Mit der Erkenntnis, dass Mimesis kein homogener Begriff, sondern ein hochkomplexes Gebilde mit erstaunlicher Bedeutungsvielfalt ist, das einem steten Bedeutungswandel unterzogen ist, findet man auch in einem postdramatischem Stück wie „Deafman Glance“ viele Anknüpfungspunkte. Abweichend vom aristotelischen Ideal der Ähnlichkeit ergeben sich bereits bei Kleist überraschend modern anmutende Gesichtspunkte auf den heutigen Mimesis-Begriff. Speziell in seinen Schriften „Über das Marionettentheater“ (1810) finden sich ausnehmend viele Übereinstimmungen mit Wilsons mimetischer Herangehensweise. Trotz oder wegen der heutigen immensen Bedeutungsvielfalt der Mimesis ist sie selbst im postdramatischen Theater – wie anhand von Robert Wilsons „Deafman Glance“ nachweisbar – noch existent. Die künstlerischen Verdienste hochkarätiger Autoren wie Lessing mit dem Anreißen der „Performance“, Lenz mit seiner antiaristotelischen Haltung, Kleist, Brecht sowie Artaud und moderne Philosophen von Adorno bis Baudrillard finden im Mimesis-Verständnis und der Ausprägung des postdramatischen Theaters ihren Ausdruck.
Robert Wilsons Theaterstück „Deafman Glance“ weist in diesem Sinne nicht nur mimetische Merkmale der Theaterhistorie auf, sondern enthält überdies zahlreiche Kriterien des postdramatischen Theaters. Basierend auf fremden Wahrnehmungen – wie der stummen Welt seines Adoptivsohnes Raymond Andrews – spielt Wilson mit jeder Menge Anspielungen, die auch aus den Bereichen Psychoanalyse und Freudsches Denken stammen . Unter Einbringung seiner ästhetischen Kompetenz als ausgebildeter Architekt, lässt er sein Können im Rahmen der Bühnengestaltung, Lichtregie und außergewöhnlichen Darstellerführung spielen. Ein ausgeprägtes Kunstempfinden und ein besonders Zeitgefühl machen „Deafman Glance“ zum visuell-sinnlichen postdramatischen Theatergenuss. Distanz wird bei ihm „zum magischen Schlüsselwort“ von Mimesis, denn – unbeeinflusst von Akteuren und Ausstattung obliegt es allein dem Zuschauer, die „Wahrheit“ oder zumindest eine Erkenntnis aus dem Dargebrachten zu gewinnen.
Inhaltsverzeichnis
- Prolog
- Robert Wilsons „Deafman Glance“ unter dem Blickwinkel von Mimesis und postdramatischem Theater
- Kurzer Exkurs zur Interpretationsgeschichte der Mimesis (gr. mímēsis)
- Postdramatisches Theater und Mimesis
- Kurzer Exkurs zum postdramatischen Theater
- Kennzeichen des postdramatischen Theaters
- Das Postdramatische Theater und die Mimesis am Beispiel von Robert Wilsons „Deafman Glance“
- Robert Wilson - Arbeitsweise und Einflüsse
- „Deafman Glance“: Postdramatische Kategorien und Mimesis
- Theater und Performance
- Die Rolle der Darsteller in Wilsons „Deafman Glance“
- Sprache
- Postdramatische Körperbilder
- Raum
- Zeit
- Epilog
- Appendix
- Robert Wilson - Leben und Werk
- Literaturverzeichnis
- Filmographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Robert Wilsons „Deafman Glance“ im Kontext von Mimesis und postdramatischem Theater. Ziel ist es, die Beziehung zwischen Wilsons Inszenierung und den theoretischen Konzepten der Mimesis und des postdramatischen Theaters zu analysieren und zu verstehen, wie diese Konzepte in der Aufführung zum Ausdruck kommen. Die Arbeit beleuchtet die spezifischen Merkmale von Wilsons Stück und diskutiert deren Relevanz innerhalb des postdramatischen Theaterdiskurses.
- Die Interpretationsgeschichte des Begriffs „Mimesis“
- Die Charakteristika des postdramatischen Theaters
- Die Anwendung postdramatischer Elemente in „Deafman Glance“
- Die Rolle der Mimesis in Wilsons Inszenierung
- Die Analyse von Raum, Zeit, Sprache und Körperlichkeit in „Deafman Glance“
Zusammenfassung der Kapitel
Prolog: Der Prolog führt in die Thematik ein und beschreibt die Faszination der Autorin für Robert Wilsons „Deafman Glance“ und das postdramatische Theater im Allgemeinen. Er skizziert die zentralen Forschungsfragen der Arbeit, die sich mit der Definition und Klassifizierung postdramatischen Theaters und dem Verhältnis von Mimesis und postdramatischem Theater im Kontext von Wilsons Stück befassen. Die Einleitung verdeutlicht die methodische Vorgehensweise, welche die Auseinandersetzung mit Interviews von Wilson, sowie bedeutenden zeitgenössischen Reflexionen zu „Deafman Glance“ und theaterwissenschaftlichen Werken umfasst.
Robert Wilsons „Deafman Glance“ unter dem Blickwinkel von Mimesis und postdramatischem Theater: Dieses Kapitel bildet den Kern der Arbeit. Es beginnt mit einem Exkurs in die Interpretationsgeschichte des Begriffs „Mimesis“, von der Antike über die Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert. Anschließend wird das postdramatische Theater definiert und seine Kennzeichen herausgearbeitet. Der Hauptteil des Kapitels analysiert „Deafman Glance“ unter Berücksichtigung der zuvor etablierten theoretischen Grundlagen. Die Analyse untersucht verschiedene Aspekte der Inszenierung, einschließlich der Rolle der Darsteller, der Sprache, der Körperlichkeit, des Raums und der Zeit, um die Verbindung zwischen Wilsons Werk und den Konzepten der Mimesis und des postdramatischen Theaters aufzuzeigen. Dabei wird Wilsons Arbeitsweise und deren Einfluss auf die Aufführung berücksichtigt.
Epilog: (Der Epilog wird gemäß den Anweisungen nicht zusammengefasst.)
Schlüsselwörter
Mimesis, Postdramatisches Theater, Robert Wilson, Deafman Glance, Theaterwissenschaft, Performance, Körperlichkeit, Raum, Zeit, Sprache, Inszenierung, Dramaturgie.
Häufig gestellte Fragen zu "Robert Wilsons „Deafman Glance“ unter dem Blickwinkel von Mimesis und postdramatischem Theater"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert Robert Wilsons Theaterstück „Deafman Glance“ im Kontext von Mimesis und postdramatischem Theater. Sie untersucht die Beziehung zwischen Wilsons Inszenierung und diesen theoretischen Konzepten und beleuchtet, wie diese in der Aufführung zum Ausdruck kommen. Ein zentrales Anliegen ist die Diskussion der Relevanz von „Deafman Glance“ innerhalb des postdramatischen Theaterdiskurses.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Interpretationsgeschichte des Begriffs „Mimesis“, die Charakteristika des postdramatischen Theaters, die Anwendung postdramatischer Elemente in „Deafman Glance“, die Rolle der Mimesis in Wilsons Inszenierung sowie eine detaillierte Analyse von Raum, Zeit, Sprache und Körperlichkeit in „Deafman Glance“. Sie berücksichtigt auch Robert Wilsons Arbeitsweise und deren Einfluss auf die Inszenierung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in einen Prolog, ein Hauptkapitel („Robert Wilsons „Deafman Glance“ unter dem Blickwinkel von Mimesis und postdramatischem Theater“), welches Exkurse zur Mimesis und zum postdramatischen Theater beinhaltet, und einen Epilog. Zusätzlich gibt es einen Appendix mit Informationen zu Robert Wilson, einem Literaturverzeichnis und einer Filmografie.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Der Prolog führt in die Thematik ein und beschreibt die Forschungsfragen. Das Hauptkapitel analysiert „Deafman Glance“ anhand der theoretischen Konzepte von Mimesis und postdramatischem Theater, wobei verschiedene Aspekte der Inszenierung (Rolle der Darsteller, Sprache, Körperlichkeit, Raum, Zeit) untersucht werden. Der Epilog fasst die Ergebnisse zusammen (dieser ist im Inhaltsverzeichnis nicht detailliert wiedergegeben). Der Anhang bietet zusätzliche Informationen zu Robert Wilson, Literatur und Filmografie.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit stützt sich auf die Auseinandersetzung mit Interviews von Robert Wilson, bedeutenden zeitgenössischen Reflexionen zu „Deafman Glance“ und einschlägigen theaterwissenschaftlichen Werken. Die methodische Vorgehensweise wird im Prolog näher erläutert.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Mimesis, Postdramatisches Theater, Robert Wilson, Deafman Glance, Theaterwissenschaft, Performance, Körperlichkeit, Raum, Zeit, Sprache, Inszenierung, Dramaturgie.
Was ist das Ziel der Arbeit?
Das Ziel ist es, die Beziehung zwischen Robert Wilsons „Deafman Glance“ und den theoretischen Konzepten der Mimesis und des postdramatischen Theaters zu analysieren und zu verstehen, wie diese Konzepte in der Aufführung zum Ausdruck kommen. Die Arbeit zielt darauf ab, die spezifischen Merkmale von Wilsons Stück im Kontext des postdramatischen Theaterdiskurses zu beleuchten.
- Arbeit zitieren
- MMag. Silvia Kornberger (Autor:in), 2006, Robert Wilsons „Deafman Glance“ unter dem Blickwinkel von Mimesis und postdramatischem Theater, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/121427