Alfonso X ging als ‚der Weise’ in die Geschichte ein, galt er doch als einer der gelehrtesten Herrscher seiner Zeit: Er förderte Künste und Wissenschaften, führte die Toledaner Übersetzerschule auf ihren Zenit und lies zum ersten Mal Texte ins Kastilische übersetzen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, baute er das Kastilische zur Literatursprache aus und schuf im Zuge dessen das castellano drecho. Mit ihm, darin ist sich die Fachwelt einig, schlägt die „Geburtsstunde der kastilischen Prosa“ .
Um so verwunderlicher ist es, dass der „father of the Castilian prose“ in sprachhistorische Abhandlungen wenig Beachtung findet. Oft wird in diesen der Beginn des Spanischen als Literatursprache auf das Jahr 1492 mit dem Erscheinen der Grammatik Nebrijas festgelegt. Hans-Josef Niederehe versteht das mangelnde Interesse der Forschung an der Arbeit Alfonsos X als Reaktion auf das Fehlen sprachtheoretischen Abhandlungen seitens des Königs, die Aufschluss über seine sprachpolitischen Intensionen geben könnten. Ein wichtiger Grund könnte auch darin bestehen, dass Alfonsos sprachpolitische Intensionen dem heutigen Betrachter ein Rätsel aufgeben: Anstatt sich auf die Verwendung und Förderung des Kastilischen zu beschränken, lies er weiterhin Texte in andere Sprachen übersetzen. Er selbst beispielsweise dichtete in galizischer Mundart die Cantígas de Santa Maria, eine Sammlung von Marienliedern, die als persönlichstes Werk des Königs gelten. Dieses Faktum wird oft, wenn die Sprache auf Alfonso X kommt, übergangen.
Nach unserem heutigen Verständnis ist „[d]ie Literatursprache ist die am weitesten entwickelte, durch bewusste Normierung geprägte Form einer Nationalsprache.“ Daraus ergibt sich normalerweise der Konflikt, dass eine Sprache einseitig gefördert wird und dies zur Marginalisierung bzw. zur Verdrängung anderer Sprachen, führt. Mit diesem Thema beschäftigt sich auch die Europäische Union, da Minderheiten in Nationalstaaten Angst haben, im Zuge der Europäisierung ihre Identität, die für sie untrennbar an die Sprache gekoppelt ist, zu verlieren. Zur Sprachenfrage wurde bereits eine Reihe von Gesetzen erlassen, aber noch kein Nenner gefunden, auf den sich alle Beteiligten einigen konnten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Historischer Hintergrund zur politischen und sprachlichen Situation der iberischen Halbinsel im 13. Jahrhundert
- Politische Situation
- Sprachliche Situation
- Verlauf der Reconquista
- Einfluss der Reconquista auf das Kastilische
- Sprachliche Standardisierung in der Zeit Alfonso el Sabios
- Definition und Funktion von Literatursprache
- Standardisierung als Politik der Mehrsprachigkeit
- Beginn der literarischen Tradition des Kastilischen
- Standardisierung des Kastilischen im castellano drecho und durch die Toledaner Übersetzungsschule
- Gründe für den Erfolg des Kastilischen
- Historischer Hintergrund zur politischen und sprachlichen Situation der iberischen Halbinsel im 13. Jahrhundert
- Fazit
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die sprachliche Standardisierung des Kastilischen unter Alfonso X. Ziel ist es, Alfonsos sprachpolitisches Vorgehen im Kontext der mehrsprachigen Situation des 13. Jahrhunderts auf der iberischen Halbinsel zu verstehen. Die Arbeit hinterfragt die gängige Fokussierung auf 1492 als Beginn der spanischen Literatursprache und beleuchtet Alfonsos Beitrag zur Etablierung des Kastilischen als Literatursprache.
- Die politische und sprachliche Situation der iberischen Halbinsel im 13. Jahrhundert
- Die Rolle der Reconquista bei der Entwicklung des Kastilischen
- Alfonsos X Verständnis von Literatursprache und seine sprachpolitischen Strategien
- Die Standardisierung des Kastilischen durch das "castellano drecho" und die Toledaner Übersetzungsschule
- Die Gründe für den Erfolg des Kastilischen als Literatursprache
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die Forschungsfrage nach Alfonsos X Beitrag zur Standardisierung des Kastilischen dar. Der Hauptteil beginnt mit einem Überblick über die politische, sprachliche und historische Situation der iberischen Halbinsel im 13. Jahrhundert, einschließlich der Rolle der Reconquista. Es wird die mehrsprachige Situation beschrieben, in der sich das Kastilische behaupten musste. Anschließend wird die sprachliche Standardisierung unter Alfonso X im Detail analysiert, mit Fokus auf die Definition und Funktion von Literatursprache in diesem Kontext, die Rolle des "castellano drecho", und die Bedeutung der Toledaner Übersetzungsschule. Die Arbeit beleuchtet Alfonsos Strategie der Mehrsprachigkeit und untersucht die Gründe für den Erfolg des Kastilischen.
Schlüsselwörter
Alfonso X el Sabio, Kastilisch, Sprachstandardisierung, Mehrsprachigkeit, Reconquista, castellano drecho, Toledaner Übersetzungsschule, Literatursprache, Sprachpolitik, 13. Jahrhundert, Iberische Halbinsel.
- Quote paper
- Eva-Maria Dewald (Author), 2004, Sprachliche Normierung und Standardisierung des Kastilischen unter Alfonso el Sabio, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/122821