Diese Arbeit bearbeitet die folgende Fragestellung: Was sind die Schlüsselereignisse vom Privatnotenbank hin
zum Zentralnotenbanksystem im Deutschland des 19ten Jahrhunderts? Die Beantwortung dieser Frage soll hierbei in drei Schritten erfolgen. Zunächst erfolgt ein kurzer Überblick über die Unzulänglichkeiten der Geld- und Währungsverhältnisse zu Beginn der industriellen Revolution in Deutschland. Das dient dazu, ein Verständnis für die Notwendigkeiten und die weitere Entwicklung hinsichtlich des Notenbanksystems zu schaffen. Im zweiten Schritt soll die Entstehung des Bankensystems und dabei insbesondere die der Notenbanken betrachtet werden.
Hier liegt der Fokus der Untersuchung schwerpunktmäßig auf dem Staat Preußen und der Etablierung der Preußischen Bank, weil aus dieser später die Reichsbank und damit die Zentralnotenbank des Deutschen Reiches hervorgehen sollte. Die Preußische Bank ist darüber hinaus deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie über den genannten Zeitraum, gefördert durch die Gesetzgebung des preußischen Staates, die bedeutendste Notenbank nicht nur in Preußen, sondern unter allen deutschen Staaten darstellte. Im Rahmen dieser Arbeit soll deswegen zum einen die Organisationsstruktur der Bank und zum anderen deren Geldpolitik anhand der sogenannten „Preußischen Bankordnung“ nachvollzogen werden.
Im dritten und letzten Abschnitt soll der Schritt von der Preußischen Bank hin zur Zentralbank untersucht werden. Denn mit der Gründung des Deutschen Reiches und der Etablierung einer gesamtdeutschen Zentralbank wurden die Zettelbanken obsolet. Auch hier lohnt sich ein Blick in die institutionellen Rahmenbedingungen in Form des Statuts der Reichsbank, da sich diese in wesentlichen Teilen an denen der Preußischen Bank orientierten und sich somit die verschiedenen Entwicklungsstufen vergleichen lassen. Hier liegt der Fokus ebenfalls auf der Organisation der Reichsbank und darüber hinaus auf den gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der privaten Notenbanken.
I NHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Geld und Banken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland
3. Die Gründung der Preußischen Bank
3.1 Aufbau und Organisation
3.2 Geldpolitik
4. Der Weg zur Zentralbank: Die Zettelbanken als Konkurrenz zur Preußischen Bank
4.1 Die Preußische Bank wird zur Reichsbank
4.2 Das preußische Modell als Vorbild für die Reichsbank
4.3 Das Ende der privaten Notenbanken
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur
1. Einleitung
Im Jahr 2020 ist der Euro das gesetzliche Zahlungsmittel in 19 von insgesamt 27 Staaten der Europäischen Union. Heutzutage scheint es nur schwer vorstellbar, dass jeder einzelne dieser 19 Staaten noch vor rund 20 Jahren jeweils über seine eigene Währung mitsamt eigenen Zentralbanken, Banknoten und Wechselkursen verfügte. Vertraut ist uns heute jedoch genauso wie damals die Idee, dass an der Spitze des Bankensystems, sei es in einem einzelnen Staat oder in einem Staatenverbund wie der EU, eine Zentralbank steht, deren Aufgabe es ist, die Geldpolitik zu steuern und die zudem das alleinige Recht auf Notenemission besitzt. Geht man von diesem heutigen Verständnis aus, so scheint es noch viel schwerer vorstellbar, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts allein in dem Gebiet, welches heutzutage die Bundesrepublik Deutschland umfasst, nicht nur eine Vielzahl von Staaten unterschiedlichster Größe, sondern fast ebenso viele Währungen in vielen dieser Klein- und Kleinststaaten existierten. Zieht man darüber hinaus noch in Betracht, dass im Gegensatz zu heute keine zentrale Notenbank, sondern viele private Kreditinstitute das Recht auf die Ausgabe von Banknoten, sogenannter „Zet- tel“1, besaßen wird schnell deutlich, welche beachtliche Entwicklung das gesamte monetäre System seit dem 19. Jahrhundert genommen hat.
Für die Entwicklung hin zu dem für uns heute so vertrauten System ist für Deutschland die Zeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis kurz nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 von besonderer Bedeutung, da sich innerhalb dieses Zeitraumes die entscheidenden Weichenstellungen hin zum modernen Finanzsystem ergaben. Zweifellos waren die Entwicklung der Notenbanken und der Banknote als Umlaufmittel für die Finanzierung der industriellen Revolution essenziell.2 Daraus resultiert für diese Arbeit die Folgende Fragestellung: Was sind die Schlüsselereignisse vom Privatnotenbank- hin zum Zentralnotenbanksystem im Deutschland des 19. Jahrhunderts ?
Die Beantwortung dieser Frage soll hierbei in drei Schritten erfolgen. Zunächst soll ein kurzer Überblick über die Unzulänglichkeiten der Geld- und Währungsverhältnisse zu Beginn der industriellen Revolution in Deutschland dazu dienen, ein Verständnis für die Notwendigkeiten und die weitere Entwicklung hinsichtlich des Notenbanksystems zu schaffen.
Im zweiten Schritt soll die Entstehung des Bankensystems und dabei insbesondere die der Notenbanken betrachtet werden. Hier liegt der Fokus der Untersuchung schwerpunktmäßig auf dem Staat Preußen und der Etablierung der Preußischen Bank, weil aus dieser später die Reichsbank und damit die Zentralnotenbank des Deutschen Reiches hervorgehen sollte. Die Preußische Bank ist darüber hinaus deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie über den genannten Zeitraum, gefördert durch die Gesetzgebung des preußischen Staates, die bedeutendste Notenbank nicht nur in Preußen, sondern unter allen deutschen Staaten darstellte.3 Im Rahmen dieser Arbeit soll deswegen zum einen die Organisationsstruktur der Bank und zum anderen deren Geldpolitik anhand der sogenannten „Preußischen Bankordnung“ nachvollzogen werden.
Im dritten und letzten Abschnitt soll der Schritt von der Preußischen Bank hin zur Zentralbank untersucht werden. Denn mit der Gründung des Deutschen Reiches und der Etablierung einer gesamtdeutschen Zentralbank wurden die Zettelbanken obsolet. Auch hier lohnt sich ein Blick in die institutionellen Rahmenbedingungen in Form des Statuts der Reichsbank, da sich diese in wesentlichen Teilen an denen der Preußischen Bank orientierten und sich somit die verschiedenen Entwicklungsstufen vergleichen lassen. Hier liegt der Fokus ebenfalls auf der Organisation der Reichsbank und darüber hinaus auf den gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der privaten Notenbanken.
2. Geld und Banken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellte in den deutschen Staaten vor allem das Münzgeld den Löwenanteil der Gesamtgeldmenge dar. Das Konzept der Banknote war zwar bekannt, allerdings erfüllte die Banknote damals eine andere Funktion als heute. Der entscheidende Unterschied bestand darin, dass das Papiergeld nicht als das eigentliche Geld, sondern als ein Zahlungsversprechen beziehungsweise als Urkunde angesehen wurde. Die Note berechtigte dazu, beim jeweiligen Geldinstitut den auf der Banknote angezeigten Betrag in Münzen ausgezahlt zu bekommen. Diese Münzen besaßen dann einen „echten“ materiellen Wert in Form eines Gold- oder Silberanteils.4 Zudem hatte die zersplitterte politische Landschaft dieser Zeit zur Folge, dass auf der einen Seite fast jeder Staat seine eigenen Münzen mit jeweils unterschiedlichem Gold- oder Silberanteil prägte und auf der anderen Seite die Staaten an ihren Grenzen Zölle erheben konnten. Die Folgen waren zum einen, dass die Bewertung des Münzgeldes erschwert und zum anderen der Handel durch die vielen Zölle behindert wurde.5 Folglich waren die Entwicklung des Bankwesens und des Papiergeldes in Deutschland nur schwach ausgeprägt.
Diese Situation änderte sich jedoch ab den 1830er Jahren bedingt durch die einsetzende industrielle Revolution und durch die Gründung des Deutschen Zollvereins. Der Zollverein war ein Zusammenschluss von 18 deutschen Staaten im Jahr 1833. Dieser Zusammenschluss bewirkte, bedingt durch den nun freien Warenverkehr, ein Aufblühen des Handels unter den Staaten des Zollvereins.6 Diese Entwicklung hatte Auswirkungen auf das Geldwesen, weil die Menge des Münzgeldes, welches auf Gold oder Silber basierte, aufgrund der natürlichen Knappheit dieser Ressourcen nicht in beliebigem Maße ausgedehnt und somit an den steigenden Kapitalbedarf angepasst werden konnte. Die Banknote stellte in dieser Situation ein adäquates Mittel dar, die drohende Geldknappheit zu überwinden. Denn erfahrungsgemäß musste nicht die gesamte Menge an ausgegebenen Banknoten durch Gold- oder Silbermünzen gedeckt sein. In der Theorie war es so möglich, die Geldmenge deutlich zu erweitern.7 Da dies jedoch nur einen reinen Erfahrungswert darstellte und nicht zweifelsfrei zu belegen war, entwickelten sich mit der Banking- und der Currency-Theorie diesbezüglich zwei verschiedene Denkrichtungen. Diese Lehrmeinungen entwickelten sich im angelsächsischen Raum, vor allem in England, wo die industrielle Revolution bereits früher eingesetzt hatte und dementsprechend die Entwicklung von Notenbanken deutlich weiter ausgeprägt war als in Deutschland.
Auf der einen Seite gingen die Anhänger der Currency-Theorie davon aus, dass Banknoten wie die Münze als Geld anzusehen sei und daher nahezu vollständig durch Edelmetall in Form von Gold oder Silber gedeckt sein musste. Bei einer Emission von Banknoten, die über die Edelmetalldeckung hinaus ging, wurde eine Entwertung der umlaufenden Banknoten und damit eine Inflation befürchtet.8 Die Anhänger der Banking-Theorie auf der anderen Seite sahen in einer höheren Ausgabe von Banknoten kein Inflationspotential, da nach dieser Theorie die Banknoten als Kreditmittel angesehen wurden. Dementsprechend konnten Banknoten nicht nur durch Gold- oder Silber, sondern auch anderweitig, zum Beispiel durch einen kurzfristigen Warenlieferungskredit wie den Handelswechsel gedeckt sein.9 Die Geldmenge war nach dieser Theorie abhängig vom Wirtschaftswachstum beziehungsweise der Wirtschaftsaktivität.
Die Debatte zwischen diesen beiden Denkrichtungen hatte auch Einfluss auf das deutsche Notenbanksystem. Denn in Preußen bestand die dringende Notwendigkeit, eine leistungsfähige Bank zu errichten, da sich besonders im preußischen Staatsgebiet frühe Zentren der industriellen Revolution befanden, die sich, bedingt durch den Eisenbahnbau immer schneller entwickel- ten.10 Der preußische Staat reagierte auf diese Entwicklung, indem er im Jahr 1846 die Preußische Bank gründete, die sich grundsätzlich an den beiden Theorien orientierte.
3. Die Gründung der Preußischen Bank
Die Preußische Bank wurde im Jahr 1846 gegründet und nahm am 01.01.1847 ihre Geschäfte auf. Als Nachfolgerin der Königlichen Giro- und Lehnbanco, die nicht mehr in der Lage gewesen war, den wachsenden Erforderlichkeiten gerecht zu werden, wurde diese von einer rein staatlichen in eine öffentlich-rechtliche Bank umgewandelt.11 Laut der Preußischen Bankordnung von 1846 sollte die Preußische Bank folgende Aufgaben übernehmen: „ §. 1. (Zweck der Bank.) Die Bank ist bestimmt, den Geld-Umlauf des Landes zu befördern, Kapitalien nutzbar zu machen, Handel und Gewerbe zu unterstützen und einer übermäßigen Steigerung des Zinsfußes vorzubeugen. “12 Um diese Aufgaben effektiv umsetzen zu können, musste die Bank mit einer entsprechend breiten Kapitalbasis ausgestattet sein.
Der Staat Preußen war jedoch nicht in der Lage, die enorme Geldmenge selbst bereitzustellen. Aus diesem Grund wurden bei der Neugründung der Bank private Investoren beteiligt.13 14 Zum Zweck der Kapitalbeschaffung wurden Anteile der Bank in Form von Aktien ausgegeben. Das Gesamtvolumen der ersten Aktienemission betrug dabei „ zehn Millionen Thaler, welche in zehn Tausend Antheile, jeder zu Tausend Thaler eingeteilt und baar in preußischem Silbergelde [...] zu den Kassen der Bank einzuzahlen sind.“[1]
[...]
1 Ziegler, Dieter: Art. Zettelbank, in: Von Aktie bis Zoll: Ein historisches Lexikon des Geldes (1995), S.439-440.
2 Pohl, Hans: Das deutsche Bankwesen (1806-1848), Frankfurt am Main 1982 (Deutsche Bankengeschichte, 2), S.76 (Im Folgenden zitiert als: Pohl, Hans: Das deutsche Bankwesen (1806-1848).
3 Pohl, Manfred: Die Entwicklung des deutschen Bankwesens zwischen 1848 und 1870, Frankfurt am Main 1982 (Deutsche Bankengeschichte, 2), S.156 (Im Folgenden zitiert als: Pohl, Manfred: Die Entwicklung des deutschen Bankwesens zwischen 1848 und 1870).
4 Born, Erich: Art. Banknote, in: Von Aktie bis Zoll: Ein historisches Lexikon des Geldes (1995), S.41.
5 Sprenger, Bernd: Harmonisierungsbestrebungen im Geldwesen der deutschen Staaten zwischen Wiener Kongreß und Reichsgründung, in: Schremmer, Eckart (Hrsg.): Geld und Währung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993, S. 122. (Im Folgenden zitiert als: Sprenger: Harmonisierungsbestrebungen im Geldwesen).
6 Sprenger, Bernd: Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart, Paderborn 1995, S. 159 (Im Folgenden zitiert als: Sprenger: Das Geld der Deutschen).
7 Pohl, Hans: Das deutsche Bankwesen (1806-1848), S77.
8 Thier, Andreas: Die Gründung der Königlichen Giro- und Lehnbanco 1765. Preußen im Übergang zur hoheitlich kontrollierten Notenbankpolitik, in: Lindenlaub, Dieter; Burhop, Carsten; Scholtyseck, Joachim (Hrsg.): Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte, Stuttgart 2013, S. 71 (Im Folgenden zitiert als: Thier: Die Gründung der Königlichen Giro- und Lehnbanco).
9 Ebenda.
10 Born, Erich: Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1976, S. 29 (Im Folgenden zitiert als: Born: Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert).
11 Born: Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 30.
12 Preußische Bank-Ordnung, Berlin 1846, online veröffentlicht von der Bayerischen Staatsbibliothek, Permalink: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10290406-
4, abgerufen am 30.03.2020, S. 3 (Im Folgenden zitiert als: Preußische Bank-Ordnung 1846).
13 Ziegler, Dieter: Der ”Latecomer” lernt. Der ”Peel‘s Act” und die preußische Währungsgesetzgebung im Zeitalter der Industrialisierung, in: Pionier und Nachzügler? Vergleichende Studien zur Geschichte Großbritanniens und Deutschlands im Zeitalter der Industrialisierung, Bochum 1995, S. 84. (Im Folgenden zitiert als: Ziegler: Der ”Latecomer” lernt.).
14 Preußische Bank-Ordnung 1846, S. 6.