Die Kenntnisse über Rechtsschutzmöglichkeiten betroffener Personen jedenfalls halten mit der zunehmenden Anzahl von arbeitsrechtlichen Klagen nicht Schritt.
Das 1 X 1 des Kündigungsschutzes
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht die Presse über vollzogene oder zu erwartende Entlassungen in deutschen Unternehmen berichtet. Die Zahl derjenigen, die entweder selbst von einer Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses betroffen sind oder die Kenntnis von Kündigungen Bekannter oder Verwandter haben, nimmt von Tag zu Tag zu.
Die Kenntnisse über Rechtsschutzmöglichkeiten betroffener Personen jedenfalls halten mit der zunehmenden Anzahl von arbeitsrechtlichen Klagen nicht Schritt.
Fristen im Urteilsverfahren
Diese Unkenntnis beginnt bereits damit, dass den meisten Arbeitnehmern unbekannt ist, dass das Kündigungsschutzgesetz in seinem § 4 dem Arbeitnehmer grundsätzlich nur drei Wochen und keinen Tag länger Zeit gibt, um sich gegen eine noch so ungerechte Kündigung vor dem Arbeitsgericht zu wehren. Wird die vorgenannte Frist versäumt, so nehmen die meisten Arbeitnehmer davon Abstand ihre Rechtspositionen weiter zu verfolgen, obwohl ihnen mit der nachträglichen Klagzulassung ein Instrument an die Hand gegeben wurde, welches bei schuldloser Versäumung der Dreiwochenfrist in zeitlich begrenztem Rahmen die Verfolgung der Rechte erlaubt.
Vertretung beim Kündigungsausspruch und Form der Kündigung
Weitgehend ungenutzt bleiben auch die Möglichkeiten der Arbeitnehmer, eine ungerechtfertigte Kündigung durch Geltendmachung von formalen Mängeln der Kündigung zu Fall zu bringen.
Dabei sind formale Mängel der Kündigung sehr häufig. Schwerpunkte bilden hierbei die Kündigung durch den nicht zur Kündigung Berechtigten sowie die Missachtung der Schriftform beim Ausspruch der Kündigung.
Es geschieht häufig, dass sich der Arbeitgeber der unangenehmen Aufgabe, einen langjährigen Mitarbeiter zu kündigen, durch Bevollmächtigung einer anderen Person entledigt. Die Kündigung muss dann unter Vorlage der Originalvollmacht erklärt werden, sofern der die Kündigung Erklärende nicht kraft seiner Stellung im Betrieb bspw. als
kündigende Vertreter jedoch überhaupt nicht oder legt eine Fotokopie oder beglaubigte Abschrift der Vollmacht bei. Dies genügt indes nicht. Hier muss der Arbeitnehmer, um die Kündigung zu Fall zu bringen, eindeutig und unverzüglich die Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Bevollmächtigung zurückweisen, § 174 BGB. Zwar gesteht die Rechtsprechung dem Gekündigten eine gewisse Erkundigungsfrist zu. Eine Zurückweisung nach mehr als zwei Wochen wird jedoch einhellig als verspätet angesehen.
Zahlreich sind ebenfalls die Fälle, in denen die Kündigung nicht die Schriftform der §§ 623,
126 BGB wahrt. Zwar geschieht es zunehmend seltener, dass Arbeitnehmer mündlich gekündigt werden, gleichwohl nimmt die Zahl formunwirksamer Kündigungen zu. So ist ein deutliches Ansteigen von formunwirksamen Kündigungen per Telefax oder Email zu beachten. Wichtig für die Geltendmachung des Einwands des Formverstosses der Kündigung ist, dass die Geltendmachung nicht der dreiwöchigen Ausschlussfrist unterliegt. Auch nach Ablauf der vorgenannten Frist kann daher das Arbeitsgericht noch mit Erfolg angerufen werden.
Rechtsunwirksamkeit von Kündigungen wegen Verstoßes gegen Grundrechte oder gesetzliche Verbote.
Der Arbeitnehmer, der dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetztes unterliegt, also mehr als 6 Monate in einem Betrieb mit mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern tätig ist, kann neben der fehlenden sozialen Rechtfertigung einer Kündigung noch weitere Einwände außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes erheben.
So ist es nicht selten, dass bei Vorliegen mehrerer gleicher Kündigungssachverhalte allein einer Person gekündigt wird. Dies stellt regelmäßig eine Verletzung des in Art. 3 GG niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatzes dar. Die Kündigung ist dann wegen regelmäßig unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB, Art. 3 GG zivilrechtlich unwirksam.
Gewichtiger als die vorgenannten Sachverhalte sind die Fälle, in denen die Kündigung gegen das Maßregelverbot verstößt oder wegen des der Kündigung zugrunde liegenden Betriebsüberganges unwirksam ist.
Die Anhörung des Betriebsrates bei Kündigungen.
Die Beteiligung des Betriebsrates bei Kündigungen ist im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Er ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe der beabsichtigten Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
Gleiches gilt für die unvollständige Unterrichtung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber. Die unvollständige Unterrichtung steht der nicht erfolgten Unterrichtung gleich.
Anforderungen an die Unterrichtung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber
Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Person des Arbeitnehmers mit allen Daten, die für die Beurteilung des Kündigungsgrundes möglicherweise von Bedeutung sein können, mitteilen. Hierzu gehört der Name, das Alter, der Familienstand, die Anzahl der zu unterhaltenden Kinder, die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie sonstige außergewöhnliche Wann kann ich mich als Arbeitnehmer auf das Kündigungsschutzgesetz berufen ?
Die Berufung auf das Kündigungsschutzgesetz durch den Arbeitnehmer setzt zunächst voraus, dass das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden hat, die sogenannte Wartezeit mithin erfüllt ist. Weiterhin ist erforderlich, dass der Betrieb, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, regelmäßig mehr als 10 rechnerisch vollzeitbeschäftigte Personen beschäftigt, wobei zur Berufsausbildung beschäftigte Personen, Azubis, nicht mitgezählt werden – sogenannter Schwellenwert.
Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit nicht mehr als 30 Stunden Wochenarbeitszeit werden nur anteilig mitgezählt. Dabei werden Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 30 Stunden Wochenarbeitszeit mit einer Quote von 0,75 rechnerisch berücksichtigt und Teilzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit von bis zu 20 Stunden mit einer Quote von 0,5 rechnerisch in Ansatz gebracht. Letzteres bedeutet auch, dass selbst derjenige, der beispielsweise nur 5 Stunden in der Woche als Reinigungskraft tätig ist, mit einer rechnerischen Quote von 0,5 berücksichtigt wird.
Hintergrund der Schwellenwertregelung ist die Ansicht des Gesetzgebers, dass in Kleinbetrieben die Kündigungen erleichtert werden müssen, da dort die wirtschaftliche Tragbarkeit von Abfindungszahlungen regelmäßig nicht gegeben sei und es zudem auf eine vertauensvolle Zusammenarbeit stärker ankomme als in größeren Betrieben. Insbesondere würde in Kleinbetrieben der Chef regelmäßig persönlich mit Hand anlegen.
Für Arbeitnehmer, die vor dem 01.01.2004 eingestellt wurden, gilt jedoch der Schwellenwert von (mehr als) fünf Arbeitnehmern, sofern die Anzahl der Alt-Arbeitnehmer nicht seit dem 01.01.2004 auf fünf oder weniger Arbeitnehmer gesunken ist.
Welche Vorteile bringt mir als Arbeitnehmer die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes im Kündigungsschutzverfahren ?
Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, so ist eine vom Arbeitgeber unter Wahrung sämtlicher Formalien und unter Beachtung der einschlägigen Kündigungsfristen ausgesprochene ordentliche Kündigung gleichwohl nur dann wirksam, wenn sie entweder durch Gründe in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist. Der Kreis der Gründe, deretwegen eine dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes unterfallende Kündigung unwirksam sein kann, ist damit deutlich größer als die vorstehend skizzierten Gründe eines Verstoßes gegen Grundrechte oder gesetzliche Verbote.
Worin besteht der Schwerpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung bei einer verhaltensbedingten Kündigung ?
Häufig gestellte Fragen
Was ist das 1 X 1 des Kündigungsschutzes und worum geht es in dem Dokument?
Das Dokument befasst sich mit den Rechten von Arbeitnehmern im Falle einer Kündigung. Es behandelt Fristen, formale Anforderungen an eine Kündigung, die Rolle des Betriebsrats, den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes und die Gründe, die eine Kündigung unwirksam machen können.
Welche Frist muss ein Arbeitnehmer beachten, wenn er gegen eine Kündigung vorgehen möchte?
Nach § 4 des Kündigungsschutzgesetzes hat der Arbeitnehmer grundsätzlich nur drei Wochen Zeit, um vor dem Arbeitsgericht gegen eine Kündigung vorzugehen. Es gibt jedoch die Möglichkeit der nachträglichen Klagezulassung bei schuldloser Versäumung der Frist.
Welche formalen Mängel können eine Kündigung ungültig machen?
Formale Mängel können vorliegen, wenn die Kündigung von einer nicht bevollmächtigten Person ausgesprochen wurde oder die Schriftform nicht eingehalten wurde (z.B. Kündigung per Telefax oder E-Mail). Im Falle einer Kündigung durch einen Bevollmächtigten muss die Originalvollmacht vorgelegt werden. Bei Nichtbeachtung der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung, muss der Arbeitnehmer, um die Kündigung zu Fall zu bringen, eindeutig und unverzüglich die Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Bevollmächtigung zurückweisen, § 174 BGB.
Was ist bei der Anhörung des Betriebsrats zu beachten?
Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitteilen. Eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats oder bei unvollständiger Unterrichtung des Betriebsrats ist unwirksam.
Wann kann sich ein Arbeitnehmer auf das Kündigungsschutzgesetz berufen?
Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden hat (Wartezeit) und der Betrieb regelmäßig mehr als 10 vollzeitbeschäftigte Personen beschäftigt (Schwellenwert). Teilzeitbeschäftigte werden anteilig berücksichtigt.
Welche Vorteile bringt die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes?
Wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, ist eine ordentliche Kündigung nur dann wirksam, wenn sie durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers oder durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist. Dies erweitert die Gründe, aus denen eine Kündigung unwirksam sein kann.
Was ist der Schwerpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung bei einer verhaltensbedingten Kündigung?
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung streiten sich die Parteien im Regelfall um den tatsächlichen Geschehensablauf, d.h. ob der dem Arbeitnehmer gemachte Vorwurf zutreffend ist oder nicht.
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- Dr. jur. Frank Sievert (Author), 2009, Das 1 X 1 des Kündigungsschutzes, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/122507