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Wissenschaftliche Studie, 2022
17 Seiten
Didaktik für das Fach Deutsch - Deutsch als Fremdsprache, DaF
1. Einleitung
2. Schreiben als Sprachtätigkeit
2.1 Schriftsprache vs. Sprechsprache
2.2 Wechselbeziehungen zwischen den sprachlichen Haupttätigkeiten
3. Schreibdidaktik
3.1 Die Ansätze
3.2 Phasen des Schreibprozesses
3.3 Interaktives Schreiben
3.4 Fehler und Fehlerkorrektur
3.5 Typen der Schreibübungen
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Das Schreiben ist nicht bloß eine Tätigkeit, sondern eher eine Existenzform bzw. eine Lebenshaltung. Daher ergibt sich das Schreiben-Sein: „Ich schreibe, um zu spüren, daß es mich gibt“,1 wie Dorette Müller formuliert hat. Beim Schreiben geht es darum, dass man die Welt als Sprache erfährt und in Sprache transponiert.2 Das Schreiben hat als eine Tätigkeit oft seinen Sinn ganz in sich selbst. Zum Beispiel, man notiert zwar beispielsweise im Tagebuch, was geschehen ist, aber es geht hier schließlich nicht nur darum, dass man es später nachlesen kann, sondern das Schreiben ist bereits deshalb sinnvoll im Vollzug, weil man dabei erfährt, wie eigene Gefühl und Gedanken intensiviert werden und sich klären.3 Außerdem hat das Schreiben nach Fritz Hermanns einen dem Schreibenden selbst meist verborgenen Sinn in der Zukunft. Man verändert sich selbst, indem man oft oder regelmäßig schreibt. Denn das Schreiben hinterlässt Spuren nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Seele und Geist des Schreibenden. Man bildet sich also durch das Schreiben. Daher entwickelt sich der Schreibende eine Fähigkeit und Gewohnheit, den eigenen Bewusstseinsstrom zu beobachten. Er selektiert eine geeignete Wahrnehmung für seine eigenen Gedanken und Formulierungen, die ihm beim Schreiben einfallen. Hier spricht man vom „lebensbegleitenden Schreiben“.4 Dies bietet dem Schreibenden die Möglichkeit an, sich über die Dinge und über sich selbst etwas klarer zu werden, und damit rational zu sein.
„Aus-sich-heraus-Schreiben als Versuch, sich von einem inneren Zustand freizuschreiben, bezeichnet eine Funktion des Schreibprozesses selbst, ohne Bezug auf das Produkt.“5 In dieser Hinsicht ist das Schreiben ein konzentrischer Prozess. Der Schreibende bemüht sich in einer immer kehrenden Gedanken-Bewegung darum, immer deutlicher zu werden, was er ausdrücken möchte.6 Denn erst während des Schreibens entstehen und reifen Gedanken und Ideen.
Im Allgemeinen hat das Schreiben vielfältige Funktionen. Normalerweise ist das Zeil des Schreibens eine schriftliche Äußerung (z. B. Briefe, Notizen und Berichte), die einen bestimmten Zweck erfüllt. „In diesem Fall geht die Funktion des Schreibens weitgehend in der des Produkts auf (Schreiben als Produkt). Dessen Verlust würde die gesamte eingesetzte Arbeit sinnlos machen.“7 Im Fremdsprachunterricht spielt das Schreiben als Prozess eine wichtige Rolle. Etwas Neues entsteht beim Schreiben, mit dem der Lernende sich ein Gedankengebäude in der Fremdsprache baut und es nach und nach ausstattet. Man spricht vom personalen Schreiben, bei dem der Lernende sich und den anderen etwas von sich selbst mitteilen. Daher muss sich der Lernende mit seiner eigenen Identität konfrontieren. Die begrenzten sprachlichen Möglichkeiten zwingen ihn dazu, dabei einfach zu formulieren, Komplexität auf das Wesentliche zu reduzieren. Aber das Risiko, missverstanden zu werden, bietet zugleich auch die Chance, verstanden zu werden.8 Dies erhöht die Motivation für das Schreiben in der Fremdsprache. Aus dieser Perspektive geht es beim Schreiben in der Fremdsprachunterricht in erster Linie nicht um den Text als Produkt, sondern um den Lernenden und den Text im Prozess des Entstehens.
Unter Beachtung linguistischer, psychologischer und pädagogischer Komponenten unterscheidet sich das Schreiben als die Zieltätigkeit von dem Schreiben als Mittlertätigkeit. Das Schreiben als Zieltätigkeit wird als eine Realisierungsform eines Systems normierter graphischer Mittel betrachtet. Das Schreiben als Mittel wird dagegen als eine grundliegende Form der Fähigkeitsentwicklung betrachtet, die auf besondere Art und Weise für den Erwerb einer sprachlichen Kompetenz von Bedeutung ist.9
Das Sprechen und das Schreiben sind zwei unterschiedliche Formen des Sprachverhaltens. Während als gesprochene Sprache diejenige anzusehen ist, die lautlich realisiert und akustisch aufgenommen wird, kann jede Art der Sprache als geschriebene Sprache bezeichnet werden, die graphisch fixiert und visuell aufgenommen wird. Unter Schreiben versteht man keineswegs nur den Prozess des Niederlegens von Gehörten. Die geschriebene Sprache weist eine funktional strukturell besondere Ausprägung der Sprache auf, deren Verwendung den schriftlichen Äußerungen in einer Sprachgemeinschaft entspricht und durch die Anforderungen der schriftlichen Kommunikation regelhaft bestimmt wird.10 Im Vergleich zur gesprochenen Sprache ist die geschriebene Sprache abstrakter, weniger situationsabhängig und überwindet Raum und Zeit. Sie erfolgt nach Planung und arbeitet nur mit sichtbaren Zeichen.
Die deutsche Schrift ist in eigener Kultur eng verknüpft „mit der Entwicklung von Ordnungsprinzipien. Sie setzt ein bewusstes, analytisches Verhältnis zur Sprache voraus und fördert dieses zugleich. Deutschlernende, die ein solches Sprachbewusstsein nicht aus der Muttersprache mitbringen, werden sich daher einerseits beim Schreiben in der Fremdsprache schwertun, andererseits wird gerade das Schreiben ihnen helfen, ein solches Sprachbewusstsein zu entwickeln.“11
Das Schreiben ist eine komplexe sprachliche Tätigkeit, die mit den anderen drei Sprachfähigkeiten und -fertigkeiten (Lesen, Hören und Sprechen) verknüpft ist. Beim Schreiben handelt sich um eine sprachliche und gedankliche Tätigkeit, die den gleichzeitigen Einsatz des Wortschatzes, der Grammatik, der Textkonstitution und der Kenntnisse jeweiligen Themas verlangt.12
Die Beziehungen zwischen Sprechen und Schreiben beruhen darauf, dass beides produktive Sprachtätigkeiten sind. Nach verschiedenen Untersuchungen lässt sich feststellen, dass das Schreiben die Entwicklung des Sprechens positiv beeinflusst und der Einfluss des Schreibens auf Sprechvorgänge größer als umgekehrt ist.13 Nach Hermann fördert das Schreiben die Ausbildung des Sprechens wegen seiner besonderen Affinität zum inneren Sprechen.
Die Beziehungen zwischen Lesen und Schreiben ergeben sich aus der gemeinsamen Gebundenheit an das graphische System einer Sprache. Lesen dient dabei als permanet begleitende Kontrollinstanz des Schreibens und macht Schreiben überhaput erst möglich.
Die Beziehungen zwischen Hören und Schreiben ergeben sich aus dem Zusammenwirken von verboakustischen und graphomotorischen Komponenten. Durch das Schreiben entwickelt sich ein phonematisches, strukturelles Gehör. Diese Fähigkeit differenziert sprachliche Einheiten mit bedeutungsunterscheidender Funktion und analysiert den Lautstrom auf eine schriftsprachliche Gliederung hin.14 Schriftliche Tätigkeiten beschleunigen den Prozess der Entwicklung des Sprechens, Lesens und Hörens durch die Verbreitung der Assoziationsbasis für die Beherrschung einer Fremdsprache.
Nach Portmann unterscheiden sich drei große schreibdidaktische Positionen, die die Entwicklung der Schreibdidaktik charakterisieren.
A. Direktive Ansätze
Direktive Ansätze sind stark steuernde, durch Vorgaben lenkende Ansätze und konzentrieren sich bei den Übungen auf vier Lernbereiche, die zu einer Schreibkompetenz führen: Laut-Buchstaben-Korrespondenzen, Orthografie, reproduktives und reproduktiv-produktives Schreiben, sowie freies Schreiben.15
Allerdings lässt sich zweifeln, ob der Übergang zum freien Schreiben tatsächlich durch solche Übungen bewerkstelligt werden könnte. Da es auch einzelne Hinweise, dass die Fähigkeit zum Schreiben sich nicht so sehr durch die Arbeit an solchen Schreibübungen ergibt.16 Die Schwäche des rein direktiven Ansatzes liegt darin, „daß die Übungen zum Schreiben auf Transformation oder Ergänzung von vorgegebenen Strukturen reduziert bleiben. Texte als Ganzes, die Eigenschaft von Texten, die Entstehung von Texten kommen dabei nicht in den Blick.“17 Allerdings in einer Progression des Schreibenlernens haben solche direktiven Übungen ihren berechtigten Platz.
B. Textlinguistische Ansätze
Im Mittelpunkt der textlinguistischen Ansätze steht die Frage, was einen Text zum Text macht. Daher wird die Struktur von Texten (z. B. pronominale Verkettungen, logische Verknüpfungen, Argumentationsmuster, Leserbezug usw.) analysiert und mit Hilfe der entsprechenden Schreibaufgaben eingeübt. Der textlinguistische Ansatz ist dem kommunikativ-didaktischen Ansatz verpflichtet: Wer schreibt wie für wen ?18 An der Textvorlage werden spezifisch Kenntnisse über Textqualität und Textkonstitution erarbeitet, die die Grundlage sowohl für Textverstehen als auch für Textproduktion bilden. Im textlinguistischen Ansatz werden solche textkonstituierenden Elemente herausgearbeitet und im Hinblick auf die Textproduktion gezielt geübt.
C. Prozessorientierte Ansätze
Bei den prozessorientierten Ansätzen handelt es sich um einen Perspektivenwechseln. Hier geht es nicht um das Produkt des Schreibens, sondern um den Prozess des Schreibens. „Schreiben besteht nicht aus der Summe von verschiedenen Teilfertigkeiten, sondern erfordert die (erfolgreiche) Organisation verschiedener Arbeitsprozesse. bei denen bereits vorhandene Wissensbestände (inhaltlicher und linguistischer Art) optimal genutzt werden, mit dem Ziel, einen (guten) Text zu produzieren.“19 Gleichzeitig wird derjenige, der den Text schreibt, im Schreibvorgang hervorgehoben. Man spricht deshalb von der Entdeckung des Schreibenden. Daher steht das Schreiben von eigenen Texten von Anfang an im Mittelpunkt der Schreibübungen. Es ist aber nicht zu verstehen, dass Teilfertigkeiten nicht geübt werden müssen. Im Gegenteil dienen die Übungen der Teilfertigkeiten unter dem Aspekt des prozessorientierten Schreibens dazu, die vorhandenen Wissensbestände zu erweitern, Schreibprozesse durchschaubar zu machen und das Schreiben selbst zu optimieren.
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1 Zitiert nach Häussermann/Piepho: Aufgaben-Handbuch, S. 381
2 Siehe Burger, H.: Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben, S. 102
3 Vgl. Heid, M. (Hrsg.): Die Rolle des Schreibens im Unterricht Deutsch als Fremdsprache, S. 29
4 Siehe Heid, S. 31
5 Zitiert nach Portmann, P.: Schreiben und Lernen, S. 189
6 Siehe Kast, B.: Fertigkeit Schreiben, S. 23
7 Zitiert nach Portmann, S. 189
8 Siehe Heid, S. 43
9 Siehe nach Heid, S. 58
10 Siehe Portmann, S. 223
11 Zitiert nach Heid, S. 16
12 Siehe Heid, S. 21
13 Vgl. Heid, S. 54
14 Vgl. Heid, S. 54f.
15 Vlg. Kast, S. 30
16 Siehe Portmann, S. 377
17 Zitiert nach Kast, S. 31
18 Siehe Kast, S. 31
19 Zitiert nach Kast, S. 33