Es stellt sich Frage, warum Russland in der Ukraine-Krise interveniert, und die Krim annektiert hat. Die Theorie des Neoliberalismus bietet sich dabei an, eine theoriegeleitete Erklärung für das Verhalten Russlands zu finden. In der Arbeit wird dementsprechend untersucht, wie die Annexion der Krim durch Russland sich aus der neorealistischen Perspektive erklären lässt.
Als Erstes wird dafür die historische Ausgangslage und die Geschehnisse, die zur Annexion der Krim führten, beschrieben und daraufhin die Theorie des Neorealismus nach Kenneth Waltz umrissen. Anschließend wird die russische Intervention auf der Krim aus der neorealistischen Perspektive betrachtet, wobei zuerst die Polarität des internationalen Systems, sowie die Positionen der wichtigsten Akteure und die Faktoren, die die Bedrohungsperzeption Russlands gebildet haben, analysiert werden. Im Anschluss wird die Annexion der Krim durch Russland aus der neorealistischen Perspektive interpretiert. Des Weiteren wird auf einen Kritikpunkt der neorealistischen Erklärung der Ereignisse eingegangen und zum Schluss die Argumentationskette in einem Fazit nochmal zusammengefasst.
Seit nun über 6 Jahren befindet sich die Ukraine in einer schwerwiegenden politischen Krise, dessen Schlüsselereignis die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland war. Das russische Vorgehen löste eine breite Empörung in der internationalen Gemeinschaft aus. Viele westliche Regierungen hätten nicht erwartet, dass Russland dazu bereit war, mehrere internationale Verpflichtungen zu verletzen, um seinen Einfluss in der Ukraine zu erhalten, vor allem da Russland im Westen als ein Kooperationspartner in Angelegenheiten der Sicherheits- und Verteidigungspolitik angesehen wurde. Dieser Umstand weist darauf hin, dass die Vorstellungen des Westens über seine Beziehungen zu Russland nicht der Realität entsprachen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Krim-Krise
2.1 Historische Ausgangslage
2.2 Die Annexion der Krim
3. Neorealismus nach Kenneth Waltz
3.1 Akteure und Strukturen
3.2 Balance of Power
4. Die Annexion der Krim aus der Perspektive des Neorealismus
4.1 Struktur des internationalen Systems
4.2 Wichtige Akteure
4.2.1 Position des Westens
4.2.2 Position Russlands
4.2.3 Position der Ukraine
4.3 Westliche Bedrohungen fur Russland
4.4 Interpretation aus der neorealistischen Perspektive
5. Kritik an der neorealistischen Erklarung
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Seit nun uber 6 Jahren befindet sich die Ukraine in einer schwerwiegenden politischen Krise, dessen Schlusselereignis die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland war (Richter 2014: 1). Das russische Vorgehen loste eine breite Emporung in der internationalen Gemeinschaft aus. Viele westliche Regierungen hatten nicht erwartet, dass Russland dazu bereit war mehrere internationale Verpflichtungen zu verletzen,um seinen Einfluss in der Ukraine zu erhalten, vor allem da Russland im Westen als ein Kooperationspartner in Angelegenheiten der Sicherheits- und Verteidigungspolitik angesehen wurde (Kononczuk 2014: 122). Dieser Umstand weist darauf hin, dass die Vorstellungen des Westens uber seine Beziehungen zu Russland nicht der Realitat entsprachen.
Somit stellt sich die Frage, warum Russland in der Ukraine-Krise interveniert und die Krim annektiert hat. Die Theorie des Neoliberalismus bietet sich dabei an eine theoriegeleitete Erklarung fur das Verhalten Russlands zu finden. Im Folgenden wird dementsprechend untersucht, wie die Annexion der Krim durch Russland sich aus der neorealistischen Perspektive erklaren lasst.
Als erstes wird dafur die historische Ausgangslage und die Geschehnisse, die zur Annexion der Krim fuhrten, beschrieben und daraufhin die Theorie des Neorealismus nach Kenneth Waltz umrissen. AnschlieBend wird die russische Intervention auf der Krim aus der neorealistischen Perspektive betrachtet, wobei zuerst die Polaritat des internationalen Systems, sowie die Positionen der wichtigsten Akteure und die Faktoren, die die Bedrohungsperzeption Russlands gebildet haben, analysiertwerden. Im Anschluss wird die Annexion der Krim durch Russland aus der neorealistischen Perspektive interpretiert. Des Weiteren wird auf einen Kritikpunkt der neorealistischen Erklarung der Ereignisse eingegangen und zum Schluss die Argumentationskette in einem Fazit nochmal zusammengefasst.
Unter dem Begriff der „Ukraine-Krise“ werden in dieser Arbeit die Proteste in der Ukraine zwischen November 2013 und Marz 2014 bezeichnet, die durch das gescheiterte Assoziierungsabkommen mit der EUausgelost wurden. Das Ende dieser Periode markiert die Militarintervention Russlands. Der Begriff „Krim-Krise“ bezeichnet dabei den politischen, teilweise bewaffneten Konflikt um die Halbinsel Krim im Marz 2014.
Den folgenden Betrachtungen liegt vor allem das Werk „Theory of International Politics“ von Kenneth N. Waltz als Basisfur die Theorie des Neorealismus zu Grunde. Fur die neorealistische Analyse der Ereignisse werden unter anderem die Werke von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt, sowie Alexander Llukin und Wolfgang Richter herangezogen.
2. Die Krim-Krise
Der kalte Krieg zwischen den Westmachten unter Fuhrung der USA und dem Ostblock unter Fuhrung der Sowjetunion pragt bis heute in starkem MaBe die gegenseitige Wahrnehmung der beiden Blocke. Die nach Ende des kalten Kriegs getroffenen Abkommen und Regelungen bestimmen teilweise immer noch die internationalen Beziehungen der beteiligten Staaten. Um das Verhaltnis zwischen Russland und dem Westen zu verstehen, werden deswegen diese Abkommen und ihre Entwicklung uber die Jahre in einem ersten Schritt beschrieben. AnschlieBend werden die Ereignisse in der Ukraine Krise, die schlieBlich zur Annexion der Krim durch Russland gefuhrt haben, umrissen. Da im Neorealismus lediglich das auBenpolitische Verhalten von Staaten betrachtet und Innenpolitik auBer Acht gelassen wird, konzentrieren sich auch die folgenden Beschreibungen hauptsachlich auf das auBenpolitische Verhalten der Akteure.
2.1 Historische Ausgangslage
Nach dem Ende des Kalten Krieges sollten Abkommen wie die Charta von Paris und der Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa - kurz KSE - sicherstellen, dass keine der beiden Seiten als Verlierer aus demKonflikt hervorgeht (Richter 2014: 2). Vor allem nach dem Kollaps des Warschauer Paktes, sowie der Sowjetunion im Jahre 1991 sollte der KSE Vertrag das militarische Gleichgewicht zwischen Ost und West und auch die geographische Distanz zwischen der North Atlantic Treaty Organisation - kurz NATO - und Russland sichern. Im Rahmen der ersten NATO-Erweiterung 1999 wurden in diesem Vertrag getroffene Vereinbarungen in Abstimmung mit Russland reformiert. Dazu wurde 1997 die NATO-Russland Grundungsakte aufgesetzt, die eine volkerrechtliche Absichtserklarung darstellt, ein gegenseitiges Vertrauensverhaltnis und die Schaffung eines gemeinsamen Stabilitats- und Sicherheitsraumes anzustreben. Um diese Ziele zu verwirklichen wurde im Zuge der zweiten NATO-Erweiterung 2003 der NATO-Russland Rat geschaffen -kurz NRR -in dem alle damaligen NATO-Mitgliedstaaten und Russland gleichberechtigt und ohne im Vorhinein vereinbarte Blockpositionen miteinander sprechen sollten (Richter 2014: 2).
Diese Vereinbarung wurde seitens der NATO jedoch nicht ausreichend eingehalten, da diese in einigen fur Russland wichtigen strategischen Bereichen, wie der strategischen Raketenabwehr und Rustungskontrolle, in Blockpositionen auftrat. Zum Beispiel vereinbarte die USA bilateral mit Polen und Tschechien 2007 die Stationierung von Elementen einer strategischen Raketenabwehr (Richter 2014: 3). Auf die russische Forderung hin den KSE-Vertrag in dieser Angelegenheit in Kraft zu setzen kam es zu einem Konflikt mit der NATO, der darin endete, dass diese sich weigerte den KSE- Vertrag erneut zu ratifizieren (Richter 2014: 4). Das Verhaltnis zwischen den beiden Blocken verscharfte sich weiter, als die NATO der Ukraine und Georgien die Mitgliedschaft anbot, woraufhin Georgien die umstrittene Region Sudossetien angriff und Russland dort militarisch intervenierte (Maersheimer 2014: 2).
2.2 Die Annexion der Krim
Das Schlusselereignis, das die Ukraine-Krise ausloste, war, dass der damalige ukrainische Prasident Wiktor Janukowitsch sich weigerte den Assoziierungsvertrag mit der EU zu unterzeichnen, der der Ukraine groBe wirtschaftliche Vorteile gebracht hatte. Stattdessen nahm er ein Gegenangebot Russlands von 15 Milliarden US-Dollar an (Maersheimer 2014: 3). Diese Entscheidung fuhrte zu einer Welle von regierungskritischen Demonstrationen in der Ukraine, die immer weiter eskalierten und bis zum Februar 2014 uber 100 Tote zu verzeichnen hatten. Im Zuge dieser Massenproteste in Kiew wurde Janukowitsch abgesetzt und trat daraufhin die Flucht an. Im Anschluss wurde eine neue Regierung mit starken pro-westlichen und russlandfeindlichen Tendenzen gebildet. Hierbei wird den USA vorgeworfen der neuen Regierung zur Macht verholfen zu haben (Maersheimer 2014: 3). Kurz darauf schickte der russische Prasident Wladimir Putin russische Truppen auf die ukrainische Halbinsel Krim, um diese zu annektieren. Dies erwies sich als recht einfach, da zum einen schon einige Tausend Soldaten auf der Krim in Sevastopol - einem militarischen Stutzpunkt Russlands - stationiert waren. Zum anderen sind 60% der Bevolkerung der Krim ethnische Russen, von welchen sich bereits der GroBteil von der Ukraine abspalten wollte (Walt 2014: 2). Des Weiteren drohte Putin der ukrainischen Regierung mit wirtschaftlichen Sanktionen und weiteren militarischen Eingriffen, wenn diese weiterhin mit dem Westen zusammenarbeiten wurde (Maersheimer 2014: 3).
3. Neorealismus nach Kenneth Waltz
Der Neorealismus nach Kenneth Waltz beruht auf einigen zentralen Annahmen, die im Folgenden erlautert werden. Zuerst wird dabei auf Waltzs Unterscheidung der beiden Elemente eines Internationalen Systems - Akteure und Struktur - eingegangen und im Anschluss die daraus resultierenden moglichen Dynamiken mithilfe der „Balance of Power“ Theorie beschrieben.
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