Diese Arbeit beschäftigt sich mit einer Projektdurchführung nach der Projektmethode von Karl Frey.
Die Projektmethode hat zum Ziel, dass sich die Schüler:innen selbstgesteuert und gemeinsam als Gruppe mit einem von ihnen gewählten Thema auseinandersetzen, ihre Arbeitsschritte selbst planen, viel interagieren und kommunizieren und ein gemeinsames Produkt erstellen. Die Projektmethode stärkt überfachliche Kompetenzen wie selbstorganisiertes und -gesteuertes Arbeiten, selbstständiges und entdeckendes Lernen und soziale Kompetenzen. Das ermöglicht ihnen das Zurechtfinden in der Welt.
Das Thema des Projekts muss an den Interessen der Schüler:innen orientiert oder im besten Fall von den Schüler:innen selbst bestimmt sein. Dadurch entsteht ein starker Bezug zur Lebenswelt der Schüler:innen sowie intrinsische Motivation, welche die Aufmerksamkeit und das Interesse der Schüler:innen an dem Projekt aufrecht hält.
Aufgrund dieser Möglichkeiten schien die Projektmethode die perfekte Gegenbewegung zu den monotonen und in ihren Abläufen festgefahrenen Unterrichtkonzepten zu sein, wodurch die Erwartungen und Ansprüche an sie anstiegen. So wurde diese Methode zu einem Symbol des perfekten Unterrichts, aus dem die Schüler:innen selbstständig und autonom handlungsfähig hervorgehen.
2.1 Die Entstehung der Projektmethode
2.2 Ursprung des Projekts und Projektunterrichts
2.3 Überblick der historischen Entwicklung
2.4 Der Pragmatismus in den USA
2.4.2 William Heard Kilpatrick
2.5 Die Reformpädagogik in Deutschland
2.6 Die Arbeitsschulkonzepte in Russland
3.1 Wolfang Emers und Klaus-Dieter Lenzens handlungs- und produktorientierter Projektunterricht
3.2 Silke Traubs PROGRESS-Methode zur Förderung selbstgesteuerten Lernens
3.3 Herbert Gudjons‘ Projektmethode zur Förderung eigenständigen und entdeckenden Lernens
3.3.1 Die Wahl des Projektthemas
3.3.2 Die gemeinsame Entwicklung eines problemlösenden Arbeitsplans
3.3.3 Die handlungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Problem
3.3.4 Die Überprüfung der erarbeiteten Problemlösung an der Wirklichkeit
4 Ziele und Merkmale der Projektmethode
4.4 Probehandeln unter pädagogischen Bedingungen und die Setzung des Arbeitsrahmens
5 Voraussetzungen der Projektmethode
5.2 Integration in die Lernsituation
5.3 Nötige Kompetenzen der Schüler:innen
5.4 Vorbereitungen der Lehrperson
5.4.1 Herstellen offener Ausgangssituationen bei enger Ausgangslage
5.4.2 Wahlliste mit Betätigungsgebieten
5.5.1 Vereinbarung über Zeitlimits
5.5.2 Vereinbarung über vernünftiges Argumentieren
5.5.3 Vereinbarung über den Umgang miteinander
5.5.4 Vereinbarungen über den Umgang mit hergestellter und natürlicher Umwelt
5.5.5 Mindestanforderung an Vereinbarungen
6 Die Komponenten der Projektmethode
6.1 Die Projektinitiative
6.2 Die Auseinandersetzung mit der Projektinitiative
6.3 Die Entwicklung des Betätigungsgebiets
6.4 (Verstärkte) Aktivitäten im Betätigungsgebiet
6.5 Abschluss des Projekts
6.6 Fixpunkte
6.7 Metainteraktion
6.7.1 Zeitpunkte und Kommunikationsformen der Metainteraktion
6.7.2 Der Einstieg in die Metainteraktion
7 Leistungsbeurteilung
8 Das Potenzial und die Gefahren der Projektmethode
9 Der Sternbild-Adventskalender: Die Antizipation einer Projektdurchführung nach der Projektmethode von Karl Frey
9.1 Der Sternbild-Adventskalender als Projekt
10 Voraussetzungen und Vorbereitungen
10.1 Analyse der Lerngruppe und Vorbereitung des Lernklimas
10.2 Gewöhnung an die offene Arbeitsform und die Komponenten
10.3 Zeitliche und räumliche Voraussetzungen
10.4 Vereinbarungen über die Verhaltensregeln
10.5 Absprache zur Leistungsbeurteilung
11 Die Projektinitiative
12 Die Auseinandersetzung mit der Projektinitiative
12.1 Kunstgruppe: Gestaltung der Himmelskugel und Türchen
12.2 Technikgruppe: Verbindung zwischen den Knöpfen und den Sternbildern
12.3 Geschichtsgruppe: Erstellung der fiktiven Geschichte und Einarbeitung der Mythen
12.4 Audiogruppe: Erarbeitung technischer Möglichkeiten für die Audiodateien
13 Die Entwicklung des Betätigungsgebiets
14 (Verstärkte) Aktivitäten im Betätigungsgebiet
14.1 Kunstgruppe: Gestaltung der Himmelskugel und Türchen
14.2 Technikgruppe: Verbindung zwischen den Knöpfen und den Sternbildern
14.3 Geschichtsgruppe: Erstellung der fiktiven Geschichte und Einarbeitung der Mythen
14.4 Audiogruppe: Erarbeitung technischer Möglichkeiten für die Audiodateien
15 Der Abschluss des Projekts
16 Fixpunkt
17 Metainteraktion
18 Leistungsbeurteilung
19 Das Potenzial des Projekts
20 FazitRückblick
21 Ausblick
22 Quellenverzeichnis
23 Anhang
23.1 Das Grundmuster der Projektmethode von Karl Frey
23.2 Fragebogen für den Einstieg in die Metainteraktion nach Frey 2012: S. 135f.
23.3 Kriterien zur Leistungsbeurteilung nach Silke Traub
23.4 Kriterien zur Leistungsbeurteilung nach Emer und Lenzen
23.5 Regelvorschlag
23.6 Stellarium
23.7 Ergebnisse der Technikgruppe der Aktivität im Betätigungsgebiet
23.8 Ergebnisse der Geschichtsgruppe aus der Aktivität im Betätigungsgebiet
23.9 Das fertige Produkt
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2: Vor- und Nachteile zur Leistungsbeurteilung des Projekts nach Frey 2012: S. 168f.
Abbildung 3: Tätigkeitsrollen für die Kleingruppenarbeit.
Abbildung 4: Methodenkärtchen für ein Brainstorming zur Auswahl von Vorschlägen.
Abbildung 5: Projektskizze des Sternbild-Adventskalenders.
Abbildung 6: Gestaltung der Styroporkugel.
Abbildung 7: Verbindung zwischen den Knöpfen und den Sternbildern sowie das Anbringen der Türchen.
Abbildung 8: Beispielhafte Darstellung der Audiodatei nach dem Scan.
Abbildung 9: Methodenkärtchen für die Rückmelderunde zu den Tätigkeitsrollen.
Abbildung 10: Methodenkärtchen für eine dynamische Diskussion.
Abbildung 11: Methodenkärtchen für die Reflexion eines Fixpunkts oder einer Metainteraktion.
Abbildung 12: Methodenkärtchen zur Erfassung der Stimmung zum Projekt.
Abbildung 13: Methodenkärtchen zur Erfassung offener Wünsche.
Abbildung 15: Das Grundmuster der Projektmethode von Karl Frey.
Abbildung 16: Ein Einblick in Stellarium.
Abbildung 17: Anschluss mehrerer LEDs am Steckbrett.
Abbildung 18: Plan für den Anschluss der LEDs.
Abbildung 19: Innenseite der Box mit eingesetzten Druckknöpfen.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Projektunterricht methodisch entfaltet aus Emer/Lenzen 2002: S. 129.
Tabelle 2: Die PROGRESS-Methode von Silke Traub als Stufenmodell nach Traub 2012a.
Tabelle 3: Die Projektmethode von Herbert Gudjons nach Gudjons 2014.
Tabelle 4: Übersicht über den Ablauf des Projekts nach der Projektmethode von Frey.
Tabelle 5: Ausgearbeiteter und an Änderungen angepasster Projektplan.
Tabelle 7: Kriterien zur Leistungsbeurteilung erstellt nach Traub 2012a: S. 173f.
Tabelle 8: Kriterien für die Leistungsbeurteilung erstellt nach Emer/Lenzen 2002: S. 55f.
1 Einleitung
Die Lebenswelt von Schüler:innen entwickelt sich immer schneller. Dadurch verändern sich auch die benötigen Kompetenzen, um sich in dieser wandelnden Welt zurechtzufinden. Zugleich wachsen durch die Veränderungen der Lebenswelt die Möglichkeiten für die Schüler:innen, ihr Leben selbst zu gestalten. Damit einher geht jedoch auch ein steigendes Gefühl der Überforderung. Die Aufgabe von Schulen ist es, den Schüler:innen diejenigen Kompetenzen zu vermitteln und zu fördern, die sie für die Bewältigung bestehender und kommender Herausforderungen benötigen, ihnen das Zurechtfinden in der Welt erleichtern und sie zum selbständigen Handeln befähigen. Nicht ohne Grund verweist das Hessische Kultusministerium hinsichtlich der Kerncurricula gezielt auf die Umsetzung durch einen kompetenzorientierten Unterricht und stellt unterstützendes Begleitmaterial zur Verfügung (vgl. Hessisches Kultusministerium). Es entstehen aus dieser wachsenden Kompetenzorientierung von Unterricht neue Anforderungen an die Schüler:innen, und umso mehr an die Lehrpersonen. Durch die neuen Anforderungen an Schule entwickeln Erziehungswissenschaftler:innen und Pädagog:innen neue didaktische und methodische Ansätze für Unterricht. Daraus geht auch der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit – die Projektmethode – hervor, die eben diesen Herausforderungen gerecht werden möchte.
Bereits im 20. Jahrhundert war die zunehmende Veränderung der Welt Ausgangspunkt für starke Veränderungen im Schulsystem und viele didaktische und methodische Entwicklungen. Aus diesen Veränderungen und Entwicklungen entstand die Projektmethode. In der Literatur finden sich variierende Bezeichnungen wie Projektmethode, Projektunterricht oder Projektarbeit. Diese Arbeit versteht Projektunterricht als didaktisches Prinzip, das sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und am Ende alle Merkmale erfüllt. Im Gegensatz dazu lässt sich die Projektmethode jederzeit im gewöhnlichen Schulalltag einsetzen. Sie kann kleiner oder größer ausfallen, beschreibt den bildenden Weg der Schüler:innen und kann demnach auch im Projektunterricht als Methode zum Einsatz kommen. Die Länge des Projekts hängt von der Planung und den Möglichkeiten der Lerngruppe ab. Projektunterricht und Projektmethode stellen zwei verschiedene Konzepte dar, indem das eine ein didaktisches Prinzip und das andere eine Methode ist. Die Projektarbeit umfasst hingegen allgemein das Arbeiten an einem Projekt und ist sowohl im Projektunterricht als auch in der Projektmethode wiederzufinden. Die Untersuchungen der Projektmethode beziehen sich auf den Projektunterricht, erfassen jedoch den Projektgedanken, der genau so auch bei der Projektmethode wiederzufinden ist.
Die Projektmethode hat zum Ziel, dass sich die Schüler:innen[1] selbstgesteuert und gemeinsam als Gruppe mit einem von ihnen gewählten Thema auseinandersetzen, ihre Arbeitsschritte selbst planen, viel interagieren und kommunizieren und ein gemeinsames Produkt erstellen. Die Projektmethode stärkt überfachliche Kompetenzen wie selbstorganisiertes und -gesteuertes Arbeiten, selbstständiges und entdeckendes Lernen und soziale Kompetenzen. Das ermöglicht ihnen das Zurechtfinden in der Welt. Das Thema des Projekts muss an den Interessen der Schüler:innen orientiert oder im besten Fall von den Schüler:innen selbst bestimmt sein. Dadurch entsteht ein starker Bezug zur Lebenswelt der Schüler:innen sowie intrinsische Motivation, welche die Aufmerksamkeit und das Interesse der Schüler:innen an dem Projekt aufrecht hält. Aufgrund dieser Möglichkeiten schien die Projektmethode die perfekte Gegenbewegung zu den monotonen und in ihren Abläufen festgefahrenen Unterrichtkonzepten zu sein, wodurch die Erwartungen und Ansprüche an sie anstiegen. So wurde diese Methode zu einem Symbol des perfekten Unterrichts, aus dem die Schüler:innen selbstständig und autonom handlungsfähig hervorgehen. Verfehlt die Projektmethode bei falscher Anwendung diese Ziele, gehen die Schüler:innen ohne Lernerfolg nur noch ihren Interessen nach. Zumeist liegt diese Verfehlung an der Planung der Lehrperson. Denn auch, wenn die Lehrperson hier in den Hintergrund tritt, bleibt ihr Anteil an Vorbereitung, Planung, Begleitung und Unterstützung erhalten und fällt sogar höher aus. Die freie und selbstständige Arbeitsform erfordert das. Zu oft greift die Lehrperson nur die freie und selbstgesteuerte Arbeitsform auf und setzt sich nicht genug mit möglichen Abläufen, dem Potenzial und den Gefahren der Methode auseinander. Dies ist jedoch von großer Bedeutung für den Erfolg, da der Lehrperson so ihre Rolle und die damit einhergehenden Aufgaben bewusst werden.
Bei der Untersuchung der Projektmethode muss der Widerspruch, der durch diese Untersuchung entsteht, beachtet werden. Denn mit der Untersuchung geht auch das Extrahieren von Merkmalen und das Erzeugen bestimmter Schrittfolgen einher. Allerdings führt dies zu einer Engführung der Projektmethode und steht ihrem Grundgedanken entgegen. Es handelt sich bei jeglichen Darstellungen von Merkmalen und Abläufen um idealisierte Abläufe, die so nicht in der Realität ablaufen. Die Theorie der Projektmethode unterscheidet sich von ihrer Umsetzung, da sie von den Schüler:innen und der Lernsituation abhängig und gelenkt ist. Dasselbe Projektthema wird nie zweimal zu demselben Projekt oder Produkt führen. Da sich die Projektmethode durch ihre Schüler:innenorientierung und das selbstgesteuerte Arbeiten und Lernen auszeichnet, ist dies gewollt. Durch diesen Effekt lässt sich die Methode nicht in dem einen Konzept mit der einen Schrittfolge zusammenfassen. Es gibt keine konkrete Anleitung für die Projektmethode, da sie sich aus sich heraus entwickelt (vgl. Frey 2012: S. 54).
Die vorliegende Arbeit untersucht die Projektmethode und ermittelt ihr Potenzial, aber auch ihre Gefahren. Sie ist in zwei Teile unterteilt: einen theoretischen und einen anwendungsbezogenen. Im theoretischen Teil legt Kapitel 1 die Entstehung der Projektmethode dar und setzt sie in einen gesellschaftlichen Kontext. Dafür stellt es bedeutende Persönlichkeiten vor, die begründete Anforderungen an Bildung und Schule gestellt haben, die sich auf die Schulreform in Deutschland ausgewirkt haben. Es gehen besonders John Dewey und William Heard Kilpatrick als dem Pragmatismus Angehörige, Berthold Otto, Georg Kerschensteiner, Fritz Karsen, Otto Haase und Adolf Reichwein als der Reformpädagogik Angehörige sowie Pavel Petrovič Blonskij und Anton Semjonowitsch Makarenko als den Arbeitsschulkonzepten Angehörige hervor. Daraufhin untersucht Kapitel 2 den aktuellen Forschungsstand, indem es die Konzepte zur Projektarbeit von Wolfgang Emer und Klaus‑Dieter Lenzen, Silke Traub, Herbert Gudjons und Karl Frey knapp darstellt. Die gewählten Autor:innen haben wichtige Merkmale der Projektmethode hervorgebracht. Eine Publikation von Traub verdeutlicht, dass sowohl Gudjons‘ als auch Freys Konzept die von ihr aufgestellten Kriterien selbstgesteuerten Lernens vollständig erfüllen und sich demnach besonders für eine Untersuchung und Anwendung eignen. Freys Konzept ist mit sieben Komponenten detaillierter. Das selbstbestimmte Lernen nimmt bei Frey eine größere Rolle ein. Außerdem sieht sein Konzept nicht zwangsläufig das materielle Produkt am Ende des Projekts. Deshalb ist sein Konzept für die Kompetenzorientierung besser geeignet. Ich entschied mich neben diesen Aspekten auch aufgrund einer vorhergehenden Anwendung der Projektmethode von Frey für sein Konzept. Deshalb stellen Kapitel 3, 4 und 5 ausschließlich die Projektmethode von Frey dar. Allerdings stellen die Kapitel immer wieder Vergleiche her; besonders zu Gudjons‘ Konzept. Kapitel 3 beginnt mit der Vorstellung der Ziele und Merkmale der Projektmethode von Frey. Dazu widmet es sich der Definition und geht speziell auf bildendes Tun, Schüler:innenorientierung, das Mitschaffen der eigenen Wirklichkeit sowie Interaktion und Kommunikation ein. Kapitel 4 konzentriert sich auf die nötigen Voraussetzungen sowohl seitens der Lehrperson als auch der Schüler:innen. Kapitel 5 erläutert schließlich die Komponenten der Projektmethode von Karl Frey. Anschließend erfolgt in Kapitel 6 die Auseinandersetzung mit der Leistungsbeurteilung. Das ist bei der Projektmethode besonders wichtig, weil ihr Ziel die Vermittlung von Kompetenzen ist. Die Leistungsbeurteilung dieses Lernprozesses unterscheidet sich von einer gewöhnlichen Lernstandüberprüfung und macht eine Untersuchung der Möglichkeiten erforderlich. Kapitel 7 untersucht abschließend die Möglichkeiten und die Gefahren der Projektmethode. Der zweite Teil der Arbeit wendet die Erkenntnisse des ersten Teils an. Dazu antizipiert er die mögliche Entwicklung eines Projekts nach der Projektmethode von Frey und lässt sich in die Komponenten der Methode unterteilen. Dieser Teil der Arbeit nimmt ein selbst durchgeführtes Projekt, den Sternbild‑Adventskalender, als Grundlage. Sämtliche Ergebnisse entstammen diesem durchgeführten Projekt.
2 Die Projektmethode
2.1 Die Entstehung der Projektmethode
„Das Interesse, aus der Geschichte des Projektunterrichts etwas zur Klärung des Projektverständnisses im aktuellen Gebrauch beizutragen, rührt aus der Faszination und gleichzeitig der Unsicherheit her, die mit der Verwendung des pädagogischen Begriffs ‚Projekt‘ bis heute einhergeht. Dies liegt in der Bandbreite begründet, was jeweils unter ‚Projektunterricht‘ verstanden wird.“ (Hahne/Schäfer 1997: S. 89)
Obwohl das Zitat von Hahne und Schäfer aus dem Jahr 1997 stammt und damit 24 Jahre zurück liegt, hat es nicht an Aussagekraft und Aktualität verloren. Deshalb befasst sich dieses Kapitel mit der Entstehung der Projektmethode und ihrer charakteristischen Merkmale. Das Kapitel beginnt mit dem Ursprung von Projekten und Projektunterricht. Daraufhin erfolgt ein Überblick der historischen Entwicklungen seit 1900 unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Kontextes. Der Fokus liegt auf den Entwicklungen in Deutschland. Daraufhin unterteilt sich das Kapitel in den Pragmatismus in den USA, die Reformpädagogik in Deutschland und die Arbeitsschulkonzepte aus Russland, da diese Richtungen die Projektmethode maßgeblich beeinflusst haben. Es beginnt mit dem Pragmatismus, weil er die Grundlage für die Entstehung der Projektmethode ist. Der Abschnitt geht aufgrund ihrer Bedeutung ausführlicher auf Dewey und Kilpatrick ein. Das Kapitel zur Projektmethode von Frey wird Vergleiche zu diesen Autoren ziehen. Danach folgt ein Abschnitt zur Reformpädagogik, der die zugehörigen Autoren und die aus ihren Ansätzen hervorgehenden Merkmale zusammenfasst. Dasselbe gilt für die abschließende Darstellung der Arbeitsschulkonzepte. Abbildung 1 stellt die Einflüsse historischer Figuren auf die Entwicklung der Projektmethode dar:
Abbildung 1: Die Entwicklung charakteristischer Merkmale der Projektmethode durch die Theorien historischer Figuren.
2.2 Ursprung des Projekts und Projektunterrichts
In der Literatur herrschen unterschiedliche Ansichten über die begriffliche Einordnung der Termini Projekt und Projektunterricht: Emer und Lenzen führen die erste Verwendung des Wortes Projekt auf das Ende des 17. Jahrhunderts zurück und erläutern, dass es mit Vorhaben zu übersetzen war (vgl. Emer/Lenzen 2002: S: 12). Frey hingegen geht, wie auch Gudjons und Michael Knoll, davon aus, dass das Wort Projekt seinen Ursprung Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich und Italien hatte, wonach das Wort im Zusammenhang mit Architektur Verwendung fand (vgl. Frey 2012: S. 28f.; vgl. Knoll 2018: S. 700; vgl. Gudjons 2014: S: 73). Doch wie Frey es treffend formuliert: Der Ursprung des Worts spielt keine Rolle für die heutige Projektmethode, sondern die historische Entwicklung und ihre Einflüsse (vgl. Frey 2012: S. 28). Klaus Hahne und Ulrich Schäfer stellen fest, dass es vor Dewey keine Konzepte mit einem Bezug zur Schule gab (vgl. Hahne/Schäfer 1997: S. 102).
Der Projektunterricht wurde im 20. Jahrhundert zu einem Hoffnungsträger für die Erneuerung veralteter und festgefahrener Unterrichtskonzepte (vgl. Hahne/Schäfer 1997: S. 89). Der Begriff Projekt ersetzte zunehmend den Begriff Vorhaben (vgl. ebd.; vgl. Frey 2012: S. 31). Der Projektunterricht findet seinen Ursprung in bildungstheoretischen Konzepten aus der Aufklärung (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 9). Emer und Lenzen stellen als erste Anfänge des Projektunterrichts die Projektdiskussion in den USA um 1900 heraus, finden fundamentale Ideen des Projektunterricht allerdings bereits in „pädagogischen Klassikern“ (ebd.). Dazu zählen sie Werke von Jean‑Jacques Rousseau, Johann Heinrich Pestalozzi und Alexander von Humboldt (vgl. ebd.). Die Fundamente des Projektunterrichts sind die Freiheit über das eigene Denken und das Treffen eigener Entscheidungen nach Wolfgang Klafki, die Menschenbildung nach Immanuel Kant sowie Emotionalität, praktisches Arbeiten und Ästhetik durch das Lernen mit Kopf, Herz und Hand nach Pestalozzi (vgl. ebd.). Die Vertreter der deutschen Schulreformbewegung beziehungsweise des progressive education movement in den USA formten aus diesen Fundamenten den Projektunterricht (vgl. ebd.). Durch Forderungen dieser Zeit wird ein Projekt „zu einer Lernform der handwerklichen Bildung“ (ebd.). Hier sehen Emer und Lenzen sowie Gudjons einen Scheideweg: Teils entwickelte sich der Projektunterricht in eine sozialreformerische und teils in eine sozialtechnologische Richtung (vgl. ebd.: S. 9f.; vgl. Gudjons: 2014: S. 73). Erste Zusammenhänge zwischen den Zielsetzungen eines Faches und dem Projektunterricht finden Hahne und Schäfer Mitte der 1950er Jahre in den Hessischen Bildungsplänen, die im Fach Sozialkunde das Erleben und Erfahren sozialen Verhaltens zum Ziel hatten (vgl. Hahne/Schäfer 1997: S. 92). Allerdings ist die Bezeichnung Projekt zu einem Modewort geworden, das „vielen traditionellen Unterrichtseinheiten angeheftet wurde, um ihnen einen ‚progressiven‘ Anstrich zu geben“ (ebd.: S. 95). Es muss zwischen einem echten Projekt und dem projektorientierten Unterricht, der nur die Annäherung an die Erfüllung aller Merkmale von Projektunterricht darstellt, unterschieden werden (vgl. ebd.).
2.3 Überblick der historischen Entwicklung
Besonderen Einfluss auf die pädagogischen Debatten in Deutschland hatte die amerikanische Reformpädagogik (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 11). Die Tatsache, dass Deweys Konzept dem Pragmatismus angehört, war problematisch für seine Rezeption in Deutschland (vgl. Speth 1997: S. 20). Dort hat die Vorhabenpädagogik projektnahe Konzeptionen hervorgebracht, wozu auch die Arbeiten von Otto Haase und Adolf Reichwein zählen (vgl. Suin de Boutemard 1997: S. 49; vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 13). Vorhaben meint „eine aus dem Leben gesuchte Ernstsituation, die sich in einem vorweisbaren ‚Werk‘ materialisiert“ (Emer/Lenzen 2002: S: 14). Darin lässt sich der Projektgedanke wiedererkennen. Jedoch nimmt keiner der Autoren in Deutschland direkt Bezug auf die Projektpädagogik aus Amerika und damit auf Dewey und Kilpatrick (vgl. Suin de Boutemard 1997: S. 50). Die sowjetischen Arbeitsschulkonzepte hatte ebenfalls einen Einfluss auf die deutsche Reformpädagogik, allerdings geringer als der Pragmatismus aus den USA (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 11). Die Geschichte des Projekts in den USA zeigt, dass die Autoren das Konzept immer beibehalten, es jedoch anders auslegen und damit ganz anderen Projektunterricht konzipieren (vgl. ebd.).
Eine Untersuchung der Bildungsgeschichte schließt den gesellschaftlichen Kontext mit ein, der den Rahmen für Bildung setzt (vgl. Häder/Tenorth 1997: S. 15). Deshalb erfordert die Untersuchung der Bildungsgeschichte Deutschlands im 20. Jahrhunderts die Berücksichtigung des Nationalsozialismus (vgl. ebd.: S. 14f.). Ein Kritikpunkt an der stattgefundenen Bildung ist, dass sie ein Werkzeug des Staates war und somit politisiert wurde (vgl. ebd.: S. 15). Das Ziel von Erziehung und damit von Schule war „die Förderung von Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Disziplin ebenso […] wie die Förderung des Sozialverhaltens und die Verankerung politisch-moralischer Werte in der Schülerschaft“ (Henning/Kluchert/Leschinksky 1997: S. 353). Auch nach der Zeit des Nationalsozialismus behielt die gesellschaftspolitische Lage einen großen Einfluss auf die Bildung. Bildung hieß zu Zeiten der DDR: Bildungsvermittlung und Politindoktrination (vgl. Eckert 1997: S. 129). Die ehemalige DDR lehnte neben Vorhaben und dem Gesamtunterricht auch Projekte als „utilitaristische, wissenschaftsfeindliche und ‚bürgerliche‘ Lernformen“ (Emer/Lenzen 2002: S. 15) ab, wobei sie speziell das sozialreformerische Konzept von Dewey als Erziehung zur Anpassung auffasste (vgl. ebd.). Der Projektgedanke nahm durch das Arbeitsvorhabenkonzept trotzdem versteckt seinen Platz in der DDR ein und dadurch sogar stärker als er es in der BRD tat (vgl. ebd.)[2]. Dort verwendet ihn vor allem die Volksschulpädagogik (vgl. ebd.).
Eine allgemeine Kritik am vermittelten Wissen in der Schule in Verbindung mit der deutschen Reformpädagogik regte die Entstehung wichtiger Grundgedanken der Projektmethode an (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 11). Ab 1968 erfolgte ein „praxisorientierter Anschub“ (ebd.: S. 17). Diese Zeit war geprägt von einer grundlegenden Gesellschaftskritik in Verbindung mit einer Kritik am Schulsystem und der Erziehung (vgl. Waiter 1997: S. 13). Deshalb nennen Bastian et al. diese Zeit auch die Zeit „einer durch Krisenstimmung hervorgerufenen Konjunktur“ (Bastian et al. 1997: S. 11). Oder positiver formuliert mit Frey: die Innovationszeit. Es handelt sich um diejenige Zeit, die den Projektgedanken und damit die Entwicklung der Projektmethode allgemein bekannt gemacht hat (vgl. Frey 2012: S. 42). Nach 1968 arbeiteten Pädagogen und Pädagoginnen besonders dafür, festgefahrene und monotone Strukturen in Schulen durch den Projektunterricht zu lösen (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 16). Aus den Forderungen der Studentenbewegung[3] 1968 gehen bereits Merkmale des Projektunterrichts hervor: „Selbstorganisation in Lerngruppen statt eines vereinzelten und entfremdeten, auf die Autoritätsperson der Lehrenden fixierten Arbeitens; forschendes statt rezeptives Lernen; wechselseitiger Bezug von Theorieaneignung und gesellschaftlicher Praxis außerhalb der Universität“ (Hahne/Schäfer 1997: S. 94). Indikator hierfür war die Forderung nach Mitbestimmung (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 16). Diese Entwicklungen wirkten sich auf die Hochschule aus, wo sich das Konzept des Projektstudiums etablierte. Seine Merkmale waren „Mitbestimmung, Praxis- und Gesellschaftsorientierung, Anwendungsbezug und Handlungsorientierung, exemplarisch forschendes Lernen und Interdisziplinarität“ (ebd.). Das Konzept nimmt die gesamte Person in den Blick (vgl. ebd.). Es handelt sich damit um den Kerngedanken der Projektmethode. Die Organisation von und die Abläufe in Schulen sowie die verschiedenen Erwartungen der Gesellschaft an Schule stellten ein Problem für das Erfüllen dieser Ziele dar (vgl. ebd.: S. 17). Auch heute beeinflussen diese Faktoren die Anwendung der Projektmethode.
Mitte der 1970er Jahre stieg das öffentliche Interesse bezüglich der Erziehungsfrage, insbesondere hinsichtlich antiautoritärer Erziehung, was sich auf Schule auswirkte (vgl. Uhle 2004: S. 50). Zugleich erhob sich die Forderung, Bildung wissenschaftsorientiert auszurichten (vgl. ebd.: S. 52). Außerdem sollten Schulfächer und ihre Themen nach der Lebenswelt ausgerichtet werden, sodass die Schüler:innen zur Bewältigung verschiedener Lebenssituationen in der Lage sind (vgl. ebd.: S. 54). Es bildete sich dadurch der Weg von dem Ermitteln solcher Lebenssituationen über die erforderlichen Qualifikationen bis hin zu konkreten Inhalten, die zum Erwerb dieser Qualifikationen führen (vgl. ebd.: S. 55). Eine Folge dieser Anforderungen waren beispielsweise Curriculumtheorien[4] (vgl. ebd.). So erlangten Schüler:innen durch die Änderungen in den 1970er Jahren mehr Mitbestimmungsrechte im Unterricht und im Schulleben (vgl. ebd.: S. 60). Die Innovationszeit der 1960er und 1970er Jahre in Deutschland zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: „Wiedervereinigung von Kopf- und Handarbeit; Überwindung institutioneller Entfremdung durch kollektive Betätigung; Hinnehmen des Alltagslebens in Bildungsinstitutionen“ (Frey 2012: S. 41).
Die Projektmethode war ebenfalls Gegenstand dieser Reformen, denn „[d]er Projektgedanke stand als Programm gegen die Verkalkung von Institutionen und die Versteinerung von Inhalten. Er stand als Symbol der Hoffnung auf mehr Demokratie, größere Gerechtigkeit und höheren Gewinn für das Leben“ (ebd.: S. 42). Die Gesamtschulbewegung nahm den Gedanken des Projektunterrichts nach Dewey auf und setzte ihn in Form einer Projektwoche um, sodass sie besonders in den 1970er und 1980er Jahren für einen neuen Reformimpuls sorgte (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 18, 22; Haubfleisch 1997: S. 362). Andere Schulformen übernahmen die Projektwoche, jedoch auf solche Art und Weise, dass sie mehr einer Hobby ausübenden Arbeitsgemeinschaft (AG) glich und nicht ernsthaft als neue oder andere Lernform angesehen wurde (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 23; vgl. Hahne/Schäfer 1997: 97). Die Projektmethode erfuhr dadurch eine Krise. Nichtsdestotrotz hat die Projektwoche den Weg für Projektlernen geebnet (vgl. Hahne/Schäfer 1997: S. 97). Hochschullehrer:innen und Praktiker:innen arbeiteten konkrete didaktische Konzepte für die Projektwoche aus, was zu einem erhöhten Bewusstsein für sie führte (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 18). Es kam vor allem seit dem Jahr 1986 in Form von drei Initiativen zur Überwindung dieser Krise: die praktische Umsetzung, damit einhergehend die konkreten Erfahrungswerte sowie eine Öffnung der Schulen (vgl. ebd.: S. 24). Es kam zu einer „Vernetzung der Projektpraxis“ (ebd.), was den Austausch zwischen Schulen bezüglich Projekten, aber auch den Austausch zwischen Schule und Stadt ermöglichte (vgl. ebd.: S. 24f.). Außerdem führte die Gesellschaft den Differenzierungsprozess voran: „Schlüsselprobleme der Gesellschaft und Demokratie (z. B. Umwelt) und Schlüsselqualifikationen modernen sozialen und ökonomischen Handelns (z. B. Teamwork) sollen Eingang in die Schulen finden und gefördert werden“ (ebd.: S. 26f.). Durch diese Anforderungen an Schulen erhielt der Projektunterricht mehr Aufmerksamkeit und Ansehen. Allerdings müssen die Lehrpersonen erst die Kompetenzen erwerben, um Projektunterricht durchführen zu können, und bei diesem Erwerb gefördert werden (vgl. ebd.: S. 27).
Als nächstes erfolgte die Institutionalisierung von Projektunterricht (vgl. ebd.: S. 29). Zum Ende des 20. Jahrhundert war die Ermöglichung und Förderung von Projekten Aufgabe der Gesellschaft und fiel damit in den außerschulischen Bereich (vgl. ebd.). Trotz der Probleme, die mit dem Projektunterricht noch einhergingen, messen ihr Erziehungswissenschaftler:innen Ende des 20. Jahrhunderts viel Potenzial zu (vgl. ebd.: S. 19). Emer und Lenzen stellen fest:
„Projektunterricht wird, folgt man dieser Tendenz, als Impulsgeber genutzt, er wird als kreativ und innovativ gewertet, trägt zur Qualitätssicherung bei, sichert die Zukunftsfähigkeit der Schule und hat ansonsten sein gesellschafts- und schulkritisches Potenzial verloren.“ (ebd.: S. 40)
Sie sehen in dieser Tendenz das Entwicklungspotenzial des Projektunterrichts und die Chance, die er birgt (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 40). Das macht ersichtlich, welche Erwartungen dem Projektunterricht und der Projektmethode entgegengebracht wurden.
2.4 Der Pragmatismus in den USA
Das Staatslexikon Hoffmann – Naturrecht definiert Pragmatismus als „die philosophische Position, die […] als Alternative zu empirischen und idealistischen Ansätzen entwickelt wurde“ (Hubig 1987: S. 517). Als Gründerväter führt es auch Dewey auf (vgl. ebd.). Frey definiert Pragmatismus als eine Bewegung, die „die Pragmatik, d.h. die Tätigkeit oder Praxis der Wissenschaft oder Theorie überordnet“ (Frey 2012: S. 36). Der Pragmatismus zeichnet sich dadurch aus, dass er Probleme erkennen lässt, jedoch lediglich „Hinweise zu deren Überwindung geben kann“ (Speth 1997: S. 20). Er sieht die Beziehung zwischen Mensch und Welt insofern als wechselseitig an, als sie sich gegenseitig konstituieren (vgl. ebd.: S. 21). Das Erfahren nimmt aus diesem Ansatz heraus eine zentrale Rolle im Pragmatismus ein (vgl. ebd.).
2.4.1 John Dewey
Dewey wird zu den Gründervätern des Pragmatismus gezählt (vgl. Hubig 1987: S. 517, Langner Pitschmann 2018: S. 18; vgl. Knoll 2018: S. 700). Seine Ansätze entspringen der Beobachtung immer schneller eintretender Veränderungen in der Gesellschaft. Er orientiert seine Philosophie an Platon und Georg Wilhelm Friedrich Hegel (vgl. Langner‑Pitschmann 2018: S. 18). Deshalb stellt Kontinuität einen zentralen Gedanken Deweys dar (vgl. ebd.). Seine Theorie richtet sich an Demokratie und Bildung aus (vgl. Knoll 2018: S. 700). Freiheit und Gleichheit nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. Dewey spricht sich gegen einen festgeschriebenen Wissenskanon aus und hat das Ziel vor Augen, dass Schüler:innen zur selbstständigen Aneignung von Inhalten befähigt werden und sie sich so schnell an veränderte Situationen anpassen können (vgl. Speth 1997: S. 32). Er misst der empirischen Wissenschaft einen hohen Wert bei und sieht sie als „Instrument und Vorbild für Handeln“ (Frey 2012: S. 36). Dewey sieht die Handlung – also die konkrete Umsetzung eines Gedankens – als Grundlage für den Erkenntnisprozess an, da sich so erst die Konsequenzen dieser Handlung offenbaren, die nicht alle rein theoretisch absehbar sind (vgl. Speth 1997: S. 22).
Deweys Erziehungskonzept setzt im Sinne von learning by doing auf das Lernen aus Erfahrungen, das auf den Erlebnissen und der Lebenswelt der Schüler:innen basiert und auf Mitbestimmung sowie eine soziale Kompetenz abzielt (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 10.). Dewey lehnt Erkenntnisse a priori und Intoleranz ab, das autoritäre Verhältnis zwischen Schüler:innen und Lehrperson fördert dies jedoch (vgl. Frey 2012: S. 36). Diese Ablehnung bedeutet nicht zugleich die Ablehnung systematischen Wissens. Dewey ging jedoch davon aus, dass durch systematisches Wissen allein keine Bildung erreicht werden kann (vgl. Frey 2012: S. 36). Die Lerninhalte müssen aus einer bestimmten Situation stammen oder ein bestimmtes Problem ansprechen (vgl. Speth 1997: S. 29).
Für Dewey bedeutet Projekt eine längere, aktive und erfahrungsbereichernde Auseinandersetzung mit einem für die Schüler:innen interessanten und problembehafteten Gegenstand (vgl. ebd.: S. 35). Diesem Ansatz nach schaffen die Schüler:innen selbst Wirklichkeit, indem sie sich aktiv mit der Lösung von Problemen auseinandersetzen (vgl. Frey 2012: S. 36f.; vgl. Speth 1997: S. 20). Sie müssen das Problem selbst erkennen, gemeinsam Lösungsansätze formulieren und diese daraufhin experimentell erproben (vgl. Frey 2012: S. 37). Damit soll Schule die Schüler:innen besser auf die Herausforderungen des Lebens vorbereiten (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 10). Speth fasst drei Bedingungen Deweys zusammen, durch die ein Projekt erzieherisch ist:
1. Das Projekt muss im Interesse der Schüler:innen und bedeutungsvoll für sie sein.
2. Es muss bei der Entwicklung Probleme mit sich bringen, die die Neugierde und so die Arbeitsmotivation aufrechterhalten oder auch steigern.
3. Es muss über eine längere Zeit gehen, damit die Entwicklung des Projekts und damit auch die der Schüler:innen stattfinden kann. (vgl. Speth 1997: S. 34)
Frey kritisiert an Deweys Konzept die schematischen Abläufe, wodurch die Dynamik und somit die Abwechslung fehlen (vgl. Frey 2012: S. 47). Es fehlen außerdem Aspekte wie die Metainteraktion und Fixpunkte[5], die eine solche Dynamik zulassen und sogar provozieren (vgl. ebd.). Sein Konzept konzentriert sich ausschließlich auf die Problemlösung, wodurch es die Interaktion und so auch die Dynamik außer Acht lässt (vgl. ebd.).
2.4.2 William Heard Kilpatrick
Kilpatrick entwickelt als Schüler von Dewey einen sozialreformerischen Ansatz, bei dem die Schule einen Ort darstellt, der den Schüler:innen das Zurechtkommen in einer sich wandelnden Gesellschaft ermöglicht und sie in dieser handlungsfähig macht (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 11). Kilpatrick stellt bevorstehende gesellschaftliche Veränderungen fest, woraus sich neue Anforderungen an die Erziehung ergeben (vgl. Kilpatrick 1935a: S. 8). Die Anforderungen zielen auf ein Lernen ab, das sich nach dem Erwerb neuer Verhaltensweisen ausrichtet (vgl. ebd.: S. 76). Kilpatrick bezieht sich in seinem Projektkonzept auf die Erfahrungstheorie von Dewey (vgl. Traub 2012a: S. 61). Er berücksichtigt in seinem Ansatz jedoch mehr „die subjektive Gegenwart des Kindes, seine Spontaneität und Absicht“ (Emer/Lenzen 2002: S. 11). Kilpatrick bezeichnet die „Psychologie des Kindes das ausschlaggebende Moment im Lernprozess“ (Traub 2012a: S. 61). Er erkennt die fehlende praktische Erfahrung und Erkenntnisgewinnung als ein Problem und stellt mit Blick auf das Experimentieren in den Naturwissenschaften die Anwendung von Theorien in den Vordergrund des Wissenserwerbs (vgl. Kilpatrick 1935a: S. 10ff., 42). Zudem beobachtet er, dass die Schüler:innen stark mit Propaganda konfrontiert sind und fordert das Erlernen der Kritikfähigkeit (vgl. ebd.: S. 43). Schule soll Schüler:innen der Autonomie ihres Handelns und Denkens näher bringen. Die Lehrperson muss für das Erlernen der überfachlichen Kompetenzen Situationen schaffen, in denen die Schüler:innen diese anwenden und dadurch fördern. Kilpatrick stellt somit die Persönlichkeitsentwicklung in den Vordergrund (vgl. Frey 2012: S. 37). Dafür muss Schule ihren Fokus auf die Förderung „dynamischer und sozialer Charakterstärke“ (Kilpatrick 1935a: S. 68) legen. Für die Bildung eines starken Charakters stellt Kilpatrick folgende Kriterien auf: Selbsttätigkeit der Schüler:innen, das Erleben echter Situationen, das eigenständige und gemeinsame Bewältigen von Situationen sowie Eigenverantwortung (vgl. ebd.: S. 74). Es können nur diejenigen Schüler:innen Lernerfolg erleben, die ihn auch erleben wollen (vgl. ebd.: S. 62). Kilpatricks Aussage bezieht sich auf die Lernmotivation. Die Kontexte, in denen die Schüler:innen die angestrebten Kompetenzen erwerben, vertiefen oder festigen, müssen eine Erfolgschance haben, damit ein Lerneffekt entsteht (vgl. ebd.: S. 63). Kilpatrick setzt der Erfahrung soziale Eigenschaften voraus (vgl. ebd.: S. 72). Somit sieht er Schule vor allem als Ort des gemeinsamen Lernens und der Interaktion. Er stellt zur Entwicklung von Schule fest: „Die Trennung der Schulerziehung und ihrer Vorgänge vom unmittelbaren Leben und dessen erzieherischen Vorgängen hat nur zu leicht dazu geführt, die Schule zu einer Institution im schlechten Sinne des Wortes zu machen“ (ebd.: S. 36). Kilpatrick beschreibt die Rolle der Lehrperson bereits als eine lernbegleitende (vgl. ebd.: S. 78). Ein wichtiger Aspekt, wenn die Schüler:innen selbst ihr Lernen mitgestalten und lenken, ist Vertrauen in sie zu haben (vgl. ebd.: S. 80). Die Lehrperson muss eine Balance finden zwischen der Bestärkung ihres Tuns und Vertrauen in ihr Vorhaben sowie der realistischen Einordnung ihrer Handlungen.
Kilpatricks Äußerungen sprechen bereits viele Merkmale der Projektmethode an wie Selbstständigkeit, Schüler:innenorientierung, Handlungsorientierung, Interaktion und Eigenverantwortung. Besonders kennzeichnend für Projekte ist das absichtsvolle Handeln (vgl. Traub 2012a: S. 61). Ein pädagogisches Projekt ist nach Kilpatrick eine zielführende Handlung, die derjenige oder diejenige mit Leidenschaft bewältigt, und die in einer sozialen Umgebung stattfindet (vgl. Frey 2012: S. 37). Die Freiheit zum Handeln und das Handeln mit Befriedigung sind die Grundlage seines Projektkonzepts (vgl. Traub 2012a: S. 61). Er versteht unter dem Projektunterricht herzhaftes, planvolles Handeln (vgl. Kilpatrick 1935b: S. 162f.). Die Projekte können individuell oder in einer Gruppe vollzogen werden (vgl. ebd.: S. 163). Alle Projekte laufen nach folgender Reihenfolge ab: Es gibt eine Absicht, woraus die Schüler:innen dann einen Arbeitsplan entwerfen, den sie in einem nächsten Schritt umsetzen und beurteilen (vgl. Traub 2012a: S. 61). Die Interaktion, die Autonomie im Handeln und Denken und das planvolle Handeln gehen als Merkmale der Projektmethode aus Kilpatricks Ansatz hervor.
2.5 Die Reformpädagogik in Deutschland
Die Reformpädagogik erstreckte sich über den Zeitraum zwischen 1895 und 1933 (vgl. Frey 2012: S. 32). Das Wörterbuch Schulpädagogik definiert die Reformpädagogik als unterschiedliche Bestrebungen zur Reform Ende des 19. Jahrhunderts in sämtlichen Bereichen, die den pädagogischen Zustand kritisierten und bis 1933 sowohl in Theorie als auch in Praxis in beinahe alle pädagogischen Bereiche wirkten (vgl. Haubfleisch 2009: S. 361). Die Kritik richtete sich unter anderem an die Autorität in Schulen, die starke Gewichtung von kognitiven Lernprozessen, den frühen und einseitigen Intellektualismus, den lehrer:innenzentrierten Unterricht, die festgefahrenen und unreflektierten Routinen und den mangelnden Bezug zur Lebenswelt der Schüler:innen (vgl. ebd.). Die Reformpädagogik sieht die Aufgabe der Schule darin, für eine Chancengleichheit zu sorgen und Defizite auszugleichen (vgl. Waiter 1997: S. 13). Werner Waiter definiert als Auslöser für die Reformpädagogik die Stimmung aus der Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert, auch Fin de Siècle genannt, in einer Kombination mit „völkisch-pessimistischen Grundtönen“ (ebd.: S. 9). Dies führt zur Ausgangslage der Reformpädagogik: Eine Gesellschaft, die Schule, Erziehung und Kultur verbessern möchte, sodass die Jugendlichen an Autonomie gewinnen und die Zeit von Machtautorität ein Ende hat (vgl. ebd.). Deshalb wird diese Zeit auch als „Pädagogik vom Kinde aus“ (ebd.) beschrieben. Die Reformpädagogik forderte schüler:innenzentrierten und handlungsorientierten Unterricht, der die Selbsttätigkeit der Schüler:innen, fächerübergreifendes, soziales, entdeckendes und erfahrungsbasiertes Lernen fördert sowie einen stärkeren Bezug zur Lebenswelt der Schüler:innen aufweist. Damit einher ging eine tiefergehende Erforschung der Psyche von Kindern, wobei herauskam, „daß das Wollen Wesensmerkmal alles kindlichen Tuns, Denkens und Fühlens ist und die Tätigkeit das zentrale Anliegen der Erziehung und Unterrichtung werden muß“ (ebd.: S. 10). Aus diesen Annahmen ergaben sich Reformimpulse, die vor allem die Schulgliederung, die angewandten Methoden und die Inhalte betrafen, weshalb sich hieraus alternative Schulformen und neue Ansätze für die methodische Aufbereitung überarbeiteter Inhalte ergaben (vgl. ebd.). Ende des 20. Jahrhunderts waren weiterhin Probleme im Schulsystem erkennbar wie eine unzureichende Nähe zur Lebenswelt der Schüler:innen und die Lehrpersonenorientierung im Unterricht (vgl. ebd.: S. 15). Es gab einen Wandel der Unterrichtsmethoden. Die Lehrperson individualisierte die Lernvorgänge, indem sie den Unterricht erfahrungsorientiert ausrichtete, und sie traf didaktische Entscheidungen vermehrt gemeinsam mit den Schüler:innen (vgl. ebd.: S: 15f.). Frey stellt folgende Charakteristika der Reformpädagogik in Deutschland heraus: „Erziehung durch lebendiges Leben (statt durch Schulweisheit und künstliches Einzelwissen), Integration von Schülern verschiedenen Alters im gemeinsamen Handeln, Persönlichkeitsbildung durch Verwirklichung von Wünschen der einzelnen Schüler“ (Frey 2012: S. 32). Der folgende Absatz stellt Theorien von Angehörigen der Reformpädagogik in Deutschland vor, die wesentliche Merkmale der Projektmethode hervorgebracht haben.
Otto geht der Einführung von Gesamtschulen nach und orientiert sich an dem Konzept, dass sich die Schüler:innen gegenseitig helfen und die Lehrperson eine moderierende Rolle einnimmt (vgl. Frey 2012: S. 33). Dies stellt bereits zwei wesentliche Merkmal der Projektmethode dar, nämlich die Schüler:innenzentrierung und ‑orientierung sowie das selbstständige Lernen. Kerschensteiner konzentriert sich auf die praktische Veranlagung von Menschen und verfolgt die „Forderung nach konstruktiver Betätigung“ (ebd.: S. 34, 39). Die Schüler:innen lernen, ihre erlernten Kompetenzen einzusetzen (vgl. ebd.: S. 34). Als Maßstäbe gelten eine zielvolle Aufgabenerfüllung und die Material- und Funktionsgerechtigkeit (vgl. ebd.). Aus seinem Ansatz geht vor allem das Merkmal der Projektmethode hervor, dass sich die Schüler:innen für Bildung betätigen müssen. Karsen gilt als derjenige Reformpädagoge der Weimarer Zeit, dessen Konzept die meisten Überschneidungen mit den Konzepten Deweys und Kilpatricks aufweist (vgl. Suin de Boutemard 1997: S. 56). Er entwickelt ein Konzept, das das Lösen von Aufgaben vorsieht (vgl. ebd.: S. 58). Auch hier sticht der Projektgedanke hervor: Die Schüler:innen planen und gestalten selbst ihren Unterricht, damit sie „die Schularbeit als sinnvoll erfahren und lernen, wie durch Zusammenarbeit und Arbeitsteilung Aufgaben und Probleme wirksam bewältigt werden können“ (Frey 2012: S. 34). Außerdem geht das problemlösungsorientierte Arbeiten als Merkmal hervor. Haase greift den Projektgedanken auf, indem das Handeln in echten Situationen gefördert wird (vgl. ebd.: S. 35). Vorhaben spielen bei Haases Konzeption eine wichtige Rolle, die der Projektarbeit des amerikanischen Pragmatismus ähnelt (vgl. Suin de Boutemard 1997: S. 51). Das Projekt zielt auf „die Einübung gesellschaftlichen Verhaltens“ (Emer/Lenzen 2002: S. 14). Allerdings ist für Haase nicht unbedingt die Planung mit inbegriffen oder ausschlaggebend für den Lernerfolg, da die Lehrperson auch spontane Handlungen der Schüler:innen in den Unterricht integrieren kann (vgl. Frey 2012: S. 35). Das Handeln in echten Situationen und das Zulassen spontaner Vorhaben zeichnen auch die Projektmethode aus. Das Vorhaben, das bereits bei Haase eine größere Bedeutung bekommt, steht bei Reichwein im Mittelpunkt des Unterrichts (vgl. ebd.). Sein Konzept nimmt den oder die Schüler:in, sein oder ihr individuelles Wachstum sowie das der Gesellschaft in den Blick (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 14). Die Schüler:innen stellen innerhalb des Projekts eine selbsttätige Erziehungsgemeinschaft dar (vgl. ebd.). Wichtig ist, dass die Schüler:innen und die Lehrperson gemeinsam ein Produkt schaffen (vgl. Frey 2012: S. 35). Auch für Reichwein ist die primäre Erfahrung sehr wichtig (vgl. ebd.). Er greift auch das Konzept von fächerübergreifendem Unterricht auf (vgl. ebd.). Als wichtige Merkmale der Projektmethode gehen das Produkt am Ende des Projekts und das Vorhaben hervor, wobei die Projektmethode auch die Reflexion des Lernprozesses als Produkt wertet.
2.6 Die Arbeitsschulkonzepte in Russland
„Die Arbeitsschule ist eine Schule der Arbeitserziehung“ (Blonskij 1973: S. 9). Damit beschreibt Blonskij treffsicher die Ausrichtung der Arbeitsschulkonzepte. Sie zeichnen sich besonders durch Folgendes aus: „produktive Betätigung als bildendes Element, Bildung an Realitäten der Gegenwart, Versuche zur Annäherung von Kopf- und Handarbeit“ (Frey 2012: S. 38). Das Ziel ist es, „Kultur und Produktion, Kopf- und Handarbeit, die die traditionelle Schule trennt“ (Emer/Lenzen 2002: S. 12), zusammenzuführen.
Blonskijs Ansatz zielt darauf ab, Kultur und Arbeit in die Arbeitsschule zu integrieren, wobei er sich beim Begriff Arbeit an Karl Marx orientiert (vgl. Frey 2012: S. 38; vgl. Gudjons 2014: S. 75). Demnach betätigen sich die Schüler:innen in zweckmäßigen Tätigkeiten, aus denen Produkte mit einem Gebrauchswert entstehen, wodurch die Schüler:innen sich die Natur unterwerfen können (vgl. Blosnkij 1973: S. 9; vgl. Frey 2012: S. 39). Als zentralen Punkt sieht Frey in Blonskijs Konzept, wie Lernprozesse organisiert sein müssen: „Die Lernprozesse sollen die Schüler ins Kollektiv einordnen helfen. Sie sollen die wirtschaftliche Abhängigkeit des Einzelnen vom Kollektiv ins Bewusstsein bringen. Jeder Einzelne muss gehorchen und ausführen lernen“ (Frey 2012: S. 39). Der geforderte Gehorsam widerspricht in hohem Maß der Projektmethode. Besonders vorbildhaft sind jedoch folgende Aspekte: Schule wird als Lebensraum und nicht als arbeitsteilige Sozialeinrichtung angesehen und die tätigen Schüler:innen sind Ausgangspunkt für curriculare Entscheidungen (vgl. ebd.). Hieraus geht vor allem die zweckmäßige Tätigkeit hervor und bildet ein Merkmal der Projektmethode.
Das Ziel von Makarenko war Erziehung durch gemeinschaftliche Betätigung (vgl. ebd.: S. 40). Im Vordergrund standen vor allem die Motivation und die Veranschaulichung des Nutzens von Arbeit (vgl. ebd.). Frey beschreibt Makarenkos Begriffsdefinition von Arbeit als soziale Arbeit als mangelhaft, da hier wesentliche Aspekte vor allem der Erziehung nicht gerecht werden (vgl. ebd.: S. 47f.). Im Zentrum steht die Zusammenführung von Kultur und Arbeit, also von Kopf und Hand (vgl. ebd.: S. 47). Im Vergleich zu Pestalozzi sind Tätigkeit und Interaktion hier noch einmal wichtiger (vgl. ebd.). Wichtig sind der Austausch und die Verständigung mit den Schüler:innen, was Gemeinsamkeit schafft (vgl. ebd.: S. 40). Im Vordergrund stand für Makarenko neben der gemeinsamen Arbeit das gemeinsame Planen und Gestalten (vgl. ebd.). Es lassen sich bereits die kollektive Arbeit und die Interaktion als Merkmale der Projektmethode wiederfinden.
3 Aktueller Forschungsstand
Nachdem das erste Kapitel die Projektmethode im 20. Jahrhundert in ihrer Entwicklung dargestellt hat, untersucht dieses Kapitel den aktuelleren Forschungsstand. Dazu bildet es die Konzepte von Emer und Lenzen, Gudjons, Traub sowie von Frey ab. Da die Konzepte von Gudjons, Traub und Frey die jüngeren sind, kommt ihnen mehr Gewichtung zu als dem Konzept von Emer und Lenzen. Traub hat in einer ihrer Publikationen unter anderem die Konzepte von Emer und Lenzen, Gudjons sowie von Frey untersucht. Sie beurteilt anhand zuvor aufgestellter Kriterien, ob die Konzepte selbstgesteuertes Lernen fördern, dem sie viel Bedeutung beimisst. Es sind die Kriterien Selbstregulation durch Motivation, (meta)kognitive Strategien, Reflexivität und Bewusstheit sowie Kooperation und persönliche Ergebnisse (vgl. Traub 2012a: S. 30ff.). Diese Untersuchung fließt in die Erläuterungen der Konzepte mit ein.
Anschließend untersucht die Arbeit ausführlich das Konzept von Frey, das die Kriterien selbstgesteuerten Lernens von Traub erfüllt. Auch Gudjons‘ Konzept erfüllt alle Kriterien, weshalb die Arbeit immer wieder Vergleiche zu Gudjons zieht. Da sich der Rest der Arbeit auf Freys Konzept konzentriert, fällt die Erläuterung seines Konzepts in diesem Kapitel kürzer aus und dient als erster Einblick.
3.1 Wolfang Emers und Klaus-Dieter Lenzens handlungs- und produktorientierter Projektunterricht
Der Ursprung eines Projekts ist nach Emer und Lenzen eine problembehaftete Aufgabe und hat ein Produkt zum Ziel, wobei die Schüler:innen selbstständig den Weg zu diesem Ziel bestimmen und diese Aufgabe durch anwendungsorientiertes Handeln in ihrer Lebenswelt lösen (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 11). Der Projektunterricht steht für einen Impuls, der die Unterrichtskultur und damit den Schulalltag und die darin enthaltene Leistungsbeurteilung beeinflussen soll: „Zeitweilig bewegt sich Projektunterricht als Gegenbewegung zu Unterrichtsformen des Regelschulsystems, zeitweilig wird er für das Regelsystem von der Schulverwaltung selbst gefordert“ (ebd.: S. 8). Die Schüler:innen werden durch Projektunterricht selbst tätig und machen eigene Erfahrungen, was den Lernprozess aktiviert (vgl. ebd.: S. 2). Sie nehmen diese Erfahrungen nicht nur auf; sie setzen sie in einen Kontext zu sich selbst, was die Autoren in Referenz zu Dewey als denkende Erfahrung bezeichnen (vgl. ebd.). Emer und Lenzen appellieren: Projektunterricht muss Anwendung in der Schule finden, damit die theoretischen Überlegungen der Forschung geprüft, reflektiert und weiterentwickelt werden können (vgl. ebd.: S. 8).
Emer und Lenzen definieren, dass Projektunterricht auf die Eigenständigkeit der Schüler:innen abzielt und sich dabei im Grad der Freiheit unterscheidet, die Schüler:innen erhalten (vgl. ebd.: S. 7). Die Autoren betonen, dass es keine Blaupause für den Projektunterricht gibt (vgl. ebd.). Sie beschreiben den Ablauf und den Beitrag von Projektunterricht zur Bildung wie folgt:
„Dabei bestimmt die Projektgruppe durch plausibles und selbstständiges Handeln den Weg und löst durch fächerübergreifendes und anwendungsorientiertes Handeln die gestellte Aufgabe in ihrer ‚natürlichen Umgebung‘, d. h. meist außerhalb der Schule: ein Beitrag der Erziehung zum Handel in einer demokratischen Gesellschaft.“ (ebd.: S. 11)
Projektarbeit forciert demnach selbstständiges, fächerübergreifendes und handlungsorientiertes Lernen, das durch produktorientiertes Arbeiten entsteht. Emer und Lenzen unterscheiden zwischen Stundenprojekten, projektorientierten Kursphasen, Fachtagen, Einzelprojekten oder auch Facharbeiten, projektorientierten Exkursionen oder Studienfahrten und Fachprojekten in Projektwochen (vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 46ff.). Sie bestimmen die folgenden Phasen von Projektunterricht:
1. Die Initiierung, in der die Schüler:innen die Projektidee fassen
2. Der Einstieg, der den Projektunterricht einleitet und wo die Planung beginnt
3. Die Durchführung
4. Die Präsentation
5. Die Auswertung
6. Die Weiterführung (vgl. ebd.: S. 120)
Emer und Lenzen ordnen den jeweiligen Phasen verschiedene methodische Schritte zu, die spezifische Kompetenzen der Schüler:innen fördern. Tabelle 1 gibt einen vertieften Einblick hierzu:
Tabelle 1: Projektunterricht methodisch entfaltet aus Emer/Lenzen 2002: S. 129.
Die Präsentationsform der Projektleistung ist aufgrund der Konzeptstruktur wichtig, die die Präsentation als großes Ziel ansetzt. Emer und Lenzen stellen als Kriterien die Performance, Ausstellung, Pressearbeit, Dokumentation und szenische Präsentation als mögliche Formen vor (vgl. ebd.: S. 56f.).
Traub stellt fest, dass Projektunterricht nach Emer und Lenzen Merkmale selbstgesteuerten Lernens enthält, das Projekt insgesamt jedoch zu stark angeleitet stattfindet (vgl. Traub 2012b: S. 48f.). Die starke Unterstützung und Anleitung durch die Lehrperson schränkt das selbstbestimmte Lernen ein, wodurch die (meta)kognitiven Strategien nicht gefördert werden (vgl. ebd.: S. 48). Auch die Reflexivität wird zu stark von außen beeinflusst, wodurch ein Bewusstsein über das Vorgehen unwahrscheinlicher ist (vgl. ebd.). Kooperation und persönlichen Lernerfolg erfüllt das Modell durch Gruppenarbeit mit Absprachen und die Konzentration auf die Persönlichkeitsentwicklung (vgl. ebd.).
3.2 Silke Traubs PROGRESS-Methode zur Förderung selbstgesteuerten Lernens
Die Schüler:innen müssen sich in der Schule in bestimmten Situationen mit sich auseinandersetzen und Selbstständigkeit sowie die Fähigkeit zur Bildung von Erkenntnissen und Urteilen erlernen (vgl. Traub 2012b: S. 10, 12). Damit stellt Traub die Anforderungen an Unterricht: Lernprozesse können „als pädagogische Hilfe zum aktiven Lernen des Schülers verstanden werden“ (ebd.: S. 12). Schüler:innen bauen ihr Wissen vor dem Hintergrund ihrer Vorkenntnisse und Erfahrungen auf (vgl. ebd.: S. 10). Die Lehrperson muss die Schüler:innen in der Auseinandersetzung mit ihrer Wirklichkeit fördern (vgl. ebd.: S. 13). Die Schüler:innen müssen aktiv sein, da sonst keine wirkliche Auseinandersetzung stattfinden kann (vgl. ebd.). Je aktiver sie sein können, desto stärker findet auch eine Auseinandersetzung statt (vgl. ebd.). Selbstgesteuertes Lernen, das dieser Anforderung nachkommen würde, ist stark vernachlässigt und muss gefördert werden (vgl. Traub 2012a.: 109). Das Erlangen der Fähigkeiten zum selbstgesteuerten Lernen ist ein Prozess, der unter (An)Leitung der Lehrperson stattfinden und den die Lehrperson fördern muss (vgl. ebd.: S. 110). Denn die Schüler:innen erlernen im Schulalltag nicht die nötigen Handlungskompetenzen (vgl. ebd.: S. 118f.). Traub stellt folgende Grundsätze für selbstgesteuertes Lernen auf: „Selbstgesteuertes Lernen …
tritt nicht automatisch durch die Reduktion fremdgesteuerten Lernens ein.
bedarf sorgfältiger Anleitung und Begleitung. Die Lehrperson muss den Lernenden Schritt für Schritt und häufig über einen längeren Zeitraum an das selbstgesteuerte Lernen heranführen.
setzt ein großes Strukturwissen und sprachliche Kompetenz bei den Lernenden voraus.
setzt bei den Lehrpersonen Kompetenzen hinsichtlich des Erkennens von Lernbedarf, des Planens von Lernschritten, der Ausführung dieser Lernschritte und der Einschätzung von Lernfortschritten voraus.
hat nur dann positive Effekte, wenn die Metakognition der Lernenden verbessert und dies durch einen Wandel der Rolle der Lehrperson zum Beobachter und Berater unterstützt wird.
darf mit Rücksicht auf schwächere Schülerinnen und Schüler nicht die einzige Lehrform sein. In Abhängigkeit von der Person des Lernenden, den Lerninhalten und Lehr- / Lernzielen ist die Verknüpfung von Phasen des selbstgesteuerten und des fremdgesteuerten Lernens ratsam.“ (ebd.: S. 118)
Außerdem stellt die Kommunikationsfähigkeit als soziale Kompetenz die Grundlage für das Gelingen von Lern- und Arbeitsprozessen dar (vgl. Traub 2012a: S. 110).
Traub stellt eine Differenz zwischen den Erwartungen und Ansprüchen an Projektunterricht und den Möglichkeiten in der Praxis fest (vgl. ebd.: S. 107). Es wird deutlich, wie die Projektmethode zu einem Symbol des perfekten Unterrichts geworden ist, aus dem die Schüler:innen selbstständig und autonom handlungsfähig hervorgehen. Das Ziel von Traub ist, ein praxisorientiertes Konzept zu entwerfen, das die Lücke zwischen Erwartungen und Wirklichkeit verringert (vgl. ebd.). Bei Projektarbeit handelt es sich um ein sehr anspruchsvolles Unterrichtskonzept (vgl. ebd.). Die Schüler:innen müssen das Projektarbeiten immer wieder anwenden, damit sie vermehrt selbstständig auf passende Methoden zurückgreifen können (vgl. ebd.: S. 119). Dabei gibt es eine zunehmende Rollenverschiebung: Die Lehrperson nimmt eine passive und lernbegleitende Rolle ein, während die Schüler:innen aktiv werden (vgl. ebd.: S. 110). Nur, wenn sich auch die Lehrperson auf die Projektarbeit vorbereitet und die Schüler:innen nach und nach an diese Arbeitsform heranführt, kann sie effektiv gelingen (vgl. ebd.). Deshalb empfiehlt Traub ein Modell, das mehrere Stufen der Heranführung beinhaltet, in dem sich die Schüler:innen nach und nach an die Methode gewöhnen (vgl. ebd.: S. 119). Die PROGRESS‑Methode stellt mit zwei Stufen eine solche Hinführung dar und befähigt die Schüler:innen in der Erlangung der Fähigkeiten für selbstgesteuertes Projektlernen (vgl. ebd.: S. 107). Es handelt sich um ein Stufenmodell, das die verschiedenen Phasen eines Projekts umfasst (vgl. ebd.: S. 109). Es nimmt die von R. J. Simons 1992 aufgestellten Prinzipien zur Förderung aktiven und konstruktiven Lernens zur Grundlage. Die zwei Stufen der PRORESS-Methode bestehen jeweils aus zwei Wegen[6]. Tabelle 2 stellt die Methode übersichtlich dar:
Tabelle 2: Die PROGRESS-Methode von Silke Traub als Stufenmodell nach Traub 2012a.
3.2.1 Die erste Stufe
In der ersten Stufe vermittelt die Lehrperson unterschiedliche Lernstrategien, mit denen sich die Schüler:innen bewusst und reflektiert auseinandersetzen (vgl. Traub 2012a: S. 120). Es handelt sich um die Vorbereitungsphase. Trotz dessen steht die inhaltliche Vermittlung weiterhin im Mittelpunkt und das Erlernen der Strategien findet im Hintergrund statt (vgl. ebd.). Das Ziel der ersten Stufe der PROGRESS‑Methode lautet: „Den Lernenden wird gezeigt, wie man effektiv lernen und den eigenen Lernprozess gestalten kann“ (ebd.: S. 123). Die Lehrperson hält dafür ihre Unterrichtsplanung transparent und erklärt sie den Schüler:innen (vgl. ebd.). Die Schüler:innen äußern ihre Erwartungen an die Inhalte und die zur Erarbeitung gewählte Methode (vgl. ebd.: S. 132). Die Lehrperson reflektiert zum Schluss gemeinsam mit den Schüler:innen den Lernprozess (vgl. ebd.). Traub lenkt den Blick auf die leistungsschwächeren Schüler:innen, die in diesem Schritt ihr Verständnis für den sinnvollen Einsatz von Methoden erweitern können (vgl. ebd.).
Auf dem ersten Weg bringt die Lehrperson den Schüler:innen die Lernstrategien im gewöhnlichen Unterricht unterstützend näher (vgl. ebd.: S. 119). Daraufhin bietet sie ihnen Möglichkeiten, auf diese Strategien zurückzugreifen (vgl. ebd.). Traub empfiehlt die Vorgehensweise nach dem Sandwich‑Prinzip von Diethelm Wahl[7] (vgl. ebd.). Die Lehrperson muss als Ziel haben, den Schüler:innen folgende Fähigkeiten zu vermitteln: „Strategien der geistigen Auseinandersetzung […], Darstellungsstrategien […], Strategien der Informationsbeschaffung und Sammlung […], Strategien der Arbeitsplanung und die richtige Zeiteinteilung“ (ebd.: S. 123).
Auf dem zweiten Weg arbeitet die Lehrperson mit den Schüler:innen ebenfalls nach dem Sandwich‑Prinzip: Die Lehrperson baut Phasen selbstgesteuerten Lernens aus und führt kleinere projektorientierte Einheiten ein, sodass neben orientierenden Phasen auch Phasen selbstgesteuerten Lernens stattfinden (vgl. ebd.: S. 119, 121, 132). Das Sandwich‑Prinzip kommt zum Einsatz, da es „eine systematische Abwechslung zwischen Lernphasen [darstellt, Z. VM.], in denen mehr Orientierung und Anleitung sowie Inputs gegeben werden und Lernphasen, in denen die Lernenden subjektiv und individuell am eigenen Lernprozess im eigenen Lerntempo lernen können“ (ebd.: S. 123). Die „Phasen der subjektiven Verarbeitung bzw. individuellen Aneignung“ (ebd.: S. 132) nehmen stark zu (vgl. ebd.). Sonst gleicht der zweite Weg den Überlegungen aus dem ersten, wobei sich der zweite jedoch über eine gesamte Unterrichtseinheit streckt (vgl. ebd.).
3.2.2 Die zweite Stufe
Die zweite Stufe der PROGRESS-Methode zielt auf den Einstieg in die eigentliche Projektarbeit ab (vgl. Traub 2012a: S. 139). Beim dritten Weg wendet die Lehrperson nach und nach anleitend das Projektsandwich an, wodurch sie die Schüler:innen langsam an die Projektarbeit gewöhnt (vgl. ebd.: S. 119). Die Lehrperson fungiert als Vorbild, indem sie ihre Denkprozesse und Handlungen in den jeweiligen Phasen zu Beginn mit den Schüler:innen bespricht (vgl. ebd.: S. 140). Die Schüler:innen artikulieren ihre Überlegungen und Vorgehensweisen, wobei sich die Lehrperson zunehmend zurückzieht und die Schüler:innen in den Vordergrund rücken (vgl. ebd.). Außerdem handeln die Schüler:innen in einem konkreten Kontext, was der Lernsituation Authentizität verleiht (vgl. ebd.). Traub empfiehlt dann einen prozesshaften Übergang vom dritten zum vierten Weg (vgl. ebd.: S. 118). Auf dem vierten Weg leitet die Lehrperson die Schüler:innen zunehmend weniger an, sodass die Schüler:innen alle Phasen bis auf die kollektiven Phasen selbstgesteuert lernend übernehmen. Hier führen die Schüler:innen die Projektarbeit eigenständig aus (vgl. ebd.: S. 148).
3.3 Herbert Gudjons‘ Projektmethode zur Förderung eigenständigen und entdeckenden Lernens
Gudjons‘ Ansatz zielt auf die Zusammenführung von praktischem Handeln, Denken und Lernen ab (vgl. Gudjons 1997: S. 112). Er stellt ebenfalls einen gesellschaftlichen Wandel fest, der Primärerfahrungen zunehmend ausschließt, was Veränderungen in der Schule fordert, damit sie diesem Wandel entgegenarbeitet (vgl. Gudjons 2014: S. 11f.). Er definiert Schule als „[e]ine Institution, deren Selbstdefinition davon lebt, Menschen auf Zukunft vorzubereiten“ (ebd.: S. 17). Mit einer zunehmenden Zukunftsungewissheit erlebt Schule – wie Gudjons es nennt – eine Sinnkrise:
„Wenn vom Verlust sinnlicher Erfahrung in der Schule die Rede ist, so ist damit über die Kritik an der handlungsarmen Tafel-Kreide-Schwamm-Pädagogik hinaus eben dieses tiefere Problem des Sinn-Verlustes von Schule gemeint.“ (ebd.: S. 18)
Genau dort ermittelt Gudjons den Ansatzpunkt, Schule und Lebenswelt wieder näher zusammenzuführen und so Schule sinnvoll für die Lebenswelt der Schüler:innen zu machen (vgl. ebd.). Denn Schüler:innen wissen um die Aufgabe der Zukunftsvorbereitung von Schulen, verstehen die dahinterliegende Logik jedoch nicht (vgl. ebd.). Daraus ergibt sich eine fehlende intrinsische Motivation. In diesem Zusammenhang nennt Gudjons das entdeckende Lernen als förderlich, das auf die „Einsicht in die Struktur (Zusammengehörigkeit) von Informationen“ (ebd.: S. 21) abzielt. Offene Unterrichtsformen ermöglichen solch ein selbstständiges und entdeckendes Lernen. Vor allem die Heterogenität und das Gruppengefüge stellen zu Beginn ein Problem dar, weshalb die Lehrperson die Schüler:innen zunächst auf dieses Unterrichtskonzept einstimmen muss (vgl. ebd.: S. 25). Als „Zwischenglied“ von offenem Unterricht[8] und dem Projektunterricht nennt Gudjons das freie Arbeiten[9] (vgl. Gudjons 2014: S: 25). Es gibt viele Überschneidungen in den verschiedenen Phasen der unterschiedlichen Arbeitsformen, die alle auf das eigenständige und entdeckende Lernen abzielen. Gudjons stellt außerdem heraus, wie wichtig sinnliche Erfahrungen und damit der Zusammenhang von Handlungen und dem Gedächtnis sind (vgl. ebd: S. 58ff.). Er sieht den handlungsorientierten Unterricht seit den 1980er Jahren zunehmend vertreten, vor allem durch den Projektunterricht, der in Form einer Projektwoche inzwischen fest in Schulen verankert ist (vgl. ebd.: S. 7). Durch das selbstständige Entdecken erlernen die Schüler:innen Fähigkeiten und Wissen, worauf sie auch in der Zukunft zurückgreifen können (vgl. ebd.: S. 21f.): „Selber beim Lernen aktiv zu sein ist gut, selber über sein Lernen zu bestimmen ist noch besser, selber sein Lernen zu steuern ist am besten“ (ebd.: S. 30, Hervorhebung im Original). Die Aktivierung der Schüler:innen bezweckt automatisch eine Eingebundenheit, die das Interesse und damit auch die Motivation für Handlungen verstärkt (vgl. ebd.: S. 62f.). Gudjons führt Spaß als einen begleitenden und den Lernprozess fördernden Effekt an und betont die Relevanz von Emotionen für das Lernen (vgl. ebd.: S. 63).
Gudjons, wie auch Emer und Lenzen, stellt im Wandel des Projekts zwei Richtungen fest: eine sozialkonservativ-technologische und eine sozialreformerisch-politische (vgl. ebd.: S. 73; vgl. Emer/Lenzen 2002: S. 9f.). Sozialreformerisch-politisch bedeutet ein Lernen durch Handlungen im demokratischen Sinne, also die Festigung des selbstständigen Denkens und kooperativen Handelns als demokratische Merkmale (vgl. Gudjons 2014: S. 73). Daraus ergibt sich demokratisches Handeln als Ziel für Projektunterricht (vgl. ebd.: S. 75). Ohne der „freien, selbstbestimmenden, nicht hierarchischen Problembearbeitung“ (ebd.), die Gudjons als das Herzstück von Projektunterricht bezeichnet, ist Projektunterricht nur noch eine Methode, die sich kaum vom traditionellen Unterricht unterscheidet (vgl. ebd.). Aufgrund dessen unterscheidet Gudjons zwischen Projektunterricht und projektorientiertem Unterricht (vgl. ebd.). Projektarbeit unterteilt sich nach Gudjons in vier Schritte: die Wahl des Projektthemas, die gemeinsame Entwicklung eines problemlösenden Arbeitsplans, die handlungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Problem und schließlich die Überprüfung der erarbeiteten Problemlösung an der Wirklichkeit. Zur Planung eines Projekts gehören die Einführung der neuen Unterrichtsform in der Lerngruppe, die Vorbereitungen der Lehrperson sowie die Phase der gemeinsamen Planung mit den Schüler:innen (vgl. Gudjons 2014: S: 92). Tabelle 3 bietet eine Übersicht über die einzelnen Schritte mit den dazugehörigen Inhalten und Merkmalen:
Tabelle 3: Die Projektmethode von Herbert Gudjons nach Gudjons 2014.
Zur Planung eines Projekts gehören die Einführung der neuen Unterrichtsform in der Lerngruppe, die Vorbereitungen der Lehrperson sowie die Phase der gemeinsamen Planung mit den Schüler:innen (vgl. ebd.: S: 92).
Traub stellt fest, dass der Projektunterricht nach Gudjons alle Kriterien selbstgesteuerten Lernens erfüllt (vgl. Traub 2012b: S. 54): Gudjons beobachtet, dass die Schüler:innen dann eine hohe Arbeitsmotivation aufweisen, wenn sich die Arbeit nach ihren Interessen ausrichtet (vgl. ebd.: S. 53). Die Aneignung von Methoden zur selbstständigen Erarbeitung von nötigen Informationen trägt dazu bei, dass die Schüler:innen ihre (meta)kognitiven Strategien erweitern (vgl. ebd.: S. 53f.). Die Schüler:innen reflektieren ihre Handlungen durch die Anwendung von Fixpunkten und Metainteraktionen und machen sie sich zusammen mit den Konsequenzen bewusst (vgl. ebd.: S. 54). Die Gruppenarbeit und die damit einhergehende nötige Interaktion, Kommunikation und Organisation fördern die Kooperationsfähigkeit (vgl. ebd.). Letztendlich ergeben sich tiefergehende Lernprozesse, die langanhaltende und anwendbare Lernerfolge beinhalten und damit den persönlichen Lernerfolg stärken (vgl. ebd.).
3.3.1 Die Wahl des Projektthemas
Das Projektthema muss einen Situationsbezug aufweisen: „Es kommt im Projektunterricht darauf an, das Leben wieder am Leben zu lernen“ (Gudjons 2014: S. 79). Es muss der Lebenswelt der Schüler:innen entspringen, damit es einen Bezug zur Wirklichkeit aufweist, und muss zugleich ausreichend Neues beinhalten, damit intrinsische Motivation entstehen kann (vgl. ebd.). Diese offene Situation zu Beginn führt bei Lehrkräften meist zu dem abschreckenden Gefühl der Überforderung (vgl. ebd.). Dieses Gefühl kann die Lehrperson jedoch für einen Lerneffekt bei den Schüler:innen einsetzen, indem sie es thematisiert (vgl. ebd.). Es handelt sich durch den Bezug zur Lebenswelt der Schüler:innen für sie um ein echtes Problem, was das Interesse verstärkt und der Entwicklung des Projekts zu einem Hobby zuwider wirkt (vgl. ebd.: S. 80). Diese Interessen können sich während des Projekts verändern (vgl. ebd.). Gudjons selbst schätzt diesen Aspekt als etwas ein, was Deweys Verständnis von Projektunterricht als Methode der Selbst- und Weltveränderung entspricht (vgl. ebd.: S. 82). Deshalb müssen sich die Lehrperson und die Schüler:innen gerade für diesen ersten Schritt ausreichend Zeit nehmen und einplanen (vgl. ebd.: S. 80).
3.3.2 Die gemeinsame Entwicklung eines problemlösenden Arbeitsplans
Die Zielgerichtetheit ist bei der Projektplanung von Relevanz, was Gudjons selbst mit Kilpatricks Konzept des planvollen Handelns vergleicht (vgl. ebd.: S. 83). Der Lehrperson und den Schüler:innen muss bewusst sein, dass nicht alles am Projekt planbar ist, da viele Aspekte wie die Interessen sehr wandelbar sind (vgl. ebd.). Die Projektmethode legt ihren Fokus auf die Schüler:innen und darauf, dass sie durch wegfallende Vorgaben Eigenverantwortung für ihr Lernen und die Gestaltung des Lernprozesses übernehmen müssen, was besonders in diesem Schritt zur Geltung kommt (vgl. ebd.: S. 83). Trotz der Unvorhersehbarkeit von Unterricht und damit auch von der Projektentwicklung misst Gudjons diesem Schritt große Bedeutung zu. Denn erst das Planen ermöglicht zielorientiertes und damit planvolles Handeln, wodurch der Plan die „Triebfeder“ und die „organisierende Mitte“ von Projekten ist (vgl. ebd.: S. 83).
3.3.3 Die handlungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Problem
Im nächsten Schritt müssen die Schüler:innen die Bearbeitung des Themas handlungsorientiert ausrichten, wobei alle Sinne miteinbezogen werden (vgl. ebd.: S. 84). Die gemeinsame Arbeit und damit auch die Kommunikation sind hierfür unabdingbar (vgl. ebd.: S. 85). Gudjons nennt beispielsweise die „Zusammenarbeit in Gruppen, Koordination der Gruppenarbeiten zu einem Ganzen, Interessenausgleich, Beachtung der gruppendynamischen Ebene usw.“ (ebd.) als Situationen, die soziale Lernprozesse und damit einhergehend soziale Kompetenzen fordern und fördern (vgl. ebd.). Soziales Lernen ist bereits vorher integriert, allerdings ist es in diesem dritten Projektschritt unabdingbar (vgl. Gudjons 2014: S. 85).
3.3.4 Die Überprüfung der erarbeiteten Problemlösung an der Wirklichkeit
Es ist für die erarbeitete Problemlösung wichtig, dass die Schüler:innen ihre Ergebnisse veröffentlichen und damit die Wirklichkeitsprüfung durch Kommunikation über das Ergebnis stattfinden kann (vgl. ebd.: S. 86). Die Übung in der Produktvorstellung ist ebenfalls wichtig (vgl. ebd.: S. 87). Gudjons betont für die Beurteilung eines Projekts, dass das Zusammenspiel von Ziel, Ergebnis und Präsentation im Fokus steht (vgl. ebd.). Hier ist das Ergebnis interdisziplinären Arbeitens zu erkennen, indem das Projekt verschiedene Fachgebiete abdeckt, wodurch die Behandlung des Themas in jedem Fall fächerübergreifend ist (vgl. ebd.: S. 88). Letztendlich ordnet Gudjons den Wert der Projektmethode wie folgt ein:
„Wenn im Projektunterricht Schüler und Schülerinnen als gleichberechtigte Parteien ernstgenommen werden und zunehmend Selbstorganisation und Selbstverantwortung für den Verlauf unverzichtbar sind, so spiegelt sich darin die politische Wurzel des Projektgedankens unmissverständlich wider. Projektunterricht zielt damit auf demokratisches Handeln in Schule und Gesellschaft.“ (ebd.: S. 75)
Gudjons stellt fest, dass die Schüler:innen im Schulalltag nicht die Möglichkeit bekommen, ihre Ergebnisse anderen zu präsentieren (vgl. ebd.: S. 103). Er sieht den bewussten Abschluss in Form eines Ergebnisses vor, das die Schüler:innen präsentieren (vgl. ebd.). So zielt das Projekt von vornherein auf einen Mitteilungswert ab (vgl. ebd.). Er stellt die Präsentation als sinnstiftendes Element heraus, das Teil des Lernprozesses im Projekt ist (vgl. ebd.: S. 103). Als Präsentationsform stellt Gudjons drei verschiedene Möglichkeiten vor: Die Schüler:innen können ihre Ergebnisse durch visuell stützende Elemente präsentieren (vgl. ebd.: S. 104). Als zweite Möglichkeit können sie diese Darstellung durch einen mündlichen Vortrag unterstützen (vgl. ebd.). Weiterhin können die Schüler:innen ihre Ergebnisse der eigenen Klasse oder – was Gudjons als sehr reizvoll beschreibt – der Parallelklasse oder der ganzen Schule präsentieren (vgl. ebd.). Für die Beendigung des Projekts ist eine Abschlussreflexion unabdingbar (vgl. ebd.: S. 105).
3.4 Karl Freys Projektmethode zur Förderung selbstorganisierten, schüler:innenorientierten und kooperativen Lernens
Die mehrfach überarbeitete Publikation Karl Freys erschien erstmals 1982. Bastian et al. stufen Freys Projektmethode als ein beliebig anwendbares Verfahren ein und betitelt sie als „ideale Methode des Lehrens und Lernens“ (Bastian et al. 1997: S. 9). Besonders beeinflusst haben ihn Dewey und Kilpatrick, demnach also der Projektunterricht des amerikanischen Pragmatismus.
Die Projektmethode von Frey stellt eine offene Lernform dar (vgl. Frey 2012: S. 16), die aus sieben Komponenten besteht und auf das ziel- und schüler:innenorientierte, selbstorganisierte und gemeinsame Lernen und Arbeiten an einem Projekt ausgerichtet ist. Folgende Auflistung der Komponenten erweckt den Anschein, dass es sich bei allen Phasen um aufeinander folgende handelt. Allerdings kommen die Komponenten sechs und sieben parallel zu den anderen Komponenten vor:
1. Projektinitiative
2. Auseinandersetzung mit der Projektinitiative (Projektskizze)
3. Entwicklung des Betätigungsgebiets (Projektplan)
4. (Verstärkte) Aktivität im Betätigungsgebiet (Projektdurchführung)
5. Abschluss des Projekts
6. Fixpunkte
7. Metainteraktion (vgl. Frey 2012: S. 13)
Interaktion und Kommunikation zwischen den Schüler:innen nehmen einen hohen Stellenwert der Methode ein (vgl. ebd.: S. 93). Damit dies – und damit auch die Projektarbeit – möglichst reibungslos ablaufen kann, müssen die Schüler:innen gemeinsam Verfahrensregeln hinsichtlich zeitlicher Planungen und dem richtigen Umgang miteinander aufstellen und sie einhalten (vgl. ebd.: S: 76ff.). Mit den Komponenten stellt Frey einen idealisierten Ablauf dar, wobei sich die Projektmethode vor allem durch ihre Andersartigkeit je nach Rahmenbedingungen und Lerngruppe auszeichnet (vgl. ebd.: S. 54).
Die Projektinitiative zeichnet sich als erste Komponente durch ihre offene Ausgangssituation aus (vgl. ebd.: S. 56, 64). Die Schüler:innen ermitteln das Thema des Projekts anhand ihrer Bedürfnisse und Wünsche, wobei dieses Thema hier noch keinen Bildungswert aufweist (vgl. ebd.: S. 54, 56). Der Bildungswert entsteht erst durch die Auseinandersetzung mit dem Projekt, was in der zweiten Komponente – der Auseinandersetzung mit der Projektinitiative – beginnt (vgl. ebd.: S. 56). Dieser Schritt findet in dem vorher vereinbarten Rahmen statt und führt über gemeinsame Absprachen zur Projektskizze (vgl. ebd.: S. 57, 74). Es kann allerdings auch dazu kommen, dass die Schüler:innen die Projektinitiative begründet nicht weiterführen und das Projekt an dieser Stelle endet (vgl. ebd.: S. 94). Im Fall, dass die Schüler:innen der Projektinitiative weiter nachgehen möchten, kommt es im nächsten Schritt zur Entwicklung des Betätigungsgebiets, was den Projektplan als Ergebnis hat (vgl. ebd.: S. 57). Der Projektplan gibt genau an, wer zu welchem Zeitpunkt welcher Aufgabe nachgeht, wobei die Schüler:innen ihre Vorerfahrungen und Ansichten miteinfließen lassen, sodass ein Arbeitsplan entsteht (vgl. ebd.: S. 57f., 97). Die Schüler:innen orientieren sich immer an der Projektinitiative und halten sich an den gesetzten Rahmen (vgl. ebd.: S. 101, 106f.). Sie erkennen erste Wissenslücken und fehlende Voraussetzungen, denen sie nachgehen (vgl. ebd.: S. 58). Daraufhin folgt die Durchführung des Projekts durch eine (verstärkte) Aktivität im Betätigungsgebiet (vgl. ebd.). In dieser Phase ist es besonders wichtig, dass die Organisationsform den Kompetenzen und Interessen der Schüler:innen entspricht. Die Gruppenarbeit hat sich als erfolgreiche Methode für den Erwerb der für Projektarbeit charakteristischen Kompetenzen erwiesen (vgl. Frey 2012: S. 118). Die nächste Komponente bildet der Abschluss des Projekts, den die Schüler:innen bereits im Vorhinein planen (vgl. ebd.: S. 120). Es gibt den bewussten Abschluss, die Rückkopplung zur Projektinitiative oder das Auslaufenlassen (vgl. ebd.: S. 59f., 119). Der bewusste Abschluss bringt geplant ein Produkt hervor, die Rückkopplung zur Projektinitiative umfasst eine abschließende Reflexion und das Auslaufenlassen schließt nahtlos an den Alltag an, indem die Schüler:innen die erlernten Kompetenzen anwenden (vgl. ebd.: S. 59, 119). Zwei Komponenten sind für Freys Konzept charakteristisch, die über das Projekt verteilt ihren Platz finden: die Metainteraktion und die Fixpunkte. Fixpunkte sind Phasen des Austauschs zwischen den Schüler:innen über ihre derzeitige Arbeit (vgl. ebd.: S. 130). Die Schüler:innen müssen Fixpunkte bereits zu Beginn des Projekts regelmäßig und fest einplanen, können sie allerdings auch nach Bedarf einlegen (vgl. ebd.: S. 126). Die Metainteraktion befasst sich hingegen mit der Zusammenarbeit der Schüler:innen auf einer Meta-Ebene (vgl. ebd.: S. 131). Sie können die Schüler:innen ebenfalls jederzeit einberufen. Die Schüler:innen müssen eine Distanz zu sich selbst und der Situation herstellen und so ihr Verhalten und Arbeiten mit Blick auf die vereinbarten Regelungen reflektieren können (vgl. ebd.: S. 132).
Traub stellt zur Projektmethode von Frey fest, dass sie alle Kriterien selbstgesteuerten Lernens erfüllt (vgl. Traub 2012b: S. 43). Die Schüler:innen sind sehr motiviert, da das Projektthema von ihnen kommt (vgl. ebd.). Das Kriterium der kognitiven Strategien ist erfüllt, indem die Schüler:innen ihren Arbeitsplan und damit ihren Lernprozess und die Lerninhalte selbst gestalten (vgl. ebd.). Durch die selbstregulierenden Lernprozesse und die eigenständige Aneignung der Inhalte, fördert die Methode auch die metakognitiven Strategien (vgl. ebd.). Daraus ergibt sich bei den Schüler:innen ein ausgeprägtes Bewusstsein für ihren Lernprozess, den sie immer wieder reflektieren (vgl. ebd.). Das Kriterium der Kooperation ist durch den hohen Stellenwert der Interaktion und Kommunikation erfüllt (vgl. ebd.). Indem sich die Schüler:innen mit ihrer Projektinitiative auseinandersetzen, entsteht bildendes Tun, wobei die Persönlichkeitsbildung stark involviert ist (vgl. ebd.).
4 Ziele und Merkmale der Projektmethode
Freys führt den Begriff Projekt auf das lateinische projicere zurück, was vorauswerfen, entwerfen, planen oder sich vornehmen bedeutet (vgl. Frey 2012: S. 14). Den Begriff Methode führt er auf das Altgriechische zurück, wo es den Weg der Untersuchung bezeichnet (vgl. ebd.). Doch was ist nun unter der Projektmethode zu verstehen?
Frey beschreibt sie als eine komplexe Lehr- und Lernform, die aus verschiedenen zusammenwirkenden Komponenten entsteht (vgl. ebd.: S. 62). Es ergeben sich Merkmale und Ziele, über die sich die Projektmethode definieren lässt und die das folgende Kapitel erläutert. Es beginnt mit der Definition von Projektmethode und erläutert, weshalb das Aufstellen einer Definition nicht so einfach ist. Die Auseinandersetzung mit der Definition führt zu der Frage nach den Zielen der Methode und endet beim bildenden Tun. Das Kapitel erklärt anhand der Curriculumtheorie was bildendes Tun ist. Außerdem greift es die Schüler:innenorientierung, das Mitschaffen der eigenen Wirklichkeit durch Interaktion und Kommunikation, das Probehandeln unter pädagogischen Bedingungen und die Setzung des Arbeitsrahmens sowie die offene Ausgangssituation als besondere Merkmale der Projektmethode auf. Dabei zieht das Kapitel immer wieder Vergleiche zu den Ansätzen der in Kapitel 1 und 2 vorgestellten Autor:innen.
4.1 Definition
Wie das vorherige Kapitel bereits gezeigt hat, gibt es nicht die Projektmethode. Auch Frey betont, dass er keine genaue Definition der Projektmethode bieten kann, da sie anpassbar und damit immer verschieden ist (vgl. Frey 2012: S. 16)[10]. Der Ablauf eines Projekts nach bestimmten Schritten ist nicht das, was Bildung erzeugt, und kann diese durch entstehende Routine und Einseitigkeit gefährden (vgl. ebd.: S. 19). Nichtsdestotrotz weist die Projektmethode von Frey bestimmte charakteristische Merkmale auf, über die sich die Projektmethode definieren lässt.
Bei einem Projekt handelt es sich „um die Planung eines in Aussicht genommenen Unterrichts. Oder genauer: um die Entwicklung von Unterricht durch die Beteiligten“ (ebd: S. 13). Die Aussage verdeutlicht bereits die Ziel- und Schüler:innenorientierung der Projektmethode. Die Planung und Ausführung des Projekts übernehmen die Schüler:innen selbstständig (vgl. ebd.). Das Ziel der Projektmethode ist die Förderung der Schüler:innen in der Weiterentwicklung ihrer Betätigungswünsche und Fähigkeiten (vgl. ebd.: S. 99). Das Erlernen neuer Verhaltensmerkmale oder die Übung einer bestimmten Handlung stehen nicht im Vordergrund, da es hierfür geeignetere Methode gibt (vgl. ebd.). Projekte können in ihrer Größe stark variieren. Frey unterscheidet zwischen Klein-, Mittel- und Großprojekten (vgl. ebd.: S. 20). Er nimmt diese Unterteilung vor, um die Assoziation mit einem „umfangreichen Unternehmen“ zu nehmen und aufzuzeigen, dass es verschiedene Maße von Projekten gibt und sie häufiger Anwendung finden, als gedacht (vgl. ebd.: S. 21). Kleinprojekte dauern zwei bis sechs Stunden und bauen meist auf zwei bis drei der sieben Komponenten auf, weshalb sie viel mehr projektartiges Lernen darstellen (vgl. ebd.: S. 20). Mittelprojekte können wenige Tage bis zu eine Woche oder 40 Stunden dauern und sich dann auch über ein Quartal verteilen; der Normallfall in der Hochschul- und Erwachsenenbildung (vgl. ebd.). Großprojekte können eine Zeitspanne von einer Woche bis zu einem Jahr einnehmen, wobei mehrere Gruppen oder Institutionen beteiligt sein können (vgl. ebd.).
Frey beschreibt die Projektmethode als offene Lernform, die in die (Lern-)Situation integriert ist und sich an den Interessen der Schüler:innen orientiert (vgl. Frey 2012: S. 16). Im Sinne des projektartigen Lernens sind Abweichungen vom erstellten Plan während der Projektdurchführung normal (vgl. ebd.: S. 15)[11]. Das Ziel der Projektmethode ist, „die Kluft zwischen der Welt von Schule und der Welt von Nicht-Schule an einigen Orten zu überbrücken“ (ebd.: S. 50). Als konkretere Ziele schreibt er: „Selbstständig werden, sich mit der realen Welt um uns auseinandersetzen, möglichst viele menschliche Ausdrucksformen aktivieren, im Handeln auf den Nächsten achten“ (ebd.: S. 25). Es ist wichtig zu erkennen, worin sich die „Welt von Schule“ und die „Welt von Nicht-Schule“ unterscheiden und wie Schule die genannten Ziele erreichen kann. Frey kommt zu dem Schluss, dass das bildende Tun die Antwort darauf ist. Denn die Projektmethode ist eine Lernform der „lernenden Betätigung, die bildend wirkt“ (ebd.: S. 14)[12]. Dadurch bildet sie den „Weg, den Lehrende und Lernende gehen, wenn sie sich bilden wollen“ (ebd.: S. 15).
4.2 Bildendes Tun
Die Projektmethode zeichnet sich dadurch aus, dass die Lernenden ihr Projekt gemeinsam entwickeln und ihr Tun immer wieder für Reflexionen und Diskussionen unterbrechen. Dieses interaktive und kooperative Element bewirkt bildendes Tun:
„Die Auseinandersetzung mit dieser Projektinitiative, die Auswahl des endgültigen Gebietes und die gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes sind Bestandteil des Projekts. Sie sind wesentliche Lernprozesse. Sie sind die bildenden Elemente. Sie machen aus üblichem Tun bildendes Tun.“ (ebd.: S. 13)[13]
Doch wie entsteht bildendes Tun und was unterscheidet es von alltäglichem Handeln? Dieser Frage geht die Curriculumtheorie[14] nach. Es gibt keine einheitliche Definition von Bildung. Die Curriculumtheorie sieht hingegen die Entstehung von Bildung – also den Weg – als Ziel von Bildung (vgl. ebd.: S. 23). Nach Frey entsteht aus der Art und Weise dieses Wegs die Qualität einer Handlung. Er arbeitet als Elemente curricularen Handelns heraus: Interaktion in einem vorher festgelegten Rahmen, situative Distanz, Zielorientierung und spezifische Reflexion (vgl. ebd.: S. 26). Diese Elemente machen aus alltäglichem Handeln bildendes Handeln und werden im Folgenden erläutert. Sie sind auch in der Projektmethode vorhanden und von großer Bedeutung.
Die Einbeziehung der Schüler:innen ist ein wichtiger Bestandteil, da sie so den Rahmen ihrer eigenen Bildungsmöglichkeiten schaffen (vgl. Frey 2012: S. 23). Innerhalb dieses vorher festgelegten Rahmens können sie miteinander interagieren. Zugleich muss es den Schüler:innen möglich sein, eine situative Distanz zum eigenen Handeln herzustellen. Meist folgt auf situative Distanz „ein kritisches Befragen von vorfindlichen Gegebenheiten, oft ein Entwickeln von Alternativen“ (ebd.: S. 24). Dadurch tun die Schüler:innen nur das, was sie zuvor als logisch und vernünftig ausdiskutiert und identifiziert haben. Sie sind emotional involviert, da sie sich das Thema und die Betätigungen innerhalb des Themas selbst aussuchen und gemeinsam erarbeiten. Frey hebt hervor, dass eine allseitige Menschenbildung nicht in der Theorie stattfinden kann, da sie die Involviertheit des ganzen Menschen und damit die Praxis fordert (vgl. ebd.). Um diese Lücke zu schließen, fand die Entwicklung der Didaktik zur Curriculumtheorie statt: „Erst wenn man die vielfältigen Formen menschlichen Ausdrucks auch in der Entstehung von Lernsituationen zum Zuge kommen lässt, kann man der Variabilität des Menschen gerecht werden“ (ebd.: S. 25). Die Projektmethode geht eben dieser Problematik nach und löst sie, weil sie den Menschen in seiner Ganzheit miteinbezieht (vgl. ebd.).
Fortwährend findet bei der Projektmethode im Sinne der Curriculumtheorie eine Zielorientierung statt (vgl. ebd.)[15]. Auch hier gilt, dass der Weg das Ziel und somit keine Trennung von Methodik und Didaktik vorgesehen ist. Die Methode zum Erreichen dieser Ziele enthält wertvolle bildende Inhalte (vgl. ebd.). Vor allem das Verfahren an sich und die darin enthaltenen Handlungsformen sind dafür verantwortlich, dass die Schüler:innen auf Ziele wie Solidarität und Autonomie hinarbeiten (vgl. ebd.).
Die spezifische Reflexion, die sich nicht von den anderen Elementen lösen lässt, ist für die Curriculumtheorie und damit auch für die Projektmethode bezeichnend (vgl. ebd.: S. 26). Die spezifische Reflexion ist besonders bedeutsam, da sie die Entwicklung eines Bewusstseins über das Tun wahrscheinlicher macht (vgl. ebd.)[16].
4.3 Schüler:innenorientierung oder das Mitschaffen der eigenen Wirklichkeit durch Interaktion und Kommunikation
Interaktion und Kommunikation sind bedeutsam für bildendes Tun. Deshalb sind sie ein wichtiges Merkmal und Ziel der Projektmethode und während der Durchführung der Projektmethode dauerhaft gefordert und präsent (vgl. Frey 2012: S. 17)[17]. Zu Beginn des Projekts – aber auch im Verlauf – erkennen und beachten die Schüler:innen die eigenen Interessen und die der Gruppe, wobei sie diese aufeinander abstimmen und sie kritisch weiterentwickeln (vgl. ebd.: S. 16). Sie informieren sich regelmäßig gegenseitig über ihre Fortschritte und Gedanken, die sich auf Aktivitäten, Arbeitsbedingungen und Ergebnisse beziehen (vgl. ebd.). Außerdem arbeiten die Schüler:innen „soziale oder individuelle Prozesse und Konstellationen auf, die während des Projektablaufs auftreten“ (ebd.). Es können während der Projektarbeit auch Spannungen und Konflikte auftreten, die Schüler:innen immer rechtzeitig zu erkennen und gemeinsam zu lösen versuchen müssen (vgl. ebd.). Die Schüler:innen helfen sich gegenseitig aus und stellen ihre eigenen Interessen in den Hintergrund (vgl. ebd.). Die Projektmethode zeichnet sich aufgrund dessen durch die Förderung von Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und kooperativer Arbeit sowie der Vermeidung von Konkurrenzverhalten aus (vgl. ebd.: S. 50)[18].
Frey kritisiert, dass die Schüler:innen-Lehrperson-Interaktion im Schulalltag einseitig ausgelegt ist; nämlich vordergründig auf der Seite der Lehrperson (vgl. ebd.: S. 51). Durch diese Gewichtung benachteiligt die Lehrperson viele wichtige Lernprozesse, insbesondere selbstorganisiertes Lernen und die Fähigkeit, Verantwortung zu zeigen und solidarisch zu handeln (vgl. ebd.). Ebendiese Aspekte greift die Projektmethode auf und „hilft, lernend Wirklichkeit zu konstituieren und zielt auf Selbstorganisation“ (ebd.: S. 54)[19]. Hier zeichnet sich ein methodenspezifisches Merkmal ab: das Mitschaffen der eigenen Wirklichkeit (vgl. ebd.: S. 79). Darin sieht Frey einen Unterschied zu anderen Methoden (vgl. ebd.). Deshalb durchzieht die Projektmethode eine intrinsische Motivation. Gleichzeitig gewinnt das Projekt auch an Wert für die Lebenswelt der Schüler:innen[20]. Dadurch können die Schüler:innen Lernprozesse und Ziele erreichen, die sie einerseits im Schulalltag nicht erreicht hätten und die andererseits einen langfristigen Lerneffekt auslösen. Durch diese Effekte ist es sehr wichtig, dass die Lehrperson den Schüler:innen das Thema oder den Gegenstand nicht vorschreibt (vgl. ebd.: S. 64).
4.4 Probehandeln unter pädagogischen Bedingungen und die Setzung des Arbeitsrahmens
Die Schüler:innen verstehen ihr Tun durch die Projektmethode als „Probehandeln unter pädagogischen Bedingungen“ (Frey 2012: S. 16). Das Projekt beginnt damit, dass die Schüler:innen gemeinsam die Rahmenbedingungen des Projekts und des gemeinsamen Umgangs festlegen, innerhalb derer sie die Entscheidung über die Projektinitiative finden und künftig arbeiten wollen (vgl. ebd.: S. 15, 23f.). Sie nehmen während der Durchführung immer wieder Bezug auf die Rahmenbedingungen, wodurch sie eine Transparenz schaffen und das Konfliktpotenzial minimieren. Außerdem setzen die Schüler:innen ihre Arbeitsziele und den gemeinsamen Arbeitsrahmen fest (vgl. ebd.: S. 16). Für die Auseinandersetzung mit den eigenen Betätigungswünschen und den selbst gewählten Aufgaben und Problemen entwickeln die Schüler:innen selbst die Methode (vgl. ebd.). Insgesamt entstehen hierdurch eine intrinsische Motivation und eine höhere Verbundenheit zum Thema und zur Art und Weise der Erarbeitung[21]. Die Schüler:innen setzen sich mit realen Situationen und Gegenständen auseinander, die ihrer eigenen Lebenswelt entsprechen und durch die sie sich auch mit sich selbst auseinandersetzen (vgl. ebd.: S. 16, 50)[22]. Es ist für die Projektmethode charakteristisch, dass sie kognitive, motorische und affektive Bereiche der Schüler:innen anspricht und dadurch die „Synthese schulischer und außerschulischer Lernbereiche“ (ebd.: S. 50f.) fördert. Durch diesen starken Bezug zur Lebenswelt der Schüler:innen ist die Erneuerung von Schule durch die Projektmethode möglich (vgl. ebd.: S. 51).
4.5 Offene Ausgangssituation
Die Schüler:innen greifen für die Entwicklung des Projekts eine Initiative wie ein Thema, ein Erlebnis oder ein Problem von jemandem auf (vgl. ebd.: S. 15). Charakteristisch ist die offene Ausgangssituation, und dass es nicht in erster Linie einen Bildungswert haben muss (vgl. ebd.: S. 56). Denn die Projektinitiative entwickelt sich erst im Laufe der Zeit zur Bildung, indem sich die Schüler:innen mit ihr auseinandersetzen und sie diese zu einem Betätigungsgebiet weiterentwickeln (vgl. ebd.)[23]. Die gewonnenen Erfahrungen aus der Auseinandersetzung mit der Welt stehen im Mittelpunkt des Bildungsprozesses (vgl. Speth 1997: S. 22). Allerdings ist eine gänzlich offene Ausgangssituation im Schulalltag aufgrund der Rahmenbedingungen wie der zeitliche Faktor schwierig umzusetzen, sodass die Lehrperson meist zumindest das Thema oder das Phänomen vorgeben muss.
5 Voraussetzungen der Projektmethode
Die Lehrperson muss bestimmte Voraussetzungen berücksichtigen, wenn sie die Durchführung der Projektmethode plant. Das vorherige Kapitel verdeutlicht bereits die Herausforderungen, die die Projektmethode durch ihre spezifischen Merkmale und Ziele mit sich bringt. Erfüllt die Durchführung Merkmale und Ziele wie das selbstständige Arbeiten oder die Interaktion in einem vorher festgelegten Rahmen nicht, handelt es sich nicht mehr um die Projektmethode und der Mehrwert der Methode geht verloren. Die Lehrperson muss ihre Ziele mit denen abgleichen, die sie durch die Anwendung der Projektmethode erfüllen kann, da sie sonst eine andere Methode wählen muss.
Die Anwendung hängt von den Rahmenbedingungen ab, die die Schule schafft. Dazu gehören die verfügbare Zeit und Umgebung. Außerdem muss die Lehrperson ihr Vorhaben mit den Kompetenzen der Schüler:innen und der Lernsituation abgleichen. Dadurch stellt sie fest, welche Kompetenzen eventuell zuvor noch auszubauen sind oder – falls sie ausreichend vorhanden sind – wie sie die Kompetenzen der Schüler:innen in die Durchführung integriert. Die Lehrperson muss außerdem prüfen, welche Vorbereitungen sie für sich und welche sie mit den Schüler:innen treffen muss; damit steht und fällt die Projektmethode. Dazu gehören auch Verfahrensregeln und Vereinbarungen, die die Schüler:innen ausarbeiten.
5.1 Zeit und Umgebung
Die organisatorischen Möglichkeiten stellen einen entscheidenden Faktor für den Einsatz und die Art der Umsetzung der Projektmethode dar: „Sie [die Projektmethode, Z. VM.] benötigt eine gewisse pädagogische Umgebung, sozusagen ein pädagogisches Ambiente“ (Frey 2012: S. 31). Für die Durchführung eines zumindest mehrstündigen Projekts, das einen Zusammenhang aufweist, muss die Lehrperson Zeit zur Verfügung haben (vgl. ebd.: S. 13). Sie muss einplanen, dass die Schüler:innen während der Entwicklung des Betätigungsgebiets Wissenslücken ermitteln und Zeit benötigen, diese zu füllen (vgl. ebd.: S. 58). Frey gibt als Möglichkeit der Vorbereitung und damit auch der Entlastung der Lehrperson eine Vorübung an: das Gruppenleitprogramm (vgl. ebd.: S. 114). Dafür teilt die Lehrperson die Gruppe in kleinere Gruppen von vier bis fünf Personen ein und lässt diese innerhalb der Gruppen nötiges Basiswissen bearbeiten und stellt ihnen bereits Anleitungen zur erfolgreichen Arbeit in Gruppen bereit (vgl. ebd.).
Je nach Lerngruppe haben die Schüler:innen unterschiedlich viel Erfahrung und Übung im freien und selbstständigen Arbeiten und benötigen mehr oder weniger Unterstützung. Schuld daran hat der Regelbetrieb und nicht der oder die Schüler:in (vgl. ebd.: S. 72). Das behindert die Schüler:innen im Ausbau ihrer Kompetenzen hinsichtlich des aktiven, selbstständigen und freien Lernens. Die Lehrperson muss einplanen, die Schüler:innen auf die für die Projektmethode typische Vorgehensweise vorzubereiten. Die Vorbereitung benötigt dann mehr Zeit, da sich die Schüler:innen in unbekannten Gebieten bewegen und länger für Erarbeitungen benötigen. Wenn es sich bei der Projektgruppe um eine Lerngruppe handelt, die auch im Schulalltag gemeinsam arbeitet, ist sie bereits verstärkt aufeinander abgestimmt. Das kann sowohl vorteilhaft als auch nachteilig sein. Vorteilhaft ist es, wenn die Arbeitsprozesse routiniert ablaufen, und nachteilig, wenn das Beziehungsgefüge und damit die Arbeitsprozesse aufgrund von Konflikten gestört sind. Die Lehrperson hat die Möglichkeit, ihren Unterricht für die Vorbereitung auf die Arbeitsweise der Projektmethode auszulegen. Kommen die Schüler:innen für das Projekt erst zusammen, muss die Vorbereitung einen Teil des Projekts einnehmen und in diesem Fall genügend Zeit eingeplant sein.
5.2 Integration in die Lernsituation
Die Lehrperson muss ein Projekt abhängig von der Lernsituation planen und durchführen. Das beginnt damit, dass das Lerngebiet den Erfahrungsbereichen und Interessen der Schüler:innen entsprechen muss; die Lehrperson darf das Thema nicht vorgeben (vgl. Frey 2012: S. 13, 16, 64). Bei der Entwicklung des Betätigungsgebiets fließen die Ansichten und Vorerfahrungen der Schüler:innen mit ein und lassen Eigeninitiativen entstehen (vgl. ebd.: S. 58, 65). Hierfür müssen sich die Schüler:innen in einem Lernklima befinden, das die Einbringung persönlicher Bedürfnisse, Interessen und Wünsche zulässt (vgl. ebd.: S. 65). Aufgrund dieser Ausrichtung sind teilweise keine bestimmten Fertigkeiten und fachwissenschaftlichen Voraussetzungen vonnöten. Auch die Komponenten der Projektmethode müssen die Schüler:innen nicht kennen oder einwandfrei anwenden können (vgl. ebd.: S. 62). Handelt es sich um eine Lerngruppe, die noch nicht oder kaum mit der Projektmethode vertraut ist, empfiehlt Frey die Konzentration auf ein oder zwei Komponenten zu Beginn des Projekts, sodass sich die Schüler:innen langsam daran gewöhnen und ihre Kompetenzen mit der Zeit ausbauen (vgl. ebd.: S. 61). Dafür bezieht sich die Lehrperson auf die Lernsituationen, die die Schüler:innen aus ihrem Schulalltag kennen, und leitet daraus diejenigen Komponenten ab, die den vertrauten Vorgehensweisen am nächsten kommen (vgl. ebd.). Im Laufe des Projekts verstärkt die Lehrperson diese Komponenten und nimmt nach und nach weitere hinzu (vgl. ebd.: S. 62).
Der Abgleich zwischen dem geplanten Vorhaben und der Lernsituation ist entscheidend und abhängig von den Kompetenzen der Schüler:innen. Dieser Aspekt in Verbindung mit der Individualität der Schüler:innen verstärkt die Tatsache, dass sich die Projektmethode von Durchführung zu Durchführung stark unterscheidet. Deshalb muss die Lehrperson neben der Lernsituation auch die Kompetenzen der Schüler:innen analysieren.
5.3 Nötige Kompetenzen der Schüler:innen
Die Schüler:innen „müssen ihre Interessen, Präferenzen Sympathien und Antipathien, aber auch ihre längerfristigen Perspektiven in die Projektinitiative einfließen lassen“ (Frey 2012: S. 76). Dafür benötigen sie die Fähigkeit, eine Distanz zu sich selbst und ihren Lebensumständen einzunehmen (vgl. ebd.: S. 65). Dies stellt für Kinder und Jugendliche eine Hürde dar. Meist benötigen sie die Unterstützung der Lehrperson, sodass die Lehrperson die Projektideen in Schulen natürlicherweise hervorbringt und die Schüler:innen diese zu einer eigenen Initiative entwickeln (vgl. ebd.). Außerdem müssen sich die Schüler:innen austauschen und verständigen können. Frey betont die Wichtigkeit der echten Auseinandersetzung wie folgt: „Bildung kommt nicht durch Interessenausgleich zu Stande, eher schon durch ein verstehendes Nachvollziehen und Aushandeln zwischen den Beteiligten“ (ebd.: S. 76). Wenn die Schüler:innen dazu noch nicht in der Lage sind, muss die Lehrperson dies vorbereiten. Eigentlich benötigen die Schüler:innen kein fachliches Vorwissen, da sie alle Inhalte im Rahmen des Projekts erarbeiten. Steht der Lerngruppe nur ein enger Zeitraum zur Durchführung des Projekts zur Verfügung, müssen die Schüler:innen das nötige Vorwissen zu Projektstart bereits erarbeitet haben (vgl. ebd.: S. 187). Das gleiche gilt, wenn die Strukturierung des Lerngebiets nur einen bestimmten Zugang ermöglicht (vgl. ebd.: S. 187).
5.4 Vorbereitungen der Lehrperson
Frey rät als Teil der Vorbereitung, die von der Lehrperson ausgeht, den Austausch mit Kolleg:innen und Freund:innen über das Vorhaben: Einerseits führt er zu neuen Ideen und lässt eventuelle Probleme antizipieren, andererseits ist dadurch ein Austausch über Erfahrungen möglich (vgl. ebd.: S. 63)[24]. Da sich die Schüler:innen in einer Arbeitsatmosphäre befinden müssen, in der sie ihre Gedanken, Interessen, Wünsche und Bedürfnisse frei äußern können, muss die Lehrperson eine solche falls nötig erzeugen (vgl. ebd.: S. 76). Frey stellt in seiner Arbeit Verfahren vor, die es der Lehrperson ermöglichen, ideale Voraussetzungen für die Projektinitiative zu schaffen (vgl. ebd.: S. 66ff.).
5.4.1 Herstellen offener Ausgangssituationen bei enger Ausgangslage
Frey stellt aufgrund der Rahmenbedingungen, die durch den Schulalltag gegeben sind, prinzipiell eine engere Ausgangssituation fest und schlägt verschiedene, gleichwertige Techniken vor, um diese enge Situation für einen Einstieg in die Projektmethode etwas aufzulockern:
· Brainstorming
· Oberbegriffe
· stimulierende Hinweise
· Ausweitungsfrage
· Denkmodelle aus Kleingruppen
· Ideenwettbewerb
· Sukzessive entwickeln
Objekte sammeln (vgl. Frey 2012: S. 66f.)Die Lehrperson kann mit einer bei Schüler:innen verbreiteten Vorgehensweise beginnen: dem Brainstorming. Diese Technik zielt auf „ungeordnete und undiskutierte Assoziationen“ (ebd.: S. 67). Eine weitere, dem Brainstorming verwandte Möglichkeit ist, dass die Lehrperson Oberbegriffe an die Tafel schreibt, die Assoziationen bei den Schüler:innen auslösen (vgl. ebd: S. 66). Ähnlich dazu sind auch stimulierende Hinweise, bei denen das Erzählen von Phänomenen, Aktivitäten, Problemen oder ähnlichem die Assoziationen bei den Schüler:innen hervorruft (vgl. ebd.). Bei der Ausweitungsfrage fragt die Lehrperson nach Möglichkeiten der Bearbeitung und Ausweitung des Themas innerhalb des gegebenen Rahmens (vgl. ebd.). Der Ideenwettbewerb zielt auf eine kompetitive Entwicklung von Ideen ab (vgl. ebd.: S. 67). Allerdings widerspricht diese Vorgehensweise trotz des spielerischen Gedankens der Idee der Projektmethode insofern, als letztere Konkurrenzverhalten zu minimieren versucht. Falls die Schüler:innen im Plenum Schwierigkeiten damit haben, ihre Gedanken zu äußern, bieten sich Denkmodelle aus Kleingruppen an: Die Lehrperson teilt die Lerngruppe in Kleingruppen auf, da in kleineren Gruppen eine höhere Beteiligung der Schüler:innen zu erwarten ist und die Lehrperson so Vorschläge aus jeder Gruppe zusammentragen kann (vgl. ebd.). Die Schüler:innen haben auch die Möglichkeit, die Projektinitiative sukzessiv zu entwickeln: Die Erarbeitung erfolgt zu Beginn in einer herkömmlichen Weise, die die Schüler:innen anregt und so zu einer Initiative führen kann (vgl. ebd.). Als ein aktiveres Verfahren gibt es das Objektesammeln: „Interessante Ausgangssituationen entstehen, wenn vorfindliche Wirklichkeit zusammengestellt und den Teilnehmer/innen präsentiert wird“ (ebd.). Dazu können die verschiedensten Objektbereiche dienen (vgl. ebd.: S. 68). Es zeigt sich, dass die Lehrperson trotz enger Ausgangssituation mehrere Möglichkeiten hat, diese zu lockern und jede Lerngruppe an die Projektmethode herangeführt werden kann[25]. Damit keine Motivationsprobleme entstehen, hält die Lehrperson die mitgebrachten Voraussetzungen wie im Vorhinein festgelegte Zwecke, Schwerpunkte oder Bedingungen transparent und spielt keine Scheinoffenheit vor (vgl. ebd.: S. 113f.).
5.4.2 Wahlliste mit Betätigungsgebieten
Frey stellt in seiner Arbeit fest, dass der Einsatz der Projektmethode oft daran scheitert, dass sich die Lehrperson nicht umfassend genug qualifiziert fühlt und sich nicht von ihren Wissensbereichen entfernen möchte (vgl. Frey 2012: S. 68)[26]. Dabei ist es für die Projektmethode einerseits nicht nötig, dass die Lehrperson zuvor bereits alle Inhalte erarbeitet hat und Experte für alles ist; zumal das aufgrund der Dynamik auch nicht möglich ist. Andererseits ist es nicht nötig, dass sich die Lehrperson weit von ihren Wissensbereichen entfernt, um Selbstständigkeit und aus intrinsischer Motivation entwickelte Projektinitiativen zu ermöglichen. Die Lehrperson hat die Möglichkeit, offen in ein Projekt zu gehen. Es ist außerdem möglich, dass sie eine Wahlliste mit Betätigungsgebieten erstellt (vgl. ebd.: S. 69). Die Schüler:innen haben einerseits Freiheiten in der Wahl des Betätigungsgebiets und andererseits die Wahl der Gestaltung im gewählten Betätigungsgebiet (vgl. ebd.). Somit ist nach wie vor ein selbstständiges Arbeiten nach den Interessen der Schüler:innen gesichert. Dieses Vorgehen kommt oft bei Projektwochen zum Tragen, wenn die Schüler:innen je nach Interessen einem Projekt beitreten können. Frey weitet diese Kritik auf Lehr-, Schul- und Studienbücher aus (vgl. ebd.: S. 69f.). Allerdings lässt sich hier schnell einräumen, dass die Lehrperson dieses Problem beheben kann. Sie ist nicht an das jeweilige Buch gebunden und kann für ein ausreichendes Angebot an Wahlmöglichkeiten sorgen.
5.4.3 Vorübungen
Plant die Lehrperson bereits den Einsatz der Projektmethode, hat sie die Möglichkeit, Vorübungen mit den Schüler:innen zu machen und sie so auf die methodenspezifische Arbeitsweise vorzubereiten[27]. Frey schlägt als Vorübungen eine offene Unterrichtsplanung, die Anwendung offener Aufgabenstellungen und offene Rahmenfragen vor, was im Folgenden vorgestellt wird.
Frey stellt fest: „Es ist für viele Lehrer/innen schwierig, die Schüler/innen etwas lernen zu lassen, was sie selbst nicht genau voraussehen können. Zugleich müssen Schüler/innen langsam lernen, relativ offene Situationen selber zu strukturieren“ (ebd.: S. 70). Die Unplanbarkeit von Unterricht ist ein Phänomen, das Lehrpersonen akzeptieren und vor allem die daraus entstehenden Möglichkeiten zu schätzen und zu nutzen wissen müssen. Nichtsdestotrotz erfordert der Umgang mit einer Offenheit im Unterricht Übung. Deshalb ist es für eine Lehrperson, die sich mit dieser Offenheit unsicher fühlt, vor Anwendung der Projektmethode sinnvoll, den Umgang zu üben. Hierzu empfiehlt Frey, ein paar Elemente in der Unterrichtsvorbereitung wegzulassen und mit dem zu arbeiten, was sich in der Unterrichtsituation ergibt. Er räumt allerdings auch ein, dass dies nicht zu unvorbereitetem Unterricht führen darf.
Die offene Aufgabenstellung erfordert eine „höhere gedankliche Leistung“ (ebd.: S. 71), indem die Schüler:innen selbst ihre Wissenslücken erkennen müssen (vgl. ebd.). Durch offene Aufgabenstellungen lernen Schüler:innen, Probleme auszuhalten. Sie müssen sich Zeit nehmen und den Umgang mit Neuem in einem unbekannten Gebiet lernen (vgl. Frey 2012: S. 72). Die Schüler:innen lernen auch, sich selbst zu helfen. Die Herausforderung liegt darin, solch offene Problemfragen zu entwerfen, da sie weder unterfordernd noch überfordernd sein dürfen, um diese Ziele zu erreichen.
Die offene Rahmenfrage stellt die nächste Stufe des freien Arbeitens dar: Bei dieser Technik eröffnet die Lehrperson ein Gebiet, indem sich die Schüler:innen freier bewegen können (vgl. ebd.: S. 73). Diese Vorgehensweise sind Schüler:innen zu Beginn nicht gewohnt, weshalb sie mehr Zeit in Anspruch nimmt (vgl. ebd.). Allerdings ist eine verstärkte Unterstützung nur die ersten Male nötig. Hat eine Lerngruppe bereits ein paar Projekte gemeinsam erarbeitet, „werden die Lernenden um ausgefallene Ideen nicht mehr verlegen sein“ (ebd.).
5.5 Verfahrensregeln
Die Schüler:innen müssen zu Beginn eines Projekts viele Vereinbarungen treffen, damit ein einwandfreier Ablauf möglich ist. Frey stellt selbst Vorschläge für Gebiete dieser Vereinbarungen vor, die einen einwandfreien Ablauf ermöglichen (vgl. ebd.: S. 76f.). An diesen Vorschlägen orientiert sich dieses Kapitel.
Frey lässt eine Ambivalenz erkennen: Einerseits stehen im Mittelpunkt der Projektmethode der ständige Austausch und damit auch sachliche Diskussionen unter den Schüler:innen (vgl. ebd. S. 77). Andererseits leiten diese Vereinbarungen von solchen Diskussionen weg, verfehlen also das eigentliche Ziel, erleichtern dann aber den Austausch über die Projektinitiative (vgl. ebd.). Für die „Hochform der Projektmethode“ (ebd.: S. 78) kündigt er an, dass sich sachliche Fragen mit anschließenden Diskussionen zunehmend mit Verfahrensregeln vermischen und die Verfahrensregeln dabei nur einen kleinen Teil einnehmen (vgl. ebd.).
5.5.1 Vereinbarung über Zeitlimits
Schüler:innen, die noch nicht mit der Projektmethode vertraut sind, vereinbaren zu Beginn ein Zeitlimit für die Auseinandersetzung über die Projektinitiative, was die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht (vgl. ebd.). Das Zeitlimit hebt in Konfliktsituationen die Notwendigkeit der Kommunikationsregeln hervor: Die Schüler:innen erkennen nicht zielführende und meist auf der sozialen Ebene stattfindende Diskussionen an ihrer Länge (vgl. ebd.). Die Auseinandersetzung mit der Projektinitiative nimmt in etwa 5-20% der geplanten Projektzeit in Anspruch, denn die Schüler:innen müssen eine Verbindung zwischen der Initiative und ihrer eigenen Welt herstellen (vgl. ebd.: S. 79)[28]. Die Zeit für die Auseinandersetzung schwankt von Projekt zu Projekt und von Lerngruppe zu Lerngruppe (vgl. ebd.). Damit die Schüler:innen diese Zeit nicht überschreiten, ist die Vereinbarung über Zeitlimits so wichtig. Außerdem kündigt Frey für die restlichen Komponenten an, dass die Festlegung eines Zeitlimits währenddessen nicht mehr möglich sein wird und sich die Schüler:innen dann nur noch an einem zeitlichen Gesamtrahmen orientieren können (vgl. Frey 2012: S. 79).
5.5.2 Vereinbarung über vernünftiges Argumentieren
Sobald Menschen aufeinandertreffen, treffen auch Meinungen aufeinander. Das ist für die Projektmethode gewollt, da es nur durch den Austausch zu einem Fortschritt des Projekts kommt. Handelt es sich jedoch nicht um vernünftige Argumentationen, in die eventuell soziale Konflikte miteinfließen, wird die Lernatmosphäre behindert, sodass die Selbstentfaltung und Wahrheitsfindung nicht mehr im geplanten Rahmen stattfinden kann. Frey schlägt folgende Vorgehensweisen zur Regelfindung vor:
1. Zu Beginn wählen die Schüler:innen eine Regel aus, die für sie besonders wichtig ist. Daraufhin üben sie die Regel in beispielhaften Situationen.
2. Die Lehrperson wartet Verstöße gegen Regeln ab, um sie dann hinsichtlich der entstandenen Nachteile zu thematisieren.
3. Die Lehrperson führt zu Beginn begründet Regeln ein. Im Anschluss tauschen sich die Schüler:innen darüber aus, welche Regeln sie als sinnvoll erachten und übernehmen möchten.
4. Die Schüler:innen erarbeiten zu Beginn gemeinsam die Regeln. Dabei kann die Lehrperson direkt herausstellen, dass dies im Sinne des selbstständigen Arbeitens über die Projektmethode geschieht und die Schüler:innen somit auf die andere Arbeitsweise einstellen. (vgl. ebd.: S. 80ff.)
Bei der zweiten Vorgehensweise antizipiert Frey bereits möglicherweise eintretende Probleme: Die Schüler:innen könnten noch nicht mit Konfliktsituationen vertraut sein, wodurch sie länger brauchen, um nach einer solchen Konfliktsituation wieder ein „arbeitsförderndes Vertrauen aufzubauen“ (ebd.: S. 83). Außerdem könnten die Schüler:innen der Lehrperson deren Kompetenz absprechen, wenn diese die Regeln erst aufgreift, wenn es aus der Sicht der Schüler:innen bereits zu spät ist (vgl. ebd.). Für den Fall, dass die Lehrperson Regeln vorgibt oder vorschlägt, und sie begründet, muss sie transparent und ehrlich sein (vgl. ebd.). Entstehen Regeln aufgrund von bestimmten Verhaltensweisen von Schüler:innen, müssen die Schüler:innen das wissen, um die daraus entstandenen Regeln nachvollziehen und befolgen zu können.
Wenn die Lehrperson nach Vereinbarung einer Regel diese nicht erst noch an Beispielen erproben möchte, hat sie auch die Möglichkeit, ein Mitglied der Lerngruppe zum oder zur Advokat:in der Regel zu ernennen und direkt mit der Projektarbeit zu beginnen (vgl. ebd.). Immer, wenn die Lerngruppe die Regel befolgt oder gegen sie verstößt, weist der oder die Advokat:in die Gruppe darauf hin, sodass sie die Situation anschließend diskutieren (vgl. ebd.). Die Lehrperson ist in der begrifflichen Entscheidung frei und kann diese Person alternativ auch Supervisor:in oder Moniteur:in nennen (vgl. Frey 2012: S. 83). Es kann für das Arbeitsklima hinderlich sein, wenn die Lehrperson bestimmt, wer diese Rolle einnimmt. Je nach Lerngruppe kann es förderlicher sein, wenn die Schüler:innen gemeinsam entscheiden, wer diese Rolle übernimmt. Es wird hier bereits deutlich, dass die Festlegung der Regeln einerseits sehr entscheidend für den Verlauf der Projektarbeit ist, und sie andererseits auch ihre Zeit beansprucht. Der von Frey vorgelegte Vorschlag eines Regelsatzes darf „nur mit Bewusstsein seiner Grenzen verwendet werden“ (ebd.: S. 84), was auf jeden zu entwerfenden Regelsatz zutrifft. Ein bewusster Umgang ist gefragt und für den Erfolg auch gefordert.
5.5.3 Vereinbarung über den Umgang miteinander
Die Verständigung über die gemeinsame Umgangsform zu Beginn des Projekts ist entscheidend für dessen Erfolg (vgl. ebd.: S. 84f.). Frey stellt Techniken vor, insbesondere die Themenzentrierte Interaktion (TZI), die den guten und arbeitsfördernden Umgang miteinander unterstützen und fördern (vgl. ebd.: S. 85). Die TZI stammt von der Psychologin Ruth C. Cohn aus den 60er Jahren (vgl. ebd.). Ziel ist es, „a) die sachbezogene Arbeit des Einzelnen an einem Thema zu unterstützen und b) die Gruppe zu einem fruchtbaren Miteinander zu führen“ (ebd.). Die TZI begreift den Menschen als ein selbstständiges und zugleich abhängiges Wesen (vgl. ebd.). Sie nimmt Konflikte in den Fokus, die sowohl aus der Individualität als auch aus der Gruppenzugehörigkeit entstehen, und gibt auf Grundlage dessen Regeln vor, die diese Konflikte abschwächen oder vermeiden. Frey zieht aus den Grundpostulaten vor allem zwei Regeln, die für die Projektmethode entscheidend sind: Die Schüler:innen nehmen die anderen Schüler:innen ernst und zugleich verwirklichen sie sich selbst (vgl. ebd.). Bei den Hilfsregeln der TZI handelt es sich um Verhaltensregeln, welche die Lehrperson den Schüler:innen vorschlagen kann (vgl. ebd.: S. 87). Für den Anfang empfiehlt Frey die Einführung von zwei bis drei Regeln (vgl. ebd.). Dazu wählen sie beispielsweise, dass die Schüler:innen sich gegenseitig ausreden lassen, ihre Fragen immer begründen und sich mit Verallgemeinerungen zurückhalten. Trotz des Potenzials der TZI für die Projektmethode räumt Frey ein: „In der Projektmethode hat TZI nur Zulieferfunktion. Sie ist eine Grundlage für die Verständigung über den Umgang miteinander“ (ebd.).
5.5.4 Vereinbarungen über den Umgang mit hergestellter und natürlicher Umwelt
Frey sagt: „Es gibt keine Bildung ohne Umgang mit der Umwelt“ (ebd.: S. 88). Doch wie entsteht dieser Umgang? Es gibt verschiedene Konzepte wie die didaktische Analyse von Klafki oder die Konstruktive Didaktik von Gotthilf Hiller, die jedoch nach Frey „zu weit [gehen, Z. VM.], weil sie als solche in der Theorie stecken bleiben und noch nicht in der Interaktion praktisch werden“ (ebd.). Deshalb schlägt Frey eine „einfache Trias“ (ebd.) vor, der er das eigene Handeln als Grundlage zuschreibt (vgl. ebd.). Folgende Aspekte schlägt Frey vor:
„die Entstehung, die Geschichte, die Herkunft der hergestellten oder natürlichen Umwelt respektierend, einfühlend nachvollziehen;
· die gegenwärtige Verfassung, Struktur, Funktion zur Kenntnis nehmen und als Gegebenheit zunächst einmal akzeptieren;
· die zukünftigen Entwicklungen, Leistungen, Auswirkungen abschätzen bzw. mit in Betracht ziehen“ (Frey 2012: S. 88)
Je nach Thema oder Phänomen, das die Projektinitiative behandelt, steht die Trias mehr oder weniger im Mittelpunkt. Allerdings achtet die Lehrperson immer darauf, dass die Schüler:innen ein Bewusstsein für die genannten Aspekte haben oder entwickeln und sie gegebenenfalls darauf hinweist.
5.5.5 Mindestanforderung an Vereinbarungen
Frey ist bewusst, dass nicht alle Vereinbarungen umsetzbar sind. Das kann an mangelnder Zeit liegen, die Schüler:innen für die Ausarbeitung der Vereinbarungen brauchen, oder auch an mangelnder Erfahrung, wodurch das Aushandeln der Vereinbarungen ebenfalls mehr Zeit in Anspruch nimmt. Deshalb gibt Frey eine Mindestanforderung an Vereinbarungen an.
Es reichen zu Beginn zwei bis drei Regeln aus den Abschnitten „vernünftiges Argumentieren“ und „Umgang miteinander“ aus (vgl. ebd.: S. 92). Daran orientiert können die Schüler:innen mit der Zeit und mit wachsender Erfahrung im Umgang miteinander unter Einhaltung der Vereinbarungen Regeln hinzunehmen. Besonders für Schüler:innen, die noch keine oder nicht viel Projekterfahrung haben, empfiehlt Frey eine kurze Vereinbarung zu Beginn über das geplante Verfahren: Die Schüler:innen müssen entscheiden, ob sie gemeinsam an einem einzigen Projekt arbeiten oder ob sich die Lerngruppe aufteilt und jede Gruppe an einem Teilprojekt arbeitet (vgl. ebd.). Nachdem die Schüler:innen die Vereinbarung getroffen haben, halten sie diese für alle einsehbar und deutlich fest (vgl. ebd.). Verfügt die Lerngruppe über einen festen Arbeitsraum, bieten sich hierfür Plakate an, die aufgehängt werden. Die Schüler:innen können je nach vorhandenen Mitteln auch digitale Möglichkeiten nutzen.
Für das Treffen der Vereinbarungen gibt es drei mögliche Zeitpunkte: die Vorphase, die noch vor der Projektinitiative liegt, zu Beginn des Projekts parallel zur Auseinandersetzung mit der Projektinitiative oder in einer Zwischenphase nach der Entwicklung der Projektinitiative (vgl. ebd.: S. 93). Eine Revision dieser Vereinbarung ist möglich und findet in einer Phase der Metainteraktion statt (vgl. ebd.). Dies kann zum Beispiel passieren, wenn die Schüler:innen in der Praxis feststellen, dass ihre Vorgehensweise nicht zielführend ist. Es kann jedoch auch passieren, dass die Schüler:innen in einer Metainteraktion feststellen, dass sie von ihren Vereinbarungen abgekommen sind und ihre Planung anpassen müssen (vgl. ebd.).