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Hausarbeit, 2020
18 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Kooperatives Lernen
2.2. Gespräch
2.2.1. Gespräche in der Grundschule
2.2.2. Gesprächsfähigkeit
2.3. Möglichkeiten zum Schaffen von Gesprächssituationen im Deutschunterricht durch kooperatives Lernen
2.3.1. Gruppenpuzzle
2.3.2. Gruppenrallye
2.3.3. Placemat
3. Analyse ausgewählter kooperativer Lernformen hinsichtlich ihrer Eignung zur Förderung der Gesprächsfähigkeit in der Grundschule
3.1. Gruppenpuzzle
3.2. Gruppenrallye
3.3. Placemat
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Das Gespräch und der Austausch miteinander gehören untrennbar zu jeder Sprache dazu. Dennoch diente das Gespräch in der Schule lange Zeit hauptsächlich der Unterrichtsorganisation. Spätestens seit der „kommunikativen Wende“ der 70-er Jahre, im Rahmen derer die mündliche Kommunikation als neuer eigenständiger Lern- und Arbeitsbereich in das Schulcurriculum mitaufgenommen wurde, ist das aktive Vermitteln und Erlernen von Gesprächsfähigkeiten jedoch auch selbst Ziel und Teil des Unterrichts. (vgl. Ulrich, 2007: 140).
Daher stellt sich die für die Entwicklung gelungenen Unterrichts zur Förderung von Gesprächsfähigkeiten die Frage, wie im Unterricht Gesprächssituationen geschaffen werden können, die den Erwerb verschiedener Gesprächskompetenzen möglichst sinnvoll unterstützen. Laut Potthoff, Steck und Zitzke, deren Werk „Gespräche mit Kindern“ (2008) Grundlage für den theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit bietet, ist „für Gespräche im Unterricht […] das Konzept des Kooperativen Lernens mit seinen tragfähigen Methoden eine große Bereicherung, wenn die Lehrerin sie als wiederkehrende Rituale einführt und einsetzt“ (Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 32). Das kooperative Lernen, also das Lernen in und durch Kooperation verschiedener Lerner kann mittels zahlreicher verschiedener Methoden im Unterricht umgesetzt werden, die sich auch hinsichtlich der Form der Kooperation und somit hinsichtlich der entstehenden Gesprächssituationen unterscheiden. Um die Gesprächsfähigkeit durch Kooperatives Lernen bewusst zu fördern, muss die Auswahl der jeweiligen kooperativen Lernform daher mit Bedacht und stets im Hinblick auf den entstehenden Gesprächsanlass erfolgen. Daher sollen im Folgenden die kooperativen Lernformen Gruppenpuzzle, Gruppenrallye und Placemat im Hinblick auf ihre Eignung zur Förderung der Gesprächsfähigkeit in der Grundschule analysiert werden.
Hierzu wird in einem ersten, theoretischen Teil zunächst definiert, was kooperatives Lernen ist und was in sprachdidaktischer Hinsicht unter den Begriffen Gespräch und Gesprächsfähigkeit verstanden wird. Zudem werden die ausgewählten kooperativen Lernformen als Möglichkeiten zum Schaffen von Gesprächssituationen im Unterricht in ihren Grundzügen erläutert. Der zweite Teil der Arbeit besteht aus einer auf den dargelegten theoretischen Inhalten basierenden Analyse dieser drei kooperativen Lernformen.
Im Folgenden wird sowohl das Kooperative Lernen als auch das Gespräch und die Gesprächsfähigkeit genauer definiert und auf die Bedeutung von Gesprächen für die Schule eingegangen. Diesbezüglich wird zudem der Zusammenhang von Kooperativen Lernen und Gespräch herausgestellt.
Kooperatives Lernen bezeichnet „eine Interaktionsform, bei der die beteiligten Personen gemeinsam und in wechselseitigem Austausch Fertigkeiten erwerben, im Idealfall sind alle Gruppenmitglieder gleichberechtigt am Lerngeschehen beteiligt und tragen gemeinsam Verantwortung“ (Konrad/Taub, 2001: 21). Mit der Unterrichts- und Lernstrategie des Kooperativen Lernens können somit sowohl soziale als auch kommunikative, personale, methodische und metakognitive Kompetenzen gefördert werden (vgl. Sawatski/Becker/Ewering/Friedrich/Preuß, 2016: 6). Bezeichnend für das Kooperative Lernen ist, dass die Unterrichtsaktivität immer eindeutig auf der Seite der Lernenden liegt (vgl. Bochmann/Kirchmann, 2015: 13). Beim kooperativen Lernen kann das Lernziel nur gemeinsam mit anderen Lernenden einer Gruppe erreicht werden. Hierzu werden den Lernenden verschiedene Werkzeuge zum Lernen zur Verfügung gestellt, die einen wechselnden Einsatz von Phasen der Einzel-, Partner- und Teamarbeit vorsehen. Mit Einsatz dieser Werkzeuge können methodisches Können, aber auch demokratisch-soziale Kompetenzen erworben werden, so dass das fachliche Lernen optimiert werden kann (vgl. Bochmann/Kirchmann, 2015: 13). Kooperatives Lernen verfolgt damit typischerweise das Prinzip des „Think-Pair-Share“. Nach der Einzel- (Think) und Partner- oder Gruppenarbeit (Pair) werden die erarbeiteten Gruppenergebnisse in der Klasse präsentiert (Share). Klasse und Lehrperson diskutieren dabei das Vorgetragene, korrigieren es gegebenenfalls und geraten so in den mündlichen Austausch über den Lerninhalt (vgl. Schüler, 2014: 15). Die Mitglieder der Klasse arbeiten also gemeinsam in Gruppen, sind aktiv und unterstützen sich gegenseitig. So können sich alle Lernenden mit ihren unterschiedlichen Begabungen einbringen und respektiert fühlen (vgl. Bochmann/Kirchmann, 2015: 15). Daher ist der Einsatz Kooperativen Lernens besonders in der Grundschule sehr sinnvoll, da hier Kinder aller sozialen Schichten, mit unterschiedlichen Begabungen und ethnischen Hintergründen gemeinsam unterrichtet werden (vgl. Bochmann/Kirchmann 2015: 14). Zudem ist das Kooperativen Lernen für den Unterricht besonders geeignet, da durch die Ablösung vom Frontalunterricht und die Fokussierung auf Zusammenarbeit zwischen den Schülerinnen und Schülern ausreichend Freiraum für die Lehrperson geschaffen wird, einzelne Schülerinnen und Schüler genauer zu beachten und ihr inhaltliches und methodisches Lernverhalten zu ermitteln (vgl. Bochmann/Kirchmann, 2015: 23). Auch auf Schülerseite ist das Kooperative Lernen von Vorteil, da alle Lernenden ihre individuellen Lernprobleme zunächst in Team- oder Partnerarbeit einbringen und bearbeiten können, wobei davon auszugehen ist, dass sie sich hier im Vergleich zum traditionellen Frontalunterricht sicherer und respektierter fühlen und weniger Versagensängste haben (vgl. Bochmann/Kirchmann, 2015: 23). Zudem steigert kooperatives Lernen „den Leistungswillen, schafft positive Beziehungen und verbessert das psychische Wohlbefinden der Schüler“ (vgl. König, 2009: 68). Einen positiven Einfluss hat das kooperative Lernen zudem auf die Lernmotivation, Arbeitsmoral, Eigenständigkeit und Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler (vgl. König, 2009: 68). Mehrere empirische Untersuchungen, auf die auf Grund des Umfangs nicht weiter eingegangen werden kann, bestätigen diese hohe Wirksamkeit des kooperativen Lernens bezüglich des Lernerfolgs der Schülerinnen und Schüler (vgl. Sawatski/Becker/Ewering/Friedrich/Preuß, 2016: 9 f.).
Die Voraussetzung, dass diese positiven Effekte des kooperativen Lernens erzielt werden können, ist die gelingende Teamarbeit. Um diese im Kooperativen Lernen gelingend umzusetzen und die wichtige Bedeutung von Zusammenarbeit und Interaktion deutlich zu machen, sollten fünf grundsätzliche Elemente in der Gruppenarbeit berücksichtigt werden: Positive Abhängigkeit, Individuelle Verantwortlichkeit, Interaktion von Angesicht zu Angesicht, Sozial- und Teamkompetenz und Gruppenstrategien (vgl. Green/Green, 2005: 76). Positive Abhängigkeit oder Interdependenz meint, dass die Mitglieder erkennen, dass sie ein gemeinsames Ziel verfolgen (vgl. Borsch: 28). Das Lernziel kann also nur gemeinsam erreicht werden, so dass sich jeder bei Problemen auf Mithilfe der Teampartner verlassen kann und „individuelle Stärken genutzt und individuelle Lerndefizite ausgeglichen werden können“ (Bochmann/Kirchmann, 2015: 23). Mit der positiven Abhängigkeit geht die individuelle Verantwortlichkeit einher. Diese bedeutet, dass neben dem Gesamtergebnis der Gruppe auch die individuellen Leistungsanteile jedes Gruppenmitglieds registriert und an die gesamte Gruppe zurückgemeldet werden, um ersichtlich zu machen, was jedes einzelne Mitglied der Gruppe zur Gruppenleistung beigetragen hat. So kann verhindert werden, dass die individuelle Leistung in der Anonymität der Gruppenleistung verloren geht. Durch die individuelle Verantwortlichkeit kann verhindert werden, dass eine ungleiche Arbeitsbelastung der einzelnen Gruppenmitglieder entsteht (vgl. Borsch, 2015: 29). Die Interaktion von Angesicht zu Angesicht meint, dass die Lernenden einer Gruppe direkt miteinander interagieren, sich unterstützen, loben und ermutigen, da so die Lernmotivation und -freude gefördert wird. Die letzte Bedingung für das Gelingen Kooperativen Lernens sind die Gruppenstrategien, also Reflexionen über den Gruppenprozess. Hier soll die Gruppenarbeit aktiv reflektiert werden, sodass die Funktionsfähigkeit der Gruppe gegebenenfalls verbessert werden kann (vgl. Borsch, 2015: 31).
Ein wichtiges Element beim Kooperativen Lernen ist also der gegenseitige Austausch der Gruppenmitglieder durch Gespräche. Daher wird im Folgenden genauer definiert, was unter Gespräch verstanden werden kann, welche Kompetenzen für ein gelingendes Gespräch beherrscht werden müssen und wie Kooperatives Lernen zur Entwicklung von Gesprächskompetenz eingesetzt werden kann.
Nach H. Geißner ist das Gespräch die Grundlage für mündliche Kommunikation und meint eine „intentionale[], wechselseitige[] Verständigungshandlung mit dem Ziel, etwas zur gemeinsamen Sache zu machen, bzw. etwas gemeinsam zur Sache zu machen“ (Geißner, 1977: 295). Typischerweise besteht ein Gespräch aus drei Phasen: Der Gesprächseröffnung, die den Hörer zu Beginn des Gesprächs orientiert, der Gesprächsmitte, die aus der eigentlichen Darstellung des Sachverhalts besteht und aus der Gesprächsbeendigung, diese markiert den Schluss des zu Sagenden (vgl. Pompe/Spinner/Ossner, 2018: 73).
Potthoff et al. Benennen nach dem Oragon-Modell von Bühler einige Faktoren, die die Voraussetzung für das Führen eines Gespräches bilden. So muss stets sowohl ein Sprecher als auch ein Hörer gegeben sein. Der Sprecher spricht mittels eines Zeichens, das sprachlich, sprecherisch, körpersprachlich oder visuell sein kann, zu einem Hörer über einen bestimmten Sachverhalt (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 17). Die Zeichen, also die Mittel der Kommunikation, erfüllen für Sprecher, Höher und Sachverhalt unterschiedliche Funktionen. Für den Sprecher übernehmen die Zeichen eine Ausdrucksfunktion, da er durch Stimmklang, Melodie, Lautstärke, Gestik und Mimik neben dem sachlichen Inhalt auch Auskunft über seinen persönlichen Standpunkt gibt. Für den Hörer hingegen erfüllen die Zeichen eine Appellfunktion. Durch die sprachliche Äußerung des Sprechers werden Appelle an den Hörer gerichtet, die gegebenenfalls auch lediglich daraus bestehen können, dass der Hörer zuhören soll. Bezüglich des jeweiligen Sachverhaltes übernehmen die Zeichen eine Darstellungsfunktion. Für jede sprachliche Äußerung sind die vier Faktoren Sprecher, Hörer, Zeichen und Sachverhalt sowie die drei Funktionen des Zeichens, also Ausdruck, Darstellung und Appell stets Voraussetzung (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 18). Weiter lassen sich bei jedem Gespräch zwei Ebenen unterscheiden. Zum einen gibt es die personale Ebene, diese ist Basis eines jeden Gespräches und zeigt sich in der Art der Kommunikation der Beteiligten am Gespräch. Die andere Ebene ist die sachliche Ebene und bezieht sich auf das inhaltliche Thema, das Gegenstand des Gespräches ist. Zudem verfügt jedes Gespräch über einen gewissen situativen Rahmen, ist also in eine Situation, welche durch Faktoren wie das soziale Verhältnis der Gesprächspartner oder die Öffentlichkeit des Gespräches bestimmt wird, eingebettet (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 18).
Ein Beispiel für einen solchen situativen Rahmen ist das Gespräch in der Grundschule. Der Grundschule kommt beim Erwerb der Fähigkeit, ein Gespräch zu führen, eine wesentliche Rolle zu, da jeglicher Unterricht ohne gemeinsames Sprechen über Inhalte undenkbar ist (vgl. Hochstadt/Krafft/Olsen 2015: 169). Eine besonders große Rolle für den Erwerb von Gesprächsfähigkeit spielt der Deutschunterricht der Grundschule, da hier vermittelt werden kann, dass „sich der Gebrauch der Sprache nicht nur unbewusst vollzieht, sondern dass er auch reflektiert werden kann und muss“ (Koch, 2016: 194). Im Kernlehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen für den Deutschunterricht an Grundschulen ist „Gespräche führen“ im Bereich „Sprechen und Zuhören“ daher klar als Schwerpunktziel verankert (vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008: 25).
Der Deutschunterricht kann auf zweierlei Weise zum Erwerb von Gesprächsfähigkeit beitragen. Zum einen können Gesprächskompetenzen in der Kommunikation selbst erworben werden, wenn das Gespräch zugleich Medium und Gegenstand des Unterrichts ist und Schülerinnen und Schüler lernen, ihr Gesprächsverhalten zu reflektieren und zu bewerten (vgl. Fiehler, 1998: 50). Auf der anderen Seite kann der Erwerb von Gesprächskompetenzen auch durch systematische Vermittlung von Gesprächsverhalten angeleitet werden, wenn der Erwerb von rezeptiven und produktiven Gesprächsfähigkeiten konkret gesteuert wird. Ein solches systematisches Vermitteln von Gesprächskompetenzen ist jedoch als deutlich komplexer und schwieriger als der Erwerb in der Kommunikationspraxis selbst einzustufen (vgl. Fiehler, 1998: 53).
Um das Lernziel des Führens von Gesprächen umzusetzen, sollten Lehrpersonen stets spontan oder bewusst entstandene Situationen in denen Kinder miteinander sprechen, wahrnehmen, zulassen und für die Gesprächserziehung nutzen (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008 :27). Spontan entstandene Gesprächssituationen werden als informelle Gespräche bezeichnet und entstehen im Schulkontext beispielsweise auf dem Weg in den Klassenraum, im Gespräch mit dem Sitznachbarn oder auch im Gespräch zwischen Lehrkraft und Kind (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 30 ff.). Bewusst entstandene und eingeplante Gesprächssituationen werden als angeleitete Gespräche bezeichnet. Diese werden aktiv als sinnvolle Gesprächssituationen, die eigenaktives Lernen in allen Bereichen ermöglichen, in den Unterricht eingeplant. Hierzu sollten Gesprächsrituale eingeführt und automatisiert werden, wobei es von Bedeutung ist, dass vielfältige Gesprächssituationen angeboten werden, in denen die verschiedenen Teilfähigkeiten des Führens von Gesprächen erprobt und geübt werden können (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 28). Damit vielfältige Gesprächssituationen angeboten werden können, müssen sie systematisch in den Unterricht integriert werden. Somit muss bei der Planung des Unterrichts immer mitgedacht werden, welche kommunikativen Anforderungen sich ergeben und wie diese genutzt und gestaltet werden können (vgl. Becker-Mrotzek, 2009: 112). Bedingung für ein gelingendes Gespräch im Unterricht ist, dass das gewählte Gesprächsthema für alle verfügbar ist, die Gesprächsteilnehmer einander vertrauen, ein geeigneter zeitlicher und räumlicher Rahmen geboten ist und dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Gesprächs interessiert und motiviert sind (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 28). Sowohl in informellen als auch in angeleiteten Gesprächen kann die Lehrkraft Beobachtungen über die Gesprächskompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler machen und so individuelle Fördermaßnahmen ableiten (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 30).
Generell sollte die Grundschule „eine Gesprächskultur entwickeln, in der die Kinder ihre Gesprächskompetenzen angeleitet und selbstbeobachtend entwickeln können“ (Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 21). Daher sollten eine Atmosphäre geschaffen werden, die sowohl das Sprechen als auch das Zuhören fördert und zahlreiche, vielfältige Sprech- und Gesprächssituationen ermöglicht, in denen bedeutsame Inhalte unter Einhaltung aufgestellter Gesprächsregeln besprochen werden. Die klassische Methode des Unterrichtsgesprächs ist zum Schaffen einer solchen Atmosphäre nur bedingt geeignet, da ein hierarchischer Unterschied zwischen Schülerinnen und Schülern und der Lehrperson besteht, sodass alles, was im Gespräch gesagt wird, potentiell als Grundlage für eine Bewertung genutzt werden kann, was dem Entstehen eines gelingenden Gesprächs im Wege stehen kann. Auch ist es im traditionellen Unterrichtsgespräch oft so, dass die Lehrperson das Rederecht hat und dieses durch Fremdzuweisung abgibt, so dass der Sprecher-Hörer-Wechsel nicht geübt wird. Auch dadurch, dass die Lehrkraft im Unterrichtsgespräch im Unterricht Fragen stellt, deren Antwort sie bereits kennt ist ein deutlicher Unterschied zu alltäglichen Gesprächen gegeben (vgl. Hochstadt/Krafft/Olsen, 2015: 20). Geeigneter zum Erlernen von Gesprächsfähigkeit sind daher Schüler- oder Gruppengespräche (vgl. Hochstadt/Krafft/Olsen, 2015: 21).
Eine Möglichkeit, solche Gespräche im Unterricht entstehen zu lassen, bietet das bereits erläuterte kooperative Lernen. Wenn kooperative Lernformen wiederkehrend und ritualisiert eingesetzt werden, kann dadurch die Gesprächsfähigkeit parallel zu sachlichen Lernfortschritten entwickelt werden. Bedingung hierfür ist jedoch, dass die Kinder gesprächsfähig sind, so dass aktives und selbstverantwortliches miteinander Kommunizieren möglich ist (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 32 f.). Was Gesprächsfähigkeit konkret meint und welche Faktoren sie umfasst, wird im Folgenden erläutert.
Gesprächskompetenzen entwickeln sich dadurch, dass Kinder statt lokalen, assoziativen und sprecherbezogenen Verfahren des sprachlichen Handelns, globale, vorausschauende und hörerbezogene Verfahren zur Äußerung von sprachlichen Aussagen nutzen (vgl. Becker-Mrotzek, 2009: 108). Die wesentliche Aufgabe der Entwicklung der Gesprächskompetenz besteht darin, dass Schülerinnen und Schüler „sich in strukturierten Gesprächen über Sachverhalte von Welt zielorientiert auszutauschen […] [und] lernen, sich vergangene und zukünftige Sachverhalte im Gespräch zu vergegenwärtigen und an ihnen zu operieren (Becker-Mrotzek, 2009: 109). Hierzu sollen Kinder im Deutschunterricht das „situationsangemessene, adressatenbezogene Sprechen und Zuhören auf verbaler, paraverbaler und nonverbaler Ebene“ (Koch, 2016: 195) erwerben, wozu sie sowohl rezeptive als auch produktive Gesprächskompetenzen benötigen.
Gesprächsfähigkeit bedeutet also, dass die Schülerinnen und Schüler sowohl die zuvor beschriebene Sprecher- als auch die Hörer-Rolle ausüben können sowie den Wechsel zwischen beiden Rollen vollführen können. Sowohl als Sprecher als auch Hörer müssen die Kinder auf die zuvor beschriebenen Faktoren eines Gespräches bezogen, den Sach- als auch den Selbst-, sowie den Hörer und den Situationsbezug schaffen können. In der Sprecherrolle bedeutet dies sachangemessen über ein Thema zu sprechen, sich dabei sowohl verbal als auch nonverbal auszudrücken, eigene Gefühle zum Ausdruck zu bringen, auf den Zuhörer einzugehen und sich in Situationen einzubringen und diese mitzugestalten (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 21). In der Rolle des Hörers sollten Kinder Inhalte zuhörend verstehen können, sowohl verbale als auch nonverbale Zeichen verstehen, ihr Zuhören kenntlich machen, den Gesprächspartner ausreden lassen, ihre eigenen Gefühle beim Zuhören reflektieren und sich in die Gesprächssituation verstehend einbringen (vgl. Potthoff/Steck/Zitzke, 2008: 22). Weiter muss den Schülerinnen und Schülern der im vorherigen Verlauf dieser Arbeit bereits beschriebene Aufbau eines Gesprächs bekannt sein und sie müssen sich an diesen halten können (vgl. Koch, 2016: 195). Zudem gehört es zu einer umfassenden Gesprächskompetenz, fähig zu sein, „über sich selbst und die eigenen Intentionen, über den oder die Partner, deren Erwartungen und die Sozialbeziehung zu ihnen, schließlich auch über die Inhalte und gemeinte Sachverhalte des Gesprächs zu reflektieren“ (Ulrich, 2007: 142). Im Kernlehrplan des Landes Nordrhein-Westfalen sind im Schwerpunkt „Gespräche führen“ des Bereichs „Sprechen und Zuhören“ zudem Kompetenzerwartungen aufgeführt, die Kinder in Bezug auf ihre Gesprächsfähigkeit erfüllen sollen. Hierzu zählt das aktive Beteiligen an Gesprächen, das Entwickeln, Begründen und Einhalten von Gesprächsregeln, das Beschreiben eigener Gefühle sowie das Reagieren auf Befindlichkeiten anderer, das Begründen eigener Meinungen, sowie das gemeinsame Diskutieren von Anliegen und Konflikten (vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2008 : 28).
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