.
Dass die USA eine Sonderstellung in der NATO genieben ist durch ihre schiere Grobe sowie ihre Stellung als militarische und wirtschaftliche Supermacht gegeben. Die USA sind sowohl in prozentualen als auch in absoluten Zahlen Spitzenreiter was Militarausgaben der NATO-Mitglieder angeht. Mit 3,4% ihres BIP, welches etwa 730 Milliarden US-Dollar entspricht, stellen die USA mehr als die Halfte des gesamten Militaretats der NATO7. Durch diese Machtstellung entsteht eine gewisse Abhangigkeit der anderen NATO-Mitglieder gegenuber dem US-Militar. Zudem wird in Europa, vor allem in Deutschland Militartechnik in groben Mengen aus den USA importiert, wie beispielsweise Drohnen wie dem Eurohawk8. Hierdurch entsteht eine zusatzliche Abhangigkeit von den USA.
Auch eine gemeinsame europaische Armee, wie Emmanuel Macron sie vorschlagt wurde die militarische Abhangigkeit nicht komplett beenden9. Hierfur waren nicht nur langwierige Prozesse zur Standardisierung dieser gemeinsamen Armee und der Entwicklung eines gemeinsamen organisatorischen Konzepts notwendig, sondern zusatzlich auch eine massive Aufrustung in Europa. Das lieiBt. dass die USA in Verhandlungen in der NATO einen groBeren Verhandlungsspielraum haben und dadurch diese Verhandlungen eher in ihrem Interesse leiten konnen, als die anderen Mitglieder. Im Two-Level Games Ansatz definiert sich der Verhandlungsspielraum uber die GroBe der Win-Sets der Akteure. Ein groBes Win-Set vereinfacht zwar die Moglichkeit zu einem Vertragsschluss, jedoch gibt ein kleines Win-Set dem Akteur groBere Verhandlungsmacht, da dieses kleine Win-Set die Wahrscheinlichkeit erhoht, dass auf nationaler Ebene die Einigung abgelehnt wird10. Die Win-Set- GroBe eines Akteurs bestimmt sich uber die Institutionen und Akteurskonstellationen auf der nationalen Ebene, sowie die Verhandlungsstrategien auf der internationalen Ebene11. Die USA sowie die restlichen NATO-Mitglieder haben dadurch, dass sie regelmaBig kooperieren eigentlich beide ein relativ groBes Win-Set, konnen also davon ausgehen, dass sie zu gemeinsamen Einigungen kommen. Jedoch sind die anderen Mitgliedsstaaten militarisch so stark von den USA abhangig, dass sich ihre Verhandlungsmacht zusatzlich verringert. Folglich liegt die Annahme nahe, dass die USA quasi uber die NATO bestimmen. Doch eigentlich sollten die Beschlusse der NATO, so ist es zumindest vorgeschrieben, einstimmig getroffen werden12. Jedes Mitglied kann also einen Beschluss blockieren. Wie also nehmen die USA Einfluss auf die NATO und ihre Mitglieder? Einerseits naturlich als machtiger militarischer Bundnispartner. Andererseits aber auch, seit dem 11. September 2001, uber die Nutzung der NATO als Werkzeugkiste fur ihre „Koalitionen der Willigen und Fahigen“13. Die NATO dient hierbei mehr als Mechanismus zur Rekrutierung von nationalen Armeen und internationalen Legitimierung von Auslandseinsatzen der USA14. Hierbei kommt den USA dann ihre Verhandlungsmacht zugunsten. Innerhalb der NATO ist also der Einfluss der USA nicht massiv genug um Anpassungen an neue Herausforderungen, absichtlich oder unbeabsichtigt, zu verhindern. Jedoch nehmen die USA auBerhalb der NATO auf NATO-Mitglieder genug Einfluss, um bei der Herangehensweise an verschiedene Probleme und eben auch neue Herausforderungen wegweisend zu sein. Dadurch werden die neuen Herausforderungen vor allem von einem Staat, von einem Akteur, aus einer Perspektive betrachtet.
[...]
1 Vgl. Sommer, T. (2019). Wir brauchen emen neuen Konsens uber den Auftrag des Bundnisses. ZEIT Online. [Website] Retrieved from: https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-12/nato-emmanuel-macron-reform-debatte? utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
2 Vgl. o.V (2006). NATO Handbook. S.16, Brussel. Retrievedfrom: https://www.nato.int/docu/handbook/2006/hb-en- 2006.pdf
3 Vgl. Sommer, T. (2019)
4 Ibid.
5 Vgl. Putnam, R.(1998). Diplomacy and Domestic Politics: The Logic of Two-Level Games. International Organization, 42(3), S.434
6 Ibid.
7 Vgl. Suhr, F. (2020). Die Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten. Statista [Website] Retrieved From: https://de.statista.com/infografik/4861/militaerausgaben-nato-laender/
8 Vgl. Bartels, H. (2020). Ein Gesprach mit Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages/Interviewer: Robin Fehrenbach & David Deibner. Atlantik-Brucke Impulse, Berlin. S.5 Retrieved From: https://www.atlantik-bruecke.org/wp-content/uploads/AB-Impulse-Europ%C3%A4ische-Verteidigung.pdf
9 Vgl. Bartels, H. (2020)
10 Vgl. Putnam, R. (1998). S.450
11 Ibid.
12 Vgl. Van Ham, P. (2008) Fiiedensstifter oder Fachidiot? Was die NATO noch - oder nicht mehr kann: Eine Debatte uber die Zukunftsfahigkeit des Bundnisses. Internationale Politik, 3(2008), S.16 Retrieved From: https://www.clingendael.org/sites/default/files/2016-02/2008030Q_cdsp_art_kaiser.pdf
13 Vgl. Van Ham, P. & Kaiser, K. (2008) S.4
14 Ibid.