Im bilanziellen Sinn wird unter einer langfristigen Auftragsfertigung grundsätzlich die Herstellung eines komplexen Produktes über einen längeren Zeitraum, verstanden welches im Kundenauftrag gefertigt wird. Die hergestellten Produkte bestehen in der Regel aus mehreren, in sich wieder zusammengesetzten Aggregaten oder Teilen, woraus die Komplexität des Herstellungsprozesses resultiert. Von einem längeren Zeitraum kann gesprochen werden, wenn die Fertigung nicht weniger als zwei Rechnungsperioden tangiert und somit zwischen Herstellungsbeginn und Abnahme, durch den Kunden, mindestens ein Bilanzstichtag liegt. In Anbetracht der Bearbeitungsdauer, sowie des relativ großen Umfangs der einzelnen Fertigungsobjekte, begründet sich vielfach eine besondere ökonomische Relevanz für das fertigende Unternehmen. Es kann dabei regelmäßig von Einzelfertigung ausgegangen werden, wobei hier auf den individuellen Charakter des Auftrags als Ganzes, und nicht auf die teilweise verwendeten standardisierten Teilaggregaten, abzustellen ist. Für den Produzenten besteht im Allgemeinen kein Absatzrisiko, da der Herstellungsprozess in der Regel erst mit dem Fertigungsauftrag des Kunden begonnen wird. Stattdessen tragen die Unternehmen ein höheres Angebotsrisiko, da für die Erstellung und die Abgabe eines verbindlichen Angebotes sowohl erhebliche kaufmännische als auch technische Ressourcen in Anspruch genommen werden, wobei im Ergebnis nur wenige der abgegebenen Angebote zu einem Vertragsschluss führen. Ferner sind mit langfristiger Fertigung hohe Kalkulationsrisiken verbunden, die aus der Einmaligkeit der Leistung, den extrem individuellen Kundenanforderungen und der nicht vorhersehbaren konjunkturellen Entwicklung resultieren. Da regelmäßig keine vergleichbaren Marktpreise vorhanden sind und auch Kostenschätzungen, die auf Erfahrungswerten basieren, nur eingeschränkt nutzbar sind, bereitet die Preisfindung mitunter große Schwierigkeiten.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Begriffsbestimmung und ökonomische Relevanz
1.2 Zivilrechtliche Vertragsgestaltung
2 Bilanzierungsproblematik
3 Bewertungsalternativen
3.1 Completed-Contract-Methode
3.2 Selbstkostenaktivierung
3.3 Teilgewinnrealisierung
3.4 Percentage-of-Completion-Methode
4 Bilanzielle Behandlung
4.1 Handelsrecht
4.2 International Financial Reporting Standards
5 Abschließende Würdigung
Literaturverzeichnis
Gesetzesverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Beispiel Großanlagenbau SE Kosten
Abb. 2: Beispiel Großanlagenbau SE Einzahlungen
Abb. 3: Beispiel für die Completed-Contract-Methode zu Herstellungskosten 1
Abb. 4: Beispiel für die Completed-Contract-Methode zu Herstellungskosten 2
Abb. 5: Beispiel für die Selbstkostenaktivierung
Abb. 6: Voraussetzungen einer Teilgewinnrealisierung
Abb. 7: Beispiel für die Teilgewinnrealisierung
Abb. 8: Formel Gewinnrealisierung auf Basis der CTC
Abb. 9: Beispiel für die Percentage-of-Completion-Methode
Abb. 10: Pflicht- und Wahlbestandteile der Herstellungskosten nach HGB-E und IFRS
Abb. 11: Bewertungsmethoden nach IAS
Abb. 12: Grundsätzliche Unterschiede der Rechungslegungssysteme
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Begriffsbestimmung und ökonomische Relevanz
Im bilanziellen Sinn wird unter einer langfristigen Auftragsfertigung grundsätz-lich die Herstellung eines komplexen Produktes über einen längeren Zeitraum, verstanden welches im Kundenauftrag gefertigt wird.1 Die hergestellten Pro-dukte bestehen in der Regel aus mehreren, in sich wieder zusammengesetz-ten Aggregaten oder Teilen, woraus die Komplexität des Herstellungsprozes-ses resultiert.2
Von einem längeren Zeitraum kann gesprochen werden, wenn die Fertigung nicht weniger als zwei Rechnungsperioden tangiert und somit zwischen Her-stellungsbeginn und Abnahme, durch den Kunden, mindestens ein Bilanz-stichtag liegt. In Anbetracht der Bearbeitungsdauer, sowie des relativ großen Umfangs der einzelnen Fertigungsobjekte, begründet sich vielfach eine be-sondere ökonomische Relevanz für das fertigende Unternehmen. Es kann dabei regelmäßig von Einzelfertigung ausgegangen werden, wobei hier auf den individuellen Charakter des Auftrags als Ganzes, und nicht auf die teilwei-se verwendeten standardisierten Teilaggregaten, abzustellen ist.3
Für den Produzenten besteht im Allgemeinen kein Absatzrisiko, da der Her-stellungsprozess in der Regel erst mit dem Fertigungsauftrag des Kunden begonnen wird. Stattdessen tragen die Unternehmen ein höheres Angebotsri-siko, da für die Erstellung und die Abgabe eines verbindlichen Angebotes so-wohl erhebliche kaufmännische als auch technische Ressourcen in Anspruch genommen werden, wobei im Ergebnis nur wenige der abgegebenen Angebo-te zu einem Vertragsschluss führen.4 Ferner sind mit langfristiger Fertigung hohe Kalkulationsrisiken verbunden, die aus der Einmaligkeit der Leistung, den extrem individuellen Kundenanforderungen und der nicht vorhersehbaren konjunkturellen Entwicklung resultieren. Da regelmäßig keine vergleichbaren Marktpreise vorhanden sind und auch Kostenschätzungen, die auf Erfah-rungswerten basieren, nur eingeschränkt nutzbar sind, bereitet die Preisfin-dung mitunter große Schwierigkeiten.5
Die ökonomische Bedeutung der Langfristfertigung für die gesamte Volkswirt-schaft verdeutlicht sich, wenn man die Umsatzentwicklung des deutschen Großanlagenbaus betrachtet. Der Umsatz lang im Jahr 2007 erstmals über 20 Mrd. Euro, wobei der Exportanteil rund 83% betrug.6 Die hohen Projektvolu-mina, gekoppelt mit der aktuell anhaltenden Finanzkrise7, erfordern eine um-fassende, die nationalen und internationalen Kapitalmärkte betreffende, Refi-nanzierungsstrategie. Für die Aufnahme von Kapital steht die Bonitätsbeurtei-lung des Schuldners im Mittelpunkt, welche im klassischen Sinn auf die Beur-teilung der Unternehmensperformance abzielt.8
Diese Arbeit soll die Bewertungsmethoden bei lan]gfristiger Auftragsfertigung und ihre bilanzielle Behandlung in der Handels- und IRFS-Bilanz darlegen. Der Schwerpunkt soll dabei auf den unterschiedlichen Ansätzen zur Erfolgs-realisierung liegen.
1.2 Zivilrechtliche Vertragsgestaltung
Eine tiefgreifende Analyse der vertraglichen Vereinbarungen ist für die bilan-zielle Würdigung der langfristigen Auftragsfertigung unerlässlich. Oft werden über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus zusätzliche Vereinbarungen, Leistungsverzeichnisse und technische Vorgaben zugrunde gelegt. Grund-sätzlich kann jedoch bei langfristiger Auftragsfertigung auf die im BGB veran-kerten Vertragsgrundtypen, den Werkvertrag (§ 631 BGB) bzw. den Werkliefe-rungsvertrag (§ 651 BGB), abgestellt werden.9 Beide Varianten sind entgeltli-che, gegenseitige Verträge und haben das Erreichen eines vordefinierten Er-gebnisses zum Ziel (§§ 320 ff. BGB).
Bei beiden Vertragstypen ist der Besteller von nicht vertretbaren Sachen zur Abnahme des Werks verpflichtet, es sei denn, dass dieses Mängel aufweist, die durch den Hersteller zu vertreten sind. Ferner ist die Verweigerung der Abnahme auf Grund unwesentlicher Mängel ausgeschlossen (§ 640 BGB). Die Abnahme bestimmt grundsätzlich den Zeitpunkt des Gefahrenübergangs (§ 644 Abs. 1 BGB) und ist Voraussetzung für das Entstehen des Vergü- tungsanspruches (§ 641 Abs. 1 BGB). In der Praxis wird oftmals die formale Abnahme unter Zuhilfenahme eines Abnahmeprotokolls vollzogen. Ferner führt die Abnahme zum Ausschluss von Mängelbeseitigungsansprüchen so-wie von Ansprüchen aus Vertragsstrafen.10 Sollte der Besteller die Abnahme in einer vom Hersteller angemessen Frist nicht vollziehen, erfolgt diese nach Ablauf der Frist dennoch von Gesetztes wegen (§ 640 Abs. 1 S. 3 BGB). Die Abnahme gilt endgültig als vollzogen, wenn ein Gutachter die Herstellung und Mängelfreiheit des Werkes attestiert (§ 641a Abs. 1 BGB). Bei nicht körperli-chen Leistungen gelten diese nach Erfüllung aller vertraglich vereinbarten Leistungen als abgenommen, wenn sie durch den Besteller anerkannt sind.11 Sollte auch dies nicht möglich sein, so tritt die Vollendung des Werkes an die Stelle der Abnahme (§ 646 BGB). Der Hersteller eines Werkes hat grundsätz-lich einen Anspruch auf Abschlagszahlungen für in sich abgeschlossene Ein-heiten und für erforderliche Teile und Stoffe, die individuell angefertigt oder angeliefert wurden (§ 632a BGB).
2 Bilanzierungsproblematik
Die zentrale Bilanzierungsproblematik bei langfristiger Auftragsfertigung resul-tiert daraus, dass eine Reihe von Sachverhalten im deutschen Handelsrecht nicht definitiv geregelt ist. Auslegungsfragen sowie Füllung von Gesetzeslü-cken sind mit Hilfe der GoB zu lösen.12 Daraus entsteht das Spannungsver-hältnis zwischen der Generalnorm der Darstellung der tatsächlichen Vermö-gens-, Finanz- und Ertragslage und der Beachtung des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips.13 Hervorgerufen wird dies durch den rechnungslegungsin-tervallübergreifenden Zeitraum der Auftragsabwicklung, wodurch die Zuord-nung von Aufwendungen und Erträgen auf einzelne Rechnungsperioden Schwierigkeiten aufwirft.14 Von elementarer Bedeutung ist die Frage, welcher Periode ein Gewinn aus der Langfristfertigung zuzuordnen ist.15 Bei strikter Anwendung des Realisationsprinzips im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, unter vollständiger Gewinnrealisierung im Jahr der Abnahme, weist das Perio- denergebnis zum wesentlichen Teil in den Vorjahren erbrachte Leistungen aus. Dies ist als Indikator für die Ertragskraft des betreffenden Geschäftsjah-res nur bedingt geeignet. So kann die Fertigstellung mehrerer Aufträge in ei-ner Periode und die Leistungserstellung in anderen Perioden zu erheblichen Erfolgsschwankungen bzw. Verlusten führen, obwohl das Unternehmen nach-haltig profitabel ist.16 Es erscheint vor diesem Hintergrund fraglich, ob es für langfristige Fertigung ausreicht, die strengen Kodifizierungen des HGB anzu-wenden.17
Das IASB indes regelt die langfristige Auftragsfertigung explizit und schreibt unter bestimmten Voraussetzungen zwingend eine Teilgewinnrealisierung im Sinne des IAS 11 (Percentage-of-Completion-Methode), entsprechend dem Fertigungsgrad, vor. Eine Abnahme von Teilleistungen ist dabei nicht erforder-lich. Dieser Ansatz beruht bei der Erfassung von Umsatzerlösen nicht auf dem Verständnis des Realisationsprinzips, sondern folgt einer wirtschaftlichen Be-trachtungsweise mit dem Ziel Periodenergebnisse der Leistungserstellung entsprechen zu ermitteln.18
3 Bewertungsalternativen
Der Kernpunkt in der Diskussion um die bilanzielle Behandlung der langfristi-gen Auftragsfertigung ist, wie bereits beschrieben, in der Frage zu sehen, ob und wie Gewinne auf einzelne Perioden der Fertigung aufzuteilen sind. Das Schrifttum und die Praxis diskutieren dazu grundsätzlich vier19 Methoden. Die unterschiedlichen Ansätze sollen im Weiteren beschrieben und anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden. Es soll jedoch in diesem Abschnitt auf eine detaillierte, dem § 255 HGB-E bzw. IAS 2.12 ff. in Verbindung mit IAS 16.16f. konforme, Definition der Herstellungskosten verzichtet werden. Eine Definitionsübersicht der Herstellungskosten ist im Abschnitt 4 zu finden.
[...]
1 Vgl. Krawitz (1997), S. 886.
2 Vgl. Marx und Löffler (2008), S. 1.
3 Vgl. Schindlbeck (1988), S. 5.
4 Vgl. Krawitz (1997), S. 886.
5 Vgl. Marx und Löffler (2008), S. 1.
6 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau im VDMA (2007), S. 12.
7 Vgl. Dönch u.a. (2008), S. 150 ff.
8 Vgl. Backhaus (1996), S. 23.
9 Vgl. Kohl (1994), S. 59.
10 Vgl. Marx und Löffler (2008), S. 3.
11 Vgl. Marx und Löffler (2008), S. 4.
12 Vgl. Schindlbeck (1988), S. 17.
13 Vgl. Krawitz (1997), S. 887.
14 Vgl. Marx und Löffler (2008), S. 5.
15 Vgl. Marx und Löffler (2008), S. 5.
16 Vgl. Marx und Löffler (2008), S. 6.
17 Vgl. Schindlbeck (1988), S 23.
18 Vgl. Gelhausen u.a. (2003), S. 18.
19 Vgl. Stewig (1990), S. 103 und Coenenberg (2005), S. 215 ff.